Das Unternehmen als Versuch und Institution (eBook)

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2021
196 Seiten
Vahlen (Verlag)
978-3-8006-6812-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Unternehmen als Versuch und Institution - Thomas Hutzschenreuter
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Was ist ein Unternehmen? Die Antwort auf diese Frage bestimmt darüber, wie Unternehmer und Manager ihre Unternehmen führen. Und sie bestimmt über die Ausrichtung der Betriebswirtschaftslehre, denn mit dieser Antwort steht und fällt das Verständnis der Wissenschaft, deren Kerngegenstand Unternehmen sind. Man meint, die Antwort sei klar. Doch dem ist nicht so.
Die Beantwortung der Frage, was ein Unternehmen ist, startet mit dem Problem des unternehmerischen Praktikers. Er muss sichere Ausgaben tätigen, um unsichere Einnahmen zu generieren. Sein Problem ist die individuelle Unsicherheit, unter der er handelt.
Die individuelle Unsicherheit des unternehmerischen Entscheiders macht das Wesen des Unternehmens zum Versuch. Um den Versuch Unternehmen zu gestalten, bedient er sich institutioneller Gestaltungselemente, die das Unternehmen als Institution erscheinen lassen.
Alles Zukünftige ist unsicher.

15Einleitung


Die Frage, die ich in diesem Buch beantworten will, lautet: Was ist ein Unternehmen? Die Antwort, die ich geben werde, lautet: Das Unternehmen ist sowohl Versuch als auch Institution. Das Wesen des Unternehmens ist der Versuch, die Erscheinung des Unternehmens die Institution. Bei der Begründung dieser Sätze greife ich auf Grundlagen und Gedanken zurück, die Ökonomen und Betriebswirte vor mir geschaffen haben. Ich nutze dieses Ausgangsmaterial, um hieraus eine neue Synthese zu präsentieren. Gegebenenfalls füge ich selbst tatsächlich nur einen einzigen Satz zur Theorie des Unternehmens hinzu, der da heißt: Das Unternehmen ist ein Versuch. Ich fundiere meinen Ansatz auf Ideen und Arbeiten von Arthur Schopenhauer und Karl Popper, wenn es um erkenntnistheoretische Grundlagen geht; Frank H. Knight, George L. S. Shackle und Friedrich August von Hayek, wenn es um Unsicherheit, Imagination und verteiltes Wissen geht; Karl Marx, Eugen von Böhm-Bawerk und Joseph A. Schumpeter, wenn es um die Rolle des Unternehmens in einer kapitalistischen Wettbewerbsordnung geht; sowie Ronald H. Coase, Erich Gutenberg und Konrad Mellerowicz, wenn es darum geht, unterschiedliche Herangehensweisen an das Unternehmen als Theorieobjekt gegeneinander abzugrenzen.3

Im Folgenden will ich in dieser Einleitung kurz die wesentlichen Elemente meiner Argumentation zusammenfassen. Das Buch entwickelt diese Argumente ausführlicher, geht auf Diskussionen hinter diesen Argumenten ein und zeigt Verbindungen und Implikationen. Wer hieran interessiert ist, kann nach der Einleitung weiterlesen. Wem die Zusammenfassung genügt, dem dient sie wie ein Rohbau – man erkennt das Haus, sieht aber noch keine Details. Wer hingegen nach dem Lesen der Einleitung nicht überzeugt ist, der sollte das restliche Buch sehr genau lesen – entweder um hierin die Angriffspunkte zur Gegenrede zu finden, oder aber um die Gründe zu finden, warum mein Ansatz überzeugt.

Ronald H. Coase hat mit seinem 1937 erschienenen Artikel4 der Frage, was ein Unternehmen ist, ein eigenes Feld geschaffen. Coase versteht Unternehmen als Substitute zu Märkten. Wie ich zeigen werde, stehen Unternehmen und Märkte aber in keiner substitutiven, sondern in einer Beziehung wechselseitiger Abhängigkeit. Unternehmen setzen Märkte voraus, Märkte brauchen Unternehmen. Ursächlich hierfür ist, dass Unternehmen sich auf Märkten Ressourcen verschaffen, über deren Verwendung sie sich die Freiheit nehmen (müssen), nach der Markttransaktion zu entscheiden. Und Unternehmen verwerten Produkte und Dienstleistungen 16auf Märkten, um eingesetztes Kapital wiederzuerlangen. Märkte würden nicht existieren, wenn Unternehmen nicht versuchen würden, einen höheren als den eingesetzten Kapitalbetrag mit der Verwertung der Produkte und Dienstleistungen zu erzielen.

Hinter dem Verhältnis von Unternehmen und Märkten steht fundamental die Frage, was ein unternehmerischer Entscheider wissen kann, wenn er Kapital für die Erlangung von Kontrolle über Ressourcen einsetzt, um die Produkte und Dienstleistungen, die diese Ressourcen schaffen, später in Kapital zu verwerten. Die substitutive Perspektive geht davon aus, dass der unternehmerische Entscheider die Charakteristika von zu vergleichenden Alternativen marktlicher oder unternehmensinterner Transkationen kennen und somit im Sinne einer Optimalität vergleichen kann. Die Perspektive der wechselseitigen Abhängigkeit geht hingegen davon aus, dass der unternehmerische Entscheider die Charakteristika der Alternativen nicht kennen kann, da die Charakteristika (zum Teil) erst in der Zukunft bestimmt werden und er nicht in der Lage ist, die Zukunft zu kennen. Die Trennlinie im Verständnis von Unternehmen geht somit auf die Frage zurück, ob die Zukunft wissbar ist.

Aus dieser Trennlinie resultieren signifikante Unterschiede. Ist die Zukunft wissbar, lässt sich praktisches Unternehmenshandeln optimieren, die Möglichkeit von richtigen Entscheidungen existiert und Analytik und deduktive Logik dominieren. Optimalität im praktischen Unternehmenshandeln ist hingegen ausgeschlossen, wenn die Zukunft nicht wissbar ist. Zudem ist richtig oder falsch kein eindeutiges Kriterium. Neben Analytik und deduktive Logik treten individuelle, interpersonell nicht zwingend überprüfbare Imaginationen sowie Vertrauen und Überzeugungskraft jenseits „beweisbarer“ Gründe. Kurzum, die Trennlinie bewirkt eine völlig andere Sicht darauf, was ein Unternehmen ist. Der Ausgangspunkt, dass die Zukunft wissbar ist, führt dazu, das Unternehmen unter der Annahme des Vorliegens von „as if“-Wissen zu behandeln, während der Ausgangspunkt, dass die Zukunft nicht wissbar ist, dazu führt, das Unternehmen als Gegenstand praktischen unternehmerischen Handelns zu verstehen. Diesem Ansatz folge ich in diesem Buch. Die Theorieobjekte, die aus beiden entgegengesetzten Ausgangspunkten resultieren, sind zu völlig unterschiedlichen Aussagen in der Lage. Der „as if“-Ansatz erlaubt durch die Beschreibung von „as if“-Problemen die Ableitung von eindeutigen „as if“-Lösungen, wobei ihm die Voraussetzungen zur Lösung des praktischen unternehmerischen Problems fehlen. Der von mir vertretene Ansatz erlaubt eine Beschreibung des praktischen unternehmerischen Problems, ohne dieses Problem für den Praktiker lösen zu können, da es ohne die Kenntnis der konkreten praktischen Umstände in Raum und Zeit nicht lösbar ist. Damit haben beide Ansätze unterschiedliche Stoßrichtungen und einen jeweils unterschiedlichen potenziellen Nutzen.

17Die zwei tragenden Elemente meines Ansatzes sind die Zeit5 und der Kapitalzyklus6. Die Zeit bildet die Grundlage für das Konzept der Unsicherheit. Unsicherheit resultiert in meinem Ansatz aus nicht-wissbarem Nichtwissen. Etwas Zukünftiges kann nicht gewusst werden.7 Nur etwas, das war oder ist und sich damit nicht mehr ändern kann, kann gewusst werden. Unternehmerische Entscheidungen finden somit unter Unsicherheit statt – ich spreche später von individueller Unsicherheit.8 Mein Ansatz fußt darauf, dass ich mit der Trennlinie zwischen der Vergangenheit und Gegenwart9 auf der einen Seite und der Zukunft auf der anderen Seite sehr strikt umgehe. Alles Zukünftige ist unsicher. Es ist möglich, über Zukünftiges Prognosen, Vorhersagen, Imaginationen, Planungen etc. anzustellen, aber eben nicht möglich, Wissen zu besitzen. Auch Wahrscheinlichkeiten können nicht gewusst werden.10 Ursächlich für die Unmöglichkeit von Wissen über die Zukunft ist das Nichtwissen über (einen Teil der) Gründe, deren Konsequenzen die Zukunft ist. Mit anderen Worten: Wenn man alle Gründe (Ursachen) kennen würde, wäre Wissen über die Zukunft möglich. Dann gäbe es keine Unsicherheit. Ein typischer Einwand gegen mein Vorgehen ist, dass es Phänomene gibt, zum Beispiel dass jeden Morgen die Sonne aufgeht, für die meine Einteilung irrelevant ist. Ich stimme zu, dass es solche Phänomene gibt – unabhängig davon sind auch diese Phänomene tatsächlich unsicher und für das Beispiel des Sonnenaufgangs gilt, dass es sehr relevant wäre, würde er einmal ausbleiben –, aber für unser Phänomen hier ist die Einteilung nicht irrelevant. Im Gegenteil, sie identifiziert den entscheidenden Baustein zum Verständnis von Unternehmen. Und sie erlaubt eine klare Abgrenzung von Wissen auf der einen Seite und allen Vorgehensweisen (Prognosen, Vorhersagen, Imaginationen, Planungen etc.), die sich auf den Umgang mit nicht-wissbarem Nichtwissen – sprich Unsicherheit – beschäftigen, auf der anderen Seite.

Wenn alles Zukünftige unsicher ist, dann ist auch die Höhe des zukünftigen Kapitalgewinns unsicher. Kapitalgewinn oder -verlust entsteht am Ende des Kapitalzyklus. In diesem wird Kapital eingesetzt, um Ressourcen zu kaufen, diese gehen in die Wertschöpfung von Produkten und Dienstleistungen ein, die versucht werden, gegenüber Kunden wiederum zu Kapital zu verwerten. Am Beginn und am Ende dieses Zyklus steht Kapital, wobei der Kapitaleinsatz im Zeitpunkt des Beginns sicher ist, der Kapitalbetrag am zukünftigen Ende dieses Zyklus hingegen unsicher. Ursächlich für die Unsicherheit am Ende des Zyklus ist, dass der Zyklus Zeit in Anspruch nimmt11 und im Zeitpunkt des Beginns des Zyklus sein Ende etwas Zukünftiges ist. Wenn Kapitalgewinn im hier verwendeten Sinn individuell unsicher ist, dann kann der Kapitalgewinn nicht optimiert werden, da hierfür Wissen notwendig wäre. Das Unternehmen, dessen Kernprozess kaufen, um zu verkaufen, ist, ist damit kein Gegenstand von Optimierung, sondern sein Wesen ist der Versuch. Dies ändert sich auch nicht mit fortschreitendem Bestehen eines Unternehmens. Das Unternehmen ist 18somit nicht nur ein Versuch zu Beginn seines Bestehens, sondern es ist ein fortwährender Versuch.

Das Wesen des Unternehmens als Versuch führt dazu, dass es keinen Messias als unternehmerischen Entscheider geben kann, der aus der Kenntnis der Zukunft die für das Unternehmen mit Sicherheit richtigen Entscheidungen trifft.12 Das Publikum, das davon ausgeht, dies könne es doch geben, unterliegt...

Erscheint lt. Verlag 5.10.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management
Schlagworte Entscheidung • Führung • Unsicherheit • Unternehmertum • Wertschöpfung
ISBN-10 3-8006-6812-2 / 3800668122
ISBN-13 978-3-8006-6812-0 / 9783800668120
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