Randvoll mit Glück (eBook)

Ein berührender Roman über das Down-Syndrom, Patchworkfamilien und echte Freundschaft

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
352 Seiten
cbj Kinder- & Jugendbücher (Verlag)
978-3-641-27781-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Randvoll mit Glück -  Monika Feth
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»Amys Eltern sagten immer, sie sei ein besonderes Kind. Das fand Amy auch. Nur besondere Menschen wohnen in einem Schloss.«
Es gibt Schlimmeres, als in einem Schloss zu wohnen, behauptet Suris Mutter. Doch Suri und ihre Brüder Bjarne und Erik sehen das anders. Das Schloss steht auf dem platten Land und der Schlossverwalter ist der Freund der Mutter, mit dem sie dort zusammenleben sollen. Dass er eine Tochter hat, macht die Sache nicht einfacher, denn Amy ist ziemlich speziell. Sie ist die Einzige, die sich wie verrückt darauf freut, Teil einer großen Patchworkfamilie zu sein. Aber zunächst sieht es nicht so aus, als würde ihr Wunsch sich erfüllen ...

Eine Geschichte über das Anderssein, Freundschaft und Patchworkfamilien, erzählt aus der Sicht von Amy, einem Mädchen mit Downsyndrom, und Suri, ihrer Stiefschwester, von der SPIEGEL-Bestsellerautorin Monika Feth

Monika Feth wurde 1951 in Hagen geboren, arbeitete nach ihrem literaturwissenschaftlichen Studium zunächst als Journalistin und begann dann, Bücher zu verfassen. Heute lebt sie in der Nähe von Köln, wo sie vielfach ausgezeichnete Bücher für Leser aller Altersgruppen schreibt. Der sensationelle Erfolg der »Erdbeerpflücker«-Thriller machte sie weit über die Grenzen des Jugendbuchs hinaus bekannt. Ihre Bücher wurden in mehr als 24 Sprachen übersetzt.


Kapitel 1

Kapitel 1

Manche Ereignisse fingen so harmlos an, dass man später kaum sagen konnte, wann und wie genau sie ins Rollen gekommen waren. Das hatte Suri schon oft erfahren.

»Das Leben ist ein Flickenteppich«, sagte Opa manchmal, wobei er nachdenklich nickte. »Aus den unterschiedlichsten Schnipseln zusammengesetzt.«

Doch er sprach nie darüber, wer diesen Teppich knüpfte. Und wie es bei den Milliarden von Menschen auf der Welt überhaupt möglich war, dass jeder Einzelne seinen eigenen Lebensteppich besaß.

Suri fragte sich, wie ihrer wohl aussehen mochte. Bunt, glaubte sie. In unzähligen strahlenden, zauberschönen, aber auch sanften, gedeckten, dunklen Farben.

Und sie zerbrach sich vergeblich den Kopf darüber, aus welchem Grund dem einen ein großer, prächtiger Lebensteppich zufiel und dem andern ein schmales, blasses, fadenscheiniges Exemplar.

Welche Erklärung gab es dafür, dass der kleine Miro aus der Nachbarschaft mit drei Jahren von einem Auto überfahren wurde, während der alte Herr Schwitters, der in den Abendstunden verwirrt durch die Straßen geisterte, gerade seinen zweiundneunzigsten Geburtstag gefeiert hatte?

Ein Flickenteppich.

Und jede einzelne Situation, jedes noch so unwichtig erscheinende Ereignis wurde darin verwoben.

Jedes.

• • •

Einmal hatten sie beim Essen über ihre Namen geredet.

»Was bedeutet eigentlich Bjarne?«, fragte Bjarne damals aus heiterem Himmel.

»Der Name kommt aus dem Dänischen und Norwegischen«, antwortete Mama geistesabwesend. Auf dem Stuhl neben ihr summte ihr Handy und sie schielte unauffällig auf das Display.

»Cool!«

Bjarne stopfte sich eine halbe Sandwichscheibe in den Mund und kaute wie ein Hamster mit vollen Backen.

»Er bedeutet Fresssack«, behauptete Erik grinsend.

Bjarne boxte ihn auf den Arm.

»Erik«, ging Mama dazwischen. »Hör auf, deinen Bruder zu provozieren.«

»Was bedeutet der Name denn wirklich?«, kehrte Bjarne zum Thema zurück.

»Bär«, sagte Mama und warf Erik einen warnenden Blick zu. »Außerdem steckt darin brun, ein altes deutsches Wort für Braun

»Brauner Bär.«

Bjarne stopfte sich die zweite Sandwichhälfte in den Mund. Er schien mit der Erklärung sehr zufrieden zu sein. »Kraft. Größe. Stärke. Wow.«

»Und mein Name?«, erkundigte sich Erik.

»Ist ebenfalls nordisch und heißt Alleinherrscher

Mama hatte offensichtlich keine Lust auf das Thema. Ihr Handy meldete sich erneut, und sie überflog die Nachricht, was den Kindern während der Mahlzeiten streng verboten war.

Diese beantwortete sie sofort. Ihre Daumen flogen nahezu über die Tasten.

»Das hätte unser Alleinherrscher wohl gerne«, spottete Bjarne. »Dass sich alle beeilen, seinen Befehlen zu gehorchen.«

»Blödmann«, murmelte Erik und widmete sich konzentriert seinem dreistöckigen Leberwurst-Schmierkäse-Ketchup-Sandwich.

Mama beäugte das Kunstwerk und kräuselte angewidert die Lippen. Sie hielt Erik ein Stück Paprika hin, das er mit einem knappen Kopfschütteln ablehnte.

»Und was ist mit meinem Namen?«, fragte Suri neugierig.

Seltsam, dass ihre Vornamen nie Thema gewesen waren.

Mama runzelte nachdenklich die Stirn.

»Warte mal …«

Klar, dass ihr dazu nichts einfiel. Dass sie erst lange nachdenken musste. Suri hatte nichts anderes erwartet. Trotzdem war sie enttäuscht. Immer ging es um Bjarne und Erik.

Immer, immer, immer.

»Ach«, Mama tippte sich an die Stirn, »natürlich! Jetzt weiß ich es wieder. Mit dir ist das komplizierter.«

»Logisch«, stöhnten Bjarne und Erik wie aus einem Mund.

»In Indien kommt der Name von Göttin. Im Arabischen bedeutet er … Augenblick … ja, Sonnenaufgang, im Persischen rote Rose und in Japan – entschuldige vielmals, Schatz – Taschendieb

Die Brüder wieherten vor Lachen. Mama beugte sich erneut über ihr Handy.

Suri fragte sich, wie man seiner Tochter bloß einen Namen geben konnte, der Taschendieb bedeutete.

»Äußerst witzig«, sagte sie und schob ihren Stuhl zurück. »Ein echter Brüller.«

Mama sah abwesend auf.

»Du hast noch nicht zu Ende …«

»Keinen Hunger.«

Ihr war der Appetit vergangen. Schnell lief sie die Treppe hoch und in ihr Zimmer. Sie warf sich aufs Bett, starrte an die Decke und träumte sich woandershin.

• • •

Suri heißt Sonnenaufgang, hatte sie damals in ihr Tagebuch geschrieben. Rote Rose. Und Göttin.

Den Taschendieb hatte sie unterschlagen.

• • •

Manchmal fiel ihr alles auf die Nerven. Das ganze Leben, von dem sie sich häufig ungerecht behandelt fühlte.

Bjarne war dreizehn und blödsinnig stolz darauf, der Älteste zu sein. Sie selbst war gerade zwölf geworden, Erik elf.

Ihre Rangordnung innerhalb der Familie war klar: Suri belegte den undankbaren Platz zwischen dem heiß geliebten Erstgeborenen und dem verhätschelten Jüngsten.

Braunbär. Alleinherrscher.

Zwischenkind.

Das sagte doch alles.

• • •

Ab und zu wünschte sie sich, sie könnte ein bisschen sein wie Bjarne und ein bisschen wie Erik. Vielleicht würde sie dann leichter Platz in sich selbst finden. Und glücklicher sein.

Das war sie nämlich schon lange nicht mehr gewesen, glücklich. Genau genommen nicht mehr, seit Papa ausgezogen war.

Nicht mehr richtig glücklich.

Nicht mehr so, dass ihr Glück fast überschwappte.

Glück hielt sich nicht lange. Es verging in dem Moment, in dem man es bemerkte. Verglühte wie ein Funke in der Luft.

»Du kannst das Glück nicht festhalten«, hatte Opa einmal gesagt, und er musste es wissen, denn er hatte es verloren, als Oma gestorben war.

Seitdem zitterte die Luft um ihn herum an manchen Tagen vor Traurigkeit.

Auch sein Haus war traurig. Meistens waren die Rollos runtergelassen und er saß im Dämmerlicht des Wohnzimmers und dachte nach.

»Über Gott und die Welt«, sagte er.

Dabei hatte er die Kirche am Tag von Omas Beerdigung das letzte Mal betreten. Und in die Welt ging er höchstens, um einzukaufen.

Opa war Papas Vater. Er war bei Papas Geburt bereits ziemlich alt gewesen. Mittlerweile hatte er feines weißes Haar, das im Luftzug wehte wie Feenhaar.

Er sprach nie über die Trennung der Eltern und nicht über Mamas Besuche. Das Foto, auf dem Mama unter einem fröhlichen Strohhut in die Kamera lachte, stand immer noch in seinem Regal.

• • •

Wär das Glück geblieben, wenn die Eltern sich nicht hätten scheiden lassen?

Das fragte Suri sich oft.

• • •

»Du bist ein Trauerkloß«, hatte Bjarne ihr vor Kurzem vorgeworfen. Dabei war er selbst nicht halb so lässig, wie er tat. Nachts konnte Suri ihn manchmal in seinem Zimmer schluchzen hören und am Morgen hatten seine Augen rote Ränder.

Denn Papa war nicht nur ausgezogen.

Er hatte auch eine neue Frau. Und die erwartete ein Baby.

Das hatte Suri endgültig die Hoffnung genommen, es würde je wieder sein, wie es früher gewesen war.

»Quatsch«, sagte Bjarne, der nicht bereit war, Papa aufzugeben. »Wer drei Kinder verlässt, kann locker ein viertes verlassen. Und zurückkommen. Wo ist das Problem?«

Suri hielt das für logisch, jedoch nicht für wahrscheinlich.

• • •

Papas neue Frau hieß Miranda. Sie war Yogalehrerin und unterrichtete in einem Studio in der Stadt. Wäre sie nicht Papas neue Frau gewesen, hätte Suri sie vielleicht sogar ganz nett gefunden.

Aber sie war Papas neue Frau, und Suri hatte ein hässliches Gefühl in der Magengrube, wenn sie beobachtete, wie zärtlich er Miranda anguckte, wie liebevoll er sie anlächelte und über ihren gewölbten Bauch strich, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.

Jedes zweite Wochenende sollten Suri, Bjarne und Erik bei ihrem Vater verbringen. Das hatte das Gericht entschieden. Doch es machte ihnen keinen Spaß, weil sie Papa selten für sich allein hatten.

Miranda klebte an ihm wie ein Schatten. Ein paarmal hatte Bjarne schon behauptet, krank zu sein. Bloß, um nicht mitfahren zu müssen.

Erik erwähnte Miranda oder das Baby selten oder nie. Er behielt seine Gedanken meistens für sich. Erik war kein großer Redner. Er steckte die Nase lieber in Bücher über Raumfahrt, das All und die Sterne. Suri wäre nicht überrascht, wenn er einmal Forscher werden und eine zweite Erde entdecken würde.

Und Mama?

Irgendwann hatte das Streiten mit Papa aufgehört. Irgendwann hatte sie angefangen, ab und zu allein auszugehen.

Dann hatte sie sich in Klaas verliebt.

Und ihn nach einiger Zeit zum Abendessen eingeladen, damit er ihre Kinder kennenlernen konnte. Und sie ihn.

Zu fünft hatten sie zusammen in der Küche gesessen. Wie früher. Nur dass der Mann am Tisch nicht Papa gewesen war, sondern ein Fremder.

Keiner hatte viel geredet, außer Mama. Sie hatte unentwegt eine Haarsträhne um ihren Finger gewickelt, was sie immer tat, wenn sie nervös war.

Klaas dagegen war die Ruhe selbst gewesen....

Erscheint lt. Verlag 21.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte 2022 • ab 10 • Das blaue Mädchen • Der Erdbeerpflücker • Diversity • Down Syndrom • Down Syndrom Buch Kinder • eBooks • Empowerment • Ermutigung • Geschwister • Inklusion • Kinderbuch • Kinderbücher • mit Unterrichtsmaterial • Neuerscheinung • Patchwork Familie Buch Kinder • Schullektüre • simpel • Spiegelbestsellerautorin • Trennung • Trisomie 21 • Wunder • Zusatzmaterial
ISBN-10 3-641-27781-7 / 3641277817
ISBN-13 978-3-641-27781-9 / 9783641277819
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