Playback (eBook)

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2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61056-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Playback -  Raymond Chandler
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Privatdetektiv Philip Marlowe wird von Rechtsanwalt Clyde Unmey beauftragt, eine junge Dame zu beschatten. Die rothaarige Eleanor King ist eine Augenweide, und der Auftrag ganz nach Marlowes Geschmack. Bis die erste Leiche auftaucht. Denn Miss Kings größtes Talent besteht darin, in Schwierigkeiten zu geraten. Und Marlowe ist nicht der Einzige, der ihr folgt.

Raymond Chandler, geboren 1888 in Chicago, wuchs in England auf. Er übte verschiedenste Berufe aus, bevor er ab 1932 ernsthaft zu schreiben begann. Chandler wurde nicht nur mit seinen Romanen um den Privatdetektiv Philip Marlowe zum Klassiker der Kriminalliteratur. Er verfasste auch berühmte Drehbücher für Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Raymond Chandler starb 1959 in La Jolla, Kalifornien.

Raymond Chandler, geboren 1888 in Chicago, wuchs in England auf. Er übte verschiedenste Berufe aus, bevor er ab 1932 ernsthaft zu schreiben begann. Chandler wurde nicht nur mit seinen Romanen um den Privatdetektiv Philip Marlowe zum Klassiker der Kriminalliteratur. Er verfasste auch berühmte Drehbücher für Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Raymond Chandler starb 1959 in La Jolla, Kalifornien.

Es war keine große Sache. Der Super Chief traf wie fast immer pünktlich ein, und die Gesuchte war so leicht auszumachen wie ein Känguruh im Smoking. Sie hatte nichts bei sich als ein Taschenbuch, das sie in den ersten Abfallkorb warf, an dem sie vorbeikam. Sie setzte sich hin und sah zu Boden. Wenn ich je ein unglückliches Mädchen gesehen habe, dann sie. Nach einer Weile stand sie auf und ging zu einem Bücherstand. Sie verließ ihn, ohne etwas daraus entnommen zu haben, warf einen Blick auf die große Uhr an der Wand und trat in eine Telefonzelle. Nachdem sie eine Handvoll Silber in den Schlitz geworfen hatte, sprach sie mit jemandem. Ihr Gesichtsausdruck blieb dabei völlig unverändert. Sie hängte ein und ging zum Zeitungsstand, zog einen New Yorker heraus, sah wieder auf ihre Uhr und setzte sich hin, um zu lesen.

Sie trug ein mitternachtsblaues englisches Kostüm mit einer über dem Kragen sichtbaren weißen Bluse und einer großen saphirblauen Anstecknadel am Revers, die, wenn ich ihre Ohren hätte sehen können, wahrscheinlich zu ihrem Ohrgehänge paßte. Sie glich ihrer Fotografie, nur war sie etwas größer, als ich erwartet hatte. Von ihrem dunkelblauen Hut hing ein kurzer Schleier. Sie trug Handschuhe.

Nach einer Weile begab sie sich durch die Arkaden hinaus zum Taxistand. Sie warf einen Blick nach links auf die Cafeteria, drehte sich um und ging in den großen Wartesaal, wobei sie die Augen über den Zeitungsstand, das Drugstore, die Auskunft und über die Menschen auf den sauberen Holzbänken schweifen ließ. Von den Fahrkartenschaltern waren einige offen, andere geschlossen. Sie interessierte sich nicht dafür. Sie setzte sich wieder hin und sah auf die große Uhr. Sie zog den rechten Handschuh aus und stellte ihre Armbanduhr, ein kleines einfaches Platinspielzeug ohne Brillanten. Im Geiste setzte ich Miss Vermilyea neben sie. Sie sah durchaus nicht züchtig oder zimperlich oder prüde aus, aber neben ihr wirkte die Vermilyea wie ein Flittchen.

Auch diesmal blieb sie nicht lange sitzen. Sie stand auf und schlenderte umher. Sie ging hinaus in den Patio, kam zurück, ging in das Drugstore und blieb eine Weile vor dem Taschenbuchstand stehen. Zwei Dinge waren offensichtlich: Wenn sie mit jemandem verabredet war, so hatte der Zeitpunkt nichts mit der Ankunft des Zuges zu tun. Sie wirkte wie eine junge Frau, die auf einen Anschlußzug wartet. Sie ging in die Cafeteria. Sie setzte sich an einen der Plastiktische, studierte die Speisekarte und begann dann, in ihrem Buch zu lesen. Eine Kellnerin kam mit dem unvermeidlichen Glas Eiswasser und einer weiteren Speisekarte. Die junge Frau bestellte etwas. Die Kellnerin ging weg, die junge Frau las weiter in ihrem Buch. Es war etwa neun Uhr fünfzehn.

Ich ging durch die Arkaden hinaus zu einem Gepäckträger, der am Taxistand wartete: »Haben Sie Dienst am Super Chief?« fragte ich ihn.

»Ja. Zum Teil.« Ohne allzu großes Interesse blickte er auf den Dollar, mit dem ich spielte.

»Ich hab auf jemand im Kurswagen Washington–San Diego gewartet. Ist da wer ausgestiegen?«

»Sie meinen endgültig, mit Gepäck und allem?«

Ich nickte.

Mit intelligenten kastanienbraunen Augen mich ansehend, dachte er nach. »Einer ist ausgestiegen«, sagte er schließlich. »Wie sieht’n Ihr Freund aus?«

Ich beschrieb einen Mann; einen, der ungefähr aussah wie Oliver Hardy. Der Gepäckträger schüttelte den Kopf.

»Da kann ich nicht dienen, Mister. Was da ausgestiegen ist, hat ganz anders ausgesehen. Ihr Freund sitzt bestimmt noch im Zug. Aus dem Kurswagen braucht man nicht aussteigen. Der wird an den Vierundsiebziger angehängt. Abfahrt elf Uhr dreißig. Der Zug ist aber noch nicht zusammengestellt.«

»Danke«, sagte ich und gab ihm den Dollar. Das Gepäck des Mädchens befand sich noch im Zug – das war alles, was ich wissen wollte.

Ich ging zurück zu der Cafeteria und sah durch die Scheiben. Das Mädchen war noch am Lesen und spielte dabei mit ihrem Kaffee und einem Hörnchen. Ich ging in eine Telefonzelle, rief eine Garage an, wo die Leute mich kannten, und beauftragte sie, sich um meinen Wagen zu kümmern, falls ich bis Mittag nicht wieder anrufen würde. Da dies öfter vorkam, hatte ich dort einen zweiten Zündschlüssel hinterlassen. Ich ging aus dem Bahnhof, holte meine Reisetasche aus dem Wagen und deponierte sie in einem Schließfach. In dem riesigen Wartesaal kaufte ich eine Rückfahrkarte nach San Diego und trottete wieder zurück zu der Cafeteria.

Das Mädchen war noch da, aber nicht mehr allein. Lächelnd und redend saß ihr ein Bursche gegenüber, und auf den ersten Blick war zu sehen, daß sie ihn kannte und daß diese Bekanntschaft ihr unangenehm war. Er war ein typischer Kalifornier – weinrote Slippers, durchgeknöpftes braun-gelb kariertes Hemd, und darüber eine grobe cremefarbene Tweedjacke. Er war vielleicht einsfünfundachtzig groß, schlank und hatte ein hageres, versnobtes Gesicht mit zuviel Gebiß. Zwischen den Fingern rollte er ein Stück Papier.

In seiner äußeren Brusttasche prangte ein gelbes Taschentuch wie ein kleiner Strauß Osterglocken. Und eins war klar wie destilliertes Wasser: Das Mädchen wünschte ihn dorthin, wo der Pfeffer wächst.

Er fuhr fort zu reden und das Papier in den Fingern zu rollen und daran zu zupfen. Schließlich zuckte er mit den Schultern und erhob sich von seinem Stuhl. Er beugte sich vor und strich ihr mit einer Fingerspitze über die Wange. Sie zuckte zurück. Dann öffnete er das zusammengedrehte Stück Papier und glättete es sorgfältig vor ihr auf dem Tisch. Lächelnd wartete er.

Langsam, sehr langsam senkten sich ihre Augen auf das Papier. Ihre Augen blieben darauf haften. Ihre Hand bewegte sich, um danach zu greifen, aber seine Hand war schneller. Er steckte das Papier in die Tasche, immer noch lächelnd. Dann zog er ein Notizbuch mit perforierten Seiten heraus, schrieb etwas mit einem Kugelschreiber hinein, riß die Seite heraus und legte sie vor sie hin. Dieses Stück Papier durfte sie haben. Sie nahm es, las es und steckte es in ihr Portemonnaie. Schließlich sah sie ihn an. Und endlich lächelte sie ihn an. Wahrscheinlich kostete sie dies eine ziemliche Überwindung. Er streckte seine Hand über den Tisch, um die ihre zu tätscheln, dann richtete er sich auf und ging hinaus.

Er ging in eine Telefonzelle, wählte eine Nummer und redete eine ganze Weile. Er kam wieder heraus, rief einen Gepäckträger herbei und ging mit ihm zu einem Schließfach. Diesem entnahm er einen hellen, austernfarbenen Koffer und eine dazu passende Reisetasche. Der Träger trug beides durch die Türen zum Parkplatz und folgte ihm zu einem eleganten, zweifarbig lackierten Buick Roadmaster, dem Kabrio-Typ mit dem festen Dach, das nicht abnehmbar ist.

Der Träger verstaute die Sachen hinter dem vorgeklappten Sitz, nahm sein Geld und ging. Der Bursche in der Tweedjacke mit dem gelben Taschentuch stieg ein, stieß zurück und hielt dann noch einmal an, um sich eine dunkle Brille aufzusetzen und eine Zigarette anzuzünden. Danach war er im Nu verschwunden. Ich notierte mir die Zulassungsnummer und ging zurück in den Bahnhof.

Die nächste Stunde war drei Stunden lang. Das Mädchen verließ die Cafeteria und las im Wartesaal weiter. Aber ihre Gedanken waren nicht bei der Sache. Immer wieder blätterte sie zurück, um nachzusehen, was sie gelesen hatte. Zeitweilig las sie überhaupt nicht, hielt lediglich das Buch im Schoß und blickte ins Leere. Hinter einer ersten Morgenausgabe der Abendzeitung beobachtete ich sie und resümierte, was ich im Kopf hatte. Nichts davon war eine handfeste Tatsache. Es half lediglich, die Zeit totzuschlagen.

Der Bursche, der mit ihr am Tisch gesessen hatte, war mit dem Zug gekommen, denn er hatte Gepäck. Es konnte ihr Zug gewesen sein, und er konnte der Reisende gewesen sein, der aus ihrem Wagen ausgestiegen war. Aus ihrer Haltung war klar zu ersehen, daß sie ihn nicht um sich haben wollte; und aus seiner Haltung, daß er dies bedaure, daß sie ihre Meinung aber wohl ändern würde, wenn sie einen Blick auf seinen Zettel würfe. Und offenbar hatte er recht. Aus der Tatsache, daß dies geschah, nachdem sie den Zug verlassen hatten, wo sie das Ganze schon in aller Ruhe hätten erledigen können, folgte, daß er seinen Zettel im Zug noch nicht gehabt hatte.

In diesem Augenblick stand das Mädchen plötzlich auf, ging zum Zeitungsstand und kam mit einem Päckchen Zigaretten zurück. Sie riß es auf und zündete sich eine Zigarette an. Sie rauchte unbeholfen, wie jemand, der es nicht gewohnt ist, und während sie rauchte, schien sie sich zu verwandeln – ihre Haltung wurde irgendwie hart und herausfordernd, als wollte sie absichtlich ordinär wirken. Ich sah auf die Uhr an der Wand. Zehn Uhr siebenundvierzig. Ich überlegte weiter.

Das zusammengedrehte Papier hatte wie ein Zeitungsausschnitt ausgesehen. Sie hatte versucht, es an sich zu nehmen, und er hatte es ihr weggeschnappt. Dann hatte er ein paar Worte auf einen leeren Zettel geschrieben und ihn ihr gegeben, worauf sie ihn angeblickt und angelächelt hatte. Schlußfolgerung: Der kalifornische Traumheld hatte sie in der Zwickmühle, und sie mußte so tun, als wäre ihr das angenehm.

Nächster Punkt: Kurz davor hatte er den Bahnhof verlassen und war irgendwohin gegangen, vielleicht um seinen Wagen zu holen, vielleicht um sich den Zeitungsausschnitt zu besorgen, vielleicht auch aus irgendeinem andern Grund. Das hieß, daß er keine Angst hatte, sie könnte ihm davonlaufen, und das wiederum legte den Gedanken nahe, daß er ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles, was er auf der Pfanne hatte, enthüllt hatte, sondern noch mit etwas hinter dem...

Erscheint lt. Verlag 28.4.2021
Reihe/Serie Philip Marlowe
Übersetzer Wulf Teichmann
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 40er Jahre • Chandler • Klassiker • Krimi • Kriminalroman • Los Angeles • Philip Marlowe • Privatdetektiv • USA
ISBN-10 3-257-61056-4 / 3257610564
ISBN-13 978-3-257-61056-7 / 9783257610567
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