Aufstieg aus der Blechliga (eBook)

So hat unsere Autoindustrie eine Zukunft
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
231 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44894-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aufstieg aus der Blechliga -  Peter Mertens
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Wenn unsere Autoindustrie überleben will, muss sie sich radikal umstrukturieren. Ex-Audi-Vorstand Peter Mertens ist überzeugt: Zukunftsfähig sind nur die Unternehmen, die mehr Nachhaltigkeit wagen, die sich stark machen für mehr europäische Souveränität in der globalen Automotive-Industrie und sich öffnen für Kooperationen innerhalb und außerhalb der Branche. Dabei ist ein Zusammenschluss von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft ebenso nötig wie ein neues Verständnis dessen, was ein Auto überhaupt sein soll. Dies wird allein schon erforderlich durch die neue Vielfalt der Fahrenden: als Owner, User oder Gamer. Ein leidenschaftliches Plädoyer für eine neue Mobilität und ein neues europäisches Selbstbewusstsein.

Peter Mertens, zuletzt Technik-Vorstand bei Audi, investiert heute in Start-ups und die Zukunft des Autos. Er beteiligt sich an Firmen wie Recogni (autonomes Fahren), VHOLA (Elektrosmog-Kontrolle) oder Circunomics (Recycling von Autobatterien). Der promovierte Ingenieur blickt auf eine internationale Karriere in leitenden Positionen bei Daimler, Opel, GM sowie Volvo zurück, und kennt die Automobilbranche wie kein Zweiter.

Peter Mertens, zuletzt Technik-Vorstand bei Audi, investiert heute in Start-ups und die Zukunft des Autos. Er beteiligt sich an Firmen wie Recogni (autonomes Fahren), VHOLA (Elektrosmog-Kontrolle) oder Circunomics (Recycling von Autobatterien). Der promovierte Ingenieur blickt auf eine internationale Karriere in leitenden Positionen bei Daimler, Opel, GM sowie Volvo zurück, und kennt die Automobilbranche wie kein Zweiter.

Einleitung: Und sie bewegen sich doch


Es war knapp. Ganz kurz vor Aufprall. Noch im Frühjahr 2020 sah es bei Deutschlands Autobauern zappenduster aus. Digitale Transformation? Zu langsam. Elektromobilität? Kam nicht in die Gänge. Umsätze, Absätze, Gewinne? Horror. Und dann auch noch Corona. Ein Jahr später, im Frühjahr 2021, sind Deutschlands Autobauer zurück. Volkswagen, Daimler und BMW zeigen beeindruckende Geschäftsergebnisse und, wichtiger noch: Sie rollen gigantische E-Offensiven aus, bieten dem kalifornischen Rivalen Tesla die Stirn. Endlich! Lange Zeit schien es fast so, als hätte Deutschlands Benzin-im-Blut-Branche zu lange zu gute Zeiten gehabt, um erkennen zu können, dass es blutig wird.

Einige konnten es nicht sehen. Etliche wollten es nicht sehen und bauten einfach weiter am noch besseren Verbrennungsmotor, transportierten Kabelbäume um den Globus und zauderten mit zukunftsweisenden Partnerschaften, während sich das Auto andernorts längst in ein Device verwandelt hatte, das elektrisch, vernetzt und autonom durch smarte Städte steuert.

Ein Device, das man nicht besitzen muss, um es zu nutzen. Dass man nicht fahren muss, wenn man sich fahren lassen will. Das immer weniger Auto ist – und immer mehr mobiler Möglichkeitsraum zum Arbeiten und Erholen, ein Raum für Information, Kommunikation und Entertainment. Mechanisch einfach, softwareseitig hochkomplex und komplett fokussiert auf den wichtigsten Part der Wertschöpfungskette, den Deutschlands Autobauer kaum kennen, und mit dem längst andere Player Geschäfte machen: den User.

Um diesen User geht es. Und wenn Deutschlands Autobauer überleben wollen, müssen sie sich weiter radikal umstrukturieren, sowohl mental als auch real. Sie müssen mehr tun, und sie müssen es schneller tun. Zukunftsfähig werden nur diejenigen sein, die mehr Nachhaltigkeit wagen – damit ihr User überhaupt eine Zukunft hat. Die sich stark machen für mehr europäische Souveränität in der globalen Automotive-Industrie und sich öffnen für Kooperationen innerhalb und außerhalb der Branche, um ihrem User smarte und sichere Mobilität bieten zu können.

Es braucht einen Zusammenschluss von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft für eine europäische Automotive-Open-Source-Strategie, damit Autobauer für ihre User genau die Autos bauen können, die sie sich wünschen, und das zu marktfähigen Preisen. Es braucht ein neues Verständnis dessen, was ein Auto überhaupt ist. Und es braucht einen neuen Blick auf die neue Vielfalt der Fahrer, die in Stuttgart andere Bedürfnisse haben als in Shanghai, die als junge Städter eine andere Mobilität brauchen als ältere Eigenheimbesitzer auf dem flachen Land, und nicht zuletzt auf die Fahrerinnen mit ihren oft hochkomplexen Mobilitätsprofilen und Wünschen an das, was ein Auto leisten muss.

Dabei ist es nicht so, dass Deutschlands Autobauer alle völlig blind in die Zukunft stolpern. Im März 2021 überraschte VW mit neuen Plänen für eine noch höhere E-Auto-Quote, für sechs Batterie-Gigafabriken in Europa und neuen Ideen zur Ladeinfrastruktur. VW-Chef Herbert Diess will Europas größtes Industrieunternehmen in einen IT-Konzern verwandeln, die VW-Softwaresparte Cariad auf 10 000 Mitarbeiter aufstocken und sie damit auf Platz zwei der Softwarehäuser setzen – direkt hinter SAP. Audi und Daimler stoppen die Verbrennerentwicklung, um mehr Ressourcen in die Elektromobilität fließen zu lassen, und BMW bringt fünf neue Fahrzeuge mit elektrifiziertem Antriebsstrang an den Start. Die nachhaltige Trendwende zur Elektromobilität in Europa ist da – und Deutschlands Autobauer sind dafür gut aufgestellt. Zumindest die großen Marken.

Schon vor Jahren sahen viele Hersteller klar, dass sie sich ändern müssen, wenn sie aus der Liga der Blechbieger aufsteigen wollen. Viel wurde geredet von Veränderungsfähigkeit und Zukunftssicherheit (ein Paradoxon), von Ambidextrie (effizient und flexibel!) und der Notwendigkeit der tiefgreifenden digitalen Transformation, von Disruption und von Tesla, Tesla, Tesla.

Immer wieder Tesla, die legendäre Elektroauto-Company, die erst 2003 gegründet wurde und die aktuell mehr wert ist als die drei großen Autobauer Deutschlands zusammen. Genauer: mehr als doppelt so viel. Das, schreibt Ullrich Fichtner im Spiegel, sei so unglaublich, dass man es drei Mal lesen müsse. »Und erst nach der dritten Lektüre dämmert es einem, dass die Welt, in der die Deutschen die längste Zeit so gemütlich lebten, bereits untergegangen ist.«1

Halt, nicht so schnell. Die Rede vom »Untergang« stimmt so nicht: Die Gewinne fließen, wenn auch nur deshalb, weil man weiter Verbrenner verkauft und weil das Geschäft mit China blüht. Doch man pendelt zwischen dem guten alten Gefühl, als deutscher Dauermeister bei den ganz Großen mitzuspielen und der unguten neuen Erfahrung, im Spiel um das Auto abgehängt werden zu können. Mit dem Umsteuern tut sich mancher Hersteller immer noch schwer, die vielen Zulieferer noch viel schwerer, und das hat etwas mit der langen Geschichte der deutschen Automobilindustrie zu tun. Stichwort Pfadabhängigkeit.

Mit Pfadabhängigkeit meine ich die in gut 100 Jahren gewachsenen Beharrungskräfte der einstmals glänzenden und nun quasi in den eigenen Lieferketten gefangenen Automobilbranche. Ich meine Hersteller mit technisch ausgereiften Produkten, mit brillanter Produktionskompetenz und hoher Relevanz für den Industriestandort Deutschland. Ich meine gut 800 000 Führungskräfte und Ingenieurinnen, Mitarbeitende bei Zulieferern, in Autohäusern und Werkstätten, die sich mit ihrer Branche und ihrem Verbrenner durch und durch identifizieren. Ich meine Autofahrerinnen und Autofahrer, die ihre Lebensgewohnheiten und ihr Selbstbild über Dekaden eng verknüpft haben mit dem Besitz von Autos – Stichwort »Heilig’s Blechle«. Und ich meine eine Politik, die ebenfalls über Dekaden Hand in Hand mit der Automobilindustrie gearbeitet hat: mit Beteiligungen, Subventionen, Prämien. Wir haben es mit einem langsam gewachsenen und hochkomplexen Feld zu tun, das sich nicht einfach über Nacht neu beackern lässt.

Dazu kommen kognitive Verzerrungen (englisch: bias). Um nur wenige Beispiele zu nennen: Manch ein Entscheider schätzt jede Veränderung des Status quo als Verlust ein (Status-quo-Bias), schreckt aus Kostengründen vor radikalen Kurswechseln und Abschreibungen zurück (Sunk-Cost-Bias) und hält die Produkte für besonders wertvoll, die das eigene Unternehmen produziert hat (IKEA-Effekt). Das gilt auch für neue Services: Wenn man diese überhaupt anbietet, dann bevorzugt unter der eigenen Marke, möglichst exklusiv, am besten allein.

Wie stark Pfadabhängigkeiten und Biases wirken, zeigt sich an diversen Stilblüten der Technikgeschichte, häufig unmittelbar vor einer bevorstehenden Disruption: Eines der großartigsten Segelschiffe erlebte seinen Stapellauf in dem Moment, in dem Dampfschiffe den Markt übernahmen; die imposantesten und besten Dampfloks wurden am Ende des Dampfzeitalters gebaut und die gigantischsten Öltanker Mitte der Siebzigerjahre, als der Suezkanal wiedereröffnet wurde – durch den sie ihrer Größe wegen nicht manövrieren konnten. Es lässt sich noch nicht sagen, welches Verbrennermodell rückblickend in dieser Reihe stehen wird.

Der iPhone-Moment für die Autoindustrie


Sicher: Die großen Hersteller sind aufgewacht und starten jetzt mit neuen Konzepten durch. Für viele wird es trotzdem blutig, und das quer durch die Bank. Große Player tun sich schwer mit der Fahrzeugvernetzung, kleinen Playern fehlt für die digitale Transformation das Geld und neue Player aus angrenzenden Tech-Branchen reiben sich längst die Hände. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er kommt: der entscheidende Kipp-Moment, an dem für Deutschlands Autobauer nichts mehr geht außer Blechbiegen. Die Branche spricht schon vom iPhone-Moment für die Autoindustrie, der genauso gut Kodak- oder Nokia- oder Blackberry-Moment heißen könnte. Das Prinzip ist immer das gleiche: Jede Disruption macht wenige Vorreiter zu Gewinnern und alle zu Verlierern, die für den Sprung ins nächste Zeitalter zu spät Anlauf genommen haben.

Dass jetzt höchste Zeit ist, um Anlauf zu nehmen, das hat sich unter Deutschlands Autobauern herumgesprochen. Dass die globale Automotive-Branche radikal aufbricht, und das entlang aller Stufen der Wertschöpfungskette, liegt auf der Hand. Die Nervosität ist hoch. Der Überlebenswille sowieso. Nur: Wohin springen wir, um den Abstieg zu verhindern? Das ist alles andere als klar.

Unstrittig ist zwar, dass weltweite Trends zu schnellem...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2021
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Antrieb • Autobauer • Autonomes Fahren • Batteriekompetenz • China • cybersecurity • Digitalisierung • Europa • Infrastruktur • IT-Unternehmen • Lieferkette • Mobilität • Zulieferer
ISBN-10 3-593-44894-7 / 3593448947
ISBN-13 978-3-593-44894-7 / 9783593448947
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