Distanzen in Unternehmen überwinden (eBook)
176 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-2998-4 (ISBN)
Dr. Jürgen Fischer ist geschäftsführender Gesellschafter des IfU - Institut für Unternehmenskultur. Er ist seit über 20 Jahren Berater, Coach und Trainer für Führungskräfte und Unternehmen. Sein Fokus liegt auf der Reduktion organisationaler Distanzen sowie der Förderung von Eigenverantwortung. Mehr Informationen: https://ifu-aachen.de/ueberdasifu/geschaeftsleitung/
1. Horizontale Distanzen
Warum sollte man sich mit horizontalen Distanzen in Unternehmen beschäftigen? – Weil sie schädlich sind.
Warum sind sie schädlich? – Das wird schnell deutlich, wenn wir beispielsweise die horizontalen Distanzen auf der untersten Ebene betrachten, zwischen den Personen, die in einer Organisationseinheit unmittelbar und direkt miteinander zusammenarbeiten: den Mitgliedern einer Arbeitsgruppe, eines Teams oder einer Abteilung.
Erfolgreich ist eine Abteilung oder ein Team – das ist meine Kurzfassung der zahlreichen Theorien zum Teamerfolg –, wenn man zusammenhält und sich aufeinander verlassen kann. Teilweise wird zwischen psychologischer Sicherheit (man kann alles ansprechen, darf Fehler machen, ohne Angst vor Repressalien oder Imageverlust haben zu müssen) und Verlässlichkeit (man hält zusammen, kann sich aufeinander verlassen, unterstützt sich wechselseitig) differenziert. Die beiden Aspekte hängen natürlich zusammen.
Häufig wird in diesem Zusammenhang der Begriff der Gruppenkohäsion (Zusammenhalt, Wir-Gefühl, Teamgeist) verwendet. Gruppenkohäsion geht damit einher, dass die Teammitglieder ihre individuellen Bedürfnisse zu Gunsten der Interessen und Ziele der Gruppe zurückstellen. Dieser Zusammenhang wurde bereits eingangs bei der Erläuterung des Distanzbegriffs dargestellt.
Ein hoher Zusammenhalt, eine ausgeprägte Gruppenkohäsion und damit geringe Distanzen allein nutzen jedoch noch wenig. Ein erfolgreiches Team hat zusätzlich einen hohen Leistungsanspruch beziehungsweise eine von den Teammitgliedern anerkannte hohe Leistungsnorm. Ohne einen solchen Leistungsanspruch, sprich ohne akzeptierte und herausfordernde Leistungsziele und Leistungserwartungen, ginge es nicht um Teamarbeit, sondern eher um ein nettes Beisammensein. Es gilt folgender Zusammenhang: Je stärker der Zusammenhalt, je höher die Leistungsnorm und die Identifikation mit der Leistungsnorm, beispielsweise den Unternehmens- oder Abteilungszielen, umso höher ist die Produktivität der Gruppe.
Allerdings ist ein Störfaktor zu beachten, nämlich die Tendenz mancher Gruppenmitglieder zum sozialen Faulenzen. Jeder hat so seine Erfahrungen mit Personen, die sich erfolgreich vor der Arbeit drücken. Wenn die Einzelleistungen in einer Gruppe nicht transparent sind, ruhen sich einige aus. Beim Tauziehen oder Rudern ist soziales Faulenzen stärker ausgeprägt als bei der 100-Meter-Staffel oder beim Fußball, wo für jedermann die Leistung des Einzelnen unmittelbar ersichtlich ist. Deshalb ist hohe Transparenz über die Einzelleistungen mit Blick auf das Gesamtziel ein weiteres Erfolgskriterium.
Erfolgreiche Teams zeichnen sich zudem durch eine hohe organisationale Resilienz aus. Sie besitzen eine hohe Widerstandskraft, die mit einer hohen Anpassungsfähigkeit gegenüber sich ändernden Umfeldbedingungen einhergeht.
Es gibt noch einige weitere Merkmale erfolgreicher Teams, auf die hier wegen nachgeordneter Relevanz nicht weiter eingegangen werden soll. Offensichtlich ist, dass ausgeprägt hohe Distanzen innerhalb des Teams dem Erfolg entgegenwirken: Hohe Distanzen zwischen Mitgliedern einer Organisationseinheit gehen einher mit einem geringen Zusammenhalt, man kann sich nicht auf die anderen verlassen. Im Extremfall freuen sich die anderen sogar, wenn man einen Fehler macht. Man spricht nicht miteinander, sondern übereinander. Häufig sind bei großen Distanzen im Team auch Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Rollen nicht oder nur unzureichend geklärt. Bei großen Distanzen geraten die gemeinsamen Ziele schnell aus dem Auge. Man beäugt sich im Team und es gibt atmosphärische Probleme, das Miteinander funktioniert nicht, das Teamklima ist getrübt. Hohe Distanzen gehen dementsprechend mit einer geringeren Resilienz des Teams einher. Der Fokus liegt nicht auf der Frage, was das Team gemeinsam bewirken kann. Vielmehr ist eine starke Außenorientierung zu beobachten, in Bezug auf andere Teammitglieder, andere Gruppen innerhalb oder außerhalb des Teams oder einfach nur auf alles, was vermeintlich von anderen geändert werden müsste. Manchmal kommt es trotz der internen Distanzen zum Zusammenschluss gegen andere: andere Kollegen, den Chef, andere aus anderen Unternehmensbereichen oder auch pauschal gegen Die-da-oben. Ein gemeinsamer Feind verbindet. Diese grundlegende Erkenntnis verwenden einige Führungskräfte bewusst, um den Zusammenhalt im eigenen Team zu fördern. Auch bei Staatsoberhäuptern ist dieser Ansatz, den ich als „Trump‐Strategie“ bezeichnen möchte, durchaus beliebt. Wer die Trump-Strategie als Führungsprinzip verfolgt, handelt nach dem Motto: Mein Bereich, mein Team zuerst, alle anderen sind Idioten. So bekommt Führung in Führungsfeedbacks gute Noten, obwohl sie mit Blick auf die Unternehmensinteressen schlecht führt.
Distanzen, egal aus welchem Grund sie entstehen, gehen zu Lasten von Effektivität, Effizienz und Produktivität, weil die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedern der Organisationseinheit gestört ist und die Beschäftigung mit der Distanz sehr viel Zeit absorbiert – Zeit, in der effektiv gearbeitet werden könnte.
Für den Erfolg eines Unternehmens noch bedeutsamer ist ein gutes Zusammenspiel zwischen den Organisationseinheiten. Auf dieser höheren Betrachtungsebene geht es um Distanzen zwischen Organisationseinheiten, Abteilungen und Unternehmensbereichen. Man spricht auch von den Schnittstellen im Unternehmen. Wie gut arbeiten Vertrieb und Produktion, marktnahe und marktfernere Bereiche oder die internen Dienstleister mit den übrigen Abteilungen zusammen? Je besser sich die Organisationseinheiten wechselseitig aufeinander einstellen, umso besser läuft der Laden, weil Reibungsverluste an den Schnittstellen vermieden werden. Symptome für typische Reibungsverluste und hohe horizontale Distanzen zeigen sich häufig durch solche Formulierungen: „Die sind nie erreichbar.“, „Die in der Zentrale, die wissen doch gar nicht, was bei uns los ist.“, „Die würden nicht einmal merken, wenn es uns nicht mehr gäbe.“, „Das ist wieder einmal typisch, wir werden wie immer als letzte informiert.“, „Das haben die untereinander ausgeklügelt, wir wurden schon wieder nicht gefragt.“, „Wir müssen das nachher wieder ausbaden, wie immer.“, „Die beziehen uns nie mit ein.“, „Die machen immer und immer wieder denselben Fehler, da ändert sich nichts.“, „Rückmeldungen bekommt man von denen nie.“, „Dafür bin ich nicht zuständig, da müssen Sie … anrufen.“, „Da sind Sie bei mir falsch, das macht mein Kollege, aber der ist gerade in der Pause. Am besten Sie versuchen es später noch mal.“, „Das steht doch im Organisationshandbuch, da müssen Sie dann schon selbst einmal einen Blick reinwerfen.“, „Dazu gibt es eine Verfahrensanweisung, die Sie lesen sollten. Ich bin doch nicht die Auskunft.“, „Glauben die eigentlich, wir hätten nichts zu tun?“
Die Schädlichkeit horizontaler Distanzen wird bereits an solchen Äußerungen evident. Die hiermit zum Ausdruck gebrachten Schnittstellenprobleme führen zu hohen internen Transaktionskosten, Reibungsverlusten und allgemein zu Ineffizienzen. Am besten denken Sie kurz an Ihr Unternehmen und vergegenwärtigen sich die Zeit, die Mitarbeiter dort jeden Tag mit Gedanken und Gesprächen über horizontale Distanzen sowie deren Symptome verbringen. Auf eine weitere Konkretisierung oder gar Quantifizierung der hiermit einhergehenden Kosten kann man nach diesem Gedankenexperiment erfahrungsgemäß verzichten.
Übrigens: Meine Sammlung verbaler Beschreibungen für horizontale Distanzen ist umfassend, aber ich freue mich, wenn Sie mir all die Zitate, die Ihnen schon begegnet sind, über meine hinten im Buch angegebenen Kontaktdaten zukommen lassen.
Die Existenz horizontaler Distanzen habe ich mit diesen verbalen Umschreibungen schon bewiesen. Die aufgeführten Aussagen entstammen nämlich der Realität. Es sind Auszüge aus offenen, freien Nennungen in Mitarbeiterbefragungen oder Zitate, die im Rahmen von Workshops und Schulungen nach Mitarbeiterbefragungen gesammelt wurden.
Konkrete Zahlen geben im Folgenden genauer Aufschluss über den Zustand deutscher Unternehmen in Bezug auf horizontale Distanzen.
Wir beginnen mit den horizontalen Distanzen auf der untersten Ebene, also der Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern innerhalb einer Organisationseinheit.
Bei der Bewertung der Zusammenarbeit innerhalb einer Organisationseinheit gibt es große Unterschiede. In manchen Teams und Abteilungen klappt die Zusammenarbeit hervorragend, das Teamklima wird sehr gut bewertet und alle Teammitglieder sind mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden. Naturgemäß gibt es auch genau das Gegenteil, eine überhaupt nicht funktionierende Zusammenarbeit, Krach und Knatsch im Team, schlechte Stimmung, Gegen- statt Miteinander. In der Grafik sehen Sie eine typische Verteilung in einem Unternehmen, welches sich noch nicht mit Distanzen in den Organisationseinheiten auseinandergesetzt hat.
Abb. 2: Zufriedenheit in den 27 Organisationseinheiten (OE) eines Unternehmens (vor der...
Erscheint lt. Verlag | 12.2.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
ISBN-10 | 3-7534-2998-8 / 3753429988 |
ISBN-13 | 978-3-7534-2998-4 / 9783753429984 |
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