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Nur ein Zeichen -  Neo Lichtenberg

Nur ein Zeichen (eBook)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
302 Seiten
Dead Soft Verlag
978-3-96089-469-8 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
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Einige Zeit möchte Daniel es nicht wahrhaben, aber seine Beziehung zu Michael hat deutliche Risse. Ist ihre Liebe doch nicht perfekt? Daniel erkennt, dass sein komfortables Leben einen Preis hat, den er bisher nicht hatte bedenken wollen. Geschehnisse, die Daniel niemals für möglich gehalten hätte, lassen ihm schließlich keine Wahl. Es gibt keine andere Möglichkeit, als sich auf den Weg zu machen und herauszufinden, was das Leben jenseits der Sonnenseite für ihn bereithält. Gelegentlich braucht es nur ein Zeichen, um ein völlig neues Dasein beginnen zu lassen.

Vier


 

Schwer ausatmend lasse ich die Hanteln sinken. Sie einfach fallen lassen, das wäre es jetzt. Aber ich bin fertig mit dem Freihanteltraining, das ich nicht mag und nur aus Pflicht absolviere, und muss die Geräte nun wegräumen. Lägen sie erst einmal auf der Matte unter mir, könnte ich mich kaum überwinden, sie erneut in die Hand zu nehmen. Daher trage ich sie direkt zu der langen Reihe Kurzhanteln zurück und sortiere sie ordentlich ein.

Kaum dass ich die Griffe loslasse, schweben meine Arme regelrecht nach oben wie schwerelos. Wahrscheinlich habe ich es heute mit dem Training übertrieben. Meine Muskeln sind jedenfalls eindeutig durcheinander und wissen nicht, was sie nun machen sollen.

Beim Training bin ich sehr leise, womit ich zwischen den anderen Typen in der sogenannten Eisen-Ecke auffalle. Die meisten hier sind richtige Pumper, die in knappen Hosen und eingerissenen Shirts trainieren. Das Ganze in grellen Farben, was das Outfit erst recht ins Lächerliche zieht. Aber da es auf der sonnenbankbraunen Haut gut aussehen soll, greifen die Muskelmänner häufig zu pink und neongelb. Hauptsache es entsteht ein deutlicher Kontrast.

Damit jeder mitbekommt, wie erbarmungslos sie sich knechten, werden beim Training laute Geräusche ausgestoßen. Und wenn die Jungs nach der letzten Wiederholung die Hantel krachend auf den Boden knallen lassen, wird dies von einem lauten Stöhnen oder einem animalischen Brüllen begleitet. Wer mit der Langhantel trainiert, lässt diese mit einem unüberhörbaren Scheppern in die Halterung krachen.

Auch wenn ich dieses Gebaren innerlich belächele, sind einige Männer, die mit mir hier trainieren, wirklich in Ordnung. Mehr als Small Talk halten wir nicht miteinander, aber ich erwarte schließlich nicht, im Fitness-Studio Freundschaften zu schließen. Daher reicht mir das.

Freundschaften? Seit es zwischen Michael und mir Missstimmungen gibt, fällt mir auf, dass mir jemand zum Reden fehlt. Normalerweise bespreche ich alles, was mir bemerkenswert erscheint, mit Michael. Aber was mache ich, wenn es um meinen Partner selbst geht? Wenn ich jemanden bräuchte, der einen Blick von außen auf unsere Beziehung wirft?

Mir hat es stets gefallen, dass Michael und ich eine extrem enge Beziehung führen. Wir haben uns und das reicht. Nie hat mir etwas gefehlt. Bis jetzt. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, wie es dazu gekommen ist, dass Michael und ich …

»Hey, Daniel«, begrüßt mich Gebre, einer der Trainer der Muckibude. »Hast du dermaßen gepumpt, dass du nicht mehr laufen kannst? Oder was stehst du da rum?«

Der neckische Unterton verfehlt seinen Zweck nicht. Ein Grinsen macht sich auf meinem Gesicht breit, das ich selbst aus der Entfernung auf den Spiegeln neben mir erkennen kann.

»Ich sterbe hier den Erschöpfungstod«, antworte ich empört. »Wäre da nicht etwas Mitleid angebracht?«

»Ha! Mich kannst du nicht verarschen. Du siehst zu gut aus, als dass du jeden Moment krepieren würdest.« Bei diesen Worten mustert mich Gebre unverhohlen von oben bis unten. Was mir nicht unangenehm ist. Ich sehe gut aus und weiß es.

»Bloß kein Neid. Ich habe die hübschere Visage, du dafür die beeindruckendere Statur.« Mit Mühe halte ich mich davon ab, Gebre ebenso von oben bis unten zu betrachten. Das ist mir zu platt. Oder …? Nein! Ich glotze ihn nicht an.

Gern würde ich seinen Bizeps befühlen, um meine Behauptung zu untermauern, aber das würde eine Distanz, die wir bisher stets gewahrt haben, zwischen uns überbrücken.

Nachdenklich schaut Gebre mir nach einem grunzenden Lachen direkt ins Gesicht. »Aber mal ernsthaft. Geht es dir gut? Du wirkst bedrückt, nicht so unbekümmert wie sonst.«

Das ist interessant. Das hat er bemerkt? Gebre und ich sind keine Freunde. Wir sind Bekannte, die gelegentlich ein paar mehr oder weniger bedeutungsvolle Worte wechseln, sich freundlich grüßen und versuchen, sich nicht gegenseitig auf den Schwanz zu starren, falls unsere Begegnung unter der Gemeinschaftsdusche stattfindet. Trotzdem hatte ich immer den Eindruck, dass wir uns mögen. Ist nun ein passender Zeitpunkt, diese oberflächliche Beziehung zu intensivieren? Habe ich überhaupt mit irgendjemandem eine andere Beziehung als eine oberflächliche? Wobei wir wieder bei den Gedanken zum Thema Freundschaft sind. Habe ich Freunde?

»Kennst du das Gefühl, dass es dir nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut geht? Nix Konkretes, nur der flaue Eindruck, dass sich etwas nicht oder nicht mehr perfekt anfühlt … Ach, vergiss es einfach!« Ich wende mich ab. Warum spreche ich mein Gedankendurcheinander laut aus? Und das zudem vor einem Menschen, mit dem ich genau genommen nichts zu schaffen habe. Bloß weil ich plötzlich beginne, mehr von mir preiszugeben, muss das nicht bedeuten, dass andere ganz erpicht auf meine Gedankenwelt sind. Was hat mich da nur geritten?

Gebre packt mich am Oberarm. Perplex starre ich auf die dunkle Haut, die bei Gebre nicht wie bei vielen anderen vom häufigen Besuch des Solariums stammt, sondern seiner eritreischen Herkunft, von der er mal erzählt hat, geschuldet ist. Die schlanken Finger mit den gepflegten Nägeln liegen auf dem mäßig gebräunten Untergrund meines Körpers. Was ist nur los mit mir? Warum fallen mir solche Kleinigkeiten plötzlich auf? Der feste Druck der Hand lockert sich und geht über in eine sanfte Berührung.

»Nein, ich vergesse es nicht einfach«, widerspricht Gebre. Mit der Hand, in der er seine Fitnesshandschuhe hält, deutet er auf den Eingangs- und Thekenbereich. »Lust auf eine Apfelschorle inklusive Gespräch?«

Soll ich das Angebot annehmen? Ich zögere nicht lange. »Na gut. Aber musst du nicht arbeiten?«

»Bin noch eine halbe Stunde privat hier. Danach muss ich ran.«

Mit einem Lächeln dreht sich Gebre um und geht voran in den vorderen Bereich des Sportstudios.

Von mir selbst aus hätte ich Gebre nicht angesprochen. Niemals. Aber ich bin dankbar, dass mir jemand ein Gespräch anbietet und bin gespannt, wohin es mich führt.

Gebre ordert bei der Thekenkraft zwei Gläser Apfelschorle und deutet mir mit der Hand, mich an einen der kleinen Tische, die den Bistroteil der Einrichtung bilden, zu setzen. Ich reibe mit meinem Handtuch über mein Gesicht und die Haare, bevor ich den feuchten Lappen auf den Sitz meines Stuhles lege. Ich möchte nicht alles vollschwitzen, auch wenn die Kunstlederbezüge bestimmt leicht zu reinigen sind. Vielleicht bringt die Aktion mit dem Handtuch nichts oder verstärkt das Problem eher, aber ich habe Hemmungen, mich mit verschwitzter Sportkleidung auf den Möbeln niederzulassen. Darüber, wie ich wohl rieche, denke ich besser gar nicht nach.

Als ich gerade sitze, kommt Gebre mit zwei Gläsern an den Tisch. Ungeniert lässt er sich auf den Stuhl mir gegenüber fallen und schiebt seine Beine unter der Tischplatte zurecht. Er ist groß und athletisch. Die Sitzposition kann kaum bequem für ihn sein, aber für ein kurzes Gespräch wird es wohl gehen.

»Also, was ist los? Ärger auf der Arbeit?«, fragt Gebre ins Blaue und spricht direkt weiter. »Schlechte Phasen hat jeder mal im Job. Da würde ich nicht direkt das Handtuch werfen. Aber wenn es schon länger hakt, dann solltest du über kurz oder lang über einen Wechsel nachdenken. Treffer?«

Unangenehm berührt starre ich auf meine Hände. Wahrscheinlich sind Frust und Probleme im Job ein Thema, das häufiger beim Sport besprochen und durch exzessives Training kompensiert wird. Aber bei mir liegt der Fall anders.

Vor einigen Wochen hatte Gebre Geburtstag und es wurde im Foyer lauthals gratuliert. Gebre ist Anfang zwanzig und damit ein paar Jahre jünger als ich. Deswegen fühle ich mich gerade neben ihm wie ein Verlierer, wie ich mich neben vielen Menschen fühle. Ein Loser.

»Nee, das ist es nicht. Ich … Ähm … Ich habe gar keinen richtigen Job«, druckse ich herum.

»Studierst du noch?«, fragt Gebre interessiert nach. »Ist doch nicht schlimm.«

»Nee, auch nicht. Habe ich mal, habe ich aber abgebrochen.«

»Aha«, gibt Gebre nun ratlos zurück. »Wovon lebst du denn und was machst du so? Das Studio kostet Geld. Deine schicken Klamotten, das Auto oder der coole Elektroroller, mit dem du schon mal kommst … Kostet alles!«

Offensichtlich bekommt Gebre eine Menge mit über die Kundschaft, auch wenn er im Normalfall keine Kommentare darüber abgibt. Ich hätte niemals gedacht, dass er meine Kleidung oder mein Auto bemerkt.

»Ich lebe mit meinem Freund zusammen. Der verdient ganz gut und bezahlt … Ähm … für mich mit«, antworte ich. Hätte ich etwa beinahe ›bezahlt mich‹ gesagt? Ist das so? Denken das andere?

»Ui, klingt komfortabel.«

Diese Worte klingen nicht unfreundlich, aber in Gebres Stimme findet sich keine Anerkennung. Wofür auch? Sein nachdenklicher Blick macht mir zu schaffen. Daher rede ich hastig weiter, bevor er mir unangenehme Fragen stellt.

»Ich mache viel Sport und lese gern. An den Wochenenden und schon mal in der Woche gehe ich mit meinem Partner auf Partys. Oder wir verreisen über das Wochenende. Oh, ich hatte mal ein Ehrenamt. Ich war Lesepate in der Bibliothek«, berichte ich stolz. »Einmal in der Woche habe ich eine Stunde lang Kindern vorgelesen.«

»Ehrenamt? Einmal die Woche?« Feiner Spott schwingt in Gebres Stimme mit. »Das füllte dich bestimmt total aus, oder?«

»Das machte mir wirklich viel Freude«, gebe ich trotzig zurück und verschränke meine Arme vor meinem Oberkörper. »Und den Kindern übrigens auch. Sie mochten mich.«

»Natürlich taten sie das. Sie dachten, dass du einer von ihnen bist.« Gebre hält sich die Hand vor den Mund. »Sorry, ich...

Erscheint lt. Verlag 11.8.2021
Verlagsort Mettingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Coming of Age • gay • gay romance • M/M • Schwul
ISBN-10 3-96089-469-4 / 3960894694
ISBN-13 978-3-96089-469-8 / 9783960894698
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
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