Hell strahlt die Dunkelheit (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
336 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30323-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Hell strahlt die Dunkelheit -  Ethan Hawke
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»Ethan Hawke ist ein wahrer Schriftsteller und ?Hell strahlt die Dunkelheit? ein großartiger Roman.« Patti Smith. »Hell strahlt die Dunkelheit« ist der bisher persönlichste Roman des vierfach oscarnominierten Schauspielers, Regisseurs und Schriftstellers Ethan Hawke und dazu eine Ode an das Theater. Ein erfolgreicher Kinoschauspieler ist nach dem Scheitern seiner Ehe mit einer weltberühmten Sängerin vor allem von sich selbst angewidert, denn seine Untreue hat dazu geführt, dass die Familie zerbricht - und das unter den Augen der Öffentlichkeit. Ungeschickt versucht er, die Trümmer seines Lebens mit Whiskey und Sex zusammenzuhalten. Was ihn rettet, ist das Theater: Die Proben für eine Inszenierung von »Heinrich IV« am Broadway unter der Leitung eines brillanten Regisseurs fordern ihn wie nie zuvor. Als einziger Kinostar unter sehr routinierten Theaterschau- spieler*innen mit ständigen Selbstzweifeln konfrontiert, wächst er über sich hinaus. Hybris und Demut im Dauerkampf. Ist es möglich, weltberühmt und gleichzeitig ein guter Mensch zu sein? »Hell strahlt die Dunkelheit« ist ein Roman über Scham, Glamour und den Glauben an die moralische Kraft der Kunst. Das Porträt eines Rosenkriegs, eine Erzählung von Vaterschaft und Männlichkeit, ein Roman, durchtränkt von Wut und Sex, Sehnsucht und Verzweiflung; und ein leidenschaftlicher Liebesbrief an die Welt des Theaters.

Ethan Hawke, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller wurde viermal für einen Oscar nominiert. Er spielte in den Filmen »Der Club der toten Dichter«, »Before Sunrise« sowie in »Boyhood«. Seine Bücher »Aschermittwoch«, »Hin und weg« und »Regeln für einen Ritter« wurden von Presse und Publikum begeistert aufgenommen. Er lebt mit seinen vier Kindern und seiner Frau in Brooklyn.

Ethan Hawke, Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller wurde viermal für einen Oscar nominiert. Er spielte in den Filmen »Der Club der toten Dichter«, »Before Sunrise« sowie in »Boyhood«. Seine Bücher »Aschermittwoch«, »Hin und weg« und »Regeln für einen Ritter« wurden von Presse und Publikum begeistert aufgenommen. Er lebt mit seinen vier Kindern und seiner Frau in Brooklyn. Kristian Lutze lebt in Köln und hat zahlreiche Romane und Musikerbiografien übersetzt, darunter Bücher von Eric Clapton, Walter Mosley, Michael Robotham und Robert Wilson.

2. Szene


Nach der Probe holte ich meine Kinder bei ihrer Mutter ab (nach wie vor keine Spur von ihr) und ging los, um einen kleinen Hund zu besorgen. Um die Ecke gab es einen Tierarzt, der gerettete Welpen verschenkte, und in einem Käfig entdeckten wir eine kleine schwarz-weiße Hündin, die gerade von einer Farm in upstate New York geliefert worden war. Sofort wurde einstimmig beschlossen, dass sie unsere sein sollte. Als die Kinder mein Apartment im Mercury zum ersten Mal betraten, hätte es ihnen nicht gleichgültiger sein können, warum wir dort waren; sie jagten nur die frisch getaufte Night Snow durch das Hotelzimmer, während sich das kleine Hündchen in ihr Herz pisste, kackte, kläffte und knabberte. Sie liebten ihr Zimmer und einigten sich sogar darauf, wer in dem Stockbett oben schlafen durfte. Mein Sohn hatte Angst vor der Leiter. Als ich sie zurück zu ihrer Mutter brachte, ließen wir die kleine Night Snow im Badezimmer. Ich kaufte den Kindern Eiscreme und war einen Moment lang überzeugt, dass jemand mich liebte. So billig diese Liebe auch erkauft gewesen sein mochte, ich war glücklich darüber. Zurück bei ihrer Mom brachte ich meine Kinder wieder ins Bett, kraulte ihnen den Rücken und las ihnen Geschichten vor. Meine alte Wohnung hatte den Hexenhaselgeruch ihrer Mutter – der mir allmählich unheimlich wurde. Ich war schon so weit davongetrieben. Ich war abgelenkt und fragte mich die ganze Zeit, wann sie nach Hause kommen würde. Als meine Große schließlich eingeschlafen war und ich in die Küche kam, war sie da, meine Frau. Zum ersten Mal seit fünf Wochen sahen wir uns in die Augen, zum ersten Mal, seit ich ihr erzählt hatte, dass der schmutzige Klatsch über meine Eskapaden in Kapstadt auf der Titelseite der Post der Wahrheit entsprach, und dies war das erste Mal, das in unserem Blick kein Schleier eines liebevollen Geheimnisses lag. Wir waren nackt. Wir kannten einander besser als irgendjemand sonst auf dem Planeten, besser als unsere Mütter, und wir hassten uns abgrundtief.

»Möchtest du was essen gehen?«, fragte ich.

 

Mary und ich saßen und redeten lange in einem Restaurant, das es nicht mehr gibt; mit zitternden Händen sagten wir beide den ganzen gewöhnlichen hasserfüllten Scheiß, den Ehemänner und Ehefrauen sich sagen, wenn sie vergessen, wie man befreundet ist. Ich brachte sie bis zu den Stufen unserer Haustür. Wir waren unsicher, wie wir uns verabschieden sollten. Ich wusste, dass ich nicht mit nach oben kommen würde. Es fühlte sich an wie das Ende eines schrecklichen ersten Dates.

»Eins möchte ich dir sagen«, begann ich, als sie sich abwandte und die Stufen hochging. »Ich weiß nicht, was ›Liebe‹ bedeutet, aber ich weiß, dass man in diesem Leben zu nichts Ernsthaftem kommt, ohne zu leiden. Und vielleicht haben Liebe und Leiden sehr viel miteinander zu tun. Und wenn es nach unserem Tod einen Himmel oder irgendein anderes Leben gibt, dann weiß ich, dass du und ich dort zusammen sein werden. Wir sind eine Familie.«

Sie sah mich an, die Augen im Schatten ihrer Hutkrempe verborgen, drehte sich um und ging in unser altes Haus.

 

Ich brauchte einen Drink. Ich brauchte zehn. Meine Hände zitterten immer noch. Direkt neben dem Mercury gibt es eine Bar, eine alte, abgeranzte mexikanische Cantina namens Lucy’s El Adobe. Zumindest gab es sie früher; ich wette, inzwischen ist sie verschwunden. Ich wollte jedenfalls nicht allein sein. Ich betrat das Lucy’s, bestellte eine Margarita und Chips mit Salsa und setzte mich mit meiner Taschenbuchausgabe von Heinrich IV. hin, um Hotspurs Eröffnungsmonolog auswendig zu lernen.

Ob ihr es glaubt oder nicht – etwa fünf oder sechs Hocker weiter saß Eugene R. Whitman an der Bar. Meiner Meinung nach war er zu der Zeit der größte lebende Dramatiker. Auf jeden Fall der größte amerikanische. Es war seltsam, ihn zu sehen. Hier war ich, verlorener, als ich mich je in meinem Leben gefühlt hatte, und sechs Hocker entfernt saß – wie von der Hand des Göttlichen hergebracht – meine ultimative Vaterfigur, Amerikas Vaterfigur. Mit sechzehn habe ich eins seiner Stücke gesehen und es in den folgenden zwei Jahren wahrscheinlich zwanzigmal gelesen. Sein Foto auf dem Umschlag war, für mich, ein Schnappschuss von John Wayne, James Baldwin, Johnny Cash, Samuel Beckett, Buddha, Baudelaire und Billy the Kid – alle in einem. Der reine Künstler, keine Bildung, kein Bullshit, ein jähzorniger Außenseiter, ein Rodeo reitender Rebell. Ich hatte in dreien seiner Stücke mitgespielt. Angeblich hatte er sogar eine Vorstellung besucht, sich jedoch in der Pause betrunken und war zur großen Trauer des gesamten Ensembles verschwunden. Wir waren sicher, dass er uns hasste.

Er zischte ein Bier weg und hatte ein Mädchen Anfang zwanzig angequatscht. Plötzlich brach er in eine wilde spontane Geste aus, rief »Ach, verdammte Scheiße!« und stürmte nach draußen. Das junge Mädchen – das auf eine Dallas-Cowboys-T-Shirt-Art attraktiv aussah – wandte sich an mich und fragte: »Weißt du, wer der Typ war?«

»Ja«, sagte ich bemüht cool.

»Glaubst du, er hat wirklich einen Pulitzer-Preis gewonnen?«, fragte sie, mit der Aussprache des Wortes kämpfend.

»Er hat zwei gewonnen«, sagte ich.

»Wow, krass, ich dachte, er hätte voll gelogen«, entschuldigte sie sich bei mir. Dann blickte sie auf ihr Handy und rannte los, um sich einer Gruppe junger Menschen anzuschließen, die gerade angekommen waren.

Kurz darauf kam Eugene so übel nach Rauch stinkend wie ich wahrscheinlich auch zurück an die Bar und nahm ein paar Hocker entfernt von mir Platz. Er bestellte einen Tequila on the rocks und noch ein Bier. Nach einer Weile sprach er mich beiläufig an.

»Also, ich habe gehört, du hast Frauenprobleme?«

»Frauenprobleme?« Ich lachte, der Typ war mein absoluter Held. »Das kann man wohl sagen.«

»Ist dein Herz wie Fisch, wenn er gebraten wird? Ist dir, als könntest du nicht atmen, ohne zu wissen, dass sie da ist? Ist es, als würdest du deine Hände vermissen?«, fragte er und durchbohrte mich mit einem Blick, der mich zum Lachen brachte. Mein Held war sternhagelvoll.

»Nee«, sagte ich. »So ist es nicht.«

»Gut«, sagte er scharf und inhalierte mit einem Schluck die Hälfte seines Tecate. »Das ist gut. Ich hatte befürchtet, wir würden eine andere und dümmere Unterhaltung haben.«

Es entstand ein langes Schweigen. Er war höllisch charismatisch und attraktiv. Selbst mit siebzig hatten seine Bewegungen etwas Hypnotisches. Ich kopierte ihn und trank meine Margarita auf eine Zeitlupenart, von der ich glaubte, er würde sie männlich finden.

»Na, dann erzähl mir die Geschichte«, verlangte er und rutschte zwei Hocker näher. »Die schmutzigen Details. Das Eingemachte. Hä? Die nackte Wahrheit.« Er lächelte, als ob meine Irrungen und Wirrungen garantiert urkomisch werden würden.

»Ich bin dabei erwischt worden, wie ich meine Frau betrogen habe, und sie ist sauer darüber«, stellte ich schlicht fest.

»Ja, das hab ich alles gelesen.«

»Sie sollten solche Schundblätter nicht lesen«, versuchte ich, seinen Cowboyjargon nachzuahmen.

»Jeder Mensch muss Lebensmittel kaufen, oder? Jeder Mensch muss seine Zähne überkronen lassen.«

»Glaub schon«, sagte ich zu meinem Drink.

»Du bist ein Idiot, dass du dich von den Schmierfinken hast erwischen lassen.«

»Schwer zu vermeiden.«

»Ich beneide dich nicht um deine Lage«, sagte er, veränderte seine Haltung und wirkte schlagartig nüchtern. »Du hast sie also betrogen. Na und? Du hast ein Paar Eier in der Hose, oder? Das weiß sie. Wie alt bist du? Dreißig?«

»Zweiunddreißig«, murmelte ich.

»Also, was hat sie gedacht? Hat sie gedacht, du würdest ihn bis ins Grab in der Hose halten?«

»Ich weiß nicht, was sie gedacht hat.«

»Nun, sie wird darüber hinwegkommen«, erklärte er bestimmt.

»Sie ist eine stolze Frau«, sagte ich.

»Das muss sie auch sein, ihr seid nicht allein, oder?«

»Wie meinen Sie das?«

»Ich meine, ihr trefft nicht nur Entscheidungen für euch beide. Es gibt andere Menschen, für die ihr verantwortlich seid, richtig? Kleine Menschen.«

»Die Kinder?«, fragte ich wie ein Idiot.

»Ja, die Kinder. Für sie müsst ihr beiden das klären. Ihr müsst sie durch euer Vorbild lehren. Ihr müsst euch lieben und gegenseitig vergeben, ihr müsst demütig sein.«

»Das Zusammenleben mit ihr macht mich total unglücklich. Ich hab das Gefühl, ich würde mir lieber den Kopf abschneiden«, jammerte ich. Ich erzählte meine Probleme jedem, der zuhörte.

»Natürlich bist du unglücklich. Du hast einen Rockstar geheiratet.« Er lachte. »Ich hab ein paar Rockstars gevögelt. Man ist immer bloß Material.« Er schob sein leeres Schnapsglas auf dem Tresen hin und her.

...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2021
Übersetzer Kristian Lutze
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller-Autor • Lebenskrise • Männlichkeit • Midlife-Crisis • Regeln für einen Ritter • Schauspieler • Scheidung • Theater • Unterhaltung • Vater-Rolle
ISBN-10 3-462-30323-6 / 3462303236
ISBN-13 978-3-462-30323-0 / 9783462303230
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