Die Sprache des Lichts (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
496 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45860-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Sprache des Lichts -  Katharina Kramer
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Auf der Suche nach der Sprache Gottes - abenteuerlich, geheimnisvoll, berauschend: »Die Sprache des Lichts« ist ein außergewöhnlicher historischer Roman über ein rätselhaftes Buch und eine abenteuerliche Suche im Europa des 16. Jahrhunderts. Europa 1582: Während die Religionskriege Nachbarn zu Feinden machen, sind Gelehrte, Alchemisten und die Spione der Mächtigen auf der Suche nach der Sprache der Schöpfung, mit der Gott die Welt erschaffen hat. Denn diese Ursprache, so glaubt man, hat noch immer die Macht, das Gesagte entstehen zu lassen. Der sprachbegabte Jacob Greve entdeckt in den Diensten des englischen Hofastronomen John Dee das geheimnisvolle Buch Soyga, das den Schlüssel zur Ursprache enthalten soll. Daraufhin macht er sich auf eine gefahrvolle Reise quer durch Europa, um es zu enträtseln. Doch Jacob ist nicht der einzige, der dem Geheimnis auf der Spur ist. Die radikale katholische Liga hat die Übersetzerin und Spionin Margarète Labé auf Jacob angesetzt, und auch der zwielichtige Alchemist Edward Kelley hat großes Interesse an Jacobs Talenten ... Im von Kriegen zerrissenen Europa Ende des 16. Jahrhunderts lässt Katharina Kramer die Helden ihres historischen Romans das Rätsel um das geheimnisvolle Buch Soyga ergründen und Jacob, Margarète und Edward das Wesen der Sprache selbst erforschen.

Katharina Kramer hat Englisch, Französisch, Journalistik und Pädagogik in Hamburg, Durham/England und Paris studiert. Sie hat als Sachbuch-Übersetzerin sowie als Gymnasiallehrerin gearbeitet, und als Journalistin mit den Schwerpunkten Wissenschaft und Kulturgeschichte u.a.  für die ZEIT, die Süddeutsche Zeitung, den SPIEGEL sowie für GEO, mare und PM-History geschrieben. Katharina Kramer lebt in Hamburg. Die Sprache des Lichts ist ihr erster Roman.

Katharina Kramer hat Englisch, Französisch, Journalistik und Pädagogik in Hamburg, Durham/England und Paris studiert. Sie hat als Sachbuch-Übersetzerin sowie als Gymnasiallehrerin gearbeitet, und als Journalistin mit den Schwerpunkten Wissenschaft und Kulturgeschichte u.a.  für die ZEIT, die Süddeutsche Zeitung, den SPIEGEL sowie für GEO, mare und PM-History geschrieben. Katharina Kramer lebt in Hamburg. Die Sprache des Lichts ist ihr erster Roman.

1: Die Pfeifsprache der Hirten


April 1582 in der von den Calvinisten besetzten Provinz Béarn in den Pyrenäen: Margarète Labé, Übersetzerin und Spionin der Katholischen Liga, schmiedet Kriegspläne und benutzt eine Pfeifsprache, die sie nicht versteht.

Hell wie Vogelgesang klangen die Pfiffe über die Berge, hallten an den schroffen Felsgipfeln wider. Margarète hatte die Burg von Béost fast erreicht. Sie brachte ihr Pferd zum Stehen und schaute um sich. Ein Triller erschallte und gleich darauf ein Schlenker nach unten, dann ein langer Ton in der Mittellage. Margarète suchte den Hirten, der pfiff. Dort, auf einer Wiese nahe dem hoch aufragenden Felsen im Südosten stand er, unweit einer großen Schafherde. Ein kristallklarer Ton kam daraufhin von einem mit Pinien bewachsenen Hügel weiter östlich: ein Triller, so scharf und so frei, dass Margarète Gänsehaut bekam. Der zweite Pfeifer, der dem ersten antwortete, war nicht zu sehen. Er musste hinter dem Kamm im Osten stehen. Dort lag am Waldrand das Hirtendorf Aas, wo bekanntlich die besten Pfeifer lebten. Der Ton stieg höher und höher, bis er die ganze Landschaft erfüllte: eine Sprache aus Pfiffen, eine Sprache, die meilenweit flog.

 

Margarète stieg ab, tränkte ihr Pferd am kleinen Fluss Gave, tauchte die Arme und Hände ein und schüttete sich Wasser ins Gesicht. Sie hatte die Pfiffe vermisst, wie sie erst jetzt bemerkte. Sie hatten zu den Sommern gehört, die sie als Mädchen nur wenige Meilen von hier, auf dem kleinen Pachthof ihrer Großmutter, verbrachte. Vor zwanzig Jahren war sie das letzte Mal hier gewesen. Damals war sie vierzehn. Die Hirten konnten alles ausdrücken mit ihren Pfiffen, hatte die Großmutter ihr erklärt: was sie am Abend tun wollten, in wen sie verliebt waren oder ob ein Bär sich der Herde näherte. Doch wie die Signale zu entschlüsseln waren, wusste niemand außer den Hirten – und die gaben das Geheimnis nicht preis. Wieder kamen Pfiffe aus der Richtung von Aas. Ob es stimmt, fragte sich Margarète, was die Leute sagen, dass die Pfiffe älter sind als alle anderen menschlichen Sprachen? Margarète schwang sich in den Sattel und trieb ihr Pferd an.

 

Unter einem runden Torbogen hindurch ritt sie in den Innenhof des Châteaus de Béost. Sie atmete tief ein, während sie Blumenbeete, Obstbäume und einen Springbrunnen, in dem ein steinerner Delfin Wasser spie, passierte. Sie war angekommen, ihre Mission begann. Margarètes Puls ging schneller. Die Befreiung des Béarn vom calvinistischen Joch würde ein Abenteuer werden, ein Spiel mit hohem Einsatz und komplizierten Regeln, bei dem es auf Witz und Geschicklichkeit ankam. Zehn Jahre lang hielten die Calvinisten nun schon das Béarn besetzt. Es war höchste Zeit, dass es wieder katholisch wurde. Von den Stallungen kam ein Knecht herbeigelaufen, übernahm ihr Pferd. Margarète ging zum von Säulen gesäumten Eingangstor, richtete Haube und Haare, strich ihr Hemd und ihre kurze Jacke mit den Puffärmeln zurecht und läutete dann die Glocke, viermal kurz und zweimal lang: das Signal, das sie mit dem Baron Florimond de Vaillac verabredet hatte. Er hatte sie vor zwei Wochen hierherbestellt, unter dem großen Kronleuchter des Salons in seinem Château Trompette am Hafen von Bordeaux.

 

Der Baron öffnete ihr höchstpersönlich. Er trug ein gelbes Wams, einen Degen am Gürtel und eine Miniaturuhr am Zeigefinger. Er schaute Margarète auf den Busen, besann sich, blickte ihr lächelnd auf den Mund, dann in die Augen. Sein angegrauter Spitzbart war länger geworden, seitdem sie sich in Bordeaux gesehen hatten. Er bemerkte ihre Reithosen, verzog die Lippen und gab ihr einen Handkuss. »Du bist schön wie immer«, er verbeugte sich, »willkommen, Margarète.«

»Danke.« Margarète knickste. »Eure Uhr ist auch schön wie immer.«

Florimond de Vaillac lachte, schulterte ihr Gepäck und führte sie über eine mit Holzschnitzereien verzierte Wendeltreppe hinauf. »Ich hoffe, das Zimmer ist nach deinem Geschmack.« Im dritten Stock schloss der Baron eine schwere Eichentür auf. Margarète blieb auf der Schwelle stehen: Was für ein Gemach! Es gab ein Cembalo, zwei mit Kissen ausstaffierte Stühle, ein Himmelbett mit blauen Vorhängen, einen Schrank, einen mit Schnitzereien verzierten Paravent und holzverkleidete Wände. Margarète unterdrückte ihre freudige Überraschung und setzte sich in den Stuhl am Fenster. Das war sogar verglast, gut geputzt, und gab einen weiten Blick über die Berge frei. Wie düster und armselig sich dagegen ihre kleine Bleibe in Bordeaux ausnahm, durchfuhr es Margarète, in der sie einen Spiegel auf die Fensterbank stellen musste, um einen Schnipsel Himmelsblau zwischen den engen Mauern der Gasse einzufangen. Ihre Witwen- und Übersetzerinnenbleibe in der Tischlergasse von Bordeaux bestand aus einer Truhe, einem Bett, einem Tisch und sieben Büchern. Hier, in ihrem Spioninnen-Gemach, würde sie eine Weile wie eine Freiherrin leben. »Fürs Erste wird es reichen«, Margarète räkelte sich, »nur der Paravent müsste demnächst ausgewechselt werden: Die Schnitzereien sind ein wenig schlicht. Bemalte Seide wäre besser.«

De Vaillac grinste, legte Margarètes Bündel auf dem Himmelbett ab und reichte ihr einen Becher frisches Quellwasser aus den Bergen. Es gab kein besseres. Sie trank langsam, auch wenn ihr danach war, alles in nur wenigen Schlucken hinunterzustürzen wie ein Kutscher.

»Wie stehen die Dinge in unserem schönen Bordeaux?«, fragte de Vaillac. »Ich vermisse die Seeluft. Ist der Bürgermeister schon an der Pest krepiert oder wenigstens an einer verschluckten Gräte?«

Margarète hob die Hände. »Bedaure.«

De Vaillac verabscheute kaum jemanden mehr als Michel de Montaigne, der zwar Katholik war, aber die Liga bekämpfte, weil sie ihm zu radikal erschien.

Margarète entknotete ihre Bündel. »Sind schon viele Ligisten da?«

»Außer dem Burgherrn Martin d’Espalungue nur zwei. Die anderen werden in den nächsten Tagen eintreffen.« De Vaillac stand am Fenster, studierte Margarètes Hände.

»Gibt es schon etwas für mich zu tun?« Margarète legte ihre Mieder in den Schrank.

De Vaillac lachte auf. »Immer mit der Ruhe.« Er blickte ernst aus dem Fenster. »Es wird nicht ganz einfach, Margarète. Die Leute hier kennen dich noch nicht.«

Sie hielt beim Auspacken inne.

Der Baron drehte seine Fingeruhr hin und her. »Du darfst nicht erwarten, dass die Männer dich hier mit offenen Armen empfangen. Sie haben Vorbehalte.«

 

Margarète hängte ihre Kleider auf die Holzhaken an der hinteren Schrankwand, sah in den Spiegel neben dem Paravent. Die unter ihrer Haube hervorquellenden rotbraunen Locken waren feucht von Schweiß. Auf dem Ritt hatten ihre Sommersprossen sich offenbar vermehrt.

Florimond de Vaillac stellte sich hinter sie, drehte eine ihrer Locken zwischen den Fingern. Sie spürte seinen Atem im Nacken. Er roch nach Kümmel. »Wir brauchen dich in diesem Kampf. Zehn Jahre haben ihn nur Männer geführt und verloren.«

Margarète trat zurück ans Bett, zog ihre Hemden hervor und hängte sie auf.

De Vaillac verfolgte die Bewegungen ihrer Arme. »Bisher haben die Katholiken zu kleinmütig und zu feige gehandelt«, sagte er, »zu viele Michel de Montaignes, gemäßigte Katholiken, die meinen, tolerant sein und ausgleichen zu müssen.« De Vaillac lachte spöttisch auf, umfasste den Griff seines Degens. »Die ihren ärgsten Feind in der Liga sehen statt in den Häretikern.«

Margarète betrachtete ihre Kleidung im großen Schrank. Wirklich praktisch, dachte sie, so ein Schrank. Dank der Haken gab es nicht einmal Knicke im Stoff.

Sie legte ihre Strümpfe und Hauben in die Regale, nahm das Fläschchen mit Gift aus dem Bündel.

Der Baron zog die Brauen hoch. »Tollkirsche?«

»Hoch dosiert, ein Schluck genügt.«

De Vaillac sprach versöhnlich: »Ich habe den Ligisten gesagt, wie sehr du dich bewährt hast. Dass du mit deinen Betörungskünsten den Häretikern die Zunge löst, dass du einen Richter in La Rochelle davon abgehalten hast, katholische Verschwörer zu hängen.«

 

Margarète begab sich mit einem Mieder und einem Hemd hinter den Paravent, trug Nelkenparfüm auf und zog sich um.

»Ich habe ihnen erklärt, dass du bei dem Gelehrten Élie Vinet als Hausmädchen gedient hast«, fuhr de Vaillac mit so lauter Stimme fort, als wäre der Wandschirm nicht aus Holz, sondern aus Stein, »und er dich wegen deiner Begabung im Lateinischen unterwiesen hat. Ich habe von deinen Italienisch-, Spanisch- und Bearnesischkenntnissen berichtet, von deinen Übersetzungen, deinen erfolgreichen Erkundungsgängen und Beschattungen. All das wissen sie bereits.«

»Dann bringt mich ins Spiel.«

»Es ist mehr als ein Spiel, Margarète«, Florimond de Vaillacs Stimme klang väterlich und milde zurechtweisend, »es ist ein Krieg, ein Krieg gegen den Teufel.«

Margarète trat hinter dem Paravent hervor.

De Vaillac hatte sich auf den Stuhl am Fenster gesetzt, musterte sie von Kopf bis Fuß. »Willst du nicht ein Kleid anziehen?«

Margarète schaute in den Spiegel. Die Reithosen ließen sie wie eine Amazone aussehen. »Wenn ich es richtig verstanden habe, soll ich hier in einen Krieg ziehen, nicht wahr?«

Der Baron hob schmunzelnd die Hände. »Gehen wir.«

 

Sie stiegen eine enge Steintreppe hinauf. Im Turm angekommen, klopfte de Vaillac gegen eine mit Eisen beschlagene Holztür. »Monstra te esse matrem«, sprach er die Losung der Liga aus dem Lobgesang auf die heilige Maria. Die Worte erfüllten Margarète mit Zuversicht: Sie würde die...

Erscheint lt. Verlag 20.3.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 16. Jahrhundert • Alchemie • Alchemist • Béarn • Buch Soyga • calvinisten • Edward Kelley • Entschlüsselung • Frankreich • Fremdsprachen • Gebärdensprache • Geheimdienst • Geheimsprache • Geheimwissen • Geschichte der Sprache • Historische Romane Deutschland • historische Romane Europa • historische romane renaissance • Historischer Roman • historisches Rätsel • Jacob Greve • Katholische Liga • Kryptologie • Lateinlehrer • Macht der Sprache • Margarète Labé • Pau • Pfeifsprache • Prag • Pyrenäen • Religionskriege • Rudolf II. • Sachsen • Schöpfungssprache • Schulpforta • Spionage • Spionin • Sprache • Sprache der Schöpfung • Sprache Gottes • Synästhesie • ungelöstes Rätsel • Ursprache
ISBN-10 3-426-45860-8 / 3426458608
ISBN-13 978-3-426-45860-0 / 9783426458600
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