Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga (eBook)

Achtsames Ausatmen für Postjugendliche mit aufgehendem Mittelfinger im Morgenrot

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
224 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27447-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lassen Sie mich durch, ich muss zum Yoga -  Sabine Bode
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Wie oft muss man den Kopf auf die Tischkante knallen, damit das Qi wieder richtig fließt? In welchem Zeitfenster kann man einen Nervenzusammenbruch einbauen, damit man noch rechtzeitig zum Hormonyoga kommt? Und wer holt einen aus der Klinik raus, nachdem man mit der Urschrei-App nackt und wild auf die Brust trommelnd durch die Gärten der Nachbarn gerannt ist? Unser Leben könnte so schön sein, wenn man nicht an jeder Ecke Entschleunigung, Entspannung und Achtsamkeit verordnet bekommen würde. Wie sollen gestresste Großstädter denn jemals zu innerer Ruhe finden, wenn sie schon beim Nachhausekommen über Bastkorb-Arrangements stolpern, die randvoll sind mit Aroma-Schlafbrillen und Yogamatten? Eine immer gewaltigere Wohlfühl- und Lifestyle-Welle zwingt die Middle-Ager schöööön zum Entspannen. Ein Trend, der vor allem eins bedeutet: Noch mehr Stress. Das muss aber nicht so sein. Die erklärte Speed-Yoga-Anhängerin und Bestsellerautorin Sabine Bode hat keine Lust auf ständigen Entstressungs-Struggle und lässt lieber den Mittelfinger hochfahren als die Seele baumeln. Turbotrockener Haudraufhumor ganz ohne Gutfühlgarantie!

Sabine Bode arbeitete nach dem Studium der Anglistik, Germanistik und Publizistik als Journalistin und Übersetzerin sowie als Gagschreiberin für das Who's who der deutschen Comedyszene. Inzwischen ist sie selbst als Komikerin und Autorin erfolgreich. Sie hat mit ihrem Buch »Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr« einen Megabestseller geschrieben. Sie zählt sich zur Randgruppe »verheiratet, zwei Kinder, kein Weber-Grill« und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Whole Lotta Wellness: Led Zep im Lagunenknast


Es gibt Tage, die stressen einen mehr als alle anderen. Geburtstage zum Beispiel – je älter man wird, desto schneller kommt der nächste. Im Prinzip könnte man die ganze Deko auch direkt im Wohnzimmer hängen lassen. Mit zunehmendem Lebensalter stellt einen auch der Hochzeitstag vor Herausforderungen, weil man ja irgendwie schon alles durchhat: Essen gehen, Essen kommen lassen, selber kochen, Autokino oder große Flasche Schampus nachträglich zum vergessenen Jubiläum besorgen.

Je mehr Hochzeitstage man schon gefeiert hat, desto geringer werden die Ansprüche. Irgendwann reicht es dann, gemeinsam durch die Autowaschanlage zu fahren oder die gelieferte Pizza zur Feier des Tages nicht direkt aus dem Karton zu essen, sondern feierlich auf einen Teller gleiten zu lassen. Umso erfreuter war ich, als mein lieber Mann, den ich nach so vielen gemeinsamen Jahren eigentlich GöGa nennen müsste, stünde das nicht in meiner Liste der ekligen Wörter noch vor »Männe« und »bessere Hälfte«, geheimnisvoll sagte: »Ich habe eine Überraschung!« Da ich keine Überraschungen mag, konnte ich ihm wenigstens ein »Was mit Wellness!« entlocken.

»Thai-Massage? Ist doch nicht erlaubt, Corona und so.«

»Nope.«

»Healthfood-Restaurant? Wo wir letztes Mal eine Dose Kichererbsen und eine Handvoll rohen Babyspinat für zwölf Euro achtzig gegessen haben und danach erst mal ’ne Notbremse an der Pommesbude gemacht haben?«

»Nee-he.«

Eine Stunde später tuckern wir mit einer XXL-Sporttasche auf der Rückbank über die A40. Ich bin gespannt. Ist das jetzt schon das Geschenk? Immerhin ist nach vier Jahren jetzt mal endlich auf der Fahrbahn zwischen Wattenscheid und Gelsenkirchen Flüsterasphalt gelegt worden. Oder gibt es an der Abfahrt Essen-Kray jetzt einen einsamen Parkplatz, an dem arbeitssuchende Wellness-Facharbeiterinnen Kräuterstempelmassagen ohne Mehrwertsteuer anbieten?

Ein paar Minuten später stehen wir vor einem Flachbau, der bis vor Kurzem noch ein Matratzen-Center gewesen ist. »Schlafen und mehr« heißt jetzt »Wellness und mehr«. Da war wirklich jemand kreativ.

»Unser kleines Paradies auf Zeit«, grinst der Jubilar, »nur für uns!«

Ich denke unweigerlich an Brooke Shields und ihren sauerkrautfrisurigen Filmpartner in Die blaue Lagune. Alleine auf einer Insel, die so einsam ist, dass auf der To-do-Liste nur Kokosmilchschlürfen und unkontrolliertes Vermehren steht.

Also ganz anders als der letzte Besuch im überfüllten Wellness-Tempel vor ein paar Monaten: In Prä-Virus-Zeiten ging man ja noch in Sammelsaunen, wo pro Quadratmeter 13 nackte Middle-Ager sehr bemüht sind, ihren »das ist alles total normal, ich gucke hier niemandem was weg!«-Blick aufrechtzuerhalten, während an der Bar porzellanhäutige Intimschmuckträgerinnen ungeniert an ihrem Tomatensaftstrohhalm lullern. War nie so meins, und ich beginne der Pandemie zu danken, dass wir hier drei Stunden lang unser privates Paradies unser Eigen nennen dürfen.

Vor einem Drehkreuz warten wir, bis so ein junges Ballonseidenanzugpärchen eingecheckt hat. Abstandsregeln und so. Dann sind wir dran, aber bevor wir lendenbeschurzt im Wasserfall stehen, müssen wir noch ein paar Formalitäten erledigen. Die freundliche Frau an der Rezeption mit dem dynamisch wippenden Pferdeschwanz überreicht uns die unvermeidliche Mitgliedskarte, die wir gar nicht wollen, aber sehr geschmeichelt sind, dass wir offenbar so aussehen, als könnten wir uns zweimal im Monat eine Runde Runterkommen für 150 Öcken leisten. »Beim 10. Besuch erhaltet ihr von uns eine kleine Überraschung«, erklärt sie verheißungsvoll. Vielleicht eine Bonus-Limettenscheibe im Getränk oder ein Paar Unisex-Frotteepantoffeln? Dann switcht die Mitarbeiterin superwomanartig ihre Funktion und hastet von der Rezeption in einen kleinen Raum, auf dem »Privat« steht und kommt mit einem überdimensionalen Putzwagen wieder. Sie weist uns an, doch bitte noch im Lounge-Bereich zu warten. »Lounge« spricht sie dabei aus wie »launch«, und ich merke, wie mein Blutdruck steigt. »Schsch-tt«, macht mein Mann, »alleeees guuut, entspann dich mal!« Ja, er hatte recht. Es gab keinen Grund sich aufzuregen. Schließlich hatte sie ja nicht »Zuschini« gesagt.

Wir sehen ihr hinterher, wie sie mit ihrem riesigen Rollwagen mit acht Kraftreinigern, vier Eimern, drei Schrubbern und verschiedenen Profi-Wischmopp-Aufsätzen hinter einer Glaswand verschwindet. Was haben unsere Vorgänger in Kabine vier nur veranstaltet? Einen illegalen Schlamm-Catch-Contest? Oder haben sie versucht, eine Dose Ravioli mit einer Nagelschere aufzubrechen?

Was auch immer, die Spurenbeseitigung wird offenbar länger dauern, und so lassen wir uns erst mal im baumscheibenvertäfelten Wartebereich nieder. Im Hintergrund rauscht ein Springbrunnen. Das in einer Nestschaukel im Schneidersitz hockende Pärchen ist anhand der abwechselnd zu hörenden Nachrichtentöne zu urteilen noch in jener frühen Liebesphase, in der man sich gegenseitig WhatsApp-Nachrichten schickt, auch wenn man sich gegenübersitzt.

Nach einer Weile wird’s mir auf dem Birkenstamm zu ungemütlich, also lass ich mich auch in so ein Rattan-Rondell fallen, das daraufhin wie wild in der Luft herumschwingt und ich mit meinen Beinen gegen das Gondelgeflecht des Blouson-Pärchens bollere. Dieses unterhält sich jetzt in Echtzeit. Offenbar hatten die beiden schon öfter diesen Relax-Bunker gebucht, wie ich unfreiwillig mithöre:

»Haste Sauna?«

»Yop.«

»Haste Whirlpool?«

»Jouh.«

»Haste Onkelz runtergeladen?«

»Hey, hal-looo, Min-dest-ab-stand!«

Das gilt wohl mir, und ich ziehe mich ängstlich »schullegung« murmelnd in meinen Korb-Kokon zurück.

Nach 20 Minuten kommt die muntere Mitarbeiterin und winkt. Leider nicht uns. Stimmt ja, die zwei hatten ja zwei Sekunden vor uns eingecheckt. Da können wir dagegen ja noch ’ne halbe Stunde warten. »Sorry, dauert noch ein bisschen.« An der »Lohnsch«-Bar stehen Schilder vor leeren Wasserkaraffen: »Limette-Ingwer«, »Strawberry-Erdbeer« und »Natur pur«. Sie merkt wohl, wie ich verstohlen dort hinschiele, und erklärt: »Alles leer, wegen Corona und so. Sie können aber gleich was bestellen.«

Als sie eine gefühlte Ewigkeit später wieder erscheint, atmen wir auf wie Amerika nach der Auszählung der letzten Präsidentenwahl.

»Entschuldigung, es ist schon halb neun, und wir hatten ja ab acht gebucht«, wollte ich sagen, aber hey, sie ist alleine in dem Laden und hat sich gerade offenbar die Seele aus dem Leib geputzt. Wir folgen ihr im »I can’t dance«-Dreiermarsch in die Kuschel-Kabine, dessen Tor sich nun endlich Sesam-öffne-dich-mäßig geheimnisvoll auftut. »So, hier ist eure kleine Auszeit«, zwinkert sie zweideutig. Sie duzt uns! Wir liegen auf einer Stufe mit ihr wie die lässigen Jungschaukler von vorhin! Sie hat es durchschaut, wir sind wirklich coole Säue, gefangen in zwei viel zu kleinen Funktionsjacken.

Es erwartet uns jedoch erst mal eine Art Bankautomat mit erweitertem Bedienfeld und sehr vielen Touch-Optionen, die mich ähnlich in Ehrfurcht versetzen wie die Schaltzentrale des bösen Barons aus Timm Thaler, der von einer geheimen Insel aus per Knopfdruck die ganze Welt steuern konnte. »Ich erkläre euch kurz die Bedienung«, flötet sie und fummelt routiniert im Menü rum, »Licht, Klang, Musik, Aufguss-Art. Wir haben das Ambiente ›Romantic Dreamer‹ voreingestellt. Ihr könnt aber auch ›Caribbean Feelings‹ oder ›Emotional Experience‹ einstellen.« Hat sie was am Auge oder zwinkert sie uns schon wieder zu? Der Mann hat aber andere Sorgen, nämlich: »Wie kann ich denn mein Smartphone hier koppeln?!«

»Oh, das weiß ich nicht. Ich bin noch nicht so lange hier. Aber Sie können verschiedene Soundscapes wählen, hier: ›Sexy Soul‹, ›Moonlight Motown‹ oder ›Romantic Reggae‹.«

»Romantic Reggae«, denke ich mir still, wenn es eine Musikrichtung gibt, die NICHT romantisch ist, ist das ja wohl Reggae! Mal abgesehen von Jazz, zu Jazz kann man ja auch nicht f … –

»Ja, ich glaube, wir schaffen das!«, beschwichtigt mich der LePeBeMa (leicht peinlich berührte Mann) und begleitet Wellness-Wonderwoman zur Tür. »Hier ist übrigens eure Durchreiche«, erklärt sie noch schnell, »wenn ihr mal eine kleine Stärkung braucht.«

Bilde ich mir das ein oder war das schon wieder so eine versteckte Anspielung?

Mein komisches Gefühl bestätigt sich, als wir wenig später um die Ecke biegen und das atmosphärische Interieur begutachten: Sauna, Lichtdusche, Dampfbad, Whirlpool, Massageliege und in der Mitte eine große frei schwingende Doppel-Liege. Alles ist in rötliches Licht getaucht, dazu eine Musik, die anmutet wie eine Mischung aus Serge Gainsbourgs und Jane Birkins Je t’aime … moi non plus und Rondo Veneziano. Kurz, »Romantic Reggae« mutet an wie eine Liebesgrotte im Bochumer Rotlichtviertel, das Insider auch liebevoll »Riemenschleifer« nennen. Roxanne wäre passender oder irgendwas von Puff Daddy.

Während ich Handtücher ausbreite und geschmeidig in die Adiletten gleite, hat mein Parzellen-Partner das Handy gekoppelt, und es erklingt auf einmal lautstark Whole Lotta Love. Na also, geht doch.

Offenbar geht es für ihn aber nicht. Als sein Blick über die Luxuslandschaft auf Zeit schweift, legt sich ein Anflug des Unglaubens auf sein Gesicht: »Was soll das, ich hatte doch am Telefon das ›Wedding-Day-Extra-Spa-Paket‹ mit Rosenblättern und Schampus bestellt!...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Alexandra Reinwarth • Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr • Anke Engelke • eBooks • Entschleunigung • Gesundheit • Hape Kerkerling • Harald Schmidt • Haudrauf-Humor • Humor • Lifestyle-Welle • lustig • lustige • Megabestseller • Mental Detoxing • Monika Bittl • Satire • Selbstoptimierungswahn • Spiegel-Bestsellerautorin • Sport • Stress • Wellness
ISBN-10 3-641-27447-8 / 3641274478
ISBN-13 978-3-641-27447-4 / 9783641274474
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