Die Gräfin ohne Land (eBook)
512 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46028-3 (ISBN)
Ist Jahrgang 1984 und studierte Englische Literaturwissenschaft und Musikwissenschaft in München und London. Schon als Kind liebte sie es, in die Welt von selbst erdachten Geschichten abzutauchen und sobald sie schreiben konnte, brachte sie diese auch zu Papier. Ihren ersten historischen Roman begann sie während des Studiums und kann sich heute ein Leben ohne das Schreiben nicht mehr vorstellen. Sie lebt mit ihrem Partner in München und arbeitet als Redakteurin für einen großen Zeitschriftenverlag. Wenn sie nicht schreibt oder liest, verbringt sie ihre Zeit am liebsten draußen im Grünen oder bereist die Welt.
Luisa Frey ist Jahrgang 1984 und studierte Englische Literaturwissenschaft und Musikwissenschaft in München und London. Schon als Kind liebte sie es, in die Welt von selbst erdachten Geschichten abzutauchen und sobald sie schreiben konnte, brachte sie diese auch zu Papier. Ihren ersten historischen Roman begann sie während des Studiums und kann sich heute ein Leben ohne das Schreiben nicht mehr vorstellen. Sie lebt mit ihrem Partner in München und arbeitet als Redakteurin für einen großen Zeitschriftenverlag. Wenn sie nicht schreibt oder liest, verbringt sie ihre Zeit am liebsten draußen im Grünen oder bereist die Welt.
1.
Am Hof der Infantin Isabella von Spanien, Statthalterin der Spanischen Niederlande in Brüssel, 1633
»Die Gräfin ohne Land«, hörte sie das Flüstern in ihrem Rücken, und obwohl die Stimme leise war, entging ihr der beißende Spott darin nicht.
Langsam hob sie den Kopf und schaute stur geradeaus auf die kristallenen Lüster, die im Schein unzähliger Kerzen an der Decke funkelten.
Sie brauchte sich nicht umzublicken. Es spielte keine Rolle, wer ihr diese Beleidigung zugeraunt hatte, denn die hier Versammelten dachten eh alle das Gleiche. Und sie hatten ja recht. Denn ihre Familie gehörte nicht der Aristokratie an und besaß kein Territorium. Sie hatte sich innerhalb der letzten hundert Jahre buchstäblich emporgearbeitet, indem sie für den Kaiser Maximilian I. einen Post- und Kurierdienst aufgebaut hatte. Erst seit gut zehn Jahren besaßen die Taxis überhaupt einen Grafentitel. Und das Lehen, das die Familie vom römisch-deutschen Kaiser Ferdinand II. empfangen hatte, war nicht etwa Land. Sondern das Recht, die Post im gesamten Heiligen Römischen Reich befördern zu dürfen. Wie Bauern oder Krämer.
Und doch war bis vor ein paar Jahren noch alles anders gewesen. Vor Leonhards überraschendem Tod. Stolz hatte sich Alexandrine an der Seite ihres Mannes auf dem gesellschaftlichen Parkett in Brüssel bewegt. Und nicht nur dort. Überall im Reich war man dem Grafen und seiner Ehefrau mit Ehrerbietung und Respekt begegnet.
Der eigentliche Grund für den Spott und die Missgunst lag woanders, das wusste Alexandrine. Der Grund war sie selbst: eine Frau, die die Führung der kaiserlichen Reichspost als Vormund für ihren kleinen Sohn einforderte und dies dank der Unterstützung der Infantin Isabella von Spanien auch durchgesetzt hatte. Und das in Zeiten des seit Jahren andauernden Krieges.
Natürlich musste sie scheitern.
Der neuerliche Verlust des Frankfurter Postamtes und der gesamten Route zwischen Frankfurt und Leipzig an die Schweden war dafür schließlich Beweis genug.
Sie faltete die Hände vor dem Bauch, richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und schritt in den Saal. Unzählige Augenpaare folgten ihr.
Alexandrine war nicht schön, das war sie nie gewesen. Mit ihren kräftigen dunklen, stets ein wenig widerspenstigen Haaren und ihrer markanten Mundpartie entsprach sie kaum dem zarten, sinnlichen Ideal der adeligen Damen an den Höfen Europas. Und in den letzten Jahren hatten sich zudem noch Falten in ihr Antlitz gegraben und ihre Züge härter gemacht. Alexandrine war dies gerade recht. Noch nie war Schönheit ein Trumpf gewesen, den sie wie so viele andere Frauen zu gegebener Zeit hätte ausspielen können. Schon immer waren es ihr Verstand und ihr natürlicher Hang zur Dominanz, mit denen sie die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zog.
Jeder Tag, den sie als Familienoberhaupt der Taxis und als Generalpostmeisterin erlebte, war ein Kampf. Sie hatte sich daran gewöhnt. Hatte sich an die dauernde Anspannung gewöhnt, sobald sie das gräfliche Palais verließ, an die nicht enden wollenden Fallen, die man ihrem Postunternehmen zu stellen versuchte, und an die Feindseligkeit ihrer Geschäftspartner, die nur auf einen Fehler von ihr zu lauern schienen.
Und irgendwann hatte sie sogar richtiggehend Gefallen daran gefunden, sich beweisen zu müssen, gegen Widerstände anzukämpfen und den Fluch ihres Geschlechts für sich zu nutzen, um die Menschen um sie herum mit ihrer Durchsetzungskraft und ihrer Hartnäckigkeit zu verblüffen.
»Habt Ihr gehört, was Johann von den Birghden in Frankfurt als königlich-schwedischer Postmeister mit seinen neuen Streckenabschnitten auf die Beine gestellt hat? In kürzester Zeit?« Nicht zufällig wurde das Thema angeschnitten, als Alexandrine an den zwei sauertöpfischen, stets in Schwarz gekleideten Meistern der Brüsseler Tuchwebergilde vorbeischritt.
Sie spürte ein warnendes Kribbeln im Nacken, wusste, dass es besser wäre, wenn sie einfach weiterlaufen und die spöttelnden Stimmen ignorieren würde. Dennoch blieb sie stehen, wartete einen Moment und drehte sich dann bedächtig zu den beiden Männern um.
»Ihr sprecht so bewundernd von den Schweden, Flamisol. Man könnte direkt meinen, dass es mit Eurer Unterstützung für Kaiser Ferdinand nicht weit her ist. Schließlich sind es doch seine Gebietsverluste, die zu einer Übernahme der Poststationen geführt haben.« Alexandrine lächelte mit der geduldigen Nachsicht, die man für gewöhnlich Kindern oder Greisen entgegenbrachte.
»Aber beste Gräfin, wo denkt Ihr hin, davon sprechen wir doch gar nicht. Es geht um die neuen Postrouten, die von den Birghden innerhalb weniger Wochen aufgebaut hat. Nach Speyer und Straßburg, sogar bis nach Zürich. Eine bemerkenswerte Leistung!«
»Übernommen, wolltet Ihr wohl sagen, mit roher Waffengewalt«, hielt ihm Alexandrine entgegen, nun merklich kühler.
»Was spielt das für eine Rolle?« Der Kaufmann wischte ihre Erwiderung mit einer nachlässigen Handbewegung fort.
»Eine entscheidende sogar. Denn genauso, wie sich von den Birghden diese Stationen einverleibt hat, werde ich sie der kaiserlichen Reichspost wieder zurückholen.«
Flamisols wieherndes Lachen hallte durch den Saal des Palais am Coudenberg, pikierte Blicke streiften sie, die Gespräche um sie herum verstummten.
»Entschuldigt, Gräfin von Taxis, aber das ist zu komisch. Ich stelle mir gerade vor, wie Ihr mit wehenden Röcken und erhobenem Degen gegen die schwedischen Reihen reitet wie eine zweite Jeanne d’Arc«, spottete er.
Sein Begleiter starrte Flamisol einige Wimpernschläge lang ungläubig an, zerrte am Knopf seines steifen Rüschenkragens und ließ die Hand wieder sinken, während sein Blick unruhig zwischen Alexandrine und Flamisol hin und her flatterte. Offenbar wartete er nur darauf, dass die nur mühsam verhohlenen Spitzen in offene Feindseligkeit umschlugen.
Alexandrine überging Flamisols höhnische Bemerkung. Seine Beleidigungen waren plump, einfallslos, ein Zeichen geistiger Trägheit.
»Ihr bedient Euch meines Geschlechts doch nur als Ausrede für Hilflosigkeit, das wisst Ihr selbst, Flamisol.«
»Das Gros der Damen bedient sich dieser Ausrede äußerst gerne.«
»Das Gros der Damen führt auch keine Geschäfte«, entgegnete Alexandrine.
»Aus gutem Grund.« Seine Augen glitten über Alexandrines hochgewachsenen, kräftigen Körper. Auch wenn die Gräfin zwei Kinder geboren hatte und bereits jenseits der vierzig war, besaß sie nicht die üppigen Rundungen, die Frauen ihres Alters oft entwickelten. Alexandrine hielt nichts von Völlerei, von den süßen Küchlein und fettigen Braten, denen ihre Freundinnen, so wenige es mittlerweile auch sein mochten, so gerne frönten. Genuss war für Alexandrine gleichbedeutend mit Schwäche und Schwäche nichts anderes als der Verlust von Kontrolle und Disziplin.
Und Alexandrine verlor niemals die Kontrolle, ganz besonders nicht über sich selbst.
Auch Gefühle erlaubte sie sich selten, und wenn, dann nur heimlich, versteckt, damit sie sich vor niemandem eine Blöße gab.
»Zweifelt Ihr an meinem Entschluss, mir die Poststationen zurückzuholen, Flamisol? Ihr solltet mich mittlerweile besser kennen«, sagte sie scharf. Ganz genau hatte sie Flamisols abschätzigen Blick auf ihrem Körper gespürt und hätte ihm in diesem Moment am liebsten eine Ohrfeige verpasst.
Der schnaubte und hielt den zweiten Gildemeister am Ärmel zurück, als dieser versuchte, sich in einem unbemerkten Moment davonzumachen.
»Nein, aber an Eurer Finanzkraft. Und ich mache mir Sorgen um Eure Zukunft, Gräfin.« Ein schmieriges, siegessicheres Lächeln zog über das Gesicht des Kaufmannes. Ebenso wie die anderen Stadtoberen hatte er mitbekommen, dass Alexandrine eines der Brüsseler Bankhäuser um einen Kredit gebeten hatte. Neuigkeiten verbreiteten sich schnell, selbst in einer so großen Stadt wie Brüssel. Vor allem, wenn es um den Bankrott einer der bekanntesten Familien der Stadt ging …
»Ihr kennt die Geschäfte, Ihr wisst, dass es ein stetiges Auf und Ab ist, also mimt jetzt nicht den besorgten Stadtrat. Ihr wartet doch ohnehin nur darauf, Euch das Taxische Palais und das Mandat für die Briefbeförderung innerhalb der Stadtmauern und in der gesamten Provinz zu sichern«, fuhr sie Flamisol über den Mund.
Für einen winzigen Moment sackten die Mundwinkel des Gildemeisters nach unten, Alexandrine wartete ein Weilchen, genoss das Gefühl des kleinen Triumphes, das sich in ihr ausbreitete, und erfreute sich an dem wachsenden Ärger, der in den hellen, blutunterlaufenen Augen des Kaufmannes funkelte.
»Und was sagt der Kaiser dazu, dass Ihr plötzlich Eure eigenen Truppen anwerbt und gegen die Reichsstände und die Schweden ins Feld schickt? Ihr habt keine Erlaubnis dafür, und der Kaiser wird eine Gefahr in Euch sehen, genauso wie in den Kurfürsten.«
»Es ist doch ganz einfach: Wenn einen die Tat anklagt, so muss einen der Erfolg entschuldigen.« Alexandrine spürte, wie sie die Oberhand gewann. Denn zumeist zeigte sich Überraschung auf den Mienen ihrer Gesprächspartner, wenn sie ein Wortgefecht für sich entschied. Und zumeist wich diese innerhalb weniger Wimpernschläge dem Ärger. Oder der Angst.
»Ihr steht kurz vor dem Ruin, Gräfin von Taxis. Eure eigenen Truppen aufzustellen ist doch nur das letzte Zucken eines bereits toten Kadavers.«
Alexandrine lachte amüsiert auf. Aber das Herz schlug heftig in ihrem Brustkorb.
Der Mann hatte recht. Allein dieses Jahr hatte Alexandrine bereits zwanzigtausend Gulden für die Schutzreiter der Postboten ausgegeben und trotzdem viele ihrer Poststationen...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Schlagworte | 17. Jahrhundert • 30 jähriger Krieg Roman • Alexandrine von Taxis • Augsburg • biografische Romane • Brüssel • Dreißigjähriger Krieg • Dreißigjähriger Krieg Romane • erzwungene Ehe • Familiengeschichten Romane • familiensaga historisch • Ferdinand II • Genoveva von Taxis • Gräfin von Taxis • historische Romane 17. Jahrhunder • historische Romane 17. Jahrhundert • Historische Romane Deutschland • historische Romane Europa • historische Romane Österreich • Historischer Roman • Kaiser Ferdinand II • Kaiserreich • Leonhard von Taxis • Machtkampf • Mutter Tochter • Post • Post-Dynastie • Postgeschäft • Postkutschen • Postwesen • Reichspost • Roman Biographien • Romane nach wahren Geschichten • roman mutter tochter • Roman wahre Begebenheiten • Sigismond Sfondrati • Starke Frauen • Starke Frauen der Geschichte • Thurn und Taxis • Wien |
ISBN-10 | 3-426-46028-9 / 3426460289 |
ISBN-13 | 978-3-426-46028-3 / 9783426460283 |
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