Millis Erwachen / Milli's Awakening (eBook)

Schwarze Frauen, Kunst und Widerstand / Black Woman, Art and Resistance
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
120 Seiten
Orlanda Verlag
978-3-944666-56-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Millis Erwachen / Milli's Awakening -  Natasha A. Kelly
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1911 malte der Expressionit Ernst Ludwig Kirchner die 'Schlafende Milli' nackt auf einer Couch liegend. Als Inspirationsquelle ließ er nur die eigene Potenz gelten. Während zahlreiche Kunsthistoriker_innen neben der Ästhetik auch die Sexualfantasien von Kirchner in den Fokus ihrer Analysen nehmen, taucht die Autorin in die Gedanken- und Gefühlswelt seiner 'Muse' ein und lässt 'Milli' sinnbildlich erwachen. In Einzelinterviews kommen acht Schwarze Kunstschaffende verschiedener Generationen zu Wort, die in und durch ihren Arbeiten die gängigen kolonialtradierten Stereotype überwunden und ihre eigene selbstbestimmte Identität als Schwarze Frauen innerhalb der weißen deutschen Mehrheitsgesellschaft gebildet haben.

Natasha A. Kelly ist Autorin, Dozentin und Kuratorin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in ihren Arbeiten afrodeutsche Geschichte(n), Gegenwart und Zukunft auf vielfältige Weise zu thematisieren. Dies demonstriert sie in der vorliegenden Publikation und in der gleichnamigen Dokumentation, die von der 10. Berlin Biennale beauftragt wurde.

Natasha A. Kelly ist Autorin, Dozentin und Kuratorin, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, in ihren Arbeiten afrodeutsche Geschichte(n), Gegenwart und Zukunft auf vielfältige Weise zu thematisieren. Dies demonstriert sie in der vorliegenden Publikation und in der gleichnamigen Dokumentation, die von der 10. Berlin Biennale beauftragt wurde.

Einleitung


Wie es zu diesem Projekt kam? Wieso ich ein Buch veröffentliche, das aus Interviews besteht?

Dies hatte zwei Gründe. Zum einen ist die vorliegende Publikation Teil eines multimedialen Projektes, zu dem auch mein Dokumentarfilm „Millis Erwachen“ zählt. Der Film wurde von der 10. Berlin Biennale for Contemporary Art in Auftrag gegeben und war von Juni bis September 2018 täglich in den Kunst-Werken KW Berlin zu sehen. Aber wie es so häufig bei Filmprojekten der Fall ist, konnten nur einzelne Sequenzen der Interviews verwendet werden, die ich zu diesem Anlass geführt hatte. Folglich war nur ein Bruchteil dessen zu sehen, was meine Interviewpartnerinnen mir in Einzelgesprächen erzählten. Die Auswahl habe ich in meiner Rolle als Regisseurin treffen müssen, wohlwissend, dass sich jede andere Filmemacherin je nach Ausrichtung anders entschieden hätte.

Ausschlaggebend für mich war, dass die einzelnen Bausteine ein großes Ganzes ergeben, d. h. dass sie in afrokultureller Tradition wie ein Quilt aneinander gesteppt werden können. Zum anderen mangelt es in der Schwarz deutschen Community – aus welchen Gründen auch immer – an einer Dokumentation der eigenen Geschichte(n). Zu häufig haben wir es versäumt, die (sozial-) politischen Entwicklungen hierzulande und unsere damit zusammenfallenden individuellen Erfahrungen aus der eigenen, selbstbestimmten Schwarzen Perspektive festzuhalten. Dadurch fehlt es den nachfolgenden Generationen häufig an Identitätsangeboten und an Best-Case- oder Worst-Case-Beispielen. Diese Diskontinuität wollte ich, wie schon viele vor mir, weiterhin aufbrechen. Denn einen Platz in der Gesellschaft können wir nun dann für uns als Community beanspruchen, wenn wir auch unseren Platz dauerhaft einfordern. Deshalb entschied ich mich, neben dem Film die vorliegende Publikation herauszugeben, in der die Interviews ungekürzt und ungefiltert abgedruckt sind.

„Aber wir waren doch auch noch da!“

Alles begann nach meiner Vorstellung von „M(a)y Sister“ im HAU Hebbel am Ufer Theater in Berlin 2017. Eine schüchterne, ältere Schwester kam auf mich zu und machte mich darauf aufmerksam, dass ich sie vergessen hätte – ihre Geschichte nicht erzählte. In einem Zeitungsartikel, in der die Show ankündigt wurde, sprach ich von zwei Wellen der afrodeutschen Bewegung: Die erste Welle verortete ich im deutschen Kolonialismus als Schwarze Menschen sich gegen die herrschende, rassistische Kolonialordnung auflehnten. Die zweite Welle ordnete ich zeitlich Mitte der 1980er Jahre ein, als Audre Lorde sich in Berlin aufhielt. Das Buch „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte“ (1986) entstand durch die Anregung von Audre Lorde und wurde zur wegweisenden Publikation der gegenwärtigen Schwarzen Community in Deutschland.

„Aber wir waren doch auch noch da!“, sagte mir diese mir bis dahin unbekannte Frau, die nicht viel jünger ist als meine Mutter. Doch wer war sie? Und wer waren diese Frauen, die noch immer unsichtbar zu sein schienen? Wer waren die Schwestern, die sich vor May Ayim und Katharina Oguntoye, die Mitherausgeberinnen von „Farbe bekennen“, auf den Weg gemacht hatten, um eine Community zu bilden? Woran waren ihre Mühen gescheitert? Mein Interesse war geweckt. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass Nadu 1955 als Tochter einer weißen Mutter und eines Schwarzen Vaters in Detmold geboren ist. Sie erzählte mir nicht nur viel über ihr Leben, sondern auch viel über die sozialpolitische Situation von Schwarzen Frauen im Westdeutschland der 1970iger Jahre. Schnell stellte sich heraus, dass Nadu und ihre Wegbegleiterinnen allesamt bemüht waren, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, auch wenn dies erstmal noch nicht zum Erfolg geführt hatte. Meine Idee entstand, die Spurensuche (wieder) aufzunehmen.

Die Suche nach weiteren Frauen dieser Generation gestaltete sich sehr schwer. Viele Namen sind gefallen, nur wenige Personen konnte ich finden. Andere wollten sich nicht finden lassen und wenn, dann wollten sie nicht vor die Kamera. Es machte mich traurig zu erfahren, wie viele inzwischen verstorben waren. Selbstmord war die häufigste Ursache. Einfach, weil sie sich aufgegeben hatten und/oder von der Gesellschaft nicht gesehen wurden. Die Tatsache, dass der Film für die Biennale gedreht wurde, lenkte das Projekt dann in eine andere Richtung. Ich entschied mich, die Biografien von Schwarzen Künstlerinnen in den Mittelpunkt zu stellen. Nadu stellte schließlich Masken her, weshalb das Kunstschaffen eine tragende Rolle in ihrem Leben spielte. Wie war sie zur Kunst gekommen? Was bedeutete überhaupt Kunst für sie? Und welchen Zugang hatte sie zum Kunstbetrieb?

Für sie sei Kunst wie ihre zweite Leber, ihre dritte Niere oder ihr drittes Auge.

Dank Mahide Lein, die ihren Fundus an Wissen und Kontakten durchforschte, konnte ich Naomi finden, die 1965 in Südafrika geboren ist und im Apartheidtssystem Namibias großgeworden war. Ihre Leidenschaft fürs Theaterspielen und Schreiben wuchs bereits während ihres Studiums an der University of Namibia. Nach der Wende und Namibias Unabhängigkeit war sie nach Deutschland gekommen, wo ihre Kreativität ihr in Auseinandersetzungen mit den weißen deutschen Behörden zugute kam. Heute verarbeitet sie diese Erfahrungen in ihrer Webserie „The Center“, in der sie die Lebensgeschichten von Afrikanerinnen in Deutschland portraitiert.

Kurz danach lernte ich die junge Schwester Maciré kennen, die 1995 in Bremen geboren ist. Als ich sie auf der Bühne sah, wie sie ein Spoken Word Stück performte, fielen mir die Geschichten all jener Frauen ein, die noch immer stimmlos sind, aber dennoch „als Stahlbolzen für die Emotionen aller Menschen um sie herum“ herhalten müssen. Macirés Worte stimmten mich nachdenklich. Gleichzeitig machte ihre positive Ausstrahlung mir Mut. Und weil es keine Zufälle gibt, erzählte sie mir von einer Filminstallation, die sie für die Kunsthalle in Bremen entwickelt und umgesetzt hatte. Wer meine nächste Interviewpartnerin werden würde, war also klar. Es ging nach Bremen. Doch als ich in der Ausstellung „Der blinde Fleck“ vor dem Gemälde „Schlafende Milli“ von Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938) stand, wurde mir ganz anders. Weshalb mich dieses Bild so betroffen machte, und was es mit meiner eigenen Biografie zu tun hat, wurde mit erst später bewusst.

Mit Zari, die 1955 in Chicago geboren ist und seit 1981 in Deutschland lebt, war ich seit vielen Jahren bei Facebook befreundet. Persönlich hatten wir uns bis dato noch nicht getroffen. Als ich vor knapp 10 Jahren nach Berlin zog, hatte ich mich mit ihr in Verbindung gesetzt, aber kurz zuvor war sie nach Hamburg gezogen. Zari ist bildende Künstlerin. Zu ihren beliebten Motiven gehören Frauen aus unterschiedlichen Kulturen, die sie nicht so abbildet wie weiße Männer sie sehen, sondern so, wie sie sie sieht oder sie sich selbst sehen, was einen wichtigen Perspektivwechsel in der Kunstgeschichte markiert. Als sie einwilligte, an dem Projekt teilzunehmen, fuhr ich mit meinem Team nach Hamburg. Dort sprach ich auch mit Maseho, die ich vor vielen Jahren auf einem Bundestreffen der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) kennengelernt hatte. Sie hatte mir damals ein Bild von afrikanischen Königinnen geschenkt, was noch heute in meiner Küche hängt. Maseho ist 1964 in Hamburg geboren. Nach eigenen Angaben verlief ihre Kindheit „relativ durchschnittlich aus Schwarzer deutscher Perspektive“. Für sie sei Kunst wie ihre zweite Leber, ihre dritte Niere oder ihr drittes Auge und nicht wegzudenken aus ihrem Leben. Masheo stellte dann vor Ort den Kontakt zu Diana her, die 1965 in Aschaffenburg geboren ist und seit 1986 in Hamburg lebt. Diana ist Fotografin, die bereits in den 1980er Jahren als Herausgeberin und Fotografin des SM-Magazins „Leather News“ agierte. Was dies und ihre Leidenschaft für Blumen mit ihrem eigenen Leben zu tun haben, erzählt sie sehr offen und emotional.

Inzwischen hatte ich also sechs Gesprächspartnerinnen unterschiedlichen Alters gefunden. Zwischen den ältesten (Nadu und Zari) und der jüngsten (Maciré) liegen exakt 40 Jahre. Um die Erzählung stringent zu machen und die ungebrochene Kontinuität rassistischer und sexistischer Stereotype von Schwarzen Frauen erzählen zu können, war es mir wichtig, zwei weitere Schwestern zu finden, die jeweils in den 70ern und 80ern geboren sind. So konnte ich zumindest aufzeigen, dass Schwarze deutsche Geschichet(n) „gegen den Strich“ gelesen werden kann/können. Patricia, die 1970 in der ehemaligen DDR geboren und aufgewachsen ist, hatte das Cover von einem meiner letzten Bücher, „Sisters & Souls“ (Orlanda 2015) designed und ist in ihrer Heimatstadt Potsdam inzwischen für ihre Grafikkunst bekannt. Auch sie ist seit vielen Jahren in frauenpolitischen Kontexten aktiv. Und Sandrine, die 1980 in (West-)Berlin geboren...

Erscheint lt. Verlag 25.2.2019
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Kunstgeschichte / Kunststile
Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Schlagworte Afrodeutsche • Ernst Ludwig Kirchner • Frauen in der Kunst • Gender • Identität • Kunst • Rassismus • Schwarze Frauen • Schwarze Frauen in Deutschland • Widerstand
ISBN-10 3-944666-56-9 / 3944666569
ISBN-13 978-3-944666-56-3 / 9783944666563
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