Madonnenkinder (eBook)

Darmstadt-Krimi
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98870-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Madonnenkinder -  Michael Kibler
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Wie alles begann: Horndeich ermittelt in seinem ersten Fall in Darmstadt. Für alle LeserInnen von Nele Neuhaus und Wolfgang Burger. »Schon während Margot sich neben den Toten kniete, überfiel sie ein Gefühl, dass dieser Mann noch etwas verbarg und drehte den Kopf in ihre Richtung. Dann wusste sie, was es war. Sie hatte den Augenblick immer gefürchtet, und doch gewusst, dass er eines Tages kommen würde: Sie kannte den Toten.« In Darmstadt gibt es ein Treffen der so genannten »Madonnenkinder«: Kinder, die in den Jahren 1947 bis 1957 aus dem zerbombten Darmstadt zur Erholung nach Davos in die Schweiz geschickt wurden. Das Geld dafür stammte aus »Mietzahlungen« der Stadt Basel für das berühmte Madonnenbild von Hans Holbein, dem Jüngeren. Es könnte ein fröhliches Treffen werden, doch damals ist etwas geschehen, über das man lange nicht geredet hat - und bald schon kommt es zum ersten Mord. Der erste Roman von Michael Kibler ist klug und voll hintergründiger Spannung. Er spielt mitten im Herzen von Darmstadt: Das Heinerfest bildet die Kulisse des Geschehens - Holbeins Madonna lächelt milde dazu.

Michael Kibler, geboren 1963 in Heilbronn, ist heute leidenschaftlicher Darmstädter. Nach Studium und Promotion arbeitet er als Texter und Schriftsteller. Seit 2005 veröffentlicht er erfolgreiche Kriminalromane um die Darmstädter Ermittler Steffen Horndeich und Margot Hesgart. Mit »Sterbenszeit« erschien 2014 außerdem sein erster Krimi um den BKA-Hauptkommissar Lorenz Rasper.

Michael Kibler, geboren 1963 in Heilbronn, ist heute leidenschaftlicher Darmstädter. Nach Studium und Promotion arbeitet er als Texter und Schriftsteller. Seit 2005 veröffentlicht er erfolgreiche Kriminalromane um die Darmstädter Ermittler Steffen Horndeich und Margot Hesgart. Mit "Sterbenszeit" erschien 2014 außerdem sein erster Krimi um den BKA-Hauptkommissar Lorenz Rasper.

Freitag


War es Instinkt, oder waren elektromagnetische Felder daran schuld? Margot erwachte immer, wenige Sekunden bevor der Radiowecker sie mit den neuesten Nachrichten quälen konnte. Und oft auch schon kurz bevor Telefon oder Handy anschlug.

Trotz ihres Flirts mit Bacchus’ Bestem und nur wenigen Ruhestunden riss irgendetwas Margot aus dem Schlaf. Bevor noch alle Sinne »Aufgewacht, Mylady« meldeten, klingelte das Handy wie ein altes Schellacktelefon. Margot hielt überhaupt nichts von irgendwelchem Klingeltonschnickschnack, ebenso wenig wie von ins Handy integrierten Kalendern, Kameras und bald noch Handwärmern und Taschenlampen. Als Horndeich, der große Junge, ihrem mobilen Quälgeist beibrachte, sich zumindest akustisch wie ein normales Telefon zu benehmen und das blöde Technogepiepse für Arme aufzugeben, hätte sie ihn umarmen können.

Sie schaute aufs Display. Für einen Anruf um 2:45 Uhr hingegen hätte sie ihn am liebsten erwürgt!

Sie raunte ein müdes »Ja?« in den Äther.

»Kundschaft, Margot«, sagte er nur.

Kundschaft für die Mordkommission. Irgendwie stand dieses Heinerfest unter keinem guten Stern. Kletterwand, Rainer und jetzt auch noch eine Leiche … Der Nachricht über den gewaltsamen Tod eines Menschen konnte sie meist mit professioneller Distanz begegnen. Anders sah es aus, wenn sie den Tatort untersuchte. Aber sie hatte ja noch eine Gnadenfrist. »Wo?«

»Direkt hinterm Eingang zum Herrngarten. Der zwischen altem Theater und Museum. Alles schon in Flutlicht getaucht wie bei den Achtundneunzigern – du kannst es nicht verfehlen.«

»O. k., gib mir zehn Minuten.« Während der letzten Silben schloss sie bereits den Reißverschluss ihrer Jeans.

Neun Minuten später erreichte sie den hell illuminierten Herrngarten, und Steffen Horndeich trat durch einen Vorhang aus feinem Bindfadenregen auf sie zu. Das Flutlicht ließ den Tatort in grausam klarem Licht erscheinen, nicht einmal der Regen milderte diesen Eindruck. Das Opfer lag auf der Seite, zwischen zwei Büschen, wirkte achtlos weggeworfen wie ein benutztes Taschentuch. Trotz des Regens erkannte sie noch Blutspuren auf dem Weg und die Blutseen, die Kopf und Oberkörper umflossen. Gleich emsigen Ameisen wuselten zwei Beamte der Spurensicherung, Paul Baader und Hans Häffner, in ihren weißen Anzügen um die Leiche herum. Ein anderer Kollege schoss die wirklich letzten Bilder von dem Toten. Aus den Augenwinkeln erkannte Margot, dass dieser groß, schlank und nicht mehr ganz jung war.

»Und?«, fragte sie.

»Keine Ausweise, kein Portemonnaie. Schürfwunden an der linken Hand – wahrscheinlich eine geklaute Uhr. Ich tippe auf einen Junkie, der es wirklich nötig hatte, an ein paar Kröten zu kommen …«

Tagsüber, bei Sonnenschein, war die grüne Lunge der Stadt Tummelplatz für Liebespaare, Spontanpicknicker, Jung und Alt. Der Teich in der Mitte bot Enten und anderem Wasserfedervieh ein Zuhause. Aber der Teil des Parks zwischen Süd- und Südwesteingang war Marktplatz der Pillen und Pülverchen für Sternenjäger ohne Rakete. Mal wurde die Szene geduldet, um sie zumindest unter Kontrolle zu halten. Dann wieder protestierten einige Bürger etwas lautstarker, woraufhin sie durch Razzien wieder aufgelöst wurde. Bis die Klagen aus anderen Ecken der Stadt kamen, dass sich nun dort überall neue Szenen bildeten.

»Schon was zur Todesursache?« Margot hatte ihren Kollegen noch nicht einmal begrüßt, aber das kannte der schon. Sie knetete eine Ausbuchtung an ihrer Jacke, sicheres Zeichen für ihre Anspannung. Sie hatte in ihrem Leben schon einige Leichen gesehen, auch wenn Darmstadt sich glücklicherweise nicht mit Tötungsmetropolen wie Frankfurt oder einigen Städten im Osten des Landes messen konnte. Doch stellte sie fest, dass sie trotz zunehmender Erfahrung nicht abgebrühter wurde, sondern die feine Schicht Abwehr, die ihre Seele vor der Wirkung dieser Bilder beschützen sollte, immer dünner wurde.

Steffen Horndeich – den jeder Horndeich nannte, auch Margot, obwohl sie sich schon über drei Jahre lang kannten und duzten – sagte: »Hinrich sitzt auch schon im Wagen, er müsste gleich da sein.«

Martin Hinrich war der zuständige Arzt der Pathologie, und er hatte, wie Horndeich, in dieser Nacht Bereitschaftsdienst. Da sich Darmstadt mangels Klientel den Luxus einer Gerichtsmedizin nicht leisten musste, rauschten bei Mordfällen immer die Gerichtsmediziner aus Frankfurt an.

»Wer hat ihn gefunden?«

»Karl Strässer, ein Rentner, hat seinen Hund hier Gassi geführt. Der ist losgeschossen und hat Herrchen zu der Leiche geführt, kurz vor halb drei. Hundi hat was an der Blase, deshalb muss er alle zwei Stunden mit ihm raus. Auch nachts.«

»Wo ist er?«

Horndeich führte seine Kollegin zu dem Mann. Der Hund wedelte mit dem Schwanz, Margot streichelte ihm über das nasse Fell. »Herr Strässer?«

»Ja, dä binn isch«, antwortete der Mann in breitem Hessisch. Margot fragte ihn, wie er die Leiche entdeckt hatte, und erfuhr nur die epische Variante von Horndeichs Zusammenfassung, verknüpft mit der kriminalistischen Schlussfolgerung, dass der Täter sicher einer von den Ausländern sein müsse, die den Herrngarten ja schon fast besetzt hätten.

»Tippen Sie auf Österreicher oder Belgier?«, erkundigte sich Margot und ließ den verdutzten Rentner einfach stehen.

Die Lichter zweier Scheinwerfer blendeten sie kurz, als Hinrichs Alfa den Weg entlangfuhr. Der Arzt stieg aus, begrüßte Margot und Horndeich. Sie hatten schon früher zusammengearbeitet. Dann ließ Hinrich sich zu dem Toten führen.

Er kniete sich neben die Leiche, untersuchte sie mit geübtem Blick und flinken Händen.

»Und?«, fragte Horndeich.

»Tot«, sagte er.

»Ach nee.«

Hinrich erhob sich. »Also, soweit ich das jetzt schon sagen kann: Er hat wahrscheinlich von hinten einen über den Kopf gezogen bekommen. Vielleicht damit.« Er deutete auf den Stumpf einer zerbrochenen Bierflasche, die etwas abseits des Toten auf dem Boden lag.

»Das haben weder Kopf noch Flasche gut überstanden. Und hier ist eine Schnittwunde. Hat die Halsschlagader getroffen. Vielleicht auch mit der Bierflasche? Das kann ich aber erst in Frankfurt rausbekommen. Das Ganze ist noch nicht lang her, ich tippe so auf zwei Uhr – plus minus zehn Minuten. Alles Weitere morgen. Jetzt nehm ich ihn erst mal mit.«

Margot dankte dem Kollegen, trat dann näher zum Tatort. »Kann ich ihn mir ansehen?«, fragte sie eine Beamtin von der Spurensicherung.

»Ja, wir sind hier durch. Wegen des Regens gibts keine verwertbaren Fußabdrücke. Ach ja, er ist nicht zwischen den Büschen umgebracht worden, sondern hier auf dem Weg. Der Täter hat ihn wohl zur Seite gerollt, damit nicht jeder gleich über ihn stolpert. Sehr aufmerksam. Schauen Sie ihn sich ruhig an.«

Schon während sie sich neben den Toten kniete, überfiel sie ein Gefühl, dass dieser Mann noch etwas verbarg, und drehte den Kopf in ihre Richtung. Dann wusste sie, was es war.

Margot hatte den Augenblick immer gefürchtet und doch gewusst, dass er eines Tages kommen würde. Sie kannte den Toten.

»Ernst Dengler«, sagte sie tonlos und schaute in die toten Augen eines Freundes ihres Vaters. Vor wenigen Stunden hatte sie den Mann noch lebend gesehen, als er ihren Papa begrüßte. Er war wohl schon Wegbegleiter ihres Vaters gewesen, als sie selbst noch nicht einmal in Gedanken existierte. Sie hatte ihn kaum gekannt, er war nur ein paarmal in der Wohnung ihrer Eltern zu Gast gewesen, als sie dort noch gelebt hatte. Doch sie hatte immer gespürt, dass er und ihr Vater tief verbunden waren.

Dengler wurde in einen Zinksarg gelegt, dieser verschwand in einem Leichenwagen.

»Zoschke, fahren Sie mit«, wies Margot einen Beamten an, der Hinrich begleiten und der Obduktion beiwohnen würde. »Wenn Hinrich durch ist, bringen Sie uns die Ergebnisse. Wenn’s länger dauert, bitte um acht einen Zwischenbericht.« Die hochgezogene Lippe von Heribert Zoschke, der sich verständlicherweise ebenfalls gern mit Nachnamen anreden ließ, zeigte, wie sehr er über den Job erfreut war. Er nickte und ging zu Hinrichs Wagen.

Margot ließ sich auf eine Bank fallen, streckte die Beine von sich, ignorierte den Regen. Horndeich setzte sich neben sie.

»Wer bringt einen fast Siebzigjährigen um? Von hinten. So feige und hinterhältig.«

»Nach allem, was wir hier haben, scheint es wirklich ein Raubüberfall zu sein«, dozierte Horndeich.

Margot schloss die Augen, seufzte. »Wie bringe ich das bloß meinem Vater bei?«

*

Das Bettlaken hätte einem Modell der tektonischen Verwerfungen des San-Andreas-Grabens alle Ehre gemacht. Nach drei Stunden unruhigem Schlaf schälte Margot ihren Körper unter der Decke hervor, duschte und fühlte sich danach ein wenig besser. Das bleiche Gesicht Denglers hatte sie auch in ihren Träumen verfolgt. Diese Art Horrorkino war ihr bislang erspart geblieben. Sicheres Zeichen dafür, dass die Seelenschutzschicht bedenklich dünn geworden war. Dünner, als sie bislang gedacht hatte.

Als sie aus dem Badezimmer trat, signalisierte ihre Nase Kaffeeduft, den sie zunächst für die Geruchsvariante einer Fata Morgana hielt. Doch auch nach drei Atemzügen hatte sich das Aroma nicht verflüchtigt, sondern verstärkt. Außerdem wurde er inzwischen durch das Röcheln der Kaffeemaschine untermalt, das anzeigte, dass diese die letzten Wassertropfen verarbeitete.

Sie schlüpfte in ihre Kleidung und stieg die Stufen hinab. Der Wecker zeigte halb acht.

»Guten Morgen«, sagte Rainer, als er Kaffee in ihre Tasse goss. »Immer noch schwarz mit einem halben Löffel Zucker gegen die Bitterkeit?«

Sie nickte nur stumm, denn am Tisch saß eine echte Fata Morgana. »Wie kommt es denn, dass du schon...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2021
Reihe/Serie Darmstadt-Krimis
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Andreas Franz • Darmstadt • Darmstadtkrimi-Reihe • Ermittlerduo • Hessen • Kommissare • Krimi • Leah Gabriely • Margot Hesgart • Polizei • Regionalkrimi • Steffen Horndeich • Thriller • weibliche Ermittlerin • Wolfgang Burger
ISBN-10 3-492-98870-9 / 3492988709
ISBN-13 978-3-492-98870-4 / 9783492988704
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