Der einfache Satz (eBook)

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2020 | 1. Auflage
130 Seiten
Narr Francke Attempto (Verlag)
978-3-8233-0247-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der einfache Satz -  Jochen Geilfuß-Wolfgang,  Sandra Ponitka
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Dass Sätze aus Wörtern bestehen, ist für die meisten Sprecherinnen und Sprecher einer Sprache offensichtlich, doch sie tun sich sehr schwer damit, den Aufbau der Sätze zu durchschauen, ihre Struktur zu erkennen. Diese Einführung will zeigen, wie man ausgehend von den Wörtern den Aufbau der einfachen Sätze des Deutschen auf einem Basisniveau beschreiben kann und wie diese Art der Beschreibung im schulischen Grammatikunterricht vermittelt werden kann. So können Schülerinnen und Schüler einen exemplarischen Einblick in den Bau der Sprache bekommen.

Jochen Geilfuß-Wolfgang lehrt Sprachwissenschaft des Deutschen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sandra Ponitka ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Fachdidaktik Deutsch an der Universität Leipzig.

Jochen Geilfuß-Wolfgang lehrt Sprachwissenschaft des Deutschen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sandra Ponitka ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Fachdidaktik Deutsch an der Universität Leipzig.

1 Einleitung
1.1 Warum man sich mit Grammatik beschäftigen soll
1.2 Um welche Art von Sätzen soll es gehen?
1.3 Was sind einfache Sätze?

2 Wörter
2.1 Lexikalische und syntaktische Wörter
2.2 Wortartwechsel
2.3 Eigenschaften syntaktischer Wörter
2.4 Wortarten haben unscharfe Ränder
2.5 "Das Nomen ist mehr als ein Dingwort" – Ausbildung von syntaktischen bzw. morphologischen Begriffen
2.6 "Groß oder klein?" – Arbeit mit Pseudoworttexten am Beispiel der Großschreibung
2.7 Kurze Zusammenfassung
2.8 Aufgaben

3 Phrasen
3.1 Wie kommt die Bedeutung von Sätzen zustande?
3.2 Zwei Arten von syntaktischen Einheiten
3.3 Wie sind Phrasen aufgebaut?
3.4 Syntaktische Bäume: Mütter, Töchter, Schwestern
3.5 Was hält die Wörter in einer Phrase zusammen?
3.6 Eine Beispielanalyse
3.7 Ambiguitäten und ihre Analyse als Potenzial für den Unterricht
3.8 "Artikel und Nomen" – fertig ist die Nominalphrase!
3.9 "Einen Blick über den Tellerrand unserer Sprache, bitte!" – Sprachvergleiche am Beispiel der Nominalphrase
3.10 Kurze Zusammenfassung
3.11 Aufgaben

4 Sätze
4.1 Wo die Verben im Deutschen stehen können
4.2 Das Modell der topologischen Felder
4.3 Satzarten (Satztypen)
4.4 Satzstrukturen
4.5 "Alle auf ihre Plätze!" – das topologische Feldermodell als Analyse instrument im Unterricht
4.6 "Zunge raus, kleiner Ameisenbär!" – die Umstellprobe als Gegenstand des Deutschunterrichts
4.7 Kurze Zusammenfassung
4.8 Aufgaben

5 Satzglieder und Satzgliedteile
5.1 Warum bestimmt man Satzglieder?
5.2 Form ist nicht gleich Funktion
5.3 Wie kann man Satzglieder ermitteln und bestimmen?
5.4 "Unterstreiche das Subjekt blau" – Bestimmungs- und Markierungsübungen
5.5 "Sicherheit vor Vagheit?" – Einbezug von Zweifelsfällen und Problemen in den Grammatikunterricht
5.6 "Das ist, glaub ich, das Adverbialobjekt" – Problemfelder von Schülerinnen und Schülern sowie Studentinnen und Studenten
5.7 Kurze Zusammenfassung
5.8 Aufgaben

Literatur
Lösungshinweise zu den Aufgaben

2.3 Eigenschaften syntaktischer Wörter


Machen wir ein kleines Experiment, das aus einem Grammatik-Kurs für Klasse 4 stammt (Kluge und Sennlaub 1996, 3). Die Aufgabe besteht darin, den folgenden Text in normaler Schreibschrift mit der richtigen Groß- und Kleinschreibung abzuschreiben; lesen Sie bitte erst weiter, wenn Sie das getan haben.

Wir gehen davon aus, dass Sie die Wörter tackte, tockelten und tackst kleingeschrieben haben, doch warum? Für die Groß- und Kleinschreibung gilt es, die syntaktische Wortart eines Wortes zu bestimmen. Dafür kann man verschiedene Arten von Erkennungsmerkmalen nutzen. Bei Fantasiewörtern kann die Bedeutung für die Bestimmung der Wortart nicht genutzt werden, aber stattdessen kann man zwei andere Arten von Erkennungsmerkmalen nutzen, und zwar die morphologischen Eigenschaften der Wörter und ihr syntaktisches Verhalten. Bei den morphologischen Eigenschaften ist zwischen Wortbildung und Flexion zu unterscheiden; typische Wortbildungssuffixe sind -ung und -heit bei Nomen (Lösung, Dunkelheit), -bar und ‑lich bei Adjektiven (brauchbar, löslich), -ier bei Verben (plakatieren) und -s bei Adverbien (nachts). In den drei Wörtern tackte, tockelten und tackst können die drei Verbflexionsendungen -te, -ten und -st identifiziert werden. Das heißt, die drei Wörter tackte, tockelten und tackst werden wie finite Verben flektiert und sie kongruieren auch, wie es im Deutschen erforderlich ist, mit den drei Subjekten der Tuck, die Tocke und du. Sie werden aber nicht nur wie finite Verben flektiert, sondern sie stehen auch dort, wo finite Verben in solchen Sätzen zu stehen haben, und zwar in der zweiten Satzposition; die erste Satzposition, das Vorfeld (dazu mehr in Kap. 4), wird von den Wortfolgen der Tuck, wie er so über das Tick tackte und was besetzt.1

2.3.1 Morphologische Eigenschaften


Oft ist es möglich, die syntaktischen Wörter mithilfe ihrer Flexionsmerkmale zu bestimmen. Nomen, Pronomen, Artikelwörter und Verben treten in Sätzen immer flektiert auf, wobei es zu beachten gilt, dass auch infinite Verben wie gelacht, lachen oder zu lachen als flektiert zählen. Nomen, Pronomen und Artikelwörter sind nach Kasus, Numerus und Genus flektiert (wobei das Genus bei Nomen kein Flexionsmerkmal ist, sondern fest), finite Verben nach Person, Numerus, Tempus und Modus (wobei Imperativformen kein Tempusmerkmal haben) und infinite Verben zeichnen sich durch eine Art verbalen Kasus aus, den man Bech (1983) folgend als Status bezeichnen kann.

Kasus — Nominativ (Nom), Genitiv (Gen), Dativ (Dat), Akkusativ (Akk)

Numerus — Singular (Sg), Plural (Pl)

Genus — Femininum (Fem), Maskulinum (Mask), Neutrum (Neut)

Person — 1, 2, 3

Tempus — Präsens (Präs), Präteritum (Prät)

Modus — Indikativ (Ind), Konjunktiv (Konj), Imperativ (Imp)

Status — Infinitiv (Inf), zu-Infinitiv (zu-Inf), Partizip 2 (Pt2)1

Adjektive sind im Deutschen hinsichtlich ihrer Flexion ein etwas schwierigerer Fall. Sie treten in Sätzen oft flektiert auf wie in (9a), aber auch unflektiert wie in (9b–c). Deshalb ist es bei Adjektiven wichtig, zwischen flektiert und flektierbar und zwischen syntaktischem und lexikalischem Wort zu unterscheiden: Das syntaktische Wort langsam in (9b–c) ist nicht flektiert, das dazugehörige lexikalische Wort LANGSAM ist aber flektierbar. Die drei Verwendungsweisen der Adjektive in (9) werden nach der syntaktischen Funktion unterschieden (Genaueres dazu in Kap. 5).

Die Adjektive werden im Deutschen nur flektiert, wenn sie als Attribute fungieren, als Prädikative und Adverbiale werden sie nicht flektiert. Von den drei Flexionsmerkmalen Kasus, Genus und Numerus zu unterscheiden ist zum einen die Komparation der Adjektive, da die Adjektive auch bei prädikativem und adverbialem Gebrauch immer ein Komparationsmerkmal haben (Positiv als Grundform, Komparativ oder Superlativ)2, und zum anderen die Eigenschaft, dass die Flexion der attributiven Adjektive von der syntaktischen Umgebung abhängt. Geht dem attributiven Adjektiv ein Artikelwort mit einer Flexionsendung voran wie alle oder diese, wird es schwach flektiert, sonst stark.

Dass die Adjektive beim adverbialen Gebrauch nicht flektiert sind, führt bei der Wortartbestimmung zu Unsicherheiten, da schwer zu erkennen ist, ob es sich um ein Adjektiv handelt oder um ein Adverb. Denn in derselben syntaktischen Position können auch Adverbien wie jetzt stehen: Der Zug fährt jetzt durch den Tunnel. Ein Argument dafür, langsam in (9c) als Adjektiv zu kategorisieren, ist die Komparation, das Adjektiv könnte auch im Komparativ oder Superlativ stehen: Der Zug fuhr langsamer durch den Tunnel als geplant. Große Probleme wirft stets auch die Unterscheidung zwischen Nomen, Pronomen und Artikelwörtern auf. Der Unterschied zwischen Artikelwörtern und Pronomen wird traditionell so beschrieben, dass Artikelwörter Begleiter von Nomen sind und Pronomen Stellvertreter von Nomen, doch es wird nur selten genauer gesagt, was darunter zu verstehen sein soll. Begleiter verstehen wir so, dass das Artikelwort immer mit einem Nomen auftritt, mit dem es in Kasus, Numerus und Genus übereinstimmt; solche Merkmalsübereinstimmungen nennt man Kongruenz. In (11a) kongruiert dieses mit Brot, doch im ungrammatischen Satz (11b) kongruiert diese nicht mit Brot, weil diese das Genus Femininum hat, aber Brot das Genus Neutrum. Das Wort dessen kann im grammatischen Satz (11c) daher auch kein Artikelwort sein, sondern ist ein Pronomen, es steht im Genitiv und nicht wie das Nomen Brot im Nominativ.

Diese enge Verbindung zwischen dem Artikelwort und dem zugehörigen Nomen führt dazu, dass sie eine größere syntaktische Einheit bilden, eine Phrase, und die Artikelwörter bilden den linken Rand dieser Phrasen (auf die Phrasen kommen wir noch ausführlicher in Kap. 3 zu sprechen). Aufgrund ihrer Position am linken Rand stehen sie oft nicht direkt vor dem zugehörigen Nomen, sondern sind durch Attribute von ihm getrennt. So stehen in (12a–b) zwischen den kursiv markierten Artikelwörtern und Nomen die Attribute beschädigte und auf dem Dachboden versteckte.

Beispiele wie (13a), in denen ein Artikelwort scheinbar ohne Nomen auftritt, lassen sich so beschreiben, dass syntaktisch gesehen durchaus ein Nomen vorhanden ist, dieses Nomen aber bei der Äußerung des Satzes weggelassen wird; diese Ellipsen kann man wie in (13b) markieren.3

Wir fassen hier die Klasse der Artikelwörter sehr weit und zählen nicht nur Artikel wie die und ein, sondern auch Wörter wie jedes, alle, keine, manche, diese, welchen und irgendein dazu, wenn sie denn mit einem Nomen kombiniert sind. Anders als bei den Adjektiven gibt es bei ihnen keinen Unterschied zwischen starker und schwacher Flexion und es kann, von gewissen Ausnahmen abgesehen, nur ein Artikelwort pro Nominalphrase auftreten (kleine, süße, verfressene Pinguine, aber *diesen welchen irgendeinen Pinguin).

Die Pronomen klassifizieren wir wie viele andere Grammatiken auch als eigene Wortart. Pronomen können aber wie Nomen den Kopf einer Nominalphrase bilden. Deshalb können sie anstelle von Nomen auftreten und sie gewissermaßen vertreten.

Wenn man zwischen Artikelwörtern als Begleiter von Nomen und Pronomen als Vertreter von Nomen unterscheidet, muss man prüfen, ob das betreffende Wort mit einem Nomen kombiniert ist oder nicht. In (14a–b) sind das und jeder nicht mit einem Nomen kombiniert und als Pronomen zu klassifizieren. In (14c–d) hingegen ist das mit dem Nomen Argument und jeder mit dem Nomen Mensch kombiniert, sie sind deshalb Artikelwörter.

2.3.2 Syntaktisches Verhalten


Lässt sich ein syntaktisches Wort nicht anhand morphosyntaktischer Merkmale wie Kasus, Numerus oder Tempus einer Wortart zuordnen, kann sein syntaktisches Verhalten untersucht werden. Die fundamentale Beobachtung für die syntaktische Bestimmung der Wörter ist, dass sich die Wörter darin unterscheiden, in welchen syntaktischen Umgebungen sie auftreten können und in welchen nicht, und dass die Wörter, die in den gleichen syntaktischen Umgebungen auftreten können, zusammen eine Klasse bilden, eine Wortart. Darin liegt der Nutzen jeder Klassifizierung: Man ordnet ein Objekt, egal ob Tier, Wort, Elementarteilchen oder etwas anderes, einer Klasse zu, um festzuhalten, dass es sich so verhält wie die anderen Objekte dieser Klasse. So lassen sich in den syntaktischen Rahmen Leopold kennt … nur Nomen einsetzen, in den syntaktischen Rahmen einBuch nur Adjektive und in den syntaktischen Rahmen Leopold … ein Buch nur Verben (s. Fuß und Geipel 2018, 41f.). Und von den nicht-flektierbaren Wörtern können nur die Adverbien alleine die erste Satzposition vor dem finiten Verb, das Vorfeld besetzen, also in dem syntaktischen Rahmen … liest...

Erscheint lt. Verlag 23.11.2020
Reihe/Serie Linguistik und Schule
Verlagsort Tübingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Germanistik
Schlagworte feldermodell • Grammatik des Deutschen • Satzglieder • Satzstruktur • Sprachdidaktik
ISBN-10 3-8233-0247-7 / 3823302477
ISBN-13 978-3-8233-0247-6 / 9783823302476
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