Im Bann des Adlers (eBook)

Spiegel-Bestseller
Historischer Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
1056 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-22474-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Im Bann des Adlers -  Daniel Wolf
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Friesland 1390: Der 21-jährige Folkmar Janns Osinga ist Schiffszimmermann mit Leib und Seele. Gemeinsam mit seinem Vater Jann baut er begehrte Koggen, das Unternehmen der Familie floriert. Als Folkmar die junge, kluge Almuth kennenlernt, scheint sein Leben perfekt. Doch dann wird er Opfer einer perfiden Intrige: Des Mordes bezichtigt, muss Folkmar fliehen, sowohl Almuth als auch seiner Heimatstadt den Rücken kehren. Verzweifelt versucht er, seine Unschuld zu beweisen. Seine Lage ist hoffnungslos - bis er den Vitalienbrüdern begegnet und sich den berüchtigten Piraten anschließt ...

Daniel Wolf ist das Pseudonym von Christoph Lode. Der 1977 geborene Schriftsteller arbeitete zunächst u.a. als Musiklehrer, in einer Chemiefabrik und in einer psychiatrischen Klinik, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Mit den historischen Romanen um die Händlerfamilie Fleury, »Das Salz der Erde«, »Das Licht der Welt«, »Das Gold des Meeres« und »Die Gabe des Himmels«, gelang ihm ebenso der Sprung auf die Bestsellerlisten wie mit den zwei Bänden der Friesensaga »Im Zeichen des Löwen« und »Im Bann des Adlers«. Der Autor lebt in Speyer. Weitere Titel von Daniel Wolf sind bei Goldmann in Vorbereitung.

Prolog


WARFSTEDE, 1386


Almuth reckte den Hals, doch der Bucklige war nirgends zu sehen.

Sie stand auf dem The, dem staubigen Platz vor dem Schankhaus, wo Händler in der Morgensonne Bier, Sommergemüse und Messerklingen feilboten. Sie spähte zum Steinhaus, dessen feuerrote Mauern die Reetdächer ringsum überragten. Es stank nach Fisch, Dung und Torfrauch. In jedem Marschdorf, das sie mit ihrem Vater besuchte, stank es nach Fisch, Dung und Torfrauch.

Almuth Gerts war erst vierzehn Jahre alt, doch sie hatte schon viele Missgestaltete gesehen. Sie kauerten in Kirchhöfen und finsteren Ecken – bemitleidenswerte Gestalten, die um Almosen betteln mussten, weil sie von ihren Familien fortgejagt worden waren. Wen Gott mit lahmen Gliedern, Zwergenwuchs oder Blindheit geschlagen hatte, der war kaum besser dran als ein Aussätziger und zu einem elenden Dasein in Schmutz und Einsamkeit verurteilt. Noch nie hatte Almuth von einem Verwachsenen gehört, der kostbare Kleider trug und in einer steinernen Burg wohnte.

Aber das war längst nicht alles, was man sich über den Buckligen von Warfstede erzählte. Abbe Wilken Osinga, so sagte man, sei trotz seiner Missbildungen ein reicher Mann und stehe dem Kirchspiel als Richter vor. Eine der vielen wundersamen Geschichten, die sie über die Familie Osinga gehört hatte.

All das kitzelte ihre Neugier. Sie wollte dieses ungewöhnliche Geschöpf unbedingt sehen.

»Hör auf zu träumen und hilf mir«, sagte ihr Vater.

Gert Ulfferts handelte mit Friesensalz und reiste im Sommer von Marktflecken zu Marktflecken, während Almuths Mutter zu Hause Hof und Vieh hegte. Die Familie lebte zwei Tagesmärsche entfernt in der Landsgemeinde Östringen. Eben mühte sich Gert mit einem Fass ab. Almuth half ihm, es vom Ackerschlitten zu heben. Ihr Vater war einigermaßen erfolgreich als Kaufmann, doch für einen Gehilfen reichte das Geld nicht, sodass Almuth mit anpacken musste.

Der Morgen verlief zäh. Gelegentlich verkaufte Gert etwas, aber die Kunden standen nicht gerade Schlange vor ihrem Tisch mit der Feinwaage und dem Rechenbrett. Er war nicht der Einzige, der Friesensalz anbot. Ein einheimischer Torfstecher hielt ebenfalls welches feil, und die meisten Dorfbewohner gaben ihm den Vorzug. Gert beklagte murrend sein Pech.

»Darf ich mich ein wenig umschauen?«, fragte Almuth, als sie die Langeweile nicht mehr ertrug.

Ihr Vater kniff die Augen gegen die blendende Sonne zusammen und beäugte neidvoll seinen Konkurrenten, der soeben ein ganzes Fass verkaufte und dafür einen Beutel Silber bekam. »Sieh zuerst nach dem Pferd. Und sei gegen Mittag wieder da.«

Lächelnd küsste sie ihn auf die Wange.

»Bring dich nicht wieder in Schwierigkeiten, hörst du?«, rief er ihr nach, als sie über den The eilte.

Immerzu machte er sich Sorgen um ihr Wohlergehen. Gleichwohl gewährte er ihr reichlich Freiheiten, gutmütig, wie er war, weshalb Almuth die Handelsfahrten mit ihm stets genoss.

Sie ging zum Schankhaus, wo sie am vergangenen Abend untergekommen waren, betrat den Stall und überzeugte sich davon, dass das Pferd sauberes Wasser und genügend Futter hatte. Als sie wieder ins Freie trat, sah sie, dass sich ein wohlhabender Marschbauer in einem feinen Rock für Gerts Salz interessierte. Sogleich scharwenzelte ihr Vater um den Mann herum und biederte sich unterwürfig an, wie immer, wenn er es mit reichen und wichtigen Personen zu tun bekam. Almuth seufzte in sich hinein. Sie liebte ihren Vater. Dieser Wesenszug jedoch ging ihr beträchtlich auf die Nerven.

Sie schlenderte zum Fluss, der irgendwo in der Geest entsprang, durch das Marschland mäanderte und bei Warfstede ins Meer strömte. Das plätschernde Wasser trieb eine Sägemühle an, in der soeben mehrere Männer einen Balken zuschnitten. Die Zimmerleute grüßten einen Schiffer, der seinen mit Torfballen beladenen Kahn gemächlich den Fluss entlangsteuerte.

Almuth folgte dem von vertrockneten Pferdeäpfeln bedeckten Weg und gelangte zum See, der zwischen dem Dorf und dem Deich in der Sonne glitzerte, gesäumt von blühendem Röhricht. Bei den Anlegestegen, wo eine Kogge und zwei Fischerboote vertäut waren, blieb sie stehen und ließ den Blick umherschweifen.

Warfstede war ein erstaunlicher Ort. Kleiner als Esens, der Hauptort der Landsgemeinde Harlingerland, aber fortschrittlicher. Sie kannte keinen anderen Hafen, der auf der Landseite des Deichs lag, wodurch die ankernden Schiffe vor den Launen der Westsee geschützt waren. Folglich war das Siel so breit, dass eine Kogge hindurchpasste. Gerade standen die mächtigen Schleusentore offen, denn es herrschte Ebbe, sodass der aufgestaute Fluss ins Watt abfließen konnte.

Am Seeufer lag die berühmte Lastadie, der größte Schiffsbauplatz von Harlingerland, möglicherweise von ganz Ostfriesland. Unter der Leitung von Abbe Wilkens Bruder Jann fertigte die Familie Osinga Koggen, Schniggen und andere Hochseeschiffe, die im Dienste der Hanse bis nach Bergen und Gotland segelten. Dutzende Männer verrichteten zwischen den Werkhütten ihr Tagwerk. Lehrknechte krümmten Bretter über den rauchenden Feuergruben. In den Spantenskeletten, die wie die Rippenkäfige gestrandeter Wale auf den Hellingen lagen, arbeiteten Zimmerleute und schlugen Planken an.

All das war zweifellos interessant. Nicht so interessant jedoch wie der mysteriöse Bucklige. Almuth wandte sich um und betrachtete abermals das Steinhaus.

Das Heim der Familie Osinga stand auf einer lang gezogenen Warf, einem Erdhügel, den man einst zum Schutz vor Sturmfluten aufgeschüttet hatte. Neben der benachbarten Kirche war es das einzige Steingebäude weit und breit. Ein Hirte, der ihnen am Vortag den Weg nach Warfstede gewiesen hatte, hatte es mit einem Leuchtfeuer verglichen. Das war nicht übertrieben, fand Almuth. Die roten Ziegel, aus denen die mächtigen Außenwände bestanden, leuchteten derart kräftig im eintönigen Marschland, dass man das turmhohe Steinhaus gewiss vom Meer aus sehen konnte.

Hier also wohnte der Bucklige, wenn die Geschichten der Wahrheit entsprachen.

Sie hatte gehört, der Redjeve zu Warfstede werde noch immer von den freien Männern gewählt – was sie beinahe so bemerkenswert fand wie den Umstand, dass ein Verwachsener über andere zu Gericht saß. In ihrer Heimat hatten die reichsten Familien dieses hohe Amt in ihren jeweiligen Kirchspielen schon vor Generationen an sich gerissen, und stets vererbte es der Vater an den erstgeborenen Sohn. Außerdem nannte man sich schon lange nicht mehr Redjeve – die führenden Männer in den Bauernschaften bevorzugten den glanzvolleren Titel »Häuptling«, und sie gebärdeten sich wie deutsche Edelleute. Der mächtigste von ihnen war Edo Wiemken, der über ganz Östringen sowie über das benachbarte Rüstringen herrschte. Die geringeren Häuptlinge schuldeten ihm Gehorsam, und wer sich seinen Zorn zuzog, wurde grausam bestraft. Almuth hatte gehört, er habe einen seiner Feinde mit einem dünnen Hanfseil durchsägen lassen. Ein Schauder überlief sie, wenn sie sich diese schreckliche Art zu sterben vorstellte.

Edo Wiemken war freilich nicht so mächtig wie Ocko tom Brok, der Häuptling der Landsgemeinde Brokmerland, der bereits das Auricherland unterworfen hatte und in weiteren Landsgemeinden nach der Herrschaft griff. Ganz Ostfriesland fürchtete die Machtgier der Familie tom Brok. Almuths Vater sagte, es sei nur eine Frage der Zeit, bis es zwischen Ocko und Edo Wiemken zum Krieg komme. Almuth sorgte sich deswegen nicht sonderlich. Seit sie denken konnte, bekämpften die verschiedenen Häuptlinge einander. Sie kannte nichts anderes als Zwist und Fehde.

Warfstede schien die endlosen Rivalitäten zwischen den Mächtigen bisher unbeschadet überstanden zu haben. Nirgends sah sie abgebrannte Höfe oder verwüstete Felder. Erdwälle mit Palisaden und Wachtürmen schützten das Dorf, die Menschen gingen unbeschwert ihrer Arbeit nach. Almuth fragte sich, ob dies Abbe Wilkens Verdienst war. Es hieß, er sei ein weiser Mann, dessen ganzes Streben dem Gedeihen des Kirchspiels gelte. War es ihm gelungen, Warfstede aus den Kämpfen um die Vorherrschaft in Ostfriesland herauszuhalten?

Wenn er nur endlich auftauchen würde! Doch auf der Leiter, die am höher gelegenen Eingang des Steinhauses lehnte, zeigte sich lediglich eine Magd, die mit einem Korb in der Hand hinunterkletterte und der gackernden Hühnerschar eine Handvoll Körner hinwarf.

»Kann ich dir helfen?«

Almuth fuhr erschrocken herum. Vor ihr stand einer der größten Männer, die sie je gesehen hatte. Er überragte sie um mehr als eine Haupteslänge und war breit gebaut, besonders an den Schultern. Dabei schien er nur wenige Jahre älter zu sein als sie, siebzehn vielleicht.

»Ich bin Folkmar Janns«, stellte er sich lächelnd vor. »Du bist nicht von hier, richtig?«

»Ich komme aus Jever. Ich bin mit meinem Vater auf dem Markt.« Sie konnte nicht anders, als den jungen Mann ausgiebig zu mustern. Er hatte warme Augen und dichtes blondes Haar, das viele Wirbel bildete. Ein Beitel und anderes Zimmermannswerkzeug hingen an seinem abgewetzten Ledergürtel.

Er schaute sie abwartend an.

»Ich heiße Almuth Gerts«, beeilte sie sich zu sagen. Sie spürte, dass ihr Gesicht heiß wurde. Bei Gott, manchmal war sie schrecklich langsam.

»Almuth«, wiederholte er, als hätte er diesen Namen noch nie gehört. »Suchst du jemanden?«

»Stimmt es, dass ein Buckliger im Steinhaus wohnt?«

»Oh ja. Aber er ist nicht mehr der Jüngste. Er kommt nur noch selten heraus – die Leiter macht ihm zu...

Erscheint lt. Verlag 17.8.2022
Reihe/Serie Friesen-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 2022 • Bestseller • bestsellerliste spiegel aktuell • eBooks • Historische Romane • Historischer Roman • Mittelalter Romane • Neuer Band der Reihe • Neuerscheinung • Neuerscheinung Historische Bücher • Reihe • Softcover • Taschenbuch
ISBN-10 3-641-22474-8 / 3641224748
ISBN-13 978-3-641-22474-5 / 9783641224745
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