Raus in eine neue Freiheit! (eBook)

Die Überwindung der klerikalen Kirche
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
208 Seiten
Kösel (Verlag)
978-3-641-27989-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Raus in eine neue Freiheit! -  Christian Hennecke
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»Mit Mut, Leidenschaft und Zuversicht«
Die letzten Monate hatten es in sich: Austrittszahlen schnellen in die Höhe, in allen Kirchen - und das, obwohl aktuell keine wirklich neuen Skandale dazukommen. Und jedes Mal Klagen und Seufzen, rituelle Trauer und Schuldzuweisung, Ratlosigkeit auf allen Seiten - und natürlich auch Besserwisser. Und es gibt Propheten des Untergangs und der Apokalypse, Mahnungen, dass jetzt die letzte Gelegenheit ist, die Kirche endlich so zu gestalten, dass sie attraktiv, relevant, faszinierend, zeitsensibel, milieusensibel wird.

Und auch die Coronakrise ist für Christian Hennecke offenbarend. Und was sich da zeigt, ist mehr als nur eine Krisenaufnahme: die Klage über das Schweigen der Kirche und die Frage nach ihrer Systemrelevanz ist verräterisch. Soll eine Kirche in diesem Gesellschaftssystem eingebunden sein und damit unverzichtbar werden? Für wen? Was ist genau gemeint? Ist wieder nur gemeint, dass die alten Stellungen modernisiert werden - und die Institution sich über ihre Bischöfe meldet, mahnt, drängt? Fällt denn nicht auf, dass in allen diesen Kontexten ein klerikal-machtvolles und institutionelles Bild zementiert werden soll? Selbst von denen, die das gar nicht zugeben würden?

Diese Fragen bilden die Grundlage für die Betrachtungen der Kirche von Christian Hennecke. Er möchte raus aus diesem lähmenden Gefüge und fordert einen neuen Stil des Handelns.

Es braucht Ausbruch, nicht einfach eine Reform. Darum geht es. Es geht um ein Jenseits der klerikalen Machtdiskussionen, die doch selbst kein bisschen weiter gehen, als diese Macht zu demokratisieren und dann Macht eben auf andere aufzuteilen.

Dr. Christian Hennecke, geboren 1961, ist seit 2015 Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim. Acht Jahre lang war er für die Priesterausbildung seines Bistums verantwortlich. Nach dem Studium der katholischen Theologie in Münster und Rom war er einige Jahre Kaplan und Pfarrer in Gemeinden in Norddeutschland. Hennecke ist Autor zahlreicher Bücher.

Ein emotionales Vorwort – Ich will hier raus!

Ein Kirchengefüge löst sich vor unseren Augen auf. Die letzten Jahre haben und hatten es in sich: Immer wieder neue Skandale lassen ohnehin hohe Austrittszahlen in die Höhe schnellen. Das berechtigte Klagen und Seufzen, die emotionale Trauer, die wachsende Aggressivität und Wut, die ungeheure Hilflosigkeit und auch die Ratlosigkeit machen deutlich, wie unlösbar diese Situation ist und wird.

In dieser tiefen Krise gibt es wieder jene Propheten des Untergangs, der kommenden Apokalypse. Wir hören immer wieder endzeitliche Mahnungen, dass jetzt die letzte Gelegenheit gekommen ist, die Kirche endlich besser zu organisieren und so zu gestalten, dass sie attraktiv, relevant, faszinierend, zeit- und milieusensibel wird. Sonst stirbt die Kirche.

Das glaube ich nicht. Und ich kann diese apokalyptische Prosa nicht mehr hören. Ich ertrage es einfach nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr so gerne mitdiskutieren. Weil es sich jedes Mal, jedes Jahr, zu jeder Gelegenheit, wiederholt, im Kreis dreht und alle Medien füllt.

Ich will hier raus!

Und mich wundert nicht wenig, wie merkwürdig verfangen in Gefügen gewachsener Bilder sich diese Diskussionen abspielen – dieselben Schuldigen, dieselben Forderungen, dieselben Blöden. Merkt das denn keiner?

Denn es geht einfach um mehr. Es geht um einen echten Wandel, eine Wandlung, eine Transformation. Wir stecken mitten drin in einem notwendenden Sterbeprozess und einem notwendigen Neubeginn: Neues wird geboren – nicht geplant, nicht gewollt, erlitten und ersehnt. Der Tod eines Gefüges – und das Hervorgebracht-Werden, das Wachsen, das Ins-Leben-Kommen einer neuen Gegenwartsgestalt des Evangeliums.

Aber tendenziell beschäftigt man sich in den Diskussionen in ratloser Aggressivität und mutloser Polemik mit dem Zerbrechen des bisherigen Gefüges und den wenig aussichtsreichen Versuchen der Veränderung. Die Passung des Gesamtgefüges stimmt jedoch nicht mehr. Es geht nicht um einzelne Facetten, sondern um das Ganze: Wundpflaster sind kein Aufbruch.

Ich will da raus! Raus aus diesem lähmenden Gefüge. Raus in eine neue Freiheit. Und deswegen gilt: Ich will ausbrechen – nicht nur aufbrechen.

Corona als Bewusstseinsbeschleuniger

Die letzten Monate, ja mehr als ein Jahr, hatten es in sich: Die Coronakrise ist offenbarend. Und was sich hier zeigt, ist mehr als nur eine Krisenaufnahme: Die Klage über das Schweigen der Kirche und die Frage nach ihrer Systemrelevanz ist verräterisch. Soll eine Kirche in dieses Gesellschaftssystem eingebunden sein und damit unverzichtbar werden? Für wen? Was ist genau gemeint? Ist wieder nur gemeint, dass die alten Stellungen modernisiert werden und die Institution sich über ihre Bischöfe meldet, mahnt, drängt (was sie im Übrigen getan hat)? Fällt denn nicht auf, dass in allen diesen Kontexten ein klerikal-machtvolles und institutionelles Bild zementiert werden soll? Selbst von denen, die das gar nicht zugeben würden?

Und umgekehrt wird seit dem Lockdown auch sehr deutlich, dass eine klerikale Kirche nicht ungebrochen weiterbestehen wird. Von einem weitgehenden Kontrollverlust ist hier oft die Rede gewesen. So wie es beschrieben werden könnte, wäre das negativ konnotiert. Geht es nicht im Gegenteil um eine Freilegung ungeheurer christlicher Kreativität und Freiheit? So wie im Netz vielfältige Gottesdienste mit hoher Partizipation und Gleichwürdigkeit gestaltet wurden, so entstanden – oft unsichtbar – viele Netzwerke der Nachbarschaft und Initiativen der Nächstenliebe, in selbstverantworteter Kooperation und selbstverständlicher Ökumene.

Entsteht hier nicht eine neue Perspektive des Kircheseins? Wird hier nicht über-sichtbar, was mit dem mündig werdenden Volk Gottes gemeint ist? Wieso dann die besorgte Rede vom Kontrollverlust?

Zeigt sich in den Folgen der Pandemie, ersehnt und notwendend erzwungen, nicht das Ende eines Gefüges und der Anfang von Neuem?

Was soll also das trotzige Weiter-so? Das Weiter-so der Diskussionen, die doch vor allem eine schon lange nicht mehr relevante Vergangenheit immer wieder traumatisch umkreisen. Ich kann es gut verstehen, wenn viele sich gegen eine frauendiskriminierende Kirche wenden und wenn viele neue Amtsmodelle fordern. Und unbedingt nötig ist es, den sexuellen Missbrauch transparent aufzuarbeiten und den Machtmissbrauch anzuklagen, aber schon die MHG-Studie* macht deutlich, dass das gewachsene kirchliche System als Ganzes versagt hat. Eine Revolution steht an, die dann aber keinen unberührt lassen wird. Panta rhei!

Die Diskussionen, die ich verfolgen muss, sind jedoch nicht radikal genug. Die Gefügetreue und die geprägten Bilder und Antibilder sind zu routiniert. Kein Wunder, dass der Beifall groß ist. Was alle eint, ist eine Bilder- und Konzeptwelt längst und endgültig vergangener Zeiten.

Ich will aus diesen Sprachspielen und immer selben Filmen heraus. Sie nehmen gefangen in alte Bilder. Sie passen nicht mehr und müssen auch nicht passen. Entspricht dies nicht genau dem Anliegen einer lokalen Kirchenentwicklung, die doch nichts anderes ins Licht rücken möchte als das Werden einer selbstbewussten Bewegung von Christinnen und Christen, die aus der Kraft des Evangeliums die Zukunft überall dort gestalten, wo der Geist sie hinruft?

Ein synodaler Weg?

Die letzten Monate hatten und haben es in sich. Der synodale Weg hat begonnen und ist doch durch die Coronakrise ins Stocken geraten. Aber auch hier finde ich ähnliche Mechanismen. Auf der einen Seite scheint es so, als ginge es nur darum, dass endlich einige Bischöfe verstehen, was die wirklich wichtigen Themen der Kirche sind. Polarisierungen bleiben und vertiefen sich – auf der anderen Seite stehen jene, die schon ein Schisma der deutschen Kirche von Rom vorhersagen. Und es scheinen eine Reihe von Konflikten konstitutiv unlösbar, zumal gerne argumentativ und emotional hochgerüstet wird: Es sei die letzte Chance der Kirche. Und in der Tat: Ich gebe dieser Kirchenkonstellation keine große Chance. Es wäre gut, wenn wir nicht weiter an einem immer weniger prägenden Modell der Kirche reformierend herumbasteln. Es wäre gut zu erkennen, dass es nicht nur um einen liberalen oder konservativen Aufbruch geht (die Kategorien sind ohnehin hinfällig), sondern um eine Transformation, die endlich und schmerzhaft eine wirkmächtige Kirchengestalt zum Ende bringt und dem Evangelium eine neue Chance gibt.

»Nichts Neues unter der Sonne«: In Pfadabhängigkeiten

Ein Ausbruch, nicht einfach eine Reform. Darum geht es. Es geht um ein Jenseits der klerikalen Machtdiskussionen, die doch selbst kein bisschen weiter gehen, als diese Macht zu demokratisieren und dann Macht eben auf andere aufzuteilen. Das ist für mich abstoßend: Wir bleiben im selben Gefüge des Oben-Unten und haben es jetzt gegendert. Das soll es schon sein?

Hier habe ich ein neues Wort gelernt. Wir sind alle auf Pfaden unterwegs und denken auf diesen Pfaden weiter. Auch Reformen der Kirche – gewollte, gewünschte oder zu vermeidende – reflektieren häufig – und hoffentlich unbewusst – die Denk- und Kulturgefüge der Wirklichkeit, die es zu verändern gilt. Hier spricht man von Pfadabhängigkeiten. Der Begriff ist wissenschaftlich vorgeprägt. Ohne die Diskussion hier führen zu wollen und zu können, geht es aber ganz einfach darum, dass auch Veränderungsprozesse letztlich im Gefüge stecken bleiben, aus dem sie stammen. Man könnte sagen: Entwicklungsprozesse übersteigen oft nicht den Rahmen des Gefüges, aus dem sie stammen. Echte Innovation geschieht so nicht – es bleibt alles beim neuen Alten.

Über Pfadabhängigkeiten diskutierte schon Kohelet. Hier gibt es eben nichts Neues unter der Sonne. Und in der Tat fällt mir bei den aufgeregten Veränderungsdiskussionen auf, dass die hintergründige Kirchenarchitektur bei Befürwortern und leidenschaftlichen Akteuren des Wandels immer noch ein bisheriges Kirchenbild fördert oder bekämpft. Das sind Pfadabhängigkeiten. Es ist spannend, hierbei zu beobachten, dass dies den Diskutierenden oft gar nicht bewusst ist.

Beispiele gibt es viele, gerade in jüngster Zeit. Man denke an die Priesterausbildung. Es ist seit Jahrzehnten klar, dass die Zahl der Seminare zu hoch ist. Seit 2006 verfolge ich die Diskussion um die Zukunft der Seminare, die Größe der Ausbildungskommunitäten, die Länge der Praktika, die geistliche Ausbildung. Und wenn in diesem Jahr neu vorgeschlagen wird, alle Seminaristen in drei Seminaren deutschlandweit auszubilden, und die pawlowschen Reflexe der betroffenen Bischöfe und Fakultäten sich sofort zeigen, dann sind dennoch entscheidende Fragen nicht beantwortet: Ist die derzeitige Gestalt der Ausbildung überhaupt geeignet, um Priester für das 21. Jahrhundert auszubilden? Welche Art akademisch präsenter Theologie braucht es in Deutschland? Welcher Art von Amtsträgern bedarf es? Pfadabhängigkeiten verhindern hier ein neues Denken, eine neue Praxis, die auf diese Fragen antworten könnte.

Und ja, auf dieses neue Denken habe ich Lust, aber nicht auf das Bepflastern von Defiziten und Selbstwahrnehmungen, die sich gegen Veränderungen immunisieren, und dies mit einem ungebrochenen Selbstbewusstsein.

Die Heftigkeit der Reaktionen, die Überemotionalisierung der Diskussionen machen nur eines deutlich: Viele spüren, dass es ernst geworden ist. Sie spüren, dass sie etwas verlieren könnten. Ob wir über Räte und ihre Zukunft diskutieren, über kirchliche...

Erscheint lt. Verlag 1.11.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Christiane Florin • eBooks • Erik Flügge • Kirchenaustritt • Kirchenreform • Kirche und Corona • Ökumene • Papst Benedikt XVI. • Papst Franziskus • Rainer Maria Schießler • Reformen • Synodaler Prozess • Synodaler Weg
ISBN-10 3-641-27989-5 / 3641279895
ISBN-13 978-3-641-27989-9 / 9783641279899
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