Feelgood Management (eBook)

Die Vierte Industrielle Revolution

In den vergangenen 100 Jahren gab es in der Arbeitswelt nicht ansatzweise einen Wandel in einem vergleichbaren Ausmaß und in der Geschwindigkeit von heute. Diese Vierte Industrielle Revolution, die sich in der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz, also dem Mensch-und-Maschine-Verhältnis, manifestiert, bestimmt global, wie wir in Zukunft arbeiten werden.

Es geht jedoch nicht allein um Technologien und Geschäftsmodelle, sondern um unsere Gesellschaft. Die Beratungsgesellschaft McKinsey hat in einer Studie 10 analysiert, wie sich die Arbeitswelt verändern könnte. Demnach werden bis 2030 bis zu 375 Millionen Menschen weltweit ihren Beruf wechseln oder vollkommen neue Fertigkeiten erlernen müssen. Das entspräche 14 Prozent aller Arbeitskräfte.

Die Arbeitswelt wird eine andere sein, mit völlig neuen Berufsbildern und neuen Arten der Zusammenarbeit mit Folgen für ganze Wirtschaftszweige. Menschen und Unternehmen müssen sich gleichermaßen erneuern, ihren Platz neu finden, um darin bestehen zu können. Wer die Trends und Treiber sowie die damit verbundenen kulturellen Veränderungen frühzeitig erkennt, kann für sich persönlich und sein Unternehmen Klarheit und Orientierung gewinnen, und die richtigen Weichen für die Zukunft stellen.

Technologischer Wandel: Digitalisierung

Nichts prägt unser Informationszeitalter – eingeleitet durch die digitalen Technologien – derart wie der technologische Wandel. Für Unternehmen stellt die digitale Transformation eine der größten Herausforderungen dar. Die Erkenntnis überrascht jedoch nicht in technologischer, sondern in kultureller Hinsicht: Digitalisierung ist eine kulturelle Veränderung, die durch technologische Entwicklungen losgetreten wurde. Unternehmen müssen also nicht nur neue Technologien im Blick haben und adaptieren, sondern aktiv den kulturellen Wandel gestalten. Darauf sind viele Firmen schlecht bis gar nicht vorbereitet.

Eine von McKinsey durchgeführte Umfrage 11 offenbart, dass Kultur und Verhaltensveränderungen die größten Hemmnisse für die digitale Effektivität darstellen, sogar noch vor dem Mangel an Fachkräften.

Fakt ist, dass sich viele Geschäftsführer ungern mit Kultur beschäftigen: zu schwammig, zu wenig handhabbar und schwierig messbar – für sie eher ein Thema von nachrangiger Priorität.

Die technologische Seite der Digitalisierung ist und bleibt das Top-Thema für Entscheider. Wie fatal diese Haltung ist, belegen neue Erkenntnisse, 12 die aufzeigen, dass Defizite in der Kulturentwicklung eine direkte negative Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen haben.

Wer den Kulturwandel jetzt nicht zum Top-Thema im Unternehmen macht, riskiert seine wirtschaftliche Performance und – was noch viel entscheidender ist – seine Zukunftsfähigkeit. Erste Top-Entscheider der deutschen Wirtschaft, zu denen etwa Alexander Birken, CEO der Otto Group zählt, haben das Thema Kulturwandel bereits auf ihrer Agenda.

Auf dem Weg zum Kulturwandel und der Verankerung eines digitalen Mindsets ist es für Betriebe essenziell, die eigenen Mitarbeiter kulturell mitzunehmen.

Die Microsoft-Chefin Sabine Bendiek macht klar: „Wer die Digitalisierung erfolgreich gestalten will, muss alle Menschen mitnehmen.” 13 Versäumen Firmen diesen Schritt, werden sie ihre Mitarbeiter verlieren – ganz egal, welche tollen technischen Tools man eingeführt hat. Dabei drückt sich der Verlust nicht zwangsläufig oder vordergründig in erhöhter Fluktuation aus, sondern vielmehr verdeckt in der „Dienst nach Vorschrift“-Haltung 14 innerhalb der Belegschaft. Kein Unternehmen in der heutigen Zeit kann es sich leisten, den Zugang zu den Leistungspotenzialen seiner Mannschaft zu verbauen bzw. einfach brachliegen zu lassen.

Trotz eindeutiger Studien wird jedoch in deutschen Unternehmen die digitale Transformation immer noch technisch vorangetrieben. Die kulturelle Dimension wird ausgeblendet oder versucht, mit Impulsen aus teuren Design Thinking-Workshops oder Start up-Tourismus ins Silikon Valley zu kompensieren. Das ist hochgradig fahrlässig!

Stärker denn je werden die menschlichen Fähigkeiten in Form von Fingerspitzengefühl, Urteilskraft und Intuition gebraucht. Das radikal Neue an dieser Entwicklung ist die Wiedereinführung des Menschen in die Unternehmen, so die Überzeugung von Reinhard Sprenger, führender Managementberater. Seine Einschätzung ist eindeutig: „Menschen mit ihren spezifischen Fähigkeiten sind ein ganz wesentlicher Teil des Erfolgs.“ 15

Demgegenüber hat die Microsoft Studie 16 überraschendes herausgefunden: Eine Mehrheit der deutschen Beschäftigten steht der digitalen Transformation grundsätzlich positiv gegenüber und sieht große Chancen, sowohl für ihre Organisation als auch für die eigene berufliche Entwicklung.

Das Potenzial der positiven Haltung wird jedoch von Unternehmen nicht ausgeschöpft: Hier ist noch viel Luft nach oben für die aktive Mitgestaltung und Partizipation der Belegschaft beim kulturellen Umbau. Deshalb sollten Unternehmen das Momentum der positiven Grundstimmung der Beschäftigten gegenüber Digitalisierung nutzen sowie Freiräume und Experimentierbereiche schaffen, um digitale Denkweisen und neue Arbeitsweisen ausprobieren zu können. Firmen, die bereits über passende Rahmenbedingungen des geschützten Experimentierens verfügen, wie Labs, Kreativlabore oder sogenannte Working out loud-Lernzirkel (WOL-Lernzirkel), sind deutlich im Vorteil.

Change-Prozesse sind vor allem dann erfolgreich, wenn Engagement, Kreativität und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden nachhaltig aktiviert werden konnten. Denn „die Menschen entscheiden, was in Zukunft auch tatsächlich funktioniert“ 17 , so die Erfahrungen von Microsoft-Chefin Bendiek.

Am Ende des Tages zählt der Mensch als ein soziales Wesen. Er möchte sich einbringen, seine Umgebung mitgestalten, formen und sich emotional zugehörig fühlen. Um als Unternehmen zukunftsfähig bleiben zu können, sollten man diese zutiefst menschlichen Eigenschaften hegen, kultivieren und nutzen.