Kein Vergessen (eBook)

Katja Sands zweiter Fall - Kriminalroman | Der zweite Fall der Münchner Kommissarin ist Psychospannung pur
eBook Download: EPUB
2021 | 2. Auflage
384 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43895-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kein Vergessen -  Christoph Wortberg
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Katja Sands zweiter Fall ist Spannung pur Die Münchner Hauptkommissarin Katja Sand und ihr Assistent Rudi Dorfmüller ermitteln im Fall der ermordeten Rentnerin Selma Kiefer. Der Körper der ehemaligen OP-Schwester wurde postmortal grausam verstümmelt. Nach vierzig Ehejahren hat sie sich von ihrem gewalttätigen Ehemann Josef scheiden lassen und ihn wegen Körperverletzung angezeigt. Hat ihr Exmann sie ermordet, um einer drohenden Verurteilung zu entgehen? Katja bittet den Psychoanalytiker Dr. Alexander Hanning um Hilfe. Hanning schließt auf einen Täter mit einem gestörten Verhältnis zu seinem Körper und seiner Sexualität. Seine Analyse führt Katja zu dem kürzlich entlassenen Serienmörder Franz Bichler. Der Mord an Selma Kiefer gleicht bis ins Detail den von ihm verübten Taten. Hat er seine Serie wieder aufgenommen? Der ehemalige Kinderchirurg Professor Thomas Goldt wird ermordet aufgefunden, auf die gleiche Art geschändet wie Selma Kiefer. Aber als Mann passt er nicht in Bichlers Mordmuster. Auf der Suche nach einer Verbindung zwischen den Morden stößt Katja auf einen Abgrund aus ärztlicher Selbstherrlichkeit. Und plötzlich ergeben die Verstümmelungen der beiden Toten einen ganz neuen, grausamen Sinn.

Christoph Wortberg studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte und ist ausgebildeter Schauspieler. Verschiedene Rollen am Theater und im Fernsehen, daneben Hörbuchsprecher. Seit vielen Jahren Drehbuchautor, u.a. für den Kölner >Tatort<, sowie Autor preisgekrönter Jugendromane und mehrerer Kriminalromane. Christoph Wortberg lebt in Köln.

Christoph Wortberg studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte und ist ausgebildeter Schauspieler. Verschiedene Rollen am Theater und im Fernsehen, daneben Hörbuchsprecher. Seit vielen Jahren Drehbuchautor, u.a. für den Kölner ›Tatort‹, sowie Autor preisgekrönter Jugendromane und mehrerer Kriminalromane. Christoph Wortberg lebt in Köln.

1


Vor ein paar Tagen hat es geschneit. München liegt unter einer weißen Hülle. Die Gehsteige freigekehrt, mit Split bestreut. Die großen Straßen in der Innenstadt geräumt, der Schnee an den Rändern zu Haufen zusammengeschoben. Weiter draußen, in den Villengegenden der Wohlhabenden, in Bogenhausen, Grünwald oder Harlaching, bedeckt der Schnee noch immer den Asphalt, knirscht unter den Reifen der Autos oder den Sohlen der Anwohner, die ihre Hunde ausführen. Der Winter ist da.

Der Altbau, in dem Katja Sand mit ihrer Tochter Jenny lebt, liegt in der Sternstraße im Lehel, zwischen Prinzregentenstraße und Julianstraße. Weite Räume, hohe Decken, weiß lackierte Kassettentüren. Ein honigfarbener Parkettboden, der knarzt, wenn man darübergeht. Ein Geräusch, das sich nach zu Hause anhört.

Das Lehel ist eine teure Gegend. Wer hier lebt, hat es geschafft. Seit dem Tod ihres Vaters gehört das Haus Katjas Mutter. Mit ihrem Gehalt als Hauptkommissarin bei der Münchner Mordkommission könnte Katja sich eine solche Wohnung sonst niemals leisten.

Sie liegen zusammen auf dem Sofa im Wohnzimmer, unter einer Wolldecke, warm und behaglich. Katja und Jenny, eine Mutter und ihre fünfzehnjährige Tochter. Der Fernseher läuft, sie schauen gemeinsam eine Serie. Sonntagabend, der Ausklang eines gemeinsam verbrachten Wochenendes.

Katja schließt die Augen, lässt sich davontreiben, die Stimmen der Schauspieler im Fernseher sind jetzt ganz weit weg. Jennys Kopf in ihrer Armbeuge, der Duft ihrer Haare, jung und frisch, sie würde am liebsten ewig so liegen bleiben.

Ein Summen vom Couchtisch holt sie zurück in die Wirklichkeit. Jennys Hand schnellt unter der Decke hervor, aber ihr Arm ist zu kurz. Sie muss sich aufrichten, um das Handy zu erreichen. Ihr Ellenbogen presst sich schmerzhaft in die Rippen ihrer Mutter, Katja schreit leise auf.

»Entschuldige, Mama.«

»Nichts passiert«, sagt Katja. »Alles gut.«

Sie erhascht einen Blick auf das Display. Eine WhatsApp-Nachricht. Der Name des Absenders versetzt ihr einen Stich: Nichts ist gut!

Jenny legt das Smartphone zurück auf den Couchtisch, schaut hinüber zum Fernseher. Sie wirkt aufgewühlt, will sich aber nichts anmerken lassen. Eine belanglose Unterbrechung, nichts weiter. Keine Erklärung, kein Kommentar. Als wäre alles wie vorher, die Decke warm und behaglich über sie gebreitet. Aber die Innigkeit zwischen ihnen ist verschwunden. Wie weggeblasen, von einer Sekunde zur anderen.

»Alles okay?«, fragt Katja.

»Alles super«, sagt Jenny.

Eine Lüge. Katja kann es spüren.

»Was ist los mit dir?«

»Nichts.«

»Jetzt komm schon.«

»Können wir bitte weiterschauen?«

»Wer war denn das?«

»Niemand!«

Katja weiß, dass es besser ist, nicht weiter darauf herumzureiten. Die letzten Monate waren nicht leicht. Was passiert ist, hat ihnen beiden wehgetan. Aufgebrochene Wunden, Vertrauen, das sich in Fremdheit verwandelte. Es hat lange gedauert, zu ihrer alten Verbundenheit zurückzufinden, noch immer ist sie zerbrechlich.

Jetzt kann von Verbundenheit keine Rede mehr sein. Sie liegen da, unter der Wolldecke, starren schweigend auf die bewegten Bilder vor sich.

Die Schauspieler gehen Katja auf die Nerven. Puppenhafte Bewegungen, aufgesagte Dialoge, die Kulissen wie aus Pappe. Eine künstliche Handlung in einer künstlichen Welt.

Als endlich der Abspann läuft, drückt sie auf den roten Knopf der Fernbedienung. Schweigen macht sich zwischen ihnen breit, lähmende Sprachlosigkeit.

Das Warten auf das Zerplatzen des Knotens, denkt Katja, genau wie in einem Verhör. So wie sie es gelernt hat. Erst auf der Polizeischule, später im Job. Die Situation kontrollieren, ohne dass der Verdächtige es merkt. Geduldig sein, den längeren Atem haben. Abwarten, bis das Gegenüber die Stille nicht mehr erträgt.

Sie muss nicht lange warten.

Jenny löst sich aus ihrer Umarmung und setzt sich auf. »Das war Papa«, sagt sie leise.

Papa! Ein Wort, an das Katja sich nicht gewöhnen kann. Jedes Kind hat ein Recht auf seinen Vater. Für Jenny gab es keinen. Fünfzehn Jahre lang musste sie auf ihn warten. Immer wieder ist Katja ihren drängenden Fragen ausgewichen. Bis die Fragen seltener wurden und schließlich ganz aufhörten.

Sie hat sich den Grund für ihr Ausweichen schöngeredet. Sie wollte Jenny vor der Wahrheit beschützen und hat doch nur sich selbst beschützt. Ein Verschweigen, das eine Lüge war. Das Märchen vom unbekannten Vater. Bis schließlich alles aufgeflogen ist.

Katjas Mutter war mit Jenny für ein paar Tage an den Gardasee gefahren. Das Delfino in Sirmione. Dasselbe Hotel, in dem Katja und sie früher ihre Urlaube verbracht hatten. Maria und Luigi, Spaghetti Vongole oder selbst gemachte Gnocchi. Rund geschliffene Kiesel am Strand, das Zirpen der Grillen im Gras. Der junge Francesco aus Parma, seine Hand auf ihrer Brust, ihr erster Kuss.

Jahre danach war Katja mit Peter da gewesen. Ihre große Liebe, der Traum einer gemeinsamen Zukunft. Aber alles war anders gekommen als geplant, der Traum war zerplatzt. Keine Hochzeit, keine gemeinsame Familie, kein gemeinsames Haus. Schwanger mit Jenny, hatte Katja sich von ihm getrennt. Überraschend und ohne jede Erklärung.

Und dann, fünfzehn Jahre später, auf der Terrasse des Delfino, hat Luigi sich bei Jenny nach Peter erkundigt. Völlig arglos, im Glauben, dass Katja ihn damals geheiratet hat. Plötzlich war da dieser Name. Und mit dem Namen tauchte der so schmerzlich vermisste Vater wie aus dem Nichts auf. Jenny löcherte ihre Großmutter so lange, bis sie das Geheimnis preisgab: Peter Schäfer, ein ehemaliger Kollege von Mama, Mordermittler wie sie, der damals München verlassen hatte und jetzt in Augsburg lebte.

Jenny war heimlich aus dem Delfino verschwunden und mit dem Zug nach Augsburg gefahren, um ihren Vater kennenzulernen. Katja hatte versucht, das Treffen zu verhindern. Und sich am Ende neben Jenny auf der Terrasse von Peters Haus wiedergefunden, während seine Frau Alina Pflaumenkuchen servierte und ihre beiden kleinen Kinder im Pool plantschten.

Peter hatte Jenny zu einem gemeinsamen Urlaub nach Südfrankreich eingeladen. Das Ferienhaus seiner Schwiegereltern in der Nähe von Nizza. Jenny war begeistert gewesen, aber die Sache war schiefgelaufen. Weinend hatte sie ihre Mutter in München angerufen. Katja war zu ihr geflogen, mit einem Mietwagen waren sie nach Spanien weitergefahren.

Eine Mutter und ihre Tochter, zwei Wochen in den Pyrenäen, sie waren sich so nahegekommen wie selten zuvor. Der Versuch, die Vergangenheit von ihren Schatten zu befreien. Das Glück in Jennys Augen, die endlich einen Vater hatte, die Stiche in Katjas Brust.

»Was wollte er denn?«, fragt sie mit derselben gespielten Beiläufigkeit, mit der sie in Verhören Tatverdächtige aus der Reserve lockt. Sie hasst sich dafür. Das hier ist ihre Tochter.

»Er will wissen, ob ich schon mit dir geredet habe«, sagt Jenny.

»Worüber?«

Jenny weicht ihrem Blick aus, schaut auf ihre Hände. Dasselbe Muster wie in Katjas Verhören. Der Wunsch, sich zu erleichtern, die Angst vor den Konsequenzen.

»Worüber?«, wiederholt Katja ihre Frage.

»Weihnachten«, sagt Jenny.

Katja ist verblüfft. »Er will wissen, ob du schon mit mir über Weihnachten geredet hast?«

»Ja.«

»Wie kommt er denn darauf?«

Jenny zögert mit der Antwort. »Er hat mich vor ein paar Tagen angerufen.«

»Und?«

»Wir haben gequatscht. Über Alina und die Kinder. Wie’s ihnen geht und so. Belangloses Zeug. Was man eben so redet am Telefon.«

»Ein Vater und seine Tochter«, entfährt es Katja. Unkontrolliert, ohne vorher zu überlegen. Sie merkt, dass sie bitter klingt. Der Neid auf eine Vertrautheit, von der sie ausgeschlossen ist.

»Bist du eifersüchtig, Mama?«

Ja, bin ich, denkt Katja. Jenny braucht einen Vater, aber Katja gönnt ihn ihr nicht. Nicht diesen Vater, den sie mehr geliebt hat als jeden anderen Mann. Was sie nie zugeben würde.

Also fragt sie: »Worauf sollte ich eifersüchtig sein?«

»Dass ich mit ihm telefoniere. Dass wir quatschen, miteinander reden. Dass er mir was bedeutet.«

»Ich dachte, wir hätten das längst geklärt.«

»Dachte ich auch.«

Nichts ist geklärt, denkt Katja. Alles läuft in die falsche Richtung. Ich kenne die richtige und biege trotzdem immer wieder falsch ab. Von einer Sackgasse in die nächste.

Sie weiß, dass es besser wäre, nicht weiterzubohren, aber das kann sie nicht.

»Und das war alles?«, fragt sie.

Jenny zögert mit der Antwort.

»Also nicht alles«, sagt Katja.

»Nein«, sagt Jenny. »Es ging um Heiligabend. Er würde sich freuen, wenn wir ihn und Alina und die Kinder besuchen würden, du und ich.«

»Er will Weihnachten mit uns feiern?«

»Es war nur ein Vorschlag, nicht mehr. Einfach so eine Idee.«

Einfach so eine Idee, denkt Katja. Der Gedanke ist ihr so vollkommen fremd, dass sie nicht weiß, was sie dazu sagen soll. Das Schlimme daran: Wahrscheinlich hat Peter sich nichts dabei gedacht. Oder, schlimmer noch: Er hat nur an sich gedacht. Telefoniert mit Jenny und stellt sich vor, wie er den Weihnachtsmann spielt, für seine zwei kleinen Kinder und die neue große Tochter.

Seine Frau weiß bestimmt noch gar nichts davon. Vielleicht plant er, sie damit zu überraschen, ohne jede Rücksicht auf ihre Gefühle oder die von Katja. Kann sein, dass er einen auf moralisch macht: Sie gehört zu mir, Schatz, wie die beiden Kleinen, sie ist meine Tochter. Oder er appelliert an ihre Großzügigkeit: Weihnachten ist nur einmal...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2021
Reihe/Serie Die Katja-Sand-Trilogie
Die Trauma-Trilogie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Action & Abenteuer • Analytiker • Arno Strobel • Assistent Rudi Dorfmüller • Bayern • bücher 2021 • Ermittler-Krimi • Hauptkommissarin Katja Sand • Intersexualität • Intersexuell • Krimi • krimi münchen • Lindenstraße • Melanie Raabe • Mord • München • neue Krimi-Reihe • neue Thriller-Reihe • Psychoanalytiker • Psychothriller • Psychothriller Neuerscheinung • Serienkiller • Serienmörder • Tatort • Thriller • Thriller 2021 • Thriller Augsburg • Thriller deutsche Autoren • Thriller München • Thriller Neuerscheinung 2021 • Trauma • Traumatisierung
ISBN-10 3-423-43895-9 / 3423438959
ISBN-13 978-3-423-43895-7 / 9783423438957
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Psychothriller

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2022)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99
Krimi

von Jens Waschke

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99
Psychothriller | SPIEGEL Bestseller | Der musikalische Psychothriller …

von Sebastian Fitzek

eBook Download (2021)
Verlagsgruppe Droemer Knaur
9,99