River Clyde (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
230 Seiten
Suhrkamp (Verlag)
978-3-518-76808-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

River Clyde -  Simone Buchholz
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Staatsanwältin Chastity Riley haut ab nach Glasgow. Da ist nämlich erstens dieser Brief von einem Anwalt, der sie in die Geburtsstadt ihres Ur-Urgroßvaters lockt. Und zweitens ist ihr Leben in Hamburg in einer traurigen Sackgasse angelangt. In der rauen, schottischen Stadt trifft sie auf Tom, der den Schlüssel zum Familiengeheimnis der Rileys kennt - einem Panorama aus Gewalt und Verlust. Davon hatte sie zwar immer eine Ahnung, aber sie hat nie gewagt, sich den schmerzhaften Wahrheiten über sich selbst zu stellen. Jetzt helfen ihr ausreichend Whisky und ein paar Gespenster dabei, es doch zu tun.

Während in Hamburg ein ganzer Straßenzug brennt, sich ein paar Immobilienmakler gegenseitig die Gesichter wegschießen und Kommissar Stepanovic die Arbeit verweigert, kämpft Riley in Glasgow mit den Geistern ihrer Vergangenheit. Und mit den verlorenen Seelen, die ihre Zukunft sein könnten.



<p>Simone Buchholz, geboren 1972 in Hanau, zog 1996 nach Hamburg, wegen des Wetters. Sie wurde auf der Henri-Nannen-Schule zur Journalistin ausgebildet und schreibt seit 2008 Kriminalromane. Ihre Reihe um die Staatsanwältin Chastity Riley wurde vielfach ausgezeichnet. Simone Buchholz wohnt auf St. Pauli und schreibt regelmäßig die Kolumne »Getränkemarkt« im <em>SZ-Magazin</em> sowie Texte für <em>Die Zeit</em>.</p>

So läuft das nicht
zwischen uns


Die Subway ist ein Traum für Leute, die Angst davor haben, verloren zu gehen: Es gibt nur eine einzige Linie, und die fährt im Kreis, aber in zwei Richtungen. Einmal rechts rum, einmal links rum. Man steigt einfach ein und irgendwann ist man dann da, selbst wenn man sich für die falsche Richtung entschieden hat. Es dauert dann halt nur ein bisschen länger. Ich wünschte, ich könnte leben, wie diese Bahn fährt. Ruhig, beständig, mit einem sicheren Ziel vor Augen, aber ohne dass es ein Ende gibt.

Ganz im Westen steige ich aus.

Partick.

Der Himmel schimmert schon wieder in zärtlichem Grau, die Straßen sind nass, die Farben des Himmels, der Häuser und des Asphalts mischen sich mit dem stehenden Wasser, alles ist aus Nebel gemacht. Die Leuchtreklamen der kleinen Shops versuchen, mit einer Art Märchenlicht dazwischenzugrätschen. Die Menschen umklammern ihre gerade geschlossenen Regenschirme, tragen sie wie Freunde, die man eben so mit durchschleppt, egal wie viele Breitseiten man selbst abgekriegt hat. Entweder sind die Schotten sehr tapfer, oder sie haben einfach schon alles gesehen. Vermutlich ein bisschen von beidem, das eine bedingt ja das andere, und dann schüttet man halt noch zwei Liter Bier drauf.

Es sind nur vielleicht hundert Meter bis zur Kanzlei dieses Anwalts, der mir den Brief geschickt hat. Na ja, ähem. Kanzlei. Von außen wirkt der Schuppen eher wie der Verhau eines abgetakelten Privatdetektivs. Ein grauer Steinbau aus der Zeit der Industrialisierung, im Erdgeschoss ein Pub mit roter Stahlfassade, im ersten Stock irgendwas mit Spitzengardine, im zweiten Stock zwei Fenster mit Jalousien auf Halbmast. Über der Eingangstür bröckelt der Putz. Drei Klingeln übereinander, die untere hat kein Schild, die mittlere hat eins, aber es ist zerkratzt, neben der dritten Klingel steht, verblichen: McBurney.

Wow, das ist ja echt ein richtiger Premiumanwalt.

Ich drücke auf den Klingelknopf.

Es summt und klickt und knarrt in einem, die Tür springt auf, ich gehe rein, das Treppenhaus macht mehr als nur ein paar kleine Geräusche unter meinen Füßen; es knurrt.

Im zweiten Obergeschoss ist eine Milchglastür, auf dem Glas steht nochmal in dünnen schwarzen Lettern McBurney, darunter: Anwalt. Und bitte eintreten, wobei man, von der Attitüde her, das bitte auch hätte weglassen können.

Ich klopfe möglichst bestimmt, mache die Tür auf und trete, jawohl, ein.

Er sitzt hinter einem großen Tisch, auf dem Tisch stapeln sich Bücher neben einem Computerbildschirm und einer von weitem sichtbar staubigen Tastatur. Alistair McBurney hat die Schultern hochgezogen, er sieht mich an, als wäre ich seit Ewigkeiten der erste Besuch, der sich hier reintraut. Eine Art Unfall.

»Ja?«

»Guten Morgen, Mr McBurney«, sage ich und halte den Brief hoch.

Er lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. Er ist groß, sein Gesicht verrät, dass er bestimmt über fünfzig ist, aber das braune Haar verliert noch kein bisschen Farbe. Sein Bart leuchtet in mehreren Rot-Braun-Schattierungen, hier und da blitzen einzelne graue Stoppeln. Über dem Ausschnitt seines dunkelgrünen Feinstrickpullovers sitzt ein schwarz-weiß karierter, ungebügelter Hemdkragen. Es passt nicht zusammen.

Aber unsere Blicke halten.

An der Wand hängen ein paar gerahmte Zertifikate. Draußen vor den Fenstern, hinter den Halbmastjalousien und auf der anderen Straßenseite, eine rote Backsteinwand mit noch mehr Fenstern. Als hätte er mal eben eine Anwaltsbürokulisse hochgezogen. Wenn ich gleich wieder weg bin, wird das hier zum gemütlichen Fernsehzimmer und alles legt sich wieder hin.

»Sie haben mir geschrieben«, sage ich.

Er rollt auf seinem Bürostuhl minimal hin und her.

»Und?«

»Na ja, ich dachte, ich komm mal vorbei.«

»Setzen Sie sich doch.«

Er deutet auf einen leicht ramponierten, furchtbar kitschigen Polstersessel vor seinem Schreibtisch. Seine Stimme klingt nach Zigaretten und Whisky.

Könnte aber auch eine Erkältung sein.

Ich setze mich auf die verblichene Jagdgesellschaft. Es quietscht.

»Tee?«

Alistair McBurney rollt jetzt ein gutes Stück zurück, dreht sich kurz um und wirft einen Wasserkocher an, lässt mich dabei aber nicht aus den Augen.

»Nein«, sage ich, »danke. Ich trinke keinen Tee.«

»Dann ein Heißgetränk mit Kaffeegeschmack?«

»Sie meinen Kaffee?«

»Ich meine Instantkaffee«, sagt er.

Ich schüttele den Kopf, sage »nein, danke«, und lege den Brief auf den Tisch.

Er rührt den Umschlag nicht an, zieht nur die Augenbrauen hoch. Ich finde es schwer einzuschätzen, ob das jetzt mir gilt oder dem Leben generell. Ich nehme den Brief wieder an mich, hole ihn aus dem Umschlag und lege ihn offen zurück auf den Tisch.

Er atmet ein und wieder aus.

Der Wasserkocher klickt, das Teewasser ist fertig, McBurney dreht sich zur Fensterbank, nimmt einen Becher, wirft einen Teebeutel rein und gießt heißes Wasser drauf, ohne sich auch nur ansatzweise von seinem Stuhl zu erheben.

Okay, Arschloch.

Ich halte ihm den auseinandergefalteten Brief unter die Nase.

»Es geht um ein Haus.«

Er nimmt den Brief, setzt eine Lesebrille auf und überfliegt seine eigene Arbeit.

»Korrekt.«

Er will mir den Brief zurückgeben, meine Hände bleiben aber im Schoß liegen.

»Und jetzt sind Sie hier, um die Schlüssel abzuholen.«

»Nein«, sage ich.

»Nein?«

Der Brief segelt auf den Schreibtisch.

»Ich muss mir ja erstmal darüber klar werden, ob ich die Erbschaft annehmen will.«

»Wie, ob Sie die Erbschaft annehmen wollen?«

»Ich wüsste zum Beispiel gern, wer diese Frau, die mir da ihr Haus vererbt hat, überhaupt war. Und was das für ein Haus ist. Größe, Zustand, sowas eben.«

Er nimmt seine Lesebrille ab und sieht mich an, als wäre ich eine Studentin.

»Eliza Broome war offenbar Ihre Tante, und verdammt, sie schenkt Ihnen ein Haus, wo ist das scheiß Problem?«

Ich zucke mit den Schultern.

»Ich versuche nur rauszufinden, ob es eventuell eins gibt. Was soll ich mit der Katze im Sack?«

Jetzt steht er auf.

Alles klar, das sind knapp zwei Meter.

Also: in die Höhe.

Zwischen uns beiden liegt viel mehr Abstand. Da liegen ein ganzes Land, ein Kanal, die Nordsee, jede Menge Windkraftparks.

»Das hab ich echt noch nie gehört. Erbschaft annehmen, Erbschaft nicht annehmen, was soll das?«

»Sagen Sie mir doch einfach, wo dieses Haus genau liegt, ob ich es mir ansehen kann, und ob es mit einer Hypothek belastet ist.«

Er lehnt sich an die Wand mit den Zertifikaten und verschränkt die Arme.

»Das Haus liegt in Kilcreggan«, sagt er, »ungefähr eine Stunde von hier entfernt Richtung Atlantik.« Er wirft einen Blick auf seine Teetasse, lässt den Beutel aber, wo er ist. »Mehr weiß ich auch nicht.«

»Mehr wissen Sie nicht? Ich bitte Sie.«

»Wir Schotten nehmen, was wir kriegen können«, sagt er, »gerade wenn es billig oder gar umsonst zu haben ist.«

Er grinst.

Da fand ich den Friedhofshirschen aber lustiger.

Er hört auf zu grinsen und reibt sich den Bart.

»Erbschaften werden angenommen und fertig.«

»Nein«, sage ich. »So läuft das nicht zwischen uns – einer macht die Regeln, die andere nickt. Da hab ich keinen Bock drauf. Was, wenn Sie einfach mal die Adresse rausfinden, falls Sie die nicht sowieso in Ihrer Schublade haben, und dann geben Sie mir den Schlüssel, und ich schau mir die Bude in Ruhe an, und dann entscheide ich?«

»Nein«, sagt er. »Kommen Sie wieder, wenn Sie einen klaren Kopf haben. Und klauen Sie mir nicht meine Zeit.«

Alter.

Ich glaub, es hackt.

Bis eben war ich noch bereit, Kompromisse zu machen.

Aber jetzt – nee, Freundchen.

»Und was passiert, wenn ich einfach wieder zurück nach Hamburg fliege?«

»Keine Ahnung.«

Er drückt sich so fest gegen die Wand, die zerspringt gleich.

...

Erscheint lt. Verlag 7.3.2021
Reihe/Serie Chastity-Riley-Serie
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bestseller bücher • Beton Rouge • buch bestseller • Chastity Riley • Deutscher Krimipreis 2019 • Gewalt • Krimi • Krimi-Bestenliste • Krimi-Bestseller • Kriminalroman • Mexikoring • neues Buch • Spannung • ST 5237 • ST5237 • suhrkamp taschenbuch 5237 • Weibliche Hauptfigur
ISBN-10 3-518-76808-5 / 3518768085
ISBN-13 978-3-518-76808-2 / 9783518768082
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