Einer muss doch anfangen! (eBook)

Das Leben der Sophie Scholl
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
208 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-26505-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Einer muss doch anfangen! -  Werner Milstein
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'Man muss einen harten Geist und ein weiches Herz haben.' (Sophie Scholl)
Sophie Scholl ist eine der Symbolfiguren des Widerstands gegen Hitler. Werner Milstein portraitiert anlässlich des 100. Geburtstags am 9. Mai 2021 das Leben dieser faszinierenden Persönlichkeit und fragt, ob ihr Leben jungen Menschen, die nach Orientierung und Sinn suchen, heutzutage eine Hilfe sein kann.

Angereichert mit zahlreichen Quellen, Fotos und Querverweisen ist diese leicht zu lesende Biografie eine Fundgrube für Jugendliche, aber auch historisch interessierte Erwachsene.

  • Für Jugendliche und junge Erwachsene
  • Eine spannende Einstiegslektüre in das Leben Sophie Scholls
  • Zum 100. Geburtstag von Sophie Scholl am 9. Mai 2021


Werner Milstein, geb. 1955, Studium der Theologie und Philosophie in Münster und Göttingen, er war Gemeindepfarrer in Ostwestfalen, danach im Verlagswesen in Hamburg tätig. Zurzeit ist er Religionslehrer am Berufskolleg in Olsberg/Sauerland.

2. Kapitel

Idyll mit Rissen. Forchtenberg

Der Kocher bei Forchtenberg

Foto: Werner Milstein

Der kleine Ort Forchtenberg, in dem Sophie Scholl zur Welt kam, liegt am Kocher. An seinem Ufer lässt sich herrlich die Sonne genießen und schon bald geht es ins Wasser. Die ältere Schwester Inge brachte ihr das Schwimmen bei, und als sie sechs Jahre alt war, durchquerten beide den Fluss. Sophie wurde zu einer leidenschaftlichen Schwimmerin. Sie konnte später an keinem Gewässer vorbeigehen, ohne wenigstens die Füße einzutauchen, überhaupt liebte sie die Natur. Deshalb konnte sie ebenso wenig im Mai so einfach an einer Wiese vorbeigehen. »Es gibt nichts Verlockenderes«, schrieb sie später, »als solchen duftenden Grund, über dem die Blüten der Wiesenkerbel wie ein lichter Schaum schweben, daraus Obstbäume ihre blütenbesteckten Zweige recken, als wollten sie sich erretten aus diesem Meer der Seligkeit.«

Am Kocher hatte die Mutter einen Garten angelegt, er war ihre ganze Leidenschaft. So konnte sich die Familie mit Obst und Gemüse selbst versorgen. Ein Stück des Gartens war eigens für die Kinder abgetrennt, da konnten sie ganz nach eigenen Vorstellungen wirken, pflanzen, säen und ernten. Die Mutter war eine sparsame Frau, eine schwäbische Hausfrau eben. Aus Obst wurde Marmelade gemacht, Gemüse wurde eingekocht, Verschwendung gab es nicht. Der Tisch war immer gedeckt und stets gab es ihren köstlichen Hefekuchen, gleich, wie schwer die Zeiten waren. Davon schwärmten auch die Freunde der Kinder. Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft waren in der Familie wichtige Werte.

Das Rathaus, in dem Sophie Scholl zur Welt kam, stammte aus dem 18. Jahrhundert. Ein stattliches Gebäude, eines der größten im Ort. Eine dunkle Treppe führte nach oben, wo zur Straße hin das Büro des Vaters, das zugleich der Rathaussaal war, lag und zum Garten hin die Wohnräume. Sie waren zwar groß, aber nicht besonders komfortabel. Durch die Fenster zog es, die Öfen waren recht altmodisch. Das Leben spielte sich in der Diele ab, dort wurde gegessen, Hausaufgaben gemacht und diskutiert, eben gelebt. Dort hing, zur Freude aller Kinder, auch eine Schaukel! Die gute Stube dagegen wurde selten genutzt. Dort stand das Klavier, alle Kinder bekamen Klavierunterricht. Für eine bürgerliche Familie gehörte das – im wahrsten Sinne des Wortes – zum guten Ton.

Rathaus in Forchtenberg

Foto: Werner Milstein

Die Eltern stammten aus eher bescheidenen Verhältnissen. Die Mutter Magdalene Scholl, geborene Müller, mit Rufnamen Lina, kam als viertes Kind eines Schuhmachers am 5. Mai 1881 in Künzelsau zur Welt. Gerne wäre sie Lehrerin geworden, aber dazu fehlten der Familie die finanziellen Möglichkeiten. Also machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester im Diakonissenhaus von Schwäbisch Hall. Dort gab es eine genaue Erwartung an die zukünftigen Diakonissen: Sie »fordert entschieden christliche Gesinnung, den Drang zu helfen, die Willigkeit, mit anderen sich zu verbinden«. Das entsprach dem württembergischen Pietismus, der eine tiefe Frömmigkeit mit praktischer Nächstenliebe verband. 1909 wurde Magdalena Scholl, für ihren Dienst eingesegnet. In verschiedenen Gemeinden war sie im Einsatz, bevor sie in Söflingen, einem Ulmer Vorort, eine Kindergrippe mit aufbaute. Als der 1. Weltkrieg ausbrach, wurde sie im Reservelazarett in Ludwigsburg eingesetzt, und als dort eine schwere Typhusepidemie ausbrach, meldete sie sich zur Pflege der Erkrankten.

Liest man die Charakterisierung der Mutter als Kind, fühlt man sich unweigerlich an Sophie Scholl erinnert. Lina wird als ein ruhiges, aber fröhliches Kind beschrieben und als eine sehr gute Schülerin. Halt hat ihr der Glaube gegeben: Sie vertraute dem menschenfreundlichen Gott, der sie führt und hält. Es war ein bewusst evangelischer Glaube, aber ohne jegliche konfessionelle Enge. Beim Angelusläuten der katholischen Kirche sprach sie ein Gebet; zu der jüdischen Familie in Künzelsau hielt sie einen herzlichen Kontakt. Diese offene Art prägte später auch ihre Kinder; in der Familie war sie der Mittelpunkt und schuf damit auch einen Ausgleich zu der manchmal schroffen Art des Vaters.

Robert und Lina Scholl lernten sich im Reservelazarett in Ludwigsburg kennen. Der Vater kam am 13. April 1892 in Steinbrück zur Welt, in einer Kleinbauernfamilie mit elf Kindern. Sein Lehrer schlug vor, dass er das Gymnasium besuchen solle, aber das war unmöglich. Auch hier reichten die Mittel nicht. So gab ihm der Pfarrer unentgeltlichen Privatunterricht. 1909 konnte der Junge in Stuttgart die Prüfung der mittleren Reife ablegen. Er schlug die Laufbahn eines mittleren Verwaltungsbeamten ein und lernte seinen Beruf von Grund auf. Er arbeitete in einem Rathaus und im Amtsgericht. 1913 machte er die Verwaltungsdienstprüfung.

Im Prinzip war er nun für seinen Beruf vorbereitet, aber im Jahr darauf brach der 1. Weltkrieg aus und Robert Scholl erhielt den Stellungsbefehl. Als überzeugter Pazifist lehnte er den Einsatz mit der Waffe ab; als »garnisonsverwendungsfähig« wurde er zum Sanitätsdienst im Reservelazarett in Ludwigsburg abgeordnet. Dort lernte er die zehn Jahre ältere Lina Müller kennen und verliebte sich in die hübsche Frau. Sie versprachen sich gegenseitig. Lina legte die schwarze Diakonissentracht ab und und im November 1916 heirateten die beiden. »Wir wollen nun glücklich miteinander leben, dies jedoch nicht ins Weite tun, sondern nur für uns und für die, die unserer Liebe bedürfen«, schrieb sie ihrem Mann. Diese Liebe wird sie durch ihr gemeinsames Leben tragen. Für Lina Scholl war dabei ihr großes Gottvertrauen eine Stütze, während ihr Ehemann ein Suchender war und blieb.

Tag für Tag forderte der 1. Weltkrieg Opfer, die kriegsführenden Länder hatten sich in einen grausamen Stellungskrieg verbissen. Für das junge Ehepaar war klar, dass Deutschland den Krieg verlieren werde und musste. Als der amerikanische Präsident den Plan eines weltweiten »Völkerbundes« unterbreitete, war dies für Robert Scholl ein »Markstein in der Geschichte«. Aber die Zeit war für diese Idee noch nicht reif. Am 6. April 1917 erklären die USA dem Deutschen Reich den Krieg.

Nur wenige Monate später trat der junge Verwaltungsbeamte Scholl seine erste Stelle an. Am 2. Juni 1917 erhielt er die Urkunde als »Schultheißenamtsverweser« in der kleinen Gemeinde Ingersheim / Altenmünster, das heißt, er verwaltete die Stelle des Ortsvorstehers, in die er ein Vierteljahr später gewählt wurde.

Am 11. August 1917 kam in der gemeinsamen Wohnung das erste Kind zur Welt, Inge. Dass es nicht das einzige Kind bleiben sollte, darin waren sich die Eltern einig. Ein gutes Jahr später, am 22. September 1918, wurde Hans geboren. Die Taufe empfingen die Kinder in der evangelischen Matthäuskirche. Sie waren das Glück der jungen Familie, ein Geschenk in diesen schweren Zeiten.

Nüchtern sah Robert Scholl seine gegenwärtige Aufgabe in der Sicherung des schlichten Überlebens. Seine Tüchtigkeit sprach sich herum.

Das Ende des Krieges war nicht mehr aufzuhalten, im Norden und Süden des Deutschen Reiches erhoben sich Arbeiter und Soldaten zum Aufstand. Am 9. November 1919 rief Philipp Scheidemann in Berlin die Deutsche Republik aus. Die Zeit der Monarchie war zu Ende, es war der Anfang der Demokratie. Überall bildeten sich Arbeiter- und Bauernräte. So auch in Forchtenberg. Der unbeliebte Ortsvorsteher konnte abgesetzt werden, und der Vorsitzende des Rates hatte auch schon einen Nachfolger im Blick: Robert Scholl. Am 19. Oktober 1919 wurde er mit knapper Mehrheit gewählt. In Ingersheim wurden die Koffer gepackt und es ging mit der Postkutsche nach Forchtenberg! Eine richtige Straße gab es nicht, überhaupt machte der gesamte Ort einen recht rückständigen Eindruck. Zwar sahen die Fachwerkhäuser idyllisch aus, aber der Putz fiel von den Wänden. Die Wasserversorgung versagte im heißen Sommer, eine Kanalisation gab es überhaupt nicht. Wenn es stark regnete, überschwemmte das Wasser die Straße. Die Kinder hatten daran ihre Freude: Sie konnten dann auf Stelzen gehen.

Robert Scholl war ehrgeizig und seine Bilanz konnte sich am Ende sehen lassen. Es sorgte für eine Kanalisation, die Straßen wurden ausgebaut, ein Lagerhaus für die Bauern wurde errichtet sowie eine Turnhalle. Und was ihm besonders wichtig war: Der Ort wurde an das Eisenbahnnetz angeschlossen und damit auch mit dem Umfeld verbunden. Die moderne Zeit hielt nun auch in Forchtenberg Einzug. Und als wollte Robert Scholl das noch unterstreichen, stiftete er aus eigenen Mitteln eine Bahnuhr und bemerkte etwas spitz dazu, dass »sie gerne jedem genaue mitteleuropäische Zeit angibt«. Allerdings gelang es ihm ebenso wenig wie seinem Vorgänger, einen Industriebetrieb dauerhaft anzusiedeln.

Robert Scholl war anerkannt und respektiert, aber nicht beliebt. Er blieb distanziert, dabei hätten sich die Bürgerinnen und Bürger wohl eher einen Ortsvorsteher gewünscht, der mit ihnen zusammen in der Gaststätte zusammensaß und einen Schoppen Wein trank. Manchen galt er als »Liberaler« und das machte ihn für viele verdächtig.

Und wie man vieles der jungen Weimarer Republik anlastete, so war in Forchtenberg der Ortsvorsteher an allem Schuld. Inflation und Arbeitslosigkeit drückten schwer auf die Menschen, das bekamen auch die Bauern zu spüren. Kinder haben ein gutes Gespür für die Stimmung, sie erleben es auf ihre Weise, den Applaus, der ihrem Vater gilt, aber auch den Neid und die Häme. Dennoch, für sie war Forchtenberg ein Idyll.

Die Familie war mittlerweile herangewachsen. Am 27. Februar 1920 kam Elisabeth zur Welt, im Jahr darauf, am 9. Mai 1921, die dritte Tochter:...

Erscheint lt. Verlag 22.3.2021
Reihe/Serie Biografien für junge Menschen
Zusatzinfo Mit zahlreichen s/w Fotos
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte 80. Todestag • Alois Prinz • Anne Frank • Biografie • Biographien • Bonhoeffer • Dietrich Bonhoeffer • Drittes Reich • eBooks • Frau • hannah pick-goslar • Herbert Baum Gruppe • Hitler • @ichbinsophiescholl • Im Schatten der Sterne • LMU • Meine Freundin Anne Frank • München • Nationalsozialismus • pick-goslar • Regina Scheer • Sophie Scholl • Starke Frau • Versuche, dein Leben zu machen • weibliche Vorbilder • Weiße Rose • Widerstand • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-26505-3 / 3641265053
ISBN-13 978-3-641-26505-2 / 9783641265052
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