Die Seifenmanufaktur - Der Duft des Neubeginns (eBook)
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60005-7 (ISBN)
Farina Eden, 1977 in Berlin geboren, entdeckte bereits als Kind ihre Begeisterung für Bücher und begann früh mit dem Schreiben. Nach Schule und Abitur fand sie einen Weg, die Leidenschaft fürs Schreiben mit ihrem Beruf zu verbinden. Sie studierte Deutsch und Englisch und unterrichtet heute an einer Realschule in Baden-Württemberg. Historischer Roman, Liebesroman, Jugendbuch oder Kurzgeschichten - Farina Eden ist in vielen Genres zuhause.
1977 in Berlin geboren, entdeckte Farina Eden bereits als Kind ihre Begeisterung für Bücher und begann früh mit dem Schreiben. Nach Schule und Abitur fand sie einen Weg, die Leidenschaft fürs Schreiben mit ihrem Beruf zu verbinden. Sie studierte Deutsch und Englisch und unterrichtet heute an einer Realschule in Baden-Württemberg, wo sie gemeinsam mit Mann und Tochter lebt. Kreativität kennt keine Grenzen. Genau das ist der Grund, warum sich die Autorin bisher weder auf ein Genre, noch auf eine Zielgruppe festlegen wollte. Historischer Roman, Liebesroman, Jugendbuch oder Kurzgeschichten – die Autorin schreibt nieder, was sie nicht mehr loslässt.
Kapitel 1
Sonntag, 31. Mai 1903
Helen
Auf den tosenden Applaus war Helen nicht vorbereitet. Sie stand auf der Bühne des Kaisersaals zwischen all den anderen Darstellern, ihr Herz schlug dröhnend im Rhythmus der klatschenden Hände, und sie konnte nicht aufhören zu lachen. Links von ihr griff jemand nach ihrer Hand und bedeutete ihr, das Gleiche mit ihrem Nebenmann zu tun. Kurz darauf verbeugten sie sich alle ein letztes Mal, dann fiel der Vorhang.
Helen setzte sich auf die Holzbank, die in der Garderobe für die Schauspieler aufgestellt worden war. Ruhig atmete sie ein und aus und wartete darauf, dass ihr Puls sich beruhigte. Das Lächeln verschwand trotzdem nicht aus ihrem Gesicht.
Nach all der Aufregung und Nervosität, die ihr bereits Tage vor ihrem Auftritt den Schlaf geraubt hatten, ertrank sie nun förmlich in einem Meer aus Glücksgefühlen.
Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sie selbst zum ersten Mal unter den Zuschauern gesessen hatte. Es war die Pfingstaufführung des Jahres 1893, und sie war gerade zehn Jahre alt gewesen. Schon damals hatte sie sich in ihrer kindlichen Begeisterung geschworen, irgendwann eine Rolle im Meistertrunk zu spielen.
Und genau dieser Wunsch war heute in Erfüllung gegangen. Sie wäre auch mit einer Statistenrolle zufrieden gewesen, doch nach den ersten zwei Proben hatte man ihr die weibliche Hauptrolle übertragen. Mit großem Eifer hatte sie den Text der Bürgermeisternichte Magdalena Hirsching auswendig gelernt und wochenlang vor sich hin gemurmelt. Der minutenlange Applaus und die Menschen, die sich dabei von ihren Stühlen erhoben hatten, war all die Mühen wert gewesen. Helen wusste, dass sie auch im nächsten Jahr wieder mitspielen würde, sollte das Festspielkomitee sie darum bitten.
Sie verschwand hinter einem der provisorischen Vorhänge, zog ihr Kostüm aus, schlüpfte in Bluse und Hose und seufzte. Der Beifall, in dem sie sich eben noch gesonnt hatte, würde verstummen, wenn die Zuschauer sie erst in diesem Aufzug sahen, doch damit konnte sie leben.
Die Lästereien der Tauberstädter ob ihrer Kleidung würde sie genauso ignorieren wie die entsetzten Blicke, die sie mit ihrer neuesten Errungenschaft auf sich zog. Ohnehin kam keine der gehässigen Bemerkungen auch nur annähernd an die ausufernden Kämpfe heran, die sie mit ihrer Mutter Henriette hatte ausfechten müssen.
»Wir sind die Eigentümer des Hotels Traube. Unser Name zählt etwas in diesem Ort. Kleide und benimm dich gefälligst deiner Stellung entsprechend«, hatte sie gezetert.
»Ich trage Hosen, weil ich sonst stürzen würde.« Die Erklärung hatte ihre Mutter nicht verstanden. Im Nachhinein war Helen klar geworden, dass es schonendere Wege gegeben hätte, sie auf ihr neues Gefährt vorzubereiten. Auf ihre Nachfrage, was das bedeuten würde, hatte sie sie in den Innenhof des Hotels gebeten. Aus Neugier war auch ihr Vater mit hinausgelaufen.
»Im Rock könnte ich wohl kaum damit fahren.« Stolz hatte Helen auf ihr neues Niederrad gezeigt, das sie gegen die Hauswand gelehnt hatte.
Die Reaktion ihres Vaters war eine Erleichterung für Helen gewesen. Er war in schallendes Gelächter ausgebrochen, hatte dann mit hochgezogener Augenbraue seine Gemahlin angesehen und auf das Donnerwetter gewartet, das unvermeidlich war.
»Du findest das witzig?« Henriette warf ihrem Gatten einen vernichtenden Blick zu und wandte sich dann an Helen. »Willst du mich ins Grab bringen?«, fauchte sie. »Hosen und ein Fahrrad? Vielleicht schneiden wir gleich noch deine wunderschönen Locken kurz? Ich weiß nicht, warum du mir so etwas antust. Auf diesem affigen Gestänge auf Rädern wirst du mir nicht unter die Leute gehen.« Sie wandte sich an Helens Vater. »Ich weiß genau, was du jetzt tun wirst.«
»Ich werde etwas tun?«
»Aber ja. Du nimmst den Einspänner, packst deine Tochter und dieses Drahtding ein und bringst es zurück.«
»Nein.« Helen hatte nur dieses eine Wort gesagt, doch es hatte dazu geführt, dass ihre Mutter fast zwei Wochen nicht mehr mit ihr gesprochen hatte.
Henriettes Versuch, ihren Mann auf ihre Seite zu ziehen, war erfolglos geblieben. »Du kannst ihr nicht vorschreiben, was sie mit ihrem Geld tut«, hatte er eingewendet. »Sie spricht seit ihrem siebten Lebensjahr davon, einmal wie ein echter Velozipedist durch Rothenburg zu rasen.«
Helen hatte bekräftigend genickt. Sie wusste, dass ihre Mutter ihre Schwärmerei für diese Art der Fortbewegung stets als Kinderei abgetan hatte. Das war sie mitnichten.
Die Ersten, die mit diesem Gefährt die Stadt erobert hatten, waren noch auf Hochrädern gekommen. Eine Fahrt damit grenzte an einen akrobatischen Akt. Inzwischen gab es die weit bequemeren Niederräder. Sie waren weniger gefährlich und die Handhabung ein Kinderspiel.
Helen hatte das Ziel, eines davon zu besitzen, nie aus den Augen verloren, zugestecktes und später im Hotel selbst verdientes Geld gespart und sich schließlich angeschafft, wovon sie so lange geträumt hatte.
Und natürlich hatte sie den Kampf gegen ihre Mutter gewonnen und ihr Gefährt behalten.
Helen stand lächelnd auf. Mit erhobenem Kopf und Beinen, die in Hosen steckten, verließ sie Kaisersaal und Rathaus. Auf der breiten Außentreppe kam ihr Lisbeth entgegen.
»Du warst einfach unglaublich!«, rief sie und riss ihre Freundin an sich. »Mit diesem Talent solltest du auf großen Theaterbühnen stehen!«
»Und meine Mutter endgültig in den Wahnsinn treiben?«, lachte Helen. »Besser nicht.«
»Kommst du später in den Bären? Wir brauchen jede Hand, die wir kriegen können.«
»Aber ja, ich freue mich schon darauf«, antwortete sie und meinte es genau so, wie sie es sagte. Lissis Mutter Sophie, die das Waisenhaus in St. Leonhard leitete, hatte bereits vor Jahren damit begonnen, das Festspielwochenende der Tauberstadt zum Anlass zu nehmen, um auch den Ärmsten der Armen etwas Gutes zu tun. Mithilfe ihrer Tochter und ihres Mündels Jacob versorgte sie die Bedürftigen der Stadt im Gasthaus Bären mit einer warmen Mahlzeit. Die Gelder, die dafür nötig waren, beschaffte ihr Gatte Theodor. Sein tadelloser Ruf reichte bis weit über die Stadtmauern hinaus. Jahr für Jahr bat er die wohlhabenden Rothenburger bei verschiedensten wohltätigen Anlässen zur Kasse und die Armenspeisung im Bären gehörte dazu.
Nachdem sie sich von Lisbeth verabschiedet hatte, lief Helen stadtauswärts. Sie roch das Spektakel, noch bevor sie es sah. Zu den Festspieltagen gehörten neben Meistertrunk und Festumzug auch die Darstellung von Lagerszenen. Es hatte den Anschein, als wäre die gesamte Einwohnerschaft aus der Zeit gefallen. Kostümiert, zu Fuß, zu Pferd und auf bunt geschmückten Wagen zog die schillernde Heerschar durch die Straßen, um sich dann auf den Wiesen vor den Stadtmauern zu versammeln und das Lagerleben des Dreißigjährigen Krieges nachzustellen. Dabei wurde zwischen Galgentor und Klingentor nicht nur gewaltig gezecht, sondern auch Fleisch und Geflügel in übergroßen Töpfen gekocht. Das Kesselfleisch roch appetitlicher, als es aussah, was sicher mit den unzähligen Knoblauchzehen zu tun hatte, die in die Töpfe geworfen wurden. Und so, wie diese Speise angeblich zu einem realistischen Lagerleben gehörte, so gehörte auch ein durch die Straßen wabernder Knoblauchgeruch zu den Pfingsttagen.
Helen legte die flache Hand an die Stirn und sah zum Himmel hinauf. Obwohl das Lager in strahlendem Sonnenschein lag, waren die dunklen Gewitterwolken in einiger Entfernung nicht zu übersehen. Mehr als eine Runde um die Festtagswiese würde ihr nicht bleiben, wenn sie nicht völlig durchnässt im Bären eintreffen wollte.
Gut gelaunt und neugierig schlenderte sie an Zelten und Feuerstellen vorbei. Um eines der Feuer saßen Burschen, die sie nur zu gut kannte: Da waren die Brüder Sebastian, den alle Welt nur Wastl nannte, und Maximilian, die verwöhnten Söhne des Rothenburger Lateinschullehrers Peters. Unter normalen Umständen waren sie zwar laut und kindisch, aber auch witzig und ziemlich schlau. Helen wusste sie zu nehmen. Sie war mit ihnen aufgewachsen und hatte so manches Fest in der Traube Versteck spielend, in späteren Jahren dann scherzend und tanzend mit ihnen zugebracht.
Sollte sie die jungen Männer jetzt beschreiben, würde ihr Urteil allerdings nicht ganz so gnädig ausfallen, denn sie waren sturzbetrunken. Wastl war zwei Jahre älter als Max, trotzdem studierten die Petersbrüder gemeinsam an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie hatten sich den Naturwissenschaften verschrieben und ließen sich nur noch dann in Rothenburg blicken, wenn sie sich von Festen wie dem heutigen feucht-fröhliche Nächte versprachen.
Neben ihnen saß Anton, der Sohn der Schmiegerschen Seifensiederei. Er sah nicht ganz so ramponiert aus wie die Brüder, doch auch er amüsierte sich offenkundig prächtig.
Helen war nun auf einer Höhe mit ihnen. Ihr stand nicht der Sinn nach derben Albernheiten, deswegen vermied sie es, die jungen Männer anzusehen. Leider dachten die drei nicht daran, sie kommentarlos ziehen zu lassen. Wastl entdeckte sie zuerst. Schwankend erhob er sich, gab etwas von sich, das nach »Wenn das nicht unser aller Traumweib Helen ist« klang, und stimmte grölend Die Gedanken sind frei an. Sein Bruder Max fiel lachend ein. Sie nahmen Anton in ihre Mitte und schunkelten singend und feixend hin und her.
Anton hob entschuldigend beide Hände, doch Helen winkte lachend ab. Immerhin machten sie sich nicht über ihre Hosen lustig – eine Tatsache, die sie ihren benebelten Sinnen zusprach.
Als sie das Ende des Festplatzes erreicht hatte, begann ihr Magen zu knurren. Vor...
Erscheint lt. Verlag | 30.9.2021 |
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Reihe/Serie | Die Seifenfabrikantin |
Die Seifenfabrikantin | |
Die Seifenfabrikantin | |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 19. Jahrhundert • 20. Jahrhundert • Altes Handwerk • Belletristik Neuerscheinung 2021 • Charlotte Jacobi • Die Essenz des Glücks • Die Rezeptur der Träume • Die Tuchvilla • Erster Weltkrieg • Familiensaga • Familienunternehmen • Historischer Roman für Frauen • Judith Lennox • Liebesgeschichte • Rothenburg ob der Tauber • Schicksal • Seife • Seifenherstellung • Seifenmanufaktur-Trilogie • Seifensiederei • starke weibliche Protagonistin |
ISBN-10 | 3-492-60005-0 / 3492600050 |
ISBN-13 | 978-3-492-60005-7 / 9783492600057 |
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