Die zweite Braut von Cold Ashton Manor (eBook)
416 Seiten
Brunnen Verlag Gießen
978-3-7655-7625-6 (ISBN)
Ingrid Kretz, Jahrgang 1959, lebt mit ihrem Mann in Dillenburg und hat vier erwachsene Kinder. Heute ist sie als Familienfrau, selbstständige Autorin und Arztsekretärin tätig. Sie schreibt Historische Romane, Kinder- und Sachbücher.
Ingrid Kretz, Jahrgang 1959, lebt mit ihrem Mann in Dillenburg und hat vier erwachsene Kinder. Heute ist sie als Familienfrau, selbstständige Autorin und Arztsekretärin tätig. Sie schreibt Historische Romane, Kinder- und Sachbücher.
PROLOG
FRÜHJAHR 1800, DORF COLD ASHTON
„Wach auf, Amber!“ Die Stimme war ganz nah. Drängend. Fordernd.
Sie lief durch einen Wald, umgeben von riesigen Kräutern und unnatürlich großen Mörsern und Tiegeln, ohne einen Ausweg aus dem grünen Labyrinth zu finden. Es war warm hier, aber sie wusste nicht, vor wem sie auf der Flucht war, wohin sie überhaupt sollte und woher diese Rufe kamen.
Wieder herrschte die weibliche Stimme sie an: „Mach schon! Es wird Zeit.“
Es hallte über sie hinweg. Jemand rüttelte so heftig an ihr, dass ihr Kleid flatterte, als würde es vom Wind bewegt.
Langsam kam sie zu sich. Sie lag zusammengerollt wie eine junge Katze in ihrem Bett, die Decke fest um sich geschlungen, und hatte keine Ahnung, warum irgendjemand neben ihrem Bett stand.
Schattenrisse zerteilten ihr Zimmer und als sie die Silhouette neben sich erkannte, erschrak sie. Ihre Mutter! Was war nur los? Warum stand sie hier im Dunkeln? Und dieser merkwürdige Traum eben? Was hatte das alles zu bedeuten?
Mrs Alice Devaney griff wieder nach ihrer Schulter. „Steh jetzt auf!“, mahnte sie erneut in diesem befehlenden Ton.
Angst stieg in Amber hoch. „Wieso?“ Sie richtete sich auf und stützte sich mit den Armen ab. „Was ist passiert?“, blinzelte sie verschlafen. „Warum weckst du mich mitten in der Nacht?“
„Mitten in der Nacht!“, spottete ihre Mutter und ging zur Tür. „Wann denn sonst? Sollen uns die Nachbarn etwa zuschauen? Hol dir eine Lampe und zieh dich an. Wir müssen gleich los.“ Die Klinke schnappte ins Schloss.
Gleich los? Amber spürte, wie ihr Magen rebellierte und schluckte den aufsteigenden Würgereiz runter. Es war schon immer so gewesen, dass ihr Körper bei zu wenig Schlaf aufbegehrte. Wahrscheinlich tat ihre augenblickliche Lage noch das ihrige hinzu. Abermals stieg es sauer in ihr auf. Sie presste die Lippen zusammen und schwang die Beine aus dem Bett. Für einen Moment verharrte sie sitzend auf der Bettkante.
Bis auf einige wenige Geräusche im Erdgeschoss war es fast totenstill im Haus. Was ging hier vor? Warum holte Mama sie nachts aus dem Schlaf? Und wo um Himmels willen sollten sie hin? Wir müssen gleich los. Warum? Wohin mussten sie?
Langsam kroch Amber aus dem Bett und huschte mit nackten Füßen aus dem Zimmer, ohne sich einen Morgenmantel überzuwerfen. Die Kälte im Haus kroch an ihr hoch. Sie beugte sich über das Geländer und bemerkte einen Lichtstrahl, der aus der Küche in den Flur fiel. Schnell lief sie die Treppe hinunter. Einen Augenblick verharrte sie vor der Tür, bevor sie den Raum betrat. Ihre Mutter stand fertig angezogen da und sah sie ernst an. „Da“, sie wies auf eine Lampe, „und jetzt beeil dich!“
Hinter ihr stand Mary, ihre Dienerin, ebenfalls vollständig bekleidet, mit verschlafenem Blick und Äpfeln in der Hand.
Amber war völlig ratlos. „Würdest du mir bitte erklä-“
„Nein!“ Die Stimme zerschnitt die Nacht. „Dafür ist jetzt keine Zeit! Ich erkläre es dir später.“ Ihre Mutter drehte ihr den Rücken zu und wies Mary an, noch Brot und Wurst in einen Korb zu packen. „Und vergiss den Krug mit Wasser nicht!“
Amber machte keine Anstalten zu gehen und schluckte. Während Tränen ihre Augen fluteten, verschwamm die Küche zu einem düsteren Nebel. Es musste etwas ganz Schlimmes passiert sein. „Was … was ist denn nur los? Ist der Krieg bis hierhin vorgedrungen?“
Ihre Mutter drehte sich um und verzog den Mund, als habe sie in einen säuerlichen Hering gebissen. „Krieg? Bis du noch bei Sinnen? Weißt du wirklich nicht, was los ist?“
„Nein!“ Amber schrie und ahnte Verhängnisvolles. Sie stürzte aus der Küche und rannte nach oben. Warum war Richard gerade nicht da? Wie sollte sie ihm nur sagen, dass sie verreiste? Gab es jetzt keine Möglichkeit mehr, ihm noch eine Nachricht zu schicken? Hoffentlich konnte sie ihm später schreiben. Und warum war Vater nicht aufgestanden? Wusste er überhaupt von den Plänen seiner Ehefrau? Oder war das hier ein Komplott?
„Die Lampe!“, gellte die Stimme ihrer Mutter. Schluchzend stieg Amber wieder zu ihr hinab und nahm die bereitgestellte Öllampe an sich. Zurück in ihrem Zimmer streifte sie eilends ihr Nachtkleid ab, schlüpfte in ihr Mieder und das geblümte himmelblaue Kleid, das sie so gerne mochte, und holte ein Paar Strümpfe aus ihrer Kommode. Nachdem sie sich vollständig angezogen hatte, löste sie ihren Zopf, bürstete grob ihr hüftlanges Haar und steckte es mit geübten schnellen Handgriffen zu einem Dutt im Nacken zusammen. Ihre Schnürstiefel standen noch ungeputzt unterm Fenster. Vater hatte gestern Abend dringend ein paar Salben und Tinkturen in seiner Apotheke zubereiten müssen und sie war ihm bis in die späten Abendstunden zur Hand gegangen.
Endlich stand sie angezogen da und warf einen letzten, gequälten Blick in den Spiegel. Ihre Augen wirkten verquollen und glichen schmalen Schlitzen. Darüber thronten dunkle Augenbrauen gleich eleganten Bögen und hoben sich bestechend dunkel von ihren lichtblonden Haaren ab, als habe sich ein Maler in der Farbe vertan. Sie besaß keine Kraft, wie gewöhnlich frühmorgens ihrem Spiegelbild zuzulächeln. Mit dem noch feuchten Waschlappen vom Abend fuhr sie sich durchs Gesicht. Das musste für jetzt genügen und sie hoffte, ihre Morgentoilette bald wieder gewissenhafter verrichten zu können.
Vorm Haus hörte sie Hufgeklapper. Noch ehe sie sich versah, stand ihre Mutter in Mantel und mit einem monströsen Hut bekleidet in der Haustür, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres, zu nachtschlafender Zeit mit der Kutsche auszufahren. Sie drückte ihr den Wollmantel in die Hand, schob sie in das Wageninnere der Kutsche und stellte ein kleines Gepäckstück neben die Füße. Entschlossen setzte sie sich neben Amber, die die Füße zurückziehen musste, weil Mary sich mit dem vollgepackten Proviantkorb auf die Bank gegenüber zwängte. Als der Kutscher die Tür verschlossen hatte, lehnte ihre Mutter sich zurück und seufzte laut.
Amber warf Mary einen fragenden Blick zu, doch die starrte nur zur Decke und sah nicht aus, als sei sie sonderlich überrascht über diese Fahrt. Wahrscheinlich war das junge Mädchen eingeweiht worden.
Amber senkte den Kopf. Es war düster hier, aber nicht vollständig dunkel und so erkannte sie ihren kleinen Koffer. Ob der Kutscher für Mutter den großen auf dem Dach befestigt hatte? Aufgrund der Eile und ihrer Verwirrung hatte sie ihm keine Beachtung geschenkt. Sie zeigte nach oben. „Dein Koffer ist dort?“, fragte sie zaghaft, als sich das Gefährt in Bewegung setzt. Als Letztes erhaschte sie noch das Schild über der Eingangstür zur Apotheke „Farmacy Jeff Devaney“.
Ihre Mutter schüttelte den Kopf. „Ich brauche keinen.“
„Aber du reist doch mit mir.“ Amber sah sie verständnislos und mit großen Augen an. Sie schluckte, während Kälte und Hitze durch ihren Körper rasten. Augenblicklich war sie hellwach.
Ihre Mutter nestelte an ihren Hutbändern, setzte den Hut ab und spitzte die Lippen. „Nur bis Newport. Dort werden die Pferde gewechselt. Wenn ich Glück habe, bin ich bis abends wieder daheim.“ Sie sah Amber an, die sie mit offenem Mund anstarrte. „Ich hoffe, du verstehst, dass ich Mary das Geld für die Übernachtungen anvertraut habe. Womöglich verlierst du es noch in deiner Verwirrung. Bestimmt müsst ihr ein Gasthaus aufsuchen, denn weder ihr noch die Pferde können unendlich lange fahren.“
Amber hielt die Luft an. Der abweisende Blick ihrer Mutter schmerzte. Sie faltete ihre klammen Hände und schickte ein stummes Bittgebet zu Gott. Herr, ich ahne, dass sie mich fortschafft. Bitte, bitte, hör mein Flehen! Wie viele Gebete habe ich in den letzten Wochen an dich gerichtet, o allmächtiger Gott? Ich kann doch nicht mehr, als mich schuldig zu fühlen. Wie oft habe ich in den letzten Tagen um Verzeihung gefleht? Jetzt darf ich noch nicht mal mehr zu Hause sein. Niemand will mich. Wo bringt man mich hin?
Als habe ihre Mutter ihre Frage gehört, meinte sie: „Du besuchst eine Verwandte von uns.“
„Eine Verwandte?“ Mühsam unterdrückte Amber das Zittern in ihrer Stimme. „Ich möchte aber niemanden besuchen.“
Das interessierte wohl keinen. „Sie freut sich, dich kennenzulernen.“
Ganz gewiss nicht, dachte Amber und starrte aus dem Fenster. Die Cotswolds lagen wie ein dunkel ausgebreitetes Tuch vor ihr. Am Horizont war ein hellgrauer Streifen erkennbar, der den kommenden Morgen erahnen ließ. Sie fror. Im Inneren der Kutsche war es genauso...
Erscheint lt. Verlag | 15.6.2021 |
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Verlagsort | Giessen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Adel • Braut • Bridgerton • Cold Ashton • Downton Abbey • Gloucestershire • Hochzeit • Ingrid Kretz • Jane Austen • Julia Quinn • Julie Klassen • Leid • Liebe • Liebes-Geschichte • Liebes-Roman • Lord • Regency • Romanze • Standesunterschied • Südengland • Ungewollte Schwangerschaft • Wales |
ISBN-10 | 3-7655-7625-5 / 3765576255 |
ISBN-13 | 978-3-7655-7625-6 / 9783765576256 |
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