Nonduales Heilen (eBook)
376 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-42114-1 (ISBN)
1.Kapitel: Wege der Heilung
Ein erhellender Unfall
In meiner Jugend interessierte ich mich so ziemlich für alles. Für alles, mit Ausnahme des Schulunterrichtes. Ich besuchte ein altehrwürdiges Gymnasium, bei dem neben dem Lehrstoff auch der Dünkel des Besonderen in täglichen Dosen verabreicht wurde. Während Kumpels aus meiner Fußballmannschaft schon frühmorgens an der Werkbank standen und ihre Handwerkerlehren absolvierten, saß ich die meiste Zeit gelangweilt auf viel zu kleinen Stühlen im Unterricht und fragte nach dem Sinn des Ganzen. Ich verstand überhaupt nicht, warum eine gymnasiale Schullaufbahn gesellschaftlich betrachtet höherwertiger sein sollte als eine Handwerksausbildung oder irgendein anderer Beruf. Für mich gehörte alles zusammen, war gleichwertig und das elitäre Gehabe mancher Lehrer ging mir ziemlich auf die Nerven. Den angebotenen Lehrstoff empfand ich zwar als nicht besonders schwer zu erlernen, aber größtenteils als sinnlos. Alles schien in Stein gemeißelt - erwiesene Wahrheiten, die der brave Schüler nur zu lernen und wiederzugeben hatte. Eigenständigkeit und kritisches Denken waren nicht gefragt, schon gar nicht, wenn es den Lehrstoff betraf.
Einmal geriet ich diesbezüglich in einen Disput mit meinem Mathematiklehrer. Wir nahmen die Potenzrechnung durch und ich war der Meinung, dass daran etwas nicht stimmen könne. In der Mathematik ist es bekanntlich so, dass bei jeder Potenzierung der Zahl Null das Ergebnis immer Eins ist. Ich fragte also meinen Lehrer, wie es sein könne, dass die Potenz von NICHTS ETWAS ergeben könne. Ich erhielt einen inquisitorischen Blick, der den Ketzer brandmarken sollte, sowie die lapidare Antwort, das sei eben in der Mathematik so und ich solle den Mund halten.
Er erklärte mir nicht, dass die Mathematik auf Abmachungen beruhte und ohne die Axiome das ganze mathematische Konzept nicht funktionieren könne. Er erklärte mir auch nicht, dass die Mathematik nur ein Hilfsmittel ist, um die Welt modellhaft erklären zu können und keine unumstößliche Wahrheit darstellt. Er erklärte mir das alles nicht, weil er es wahrscheinlich selbst nicht wusste und nur weitergab, was er selbst brav erlernt hatte, ohne es zu hinterfragen.
Als dermaßen ausgebremster Schüler packte mich bei solchen Antworten immer die Wut, die sich bei mir nicht nach außen, sondern nach innen entlud. Da das genannte Beispiel leider kein Einzelfall war, traf mein erwachender jugendlicher Geist auf sich täglich wiederholende stumpfe Abfragerituale, die mich ständig gegen die Wand laufen ließen. Gezwungenermaßen in Strukturen gepresst, die ich als sinnlos empfand wuchs meine innere Renitenz. Ich war der klassische Underachiever - ein Begriff aus der Lernforschung - der leistungsmäßig unter seinen Möglichkeiten bleibt, weil seine Begabung nicht in die angebotenen Strukturen passt. Die meiste Zeit saß ich grollend im Unterricht und improvisierte mich durch die letzten Schuljahre und schließlich durchs Abitur. Erst Jahre später wurde mir bewusst, wie stark diese innere Wut meine Jugend begleitet hatte und auch mein weiteres Leben prägte.
An einem Freitag fuhr ich nach Schulschluss auf meinem alten Mofa nach Hause. Für mich war das immer der beste Moment, wenn ich wieder eine Schulwoche hinter mir lassen konnte. Längst hatte sich mein Interesse auf außerschulische Aktivitäten verlagert. Für Sport jeglicher Art konnte ich mich sehr begeistern, vorrangig spielte ich intensiv Fußball. Ich knatterte also frohen Mutes nach Hause und freute mich schon auf das abendliche Abschlusstraining zur Vorbereitung auf ein wichtiges Spiel, das am Sonntag stattfinden sollte. Auf halber Strecke schoss plötzlich ein Auto aus einer Hofeinfahrt heraus. Das geschah so unerwartet, dass ich nicht ausweichen konnte und ich knallte mit meinem rechten Schienbein gegen die Stoßstange des Wagens. Damals besaßen Autos noch schöne hartverchromte Stoßstangen, was dazu führte, dass sich die gesamte Aufprallenergie in meinem rechten Bein entlud. Ich stürzte, mein Bein tat augenblicklich höllisch weh, aber ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: ich kann am Sonntag nicht spielen! Der erschrockene Autofahrer bot mir sofort an, mich zum Arzt zu fahren, aber ich winkte nur ab, murmelte etwas von „nicht so schlimm“, setzte mich auf mein Mofa und fuhr weiter. Außer Sichtweite hielt ich an und untersuchte mein Bein. Das Horn der Stoßstange hatte sich zwischen Schien- und Wadenbein eingegraben und dort einen imposanten Abdruck hinterlassen. Ich versuchte meinen Fuß zu bewegen, was unter starken Schmerzen gelang. Intuitiv wusste ich, dass nichts gebrochen war, aber das war nur ein schwacher Trost. Das Spiel am Sonntag konnte ich abhaken.
Dann kam die Wut. So stark, wie der Schmerz in meinem Bein pochte, so bahnte sich die Wut in Oberkörper und Kopf ihren Weg. Ich war wütend auf den Autofahrer, aber nicht minder auf mich selbst, weil es mir nicht gelungen war, auszuweichen. Ich war aber auch wütend auf alles andere, auf die Schule, das Leben, die Umstände, die mich immer wieder ausbremsten. Ich saß am Straßenrand und kochte innerlich. In dieser Verfassung verharrte ich einige Minuten, doch irgendwann kam eine entscheidende Wende: auf dem Siedepunkt meiner Wut kippte plötzlich meine Stimmung des Lamentierens und ich entschloss mich, alles zu unternehmen, um am Sonntag spielen zu können. Damals wusste ich noch nicht, dass die konstruktive Schwester von Wut Entschlossenheit heißt, aber in diesem Moment lernte ich es.
Der Schmerz wummerte stetig ansteigend in meinem Bein, doch ich fuhr die restlichen fünf Kilometer nach Hause. Vor meiner Mutter spielte ich die Sache herunter, denn ich wusste, dass dann Arztbesuch und Röntgen anstanden. Das wollte ich auf keinen Fall und ich verzog mich in mein Zimmer, untersuchte mein inzwischen stark geschwollenes Bein, versuchte es zu kühlen, alles vergebens: bis zum Abend verstärkte sich der Schmerz weiter in Richtung Fuß und Knie und machte diese unbeweglich. Ich besaß damals schon eine gewisse Erfahrung mit Sportverletzungen. Im Umgang mit einer Bänderdehnung, Prellung etc. wendete ich immer intuitiv folgende Technik an: ich legte mich still auf mein Bett, bewegte mich absolut nicht und fühlte in die betroffene Körperpartie hinein. Ich versuchte den Übergang von gesundem zu verletztem Gewebe zu erfühlen und begann dann, den verletzten Teil langsam aufzulösen und zu normalisieren, indem ich mich Stück für Stück hinein fühlte. Mit Hilfe dieser Methode heilten meine Sportverletzungen stets sehr schnell ab. Mit derselben Technik machte ich mich daran, mein Bein zu heilen. Gleichzeitig stellte ich mir vor, wie ich am Sonntagmorgen zum Spiel einlief.
Doch am Samstagmorgen war alles noch schlimmer geworden. Mein Unterschenkel schimmerte in allen Regenbogenfarben und der Schmerz war kaum auszuhalten. Das war ernüchternd. Realistisch betrachtet, war mein Bein mindestens zwei Wochen nicht einsatzbereit. Der Zweifel versuchte die Oberhand zu gewinnen und ich bemerkte, wie parallel der Schmerz weiter zunahm. Entschlossen widerstand ich der Versuchung mich meinem Schicksal zu ergeben und arbeitete verbissen mit meiner Technik an der Heilung. Außerdem holte ich mir immer wieder das innere Bild vor Augen, das mich beim Fußballspielen am Sonntag zeigte. Den ganzen Samstag verbrachte ich auf diese Weise, doch der Erfolg meiner Bemühungen war marginal. Ich konnte mein Bein unterhalb des Kniegelenks nicht bewegen, der Schmerz verringerte sich nicht und am Abend hatte ich keinen Fortschritt erzielt. Dennoch blieb ich bei meiner Haltung, denn ich hatte ja noch eine Nacht, um das Problem in den Griff zu bekommen.
Um vier Uhr morgens wachte ich dann auf und versuchte durch mein Zimmer zu gehen. Es ging nicht, die Schmerzen waren immer noch zu stark. Das Spiel sollte um 10.00 Uhr stattfinden. Keine Chance. Jetzt gab ich auf. Enttäuscht legte ich mich wieder schlafen und fand mich schweren Herzens mit der Tatsache ab, dass ich das Spiel verpassen würde.
Dann kam die Überraschung. Als ich um 8.00 Uhr aufwachte, war der Schmerz weg! Mein Bein kribbelte und fühlte sich noch etwas taub an, aber ich konnte alles bewegen. Um 10.00 Uhr trat ich zum Spiel an und konnte das ganze Match bestreiten.
Auch heute, über fünfundvierzig Jahre später, ist der geschilderte Ablauf in meiner Erinnerung präsent geblieben. Ich habe damals zwei entscheidende Hinweise für mein Leben erhalten. Der erste Hinweis lautete: Gib niemals auf! Niemals, auch nicht in aussichtslosen Situationen! Kämpfe und gib dein Bestes! Der zweite Hinweis lautete: Gib auf! Wenn Du wirklich alles unter größter Bemühung getan hast, dann gib auf! Wie dieses Paradoxon verstanden werden kann, werde ich in diesem Buch erläutern.
Fluch und Segen
Zehn Jahre später lag mein bis dahin gelebtes Leben in Trümmern. Ich hatte mich nach einigen Jahren an der Universität ernüchtert gegen eine akademische Laufbahn entschieden und wollte stattdessen meine Vorstellungen eines eigenständigen Lebens verwirklichen. Dafür zog ich aus dem Landkreis Offenbach, wo ich aufgewachsen war, nach...
Erscheint lt. Verlag | 8.11.2021 |
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Verlagsort | Ahrensburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | Alternativ-Medizin • Burnout-Medizin • chronische Erkrankungen ausheilen • Energie-Medizin • ganzheitliche Medizin • Komplementär-Medizin • Naturheilkunde • Stress-Erkrankungen • Volksmedizin |
ISBN-10 | 3-347-42114-0 / 3347421140 |
ISBN-13 | 978-3-347-42114-1 / 9783347421141 |
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