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Weichenstellung - Wanderung zwischen Welten (eBook)

Autobiografie

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
524 Seiten
tredition (Verlag)
978-3-347-28405-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
2,99 inkl. MwSt
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In seiner Autobiografie lädt der Autor zu einer Wanderung zwischen Welten ein, die ihm zu Heimaten wurden. Die Geburtsheimat in der DDR, die Heimat von schulischem, beruflichem und familiärem Werdegang in der BRD. Mit Luxemburg und Rumänien lernen wir zwei Heimaten kennen, die Familie und Beruf entscheidend weiter entwickeln. Der Blick geht über die persönliche Erfahrung hinaus in spannendes und vielgestaltiges Leben, in unterschiedliche Kulturen und ihre menschlichen, zuweilen allzu menschlichen Träger. Eine spannend zu lesendes, von angemessenem Humor und wertenden Erklärungen geprägtes Zeitdokument im Dienste von Aufklärung und Toleranz.

Dieter Klein, geboren am 29. 12. 1947 im sächsischen Mittweida, wuchs bis zum 14. Lebensjahr in der DDR auf, wobei er neben schönen Erlebnissen die kaum lösbare Spannung zwischen Christ und Pionier mit Westverwandtschaft kennenlernte. Nicht zuletzt deshalb gelang der vierköpfigen Familie eine raffiniert geplante Flucht in den Westen - mit dem letzten Nachtzug am 3./4. August 1961. Teils dornenreiche Jugendjahre mündeten nach dem Abitur in das Studium der Germanistik, Geschichte und Politischen Wissenschaften in Frankfurt und Bonn. 1975 begann er das Berufsleben als Lehrer an einem hessischen Gymnasium, bis er 1978 für neun Jahre an die Europäische Schule Luxemburg wechselte. Nach der Rückkehr seiner mittlerweile auf vier Personen angewachsenen Familie prägte er als Pädagoge sein berufliches und gesellschaftliches Umfeld nachhaltig und konsequent europäisch. Im Jahr 2000 begann eine achtjährige Phase neuer beruflicher Herausforderungen in Rumänien. Nach dem Ende der Dienstzeit war er als pädagogischer Senior Experte in Tadschikistan und erneut in Rumänien tätig. Seit 2011 führt er zahlreiche Gruppen durch verschiedene Regionen Rumäniens und hält Vorträge zu dem Land auf dem Balkan und zu Tadschikistan. Auf Initiative der beiden Töchter ging er vor kurzer Zeit daran, seine vielfältigen Lebenserinnerungen in wesentlichen Aspekten zu ordnen und auf gleichermaßen amüsante wie interessante Weise aufzuzeichnen.

Dieter Klein, geboren am 29. 12. 1947 im sächsischen Mittweida, wuchs bis zum 14. Lebensjahr in der DDR auf, wobei er neben schönen Erlebnissen die kaum lösbare Spannung zwischen Christ und Pionier mit Westverwandtschaft kennenlernte. Nicht zuletzt deshalb gelang der vierköpfigen Familie eine raffiniert geplante Flucht in den Westen - mit dem letzten Nachtzug am 3./4. August 1961. Teils dornenreiche Jugendjahre mündeten nach dem Abitur in das Studium der Germanistik, Geschichte und Politischen Wissenschaften in Frankfurt und Bonn. 1975 begann er das Berufsleben als Lehrer an einem hessischen Gymnasium, bis er 1978 für neun Jahre an die Europäische Schule Luxemburg wechselte. Nach der Rückkehr seiner mittlerweile auf vier Personen angewachsenen Familie prägte er als Pädagoge sein berufliches und gesellschaftliches Umfeld nachhaltig und konsequent europäisch. Im Jahr 2000 begann eine achtjährige Phase neuer beruflicher Herausforderungen in Rumänien. Nach dem Ende der Dienstzeit war er als pädagogischer Senior Experte in Tadschikistan und erneut in Rumänien tätig. Seit 2011 führt er zahlreiche Gruppen durch verschiedene Regionen Rumäniens und hält Vorträge zu dem Land auf dem Balkan und zu Tadschikistan. Auf Initiative der beiden Töchter ging er vor kurzer Zeit daran, seine vielfältigen Lebenserinnerungen in wesentlichen Aspekten zu ordnen und auf gleichermaßen amüsante wie interessante Weise aufzuzeichnen.

2. Kapitel
1954 – 961
Schule des Lebens

Mit dem Eintritt ins Schulleben erweiterte sich der Kinderhorizont, der Verstand wuchs – erste Konflikte waren unvermeidliche Folgen. Die Schulzeit, wohl für jeden Menschen eine prägende Entwicklungsphase, erscheint im Rückblick als spannend und generell schön, ein möglicherweise leicht rosa gefärbtes Bild. Die wenigen markant negativen Erfahrungen verblassen im Licht einer erfüllungsreichen Kindheit, sollen aber nicht verschwiegen werden. Auch wenn der erste Schultag im September 1954 in grauer Vorzeit zu liegen scheint, gibt es bleibende Erinnerungsfragmente:

Schulanfang mit Ilona B

Der Zuckertütenbaum im Kindergarten etwa, von dem jeder Schulanfänger zum Abschied eine bunt gemusterte Tüte voll Backwaren und Süßigkeiten abgeschnitten bekam. Anschließend saß man erstmals in einer hölzernen Schulbank mit hochklappbaren Sitzen, schräg stehender Tischplatte und oben angebrachter Aussparung für's Tintenfässchen. Eine junge Frau sprach zu uns, wovon mir ihre Aussage erinnerlich ist, dass wir Kinder nicht geschlagen werden dürften. Ich hing förmlich an ihren Lippen: die erste Klassenlehrerin, Frau T., außerordentlich sympathisch – das ging gut los! Auch wenn wohl keiner von uns Schulanfängern von der Schule körperliche Züchtigungen erwartete, sollten wir später schmerzlich erfahren, dass die Definition von Gewalt gegen Schüler sehr dehnbar ist.

Um zur Fichteschule auf dem Deckerberg zu gelangen, gab es zwei Fußwege. Entweder zunächst bergab über Melanchthon- und Lutherstraße, vorbei am Tzschirnerplatz mit den verlockenden Schaufenstern des Spielwarengeschäfts Vogelsang, um auf der anderen Seite, die Rochlitzer Straße überquerend, den Postberg hinaufzugehen. Der andere Weg war ein wenig länger und wurde eher für den Rückweg gewählt; von der Schule die Schillerstraße hinunter, quer über die Bahnhofstraße die Leisniger Straße hoch. War am Heimweg die Bergabstrecke am dichten Buschwerk der Firma Schnaps-Kunze unbeschadet überstanden, denn oft schubsten wir uns in die Büsche oder den Steilhang zu Kunze hinunter, wartete auf der anderen Seite der Anstieg der Leisniger Straße, wo wir Kinder - ungeachtet daheim wartender Mütter - uns nahezu alltägliche Auszeiten gönnten. Immer aufs Neue bewunderten wir die beiden nackten, lebensgroßen griechischen Götterfiguren aus Stein in luftiger Höhe des Technikumgebäudes. Nicht nur konnte man als wesentlichen Teil sexueller Aufklärung die biologischen Unterschiede der Geschlechter anschaulich und genau in Augenschein nehmen, noch mehr eigneten sie sich hervorragend dazu, im Winter unsere Treffsicherheit mit Schneebällen zu schulen. Gewinner war, wessen Geschosse am häufigsten auf den Geschlechtsmerkmalen der Beiden landeten. An heißen Sommertagen dagegen überwanden wir den Zaun zur Linken und kletterten verbotener Weise auf den Teufelssteinen im Garten der Villa Oster, Findlingsbrocken aus der letzten Eiszeit, und sehr oft umlagerten wir die Frische spendende Wasserpumpe im Hof des Schulkameraden Wolfgang B., wo vereinbart wurde, wie man nach erledigten Hausaufgaben die Nachmittage füllen wollte, z.B. mit Fußballspiel auf der staubigen Freifläche vor seinem Wohnhaus oder im Winter mit Schlittschuhlaufen auf dem Schwanenteich oder zu allen Jahreszeiten mit Spiel auf dem Huckel inklusive verbotener vegetarischer Versorgungszüge in die angrenzenden Schrebergärten im Sommer. Auf dem schon oben erwähnten Huckel allerdings, dort wo heute die uniformen Neubauten der Lauenhainer Straße für gepflegte Langeweile sorgen, vergnügten sich vorzugsweise Kinder aus der Melanchthon- und Lutherstraße, was einige Klassenkameraden ausschloss, die sich eher auf dem Technikumgelände oder in den Schwanenteichanlagen herumtrieben. Oder wir vereinbarten eine der selteneren Plünderungen im Hühnerstall der Holzbau-Firma. Zur eigenen Verwunderung blieb unser Treiben dort recht lange unbemerkt, weil wir, vom Fabrikgelände her nicht einsehbar, durch das Dachfenster des leicht zu erklimmenden Flachbaus kletterten und im Stall bequem die Eier des Federviehs einsammeln konnten. Einige wenige von uns tranken sie an Ort und Stelle aus.

Doch zurück zum Heimweg von der Schule: Nicht nur Unsinn stellten wir an mit unserer Teufelssteinkletterei oder den Attacken auf die beiden Vertreter der griechischen Götterwelt, sondern auch Unterrichtsinhalte wurden wissenschaftlich exakt nachbereitet. Unter den Augen von Prometheus und Athene sollte sich die im Unterricht vermittelte Ansicht, Religiosität sei antiquierter Aberglaube, als besonders strittig erweisen. Der Lehrer, dem aus unserer etwa 30-köpfigen Klasse niemand zu widersprechen gewagt hätte, um sich und andere nicht als Christen ins Abseits zu stellen, war weit weg, und hier - unter den Augen des Blitze schwingenden Griechengottes - sollten kompromisslos und verbissen theologische Streitgespräche geführt werden. Herrschte im Unterricht angesichts der sozialistischen Aufklärungsversuche unseres Lehrers noch christlich kollektives Schweigen, so explodierte nun der Dampfkessel, wir gaben die in der Schule selbst auferlegte Einheit der Christenmenschen auf. Konnte Gott eine Mutter und damit einen Anfang haben, wo er doch ewig sein sollte? Und konnte Maria ohne einen irdischen Mann ein Kind gebären? War sie eine Heilige? Evangelische und katholische Pennäler gaben ob dieser existenzwichtigen Fragen jegliche Zurückhaltung auf und gingen nach Erschöpfung der argumentativen Auseinandersetzung zum Religionskrieg über, in wärmeren Monaten zu Rangeleien, im Winter zu erbitterten Schneeballschlachten. Zu den Menschen, die unser Christenkollektiv übrigens durch stillhaltendes (feiges?) Schweigen schützte, gehörte auch der beliebte Musiklehrer H.. Er hätte - so erfuhren wir Kinder in den Räumen der katholischen Kirche - wegen seiner allsonntäglichen Tätigkeit als Organist in der Laurentiuskirche um seine Lehrerstelle bangen müssen. (Später wird näher auf Konflikte zwischen Schule und Glaube einzugehen sein.)

Laurentiuskirche

Rätselhaft blieb mir oft genug die Rechenkunst, wo es so manche „3“ setzte. Der längst pensionierte Mathelehrer L., der ein Stockwerk unter uns wohnte, ein hochgewachsener, dürrer, grauhaariger Mann mit abgenutzter Stimme und einem Hauch von Überreife im Bouquet, versuchte mit großer Geduld und stets einer Tasse Tee, mir die Geheimnisse mathematischer Logik nahe zu bringen. Minus mal Minus sollte Plus ergeben. Wenn meine Eltern kein Geld mehr hätten, sondern nur noch Schulden, und unsere Nachbarn das gleiche Schicksal ereilte, so hätten wir nach den mathematischen Regeln darüber sehr froh sein sollen, weil wir durch das Multiplizieren zweier Minussummen zu Reichtum hätten kommen müssen. Wie weltfremd war doch diese Mathematik!

Besser lagen mir die Fächer Geschichte und Deutsch, wobei nach intensiverer Betrachtung der vorreformatorischen Zeit des 16. Jahrhunderts mit der Betonung der Bauernkriege und der Verfehlungen von Adel und katholischer Kirche ein gewaltiges historisches Schwarzes Loch die Weltgeschichte bis zur Oktoberrevolution von 1917 verschluckte. Dass diese während des Ersten Weltkrieges stattgefunden hatte, erfuhren wir zwar, dafür aber kaum etwas über jenen Krieg und die wichtige Zeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Machtübernahme durch das NS-Regime Adolf Hitlers. Und was wir lernten, drehte sich hauptsächlich um die kommunistische Tradition damals, personifiziert in Lenin und Stalin sowie ihren deutschen Wegbereitern Ernst Thälmann, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und in der aus der Nähe von Mittweida stammenden Clara Zetkin. Die Gründe für das Entstehen des Nationalsozialismus, seine Strömungen und die Resonanz in anderen europäischen Ländern blieben uns gänzlich verborgen. Dabei wäre genau das am wichtigsten gewesen, weil Personen wie Hitler sich zwar nicht wiederholen können, sehr wohl aber bestimmte sozioökonomische und ideologische Situationen als Bedingungen für das Wiederaufleben nationalsozialistischen Gedankengutes. Leicht lässt sich vermuten, dass die NS-Zeit noch nicht lange genug zurück lag, um eine wertende Distanz aufzubauen. Zu viele Menschen gab es in beiden Teilen Deutschlands, die nach 1945 in höhere Positionen aufgestiegen waren und kein Interesse am Aufrollen der Vergangenheit hatten. Die Behauptung der DDR, alle Faschisten von einst befänden sich in Westdeutschland, war eine reine Propagandalüge zum Selbstschutz und hält seriöser Prüfung nicht stand.

Auch wenn wir etwas über das KZ Buchenwald erfuhren, so gab es - aus heutiger Sicht sträflicherweise - keine Auseinandersetzung mit der Ideologie des Nationalsozialismus, mit der menschenverachtenden Rassenwertlehre, erst recht nicht mit der weiteren Verwendung des KZ Buchenwald durch die sowjetischen Besatzer. Dafür erhielten zweifelhafte weltgeschichtliche Akteure, wie...

Erscheint lt. Verlag 18.5.2021
Verlagsort Ahrensburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Staat / Verwaltung
Schlagworte Jugend und Erwachsenwerden in der BRD der 60er und 70er Jahre • Kindheit in der DDR der 50er Jahre • Luxemburg - familiäre und berufliche Weiterentwicklung • Rumänien als liebenswertes Beispiel europäischer Vielfalt
ISBN-10 3-347-28405-4 / 3347284054
ISBN-13 978-3-347-28405-0 / 9783347284050
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