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Freiflug (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
352 Seiten
DuMont Buchverlag
978-3-8321-7082-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Die Geschichte der ersten Linienflugkapitänin der Welt Deutschland in den Siebzigerjahren. Katharina Berner stammt aus einer gut situierten Unternehmerfamilie, geht aber seit jeher ihren eigenen Weg. Dass sie Jura studieren wollte, statt eine Familie zu gründen, haben weder ihr Vater, der alte Patriarch, noch ihre Mutter oder Schwestern je verstanden. Doch sie hat sich durchgesetzt und arbeitet in einer großen Kanzlei in Köln - glücklich ist sie allerdings nicht. Die männlichen Kollegen machen ihr den Alltag zur Hölle, am liebsten würde sie sich selbstständig machen. Nur wie, wenn nicht einmal jemand Büroräume an sie vermieten will? Da bittet eine junge Frau Katharina um Hilfe: Rita Maiburg besitzt eine Pilotenlizenz, versucht jedoch vergeblich, eine Anstellung zu bekommen. Die Lufthansa hat ihre Bewerbung mit der Begründung abgelehnt, dass sie grundsätzlich keine Frauen als Piloten einstellt. Diese Ungerechtigkeit will Rita sich nicht gefallen lassen. Katharina nimmt den Fall an, und die beiden beschließen zu klagen - gegen die Lufthansa und die BRD. Einen Verbündeten findet Katharina in ihrem Vermieter Theo, der sie nach Kräften unterstützt. Doch wird es den beiden Frauen gelingen, Ritas Traum vom Fliegen endlich Wirklichkeit werden zu lassen?

CHRISTINE DREWS ist Schriftstellerin und Drehbuchautorin. Mit Schattenfreundin< veröffentlichte sie 2013 ihren ersten Roman, der in sechs Sprachen übersetzt und fürs ZDF verfilmt wurde. Neben Kriminalromanen und Thrillern schreibt sie auch Familienromane. Außerdem verfasst sie Drehbücher für Filme und TV-Serien. Nachdem Christine Drews einige Jahre in England gelebt hat, wohnt sie heute mit ihrer Familie in Köln. Bei DuMont erschien 2021 ihr Roman >Freiflug<.

2

22. JUNI 1974

Rita saß auf einer Bank am Rheinufer und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrer noch blassen Haut. An Tagen wie diesen konnte sie ihre Arbeitslosigkeit fast genießen, aber auch nur fast. Einerseits war es ganz schön, hier so faul zu sitzen und etwas Sonne zu tanken, andererseits konnte man so einen Tag eigentlich nur richtig genießen, wenn er die Ausnahme war und nicht die Regel. Und bei ihr dauerte die Ausnahme nun schon über ein Jahr an.

Sie stand auf, zog ihre dunkelbraune Cordjacke aus, krempelte die Ärmel ihrer gelben Bluse hoch und machte sich auf den Heimweg. Vielleicht sah die Welt gleich ja schon ein bisschen anders aus. Heute musste doch eigentlich etwas im Briefkasten sein, ihre Bewerbung lag nun über vier Wochen zurück, irgendwann mussten die doch antworten.

Es war eine gute Bewerbung gewesen, als Arbeitgeber konnte man sich eigentlich nichts Besseres wünschen als eine fertig ausgebildete Pilotin wie sie: als Teenager schon das Segelfliegen gelernt, später dann die Privatpilotenlizenz und zusätzlich eine Ausbildung in der Bundesanstalt für Flugsicherung. Jetzt wollte sie bei der Lufthansa die großen Passagiermaschinen fliegen. Und es war keine Frage, dass sie eine ideale Kandidatin war. Die teure Pilotenausbildung, die die Lufthansa normalerweise in ihre Angestellten investierte, entfiel bei ihr schließlich. Das war ein deutlicher Pluspunkt für sie.

Rita atmete tief durch und sog die milde Luft ein. Mit einer großen Boeing transatlantische Flüge zu bestreiten – was konnte es Schöneres geben? Sie sah sich in einer schicken Lufthansa-Uniform, wie sie im Cockpit einer 747 saß, dem Co-Piloten letzte Anweisungen gab und durch das Mikrofon die Passagiere an Bord begrüßte, bevor sie den großen Vogel Richtung New York starten würde.

Gut gelaunt schwang sie sich auf ihr Fahrrad und radelte nach Hause. Es wurde so viel gebaut in dieser Stadt, dass sie manchmal den Eindruck hatte, Bonn sei eine einzige Baustelle. Ob das jemals aufhören würde? Irgendwie fand sie, dass es für Bonn Segen und Fluch zugleich war, Hauptstadt zu sein. Einerseits hatte das vergleichsweise beschauliche Städtchen plötzlich unermesslich viel Geld und konnte anscheinend so viel bauen, wie es nur wollte. Andererseits war es für den Ansturm von Diplomaten und dem dazugehörenden Tross an Beamten gar nicht ausgerichtet und kam schnell an seine Grenzen. Als die Queen vor knapp zehn Jahren nach Bonn gekommen war, herrschte in der Stadt tagelang Ausnahmezustand. Natürlich war es toll, der englischen Königin zujubeln zu können, auch Rita hatte sich an den Straßenrand gestellt und mit ihrem Fähnchen gewinkt. Aber insgeheim waren die meisten Bonner dann doch froh gewesen, als der Spuk vorbei war, die Straßen nicht mehr gesperrt wurden und das Chaos sich verflüchtigte.

Bis nach Wesseling brauchte sie nicht mehr als eine halbe Stunde. Der Weg führte die ganze Zeit am Rhein entlang, und die Bewegung tat ihr gut. Sie stellte das Fahrrad vor ihrem Elternhaus ab, das ihre Eltern gemeinsam entworfen hatten. Sie waren beide Architekten, auch wenn heute nur noch der Vater arbeitete. Mit der Erziehung ihrer drei jüngeren Geschwister hatte ihre Mutter alle Hände voll zu tun.

»Ich bin froh, dass ich zu Hause bleiben kann«, hatte sie einmal zu ihr gesagt. »Bei Frau Barlage sieht das ja anders aus. Ihr Mann verdient nicht gut, die muss leider arbeiten.«

Rita konnte die Einstellung ihrer Mutter nicht teilen. Für sie war es keine Frage, ob sie arbeiten musste oder nicht. Natürlich musste sie dafür sorgen, dass sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Aber sie wollte sich dabei auf keinen Fall von einem Mann abhängig machen. Und abgesehen von der Notwendigkeit, Geld zu verdienen, konnte sie sich auch nichts Schöneres vorstellen, als in ihrem Traumberuf als Pilotin zu arbeiten. Selbst wenn sie heiraten sollte, würde sie das nicht aufgeben. Aber das war kein Thema für sie. Ihren letzten Freund hatte sie in München auf einer Fete kennengelernt, und er küsste so schlecht, dass es nicht zum Aushalten gewesen war. Er hatte seine Zunge immer schon ein bisschen herausgestreckt, bevor sich ihre Lippen überhaupt berührt hatten. Sie konnte sich nicht daran gewöhnen, und als sie ihn darauf ansprach, wurde er so ausfallend, dass sie direkt Schluss gemacht hatte. Seitdem sie wieder in Wesseling wohnte, hatte sie sich kaum noch mit Männern getroffen, von ihren alten Klassenkameraden mal abgesehen. Aber die kamen ihr eher vor wie Brüder oder Cousins, und die Vorstellung, etwas mit Frank oder einem der anderen anzufangen, erschien ihr geradezu absurd.

Noch bevor sie den Schlüssel ins Schloss stecken konnte, riss ihr jüngster Bruder die Haustür auf und strahlte sie an.

»Er ist da! Er ist da!«

Rita versuchte, ein Grinsen zu unterdrücken. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und obwohl sie sofort wusste, was Martin meinte, stellte sie sich ahnungslos.

»Wer ist da?«

»Der Brief! Von der Lufthansa! Komm schnell rein, Rita! Wir sind alle so gespannt!«

Martin rannte ins Haus und wirkte in dem Moment viel jünger, als er es mit seinen zehn Jahren eigentlich war. Die Aufregung und die Vorfreude ließen ihn hüpfen wie ein junges Fohlen.

Ihre ganze Familie hatte die letzten Monate mitgefiebert, alle wussten, wie wichtig ihr die Bewerbung bei der Lufthansa war, hatten sie bei dem Anschreiben beraten und ihren Senf zu den verschiedenen Bewerbungsfotos gegeben, die sie hatte machen lassen. Es rührte sie, wie sehr Eltern und Geschwister mit ihr bangten.

»Rita ist da! Rita ist da!«, rief Martin und tanzte fast, als er ins Wohnzimmer kam.

Die Eltern saßen auf der dunkelgrünen Samtcouch, die Zwillinge Mechthild und Simone lümmelten auf dem Wohnzimmerteppich und blätterten in der Bravo. Rita wusste genau, dass die beiden mal wieder so taten, als würden sie nur die Berichte über die Hochzeit von Roy Black lesen oder sich für den Klatsch über andere Stars interessieren, während sie tatsächlich ausgiebig das Dr.-Sommer-Team studierten. Die Luft in dem Raum war rauchverhangen, und der Geruch nach Zigaretten hatte sich mit dem von Mutters Eintopf vermischt. Als Erstes öffnete Rita ein Fenster.

»Dass ihr noch nicht erstickt seid!«, sagte sie fröhlich, während Martin sie immer wieder zu dem Brief ziehen wollte.

Auf dem Wohnzimmertisch aus grünem Granit lag ein weißer Umschlag, auf dem sie schon von weitem das Logo der Lufthansa erkennen konnte.

»Setz dich, mein Kind«, sagte ihre Mutter lächelnd und strich ihren roten Rock glatt, der mit hellen Blumen gemustert war.

Ritas Hände waren schweißnass, als sie den Brief nahm, auf den sie so lange gewartet hatte und in dem alle ihre Hoffnungen und Träume lagen.

»Jetzt mach schon auf, mach schon auf!« Martin neigte dazu, alles zu wiederholen, wenn er aufgeregt war. »Nimmst du mich mit, wenn du in die Staaten fliegst? Dann bin ich der Erste bei uns in der Klasse, der schon mal geflogen ist! Dann müssen wir uns nicht mehr alle hinten in Papas Opel quetschen, wenn wir nach Spanien fahren, dann können wir fliegen! Du kriegst die Tickets doch günstiger?«

»Martin, nun beruhige dich mal.« Die Mutter strich dem aufgeregten Jungen über den Blondschopf. »Du siehst dich wohl schon im Flugzeug nach Afrika sitzen, was?« Sie sah ihn amüsiert an.

»Amerika, Afrika und Australien!«, rief Martin begeistert.

Auch ihr Vater wirkte aufgeregt, nicht ganz so wie sein jüngster Sohn, aber die Anspannung war ihm anzumerken. Unentwegt trommelte er mit seinen Fingern auf der Tischplatte. »Jetzt mach den Brief schon auf, Mädchen«, sagte er.

Rita setzte sich neben ihre Mutter und öffnete mit zittrigen Händen den weißen Umschlag, wobei sie sorgfältig darauf achtete, den Lufthansa-Kranich nicht zu zerstören. Sie hatte die theoretische CPL- und die praktische IFR-Prüfung mit Bestnoten bestanden. Über zweihundert Flugstunden hatte sie vorzuweisen, hatte verschiedene Maschinen geflogen und schließlich sogar die Linienfluglizenz erworben. Und das alles auf eigene Kosten, dank der großzügigen Unterstützung ihres Vaters. Bessere Voraussetzungen für die Bewerbung bei der Lufthansa konnte es nicht geben, sagte sie sich immer wieder, auch um sich selbst zu beruhigen.

Sie zog das Schreiben heraus und presste es gegen ihre Brust, vielleicht um den Moment der Vorfreude und Spannung noch weiter hinauszuzögern, vielleicht aber auch, weil sie sich einfach nicht traute, zu lesen, worauf sie so lange hingefiebert hatte. Sie atmete noch einmal tief durch und faltete das Schreiben dann auseinander.

»Lies es laut vor!«, rief Simone, die ihre Zeitschrift zur Seite legte und sich in den Schneidersitz setzte, wobei sie die Ellenbogen auf die Knie stützte und den Kopf mit den Händen festhielt, als könnte er herunterfallen. Sie trug ihr Haar seitlich gescheitelt. Es war etwas heller als Ritas rotblonder Schopf, aber genauso lang und ebenfalls mit einer Föhnwelle nach außen frisiert. Mechthild trug die Haare exakt genauso, nur waren sie etwas dunkler.

»Gut«, sagte Rita und lächelte ihre Schwester an. Dann atmete sie noch einmal tief durch und begann, laut vorzulesen. »Sehr geehrte Frau Maiburg, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 2. Mai 1974 und Ihr Interesse an unserem Unternehmen. Da weibliche Flugzeugführerinnen in unserer Gesellschaft aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zum Einsatz kommen, müssen wir Ihre Bewerbung leider ablehnen. Für Ihren weiteren Lebensweg …« Rita versagte die Stimme.

Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie konnte die letzten Worte der floskelhaften Absage nicht mehr richtig erkennen.

Im...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Annette Hess • Anwältin • berühmte fliegerinnen • Bonn • Bundesdeutsche Geschichte • deutsche geschichte nach themen • Deutsches Haus • Emanzipation • Emanzipationsgeschichte • ENDLER • erste pilotin der welt • Frauenrechte • Frauenschicksal • Frauenschicksale • Frauenunterhaltung • frau tv beitrag • Generationenroman • Gleichstellung • Hippies • Klage gegen BRD • kudamm 56 • Kudamm 59 • Liebesgeschichte • Lufthansa • Monschau • Oktoberfest 1900 • patriarchat der dinge • Pilotin • recht erkämpfen • Rechtsgeschichte • Regionalroman • Rita Maiburg • Selbstbestimmung • Siebzigerjahre • uns gehört der himmel • Unterhaltungsroman • Weltfrauentag
ISBN-10 3-8321-7082-0 / 3832170820
ISBN-13 978-3-8321-7082-0 / 9783832170820
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