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Die Kanzlerin am Dönerstand (eBook)

Miniaturen aus dem Leben von Angela Merkel
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
304 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30352-0 (ISBN)
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Ein charmantes Porträt über Angela Merkel jenseits des Scheinwerferlichts. In seinem neuen Buch versammelt SPIEGEL-Bestsellerautor Torsten Körner ein Kaleidoskop von vielsagenden Szenen im Leben Angela Merkels, die stets der Frage nachgehen, wie man als Mensch beschaffen sein muss, um nicht von den Mühlen der Macht zermahlen zu werden. Entstanden ist ein charmantes Porträt in Splittern, in dem wir mehr über den Menschen Angela Merkel erfahren als in manch dicker Biografie. Viele Merkel-Beobachter tun so, als hätte die Kanzlerin der Welt die Augen verhext. Sie sei ein Rätsel, sie sei unlesbar, man wisse nichts über sie - so ein hartnäckiges Klischee. Wirklich? Torsten Körner beweist das Gegenteil und lädt uns ein, Merkel-Neuland zu betreten. Sein neues Buch zeigt, wer die mächtigste Frau der Welt war, wenn sie nicht mächtig war. Denn den Menschen Angela Merkel entdeckt man nicht hinter all den bekannten Bildern, sondern zwischen ihnen, an ihren Rändern und in ihren Schatten. Dass die Kanzlerin Wladimir Putin und Barack Obama traf, wissen wir, aber was geschah, als sie Campino oder Hape Kerkeling begegnete? Warum kamen ihr einst als Umweltministerin die Tränen? Warum gab sie ihr erstes Westgeld für einen Döner aus? Wann fluchte sie derb und deutlich? Und wie ging es zu, als die Klimakanzlerin auf Greta Thunberg traf? Mit den Antworten auf diese Fragen und auf noch viel mehr ist ein brillant geschriebenes Erinnerungsbuch mit spannenden Einblicken in Angela Merkels Persönlichkeit entstanden.

Torsten Körner ist Schriftsteller, Dokumentarfilmer, Journalist und Fernsehkritiker. Er schrieb die hochgelobten SPIEGEL-Beststeller-Biografien über Heinz Rühmann, Franz Beckenbauer und Götz George und war mehrere Jahre lang Juror des Grimme- und des Deutschen Fernsehpreises. Er ist auch als Regisseur tätig, u. a. von »Angela Merkel - Die Unerwartete«, »Drei Tage im September« (nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2018) und »Die Unbeugsamen« (ausgezeichnet mit dem Gilde-Filmpreis als beste Dokumentation). Im Herbst 2024 kam die Fortsetzung »Guten Morgen, ihr Schönen« in die Kinos. Zuletzt erschienen von Torsten Körner bei Kiepenheuer & Witsch »In der Männer-Republik« und »Kanzlerin am Döner-Stand«.

Torsten Körner ist Schriftsteller, Dokumentarfilmer, Journalist und Fernsehkritiker. Er schrieb die hochgelobten SPIEGEL-Beststeller-Biografien über Heinz Rühmann, Franz Beckenbauer und Götz George und war mehrere Jahre lang Juror des Grimme- und des Deutschen Fernsehpreises. Er ist auch als Regisseur tätig, u. a. von »Angela Merkel – Die Unerwartete«, »Drei Tage im September« (nominiert für den Deutschen Fernsehpreis 2018) und »Die Unbeugsamen« (ausgezeichnet mit dem Gilde-Filmpreis als beste Dokumentation). Im Herbst 2024 kam die Fortsetzung »Guten Morgen, ihr Schönen« in die Kinos. Zuletzt erschienen von Torsten Körner bei Kiepenheuer & Witsch »In der Männer-Republik« und »Kanzlerin am Döner-Stand«.

Inhaltsverzeichnis

Als ihre Hände laufen lernten


Der berühmteste Hinterkopf des deutschen Fernsehens gehörte Günter Gaus. Der Publizist und Politiker war während seiner Gesprächssendung nie von vorn zu sehen, aber seine Fragen hatten ein Gewicht, dem sich niemand entziehen konnte. Man sah Gaus, wenn man ihn nur hörte. Seine Interviewreihe »Zur Person« wurde seit 1963 im deutschen Fernsehen gezeigt, die Sender wechselten, doch Gaus blieb und damit sein sprechender Hinterkopf. Während er fragte, beobachteten die Kameras stets das Gegenüber, den Gast, sodass aus Gesichtern Leinwände wurden, auf denen schon ein Film lief, bevor die Antwort gegeben wurde. Wie jemand zuhörte, wie jemand die Fragen aufnahm und es in ihm oder ihr arbeitete, war schon Teil der Auskunft, die Gaus gerecht, aber streng erbat.

Am 28. Oktober 1991 war Angela Merkel zu Gast. Gaus war bereits eine Legende und der jungen Bundesministerin für Frauen und Jugend ist der Respekt und die Wachsamkeit an jeder Geste, jedem Blick abzulesen. An einer bestimmten Stelle des Interviews ertappt sich Merkel selbst dabei, dass sie ihren Kopf zuhörend nachlässig auf eine Hand abstützt, beinahe gelangweilt wirkend, wie eine belehrungsunwillige Jugendliche am elterlichen Küchentisch, doch sogleich bemerkt sie die Respektlosigkeit, ruft sich innerlich zur Ordnung, strafft sich und nimmt eine aufrechte Sitzhaltung ein. Der Mann vor ihr war fast genauso alt wie ihr Vater, er hatte auch dessen gestrenge Aura und er war von 1974 an nahezu sieben Jahre der Ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR, also ein Mann, der wusste, wovon er sprach, wenn er über ostdeutsche Prägungen und Lebensläufe nachdachte. Gaus war ein Mann beider Deutschlands, ein Anwalt der Ost-West-Verständigung. Und Merkel, eine Frau aus dem Osten, Naturwissenschaftlerin und politisch noch unerfahren, musste sich erst vorsichtig an den Westen und seine politisch-medialen Gepflogenheiten herantasten. Sie tastet sich mit den Augen voran, die so überwach sind, so abwehrbereit und alarmgesichert, dass man – wenn man sich das Interview anschaut – vorstellt, die Politikerin müsse unmittelbar nach dem Interview eine Kopfschmerzattacke erlitten haben.

Ihre Hände hingegen liegen beinahe still im Bild, üben selten Widerspruch, agieren eher defensiv und vorsichtig erläuternd. Kurz zuvor waren zwei andere Politikerinnen bei Gaus zu Gast, die wie Angela Merkel aus dem Osten stammten und wie sie Blitzkarrieren zur Politikerin absolvierten und ins grelle Rampenlicht gestoßen wurden. Drei Frauen, drei Wege, drei ganz und gar verschiedene Temperamente, dreimal vollkommen unterschiedliches Handballett. Merkel, Ingrid Köppe und Regine Hildebrandt sitzen auf einem schwarzen Marcel-Breuer-Stuhl, dem Wassily Chair, Stahlrohr, matt schimmerndes Leder. Köppe kratzt das Leder wie Schorf, wie eine juckende Wunde, Regine Hildebrandt nutzt die Armlehnen zum Ablegen der zumeist ruhelosen Arme und zupackenden Hände, nimmt ansonsten aber keine weitere Notiz von dem Möbel. Köppes Hände, die sich in totaler Selbstvergessenheit während des Gesprächs vom Wort entfernen, sind Deserteure des Diskurses, Hildebrandts Hände sind Frondeure und Merkels Hände sind Knappen in Ausbildung: Die Ministerin hält sich bisweilen an den Lehnen fest wie an Haltegriffen, so als müsse sie nicht nur dieses Gespräch, sondern auch die Aufgabe, auf diesem Stuhl zu sitzen, meistern wie eine existenzgefährdende Herausforderung. Am aktivsten noch sind ihre Daumen, währenddessen die Hände oft im Schoß liegen und ein Körperzentrum bauen, das jedweder Belagerung standhält. Durch ihre ganze Figur geht ein performativer Riss, da wird eine Kluft zwischen Denken und Sprechen, zwischen Vorder- und Hinterbühne deutlich, sie will authentisch sein und spürt zugleich, dass der Wille zum Ich dem Willen zur Wachsamkeit in die Quere kommt. Noch komplizierter wird es, wenn sie selbst diesen Zwiespalt registriert und in ihr inneres Zeugnisheft einträgt: Gut pariert, Angela! Gut ausgewichen! Dann blitzt es in den Augen auf, das ist die Kunst des Fechtens, das ist Politik. Zum Ende des Gesprächs beginnen die Hände zu laufen, sie werden ihrer selbst gewahr, trauen sich aus der Deckung und Selbstumklammerung und agieren gleichsam als Botschafter der eigenen Biografie.

Sie lernt schnell. Die Hände laufen los und laufen und walken, kneten, klammern, harken, portionieren, fragen, sagen: »Stopp!«

Im selben Jahr, 1991, lässt sich Angela Merkel auf ein Experiment mit ungewissem Ausgang ein. Sie ist hin- und hergerissen. Einerseits findet sie, es sei Quatsch, andererseits denkt sie, es sei reizvoll. Und schließlich machen Politiker wie Gerhard Schröder und Joschka Fischer auch mit. Darf man denen die Bühne überlassen? Sie sagt zu, sagt aber auch: »Was soll der Quatsch! Das Buch erscheint ja erst in acht Jahren, man muss heute in der Presse auftauchen.« So berichtet es Herlinde Koelbl, die Initiatorin. Zwischen 1991 und 1998 porträtiert sie fünfzehn Menschen auf dem Weg zur Macht und beobachtet, wie Ämter dem Menschen ihren Prägestempel aufdrücken, wie sich der Stress in die Gesichter fräst, wie der Leib schwillt oder schrumpft und die Schatten unter den Augen immer dunkler und abgründiger werden. Merkel wächst durch die Jahre. Sie streift die Physikerin ab, die Pfarrerstochter, das Studentische, das Mädchen, die Novizin, den Mantel des Kanzlers, sie streift das alles ab, die Lippen werden voller, sie leistet sich für die Kamera Momente von Machtgenuss. Die Fotografin fragt sie im Januar 1997: »Haben Sie nur gelernt, Ihre Rolle zu spielen oder sind Sie wirklich sicherer geworden?« Die Politikerin: »Das ist für einen selber schwer zu beantworten. Natürlich macht man sich bestimmte Schablonen zu eigen, damit nicht jeder einem alle Gefühle an der Nasenspitze ansieht. Außerdem rechne ich inzwischen prinzipiell damit, dass ich fotografiert werden könnte, und verstelle mich deshalb mehr. Früher war es am schwierigsten für mich, irgendwo zu stehen und einer Rede zu lauschen. Ich wusste nie, wohin mit meinen Händen und dem ganzen Körper. Aber das hat sich jetzt verbessert, ich kipple jetzt nicht mehr so von einem Bein auf das andere. Ich bin eben sicherer geworden. Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus beidem, dem Spielen einer Rolle und dem Einssein mit sich selbst.« Das sind, kurz bevor Merkel Ende 1998 Generalsekretärin der CDU wird und zwei Jahre später Parteivorsitzende, immer noch bemerkenswert offene Gedanken zu ihrer politischen Existenz und Inszenierung.

Ihre Hände lernen laufen wie der entsprungene Pfannkuchen im Märchen, kantapper, kantapper. Landauf, landab lernen sie das Reden und Bestehen, das sich Auspendeln und Fortfahren, das Ausweichen und Weiterziehen. Kantapper, kantapper, laufen die Hände durch alle Säle und Schlachten, Gremien und Ämter. Und je machtvoller sie wird, desto symmetrischer agieren sie, die beiden nicht eben großen Hände. Sie lernt auch die Faust zu ballen, die Hände zeigen Stufen auf, sie nehmen Hürden, sie stecken Zeitspannen ab, sie deuten Antagonismen an und kreisen, wenn es gilt, Prozesse und Entwicklungen zu illustrieren. Das alles geschieht gleichmäßig, oft synchron, es sind eher weiche Verläufe, keine hackenden Hände, keine boxenden Fäuste oder allzu spitz pieksenden Zeigefinger. Ihr Gestenrepertoire erinnert eher an eine Gärtnerin, die mal hier und da Hand anlegt, hier ein Blatt zupft, dort einen Wildwuchs begradigt oder dort Saat ausbringt. Es sind friedliche Hände. Sie laufen und laufen, kantapper, kantapper, lassen sich von niemandem fressen und bald ist sie Generalsekretärin, dann Parteivorsitzende, kantapper, kantapper, und endlich Kanzlerkandidatin. Als sie am Abend der Bundestagswahl, am 18. September 2005, mit all den anderen Elefanten im Fernsehstudio von ARD und ZDF sitzt, mit den großen Matadoren der SPD, der Grünen, der FDP, der CSU und der Linken, sind es Gerhard Schröders Hände, die ihn den Kopf kosten und sie zur Kanzlerin machen. Mit jeder seiner auftrumpfenden Gesten, mit jedem fünffingrigen Fanfarenstoß, mit jedem Trommelwirbel selbstbesoffener Wahlkampfpranke schlägt der Mann sich selbst aus dem Feld. Stoiber patscht sich rauflustig mit der rechten Faust in die linke Handinnenfläche. Worauf, sagt die CSU-Faust, wartet die Frau, warum schlägt sie nicht zurück? Merkel lässt den Kanzler poltern und toben und je länger er das tut, desto mehr entspannen sich ihre flattrigen Finger und liegen ruhig auf dem Tisch.

Die Hände der Kanzlerin sind durchs Land gelaufen, landauf, landab, sie haben hier geschüttelt und dort gewunken, sie haben den Amtseid geschworen und sie haben die Luft nicht behandelt, als sei sie Luft. Sie streicheln noch das Unsichtbare. Sie bilden die Raute. Die Kanzlerkandidaten der SPD kommen und gehen, die Raute bleibt. Die Genossen werfen der Kanzlerin vor, ihre Hände betrieben das Geschäft der »asymmetrischen Demobilisierung«. Das klingt kompliziert, ist aber einfach und meint, man wiege den politischen Gegner und seine Anhängerschaft in den Schlaf, bliebe aber selbst hellwach und bitte die eigenen nimmermüden Wähler an die Urne. Das Wahlplakat, das im September 2013 gegenüber dem Berliner Hauptbahnhof hängt, hat die imponierende Größe von 70 mal 20 Meter. Es zeigt nur die Hände der Kanzlerin, ihr Markenzeichen, die Raute. Das Riesenbild wiederum setzt sich zusammen aus 2150 Einzelbildern, die die Hände von CDU-Unterstützern zeigen. Niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik gab es ein größeres Wahlplakat. Grenzte das...

Erscheint lt. Verlag 4.11.2021
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Angela Merkel • Annalena Baerbock • ARD-Doku • Armin Laschet • arte-Dokumentation • auseinandersetzen • Berliner Republik • Bestseller-Autor • Bundeskanzlein • Bundeskanzlerin • Bundestagswahl 2021 • Campino • Demokratie • die Unbeugsamen • Greta Thunberg • In der Männerrepublik • Miniaturen • Olaf Scholz • Politik • Politisches Sachbuch • Robert Habeck • Wahlen 2021
ISBN-10 3-462-30352-X / 346230352X
ISBN-13 978-3-462-30352-0 / 9783462303520
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