Sternenpfade 2 (eBook)
488 Seiten
TWENTYSIX (Verlag)
978-3-7407-4125-9 (ISBN)
Das Schreiben ist ihre große Leidenschaft und schafft für Claudia Stahl den nötigen Ausgleich zum stressigen Job in einer Notaufnahme einer Klinik im südlichen Ostallgäu, dem derzeitigen Lebensmittelpunkt der Autorin.
- Kapitel 2 -
Mit klopfendem Herzen stand ich vor der Tür zu Sebastians Krankenzimmer, meine eiskalte Hand ruhte zögernd auf der kühlen Türklinke.
Die ersten Tage nach seiner Einlieferung in das Klinikum Innsbruck und der folgenden Not-OP hatte ich fast durchgehend an seinem Bett auf der Intensivstation verbracht. Wie ein Lauffeuer hatte sich unter meinen Kollegen herumgesprochen, dass dieser anfangs namenlose Patient, der seinen schweren Motorradunfall nur mit viel, viel Glück überlebt hatte für mich allerdings alles andere als ein Unbekannter war.
Veronika Taufers, die unfallchirurgische Oberärztin, hatte sich als meine Mentorin vor der Klinikleitung intensiv für mich eingesetzt und es somit möglich gemacht, dass ich sooft es eben ging an Sebastians Seite wachen durfte. Sie hatte mich von meinen ärztlichen Diensten auf Station weitestgehend freigestellt und ich verbrachte jede freie Minute an Sebastians Seite. In den ersten, äußerst kritischen Tagen nach seinem Unfall befand er sich noch in einem künstlichen Koma und konnte meine Gegenwart höchstwahrscheinlich gar nicht wirklich wahrnehmen.
Doch sein Zustand besserte sich von Tag zu Tag, bis mir der Chefarzt der Anästhesie und Leiter der Intensivstation, Dr. med. Josef Arhelger schließlich mitteilte, dass er es nun verantworten könne, dass man die Medikamente für den künstlichen Schlaf des Patienten Kramer nach und nach reduzieren und ihn endlich wieder aufwachen lassen werde.
Diese Nachricht war natürlich erst einmal großartig.
Eigentlich.
Und doch hatte ich Angst davor, große Angst sogar.
Denn was, wenn sich meine sehnlichsten Wunschträume nach seinem Erwachen einfach so in Luft auflösten?
Menschen veränderten sich nun einmal im Laufe der Zeit. Und leider wusste ich noch immer so gut wie nichts über Sebastian. Seit unserem letzten Zusammentreffen an diesem verfluchten Viehscheidabend war fast ein ganzes Jahr vergangen. Was hatte er wohl in dieser Zeit alles erlebt? Ich hatte ehrlich gesagt nicht den blassesten Schimmer.
Was, wenn er sich in dieser Zeit wieder neu verliebt hatte, denn immerhin war er ein überaus ansehnlicher und attraktiver junger Mann. Allein schon bei dem Gedanken daran drehte sich mir fast der Magen um.
Auch die bittere Option, dass ihn mein super dämliches Verhalten damals derartig verletzt haben könnte, dass er nun einfach nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, musste ich wohl oder übel in Betracht ziehen.
Daher entschied ich nach reiflicher Abwägung der Risiken (oder vielmehr aus blanker Feigheit, wenn ich ehrlich war), mich während des Aufwachprozesses von Sebastian zurück zu ziehen und erst einmal abzuwarten. Schließlich hatte selbst Dr. Arhelger mir in einem persönlichen Gespräch eindringlich ans Herz gelegt, dass sich der Patient Kramer nach der schweren Zeit, in der sein Körper ums blanke Überleben gekämpft hatte, vorerst weder aufregen noch sonst irgendwie belasten dürfe. Er sei zwar im Augenblick soweit stabil, aber eben noch längst nicht hundert prozentig über den Berg.
Er braucht vorerst einmal nur eines, liebe Kollegin, und das ist ganz, ganz viel Ruhe, hatte mir der Chefarzt im Stationszimmer der Intensivstation mit mahnender Stimme zu bedenken gegeben und als Mediziner wusste ich natürlich selbst nur zu genau, dass er Recht damit hatte. Also zog ich mich zurück und überließ Sebastians Aufwachen und seine weitere Genesung den erfahrenen Händen meiner Kollegen.
Um mich von den quälendsten, schier unerträglichen Gedanken abzulenken, nämlich denen, dass Sebastian sich nach allem was zwischen uns geschehen war, eventuell doch gänzlich von mir abgewendet haben könnte, stürzte ich mich wie schon des öfteren zuvor wieder einmal in meine Arbeit. Vieles war liegen geblieben und ich ergriff dankbar jede Gelegenheit, etwas zu tun, um nicht immer wieder ins grübeln zu verfallen.
Ich saß alleine im Aufenthaltsraum der Notaufnahme und rührte gedankenverloren in meiner Tasse Kaffee, als Veronika Taufers hereinkam. Im Laufe der Zeit hatte sich aus dem ursprünglich lediglich kollegialen ein mittlerweile fast schon freundschaftliches Verhältnis zwischen uns beiden entwickelt und ich hatte Veronika daher gebeten, mich über Sebastians Zustand auf dem Laufenden zu halten. Die Oberärztin kam lächelnd auf mich zu, zog einen Stuhl neben den meinen und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer darauf nieder.
Er ist wach. Sie gab mir einen aufmunternden Stups. Es ist alles ganz nach Plan verlaufen soll ich Dir von Dr. Arhelger ausrichten. Sebastian ist auf einem sehr guten Weg.
Erst jetzt bemerkte ich, dass ich vor Anspannung den Atem angehalten hatte. Ich ergriff ihre Hand und drückte sie ganz fest.
Danke, Veronika.
Das hab´ ich doch gerne für Dich gemacht.
Veronika war schon im Begriff sich wieder zu erheben, als ich sie noch einmal zurückhielt.
Was meinst Du, wann er soweit stabil ist, um ihm zu sagen, dass ich hier bin?
Veronika schürzte abwägend ihre vollen Lippen: Wenn ich nach den Aussagen von Dr. Arhelger gehe, dann denke ich, dass ich Sebastian im Laufe der nächsten Woche darüber in Kenntnis setzen kann. Sie drückte noch einmal meine Hand: Es wird bestimmt alles gut werden, glaube mir Sarah. Er wird Dich bestimmt sehen wollen.
Und Veronika sollte tatsächlich Recht behalten mit ihrem Optimismus.
Mein Herz klopfte mir vor Aufregung bis zum Hals, als ich vier Tage später endlich vor der Tür zu seinem Krankenzimmer stand und mich einfach nicht hinein traute.
Vielleicht war er ja trotzdem immer noch sauer auf mich. Und er wollte bloß noch ein letztes Mal mit mir reden, um mir persönlich zu sagen, dass das, was damals so vielversprechend zwischen uns begonnen hatte, ein für alle Mal vorbei war? Allein der Gedanke daran war für mich kaum zu ertragen.
Doch ganz egal, was auch immer in den nächsten Minuten passieren würde: ich würde es verdammt nochmal leider erst dann erfahren, wenn ich endlich durch diese verflixte Türe hindurchgegangen war.
Ein letztes Mal starrte ich finster auf das hölzerne Türblatt direkt vor meiner Nase, dann drückte ich entschlossen die Klinke herunter, öffnete die Tür einen Spalt breit und schlüpfte leise in das spartanisch eingerichtete Zimmer, hinein in die Höhle des Löwen.
Er saß aufrecht und durch mehrere dicke Kissen in seinem Rücken gestützt in seinem Krankenbett. Beide Hände ruhten fest zusammengefaltet auf der weißen Bettdecke vor seiner Brust. Als er das Öffnen der Tür bemerkte, hob er langsam den Kopf und blickte zu mir hinüber.
In den letzten Wochen hatte ich wirklich intensiv versucht, mich auf diesen einen Moment vorzubereiten. Ich hatte alle möglichen Szenarien durchgespielt, wie es wohl sein würde, unser Wiedersehen nach so langer Zeit. Wort für Wort hatte ich mir zurecht gelegt, was ich alles zu ihm sagen wollte. Doch all das war in diesem Augenblick einfach wie weg geblasen.
Wie versteinert stand ich hinter der Tür und wagte mich nicht zu bewegen. Während ich ihn schweigend betrachtete, schossen mir tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf und die widersprüchlichsten Gefühle überrannten mich förmlich.
Einerseits war sie sofort wieder da, diese intensive Vertrautheit, die uns bereits seit unserem ersten Treffen wie eine unsichtbare Kraft miteinander verband und mich magisch zu ihm hinzog.
Auf der anderen Seite spürte ich jedoch auch etwas ganz Gegensätzliches. Als würde ich diesen Mann, der da vor mir in seinem Krankenbett lag überhaupt nicht kennen. Fast war es so, als stünde ich in dem Zimmer eines Fremden. Ein kalter Schauer lief mir unvermittelt über den Rücken und ich unterdrückte in letzter Sekunde das instinktive Bedürfnis, mich zu schütteln.
Die Sekunden verstrichen, in denen wir uns gegenseitig unschlüssig musterten. Sebastian war schließlich der erste, der das Schweigen brach.
Hey…, sagte er schlicht.
Ebenfalls hey…., antwortete ich zögernd.
Und erneut folgte diese angespannte Stille, in der man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Die Situation wurde zunehmend unangenehm und verlegen trat ich von einem Bein aufs andere.
Ich hab´ fast schon nicht mehr daran geglaubt, Dich irgendwann wiederzusehen, sagte Sebastian schließlich leise.
Okay Sarah! Jetzt oder nie, sprach ich mir im Stillen grimmig Mut zu. Entschlossen machte ich einen Schritt auf ihn zu, jedoch nur, um im nächsten Moment wieder zögernd stehen zu bleiben.
Ich…, es…., vor lauter Verlegenheit begann ich unvermittelt zu stottern. Doch dann gab ich mir einen entschiedenen Ruck und brachte schließlich doch noch einen fließenden Satz über meine plötzlich staubtrockenen Lippen: Sebastian, es tut mir alles so wahnsinnig Leid. Ich war so dumm, ich hätte einfach mit Dir darüber reden sollen. Ich…, es…, es tut mir Leid. Zutiefst beschämt blickte...
Erscheint lt. Verlag | 23.4.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7407-4125-2 / 3740741252 |
ISBN-13 | 978-3-7407-4125-9 / 9783740741259 |
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