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Der heilige King Kong (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021
448 Seiten
btb Verlag
978-3-641-26675-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
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Barack Obama - Lieblingsbücher 2020
Die ruhigen Tage scheinen gezählt in der kleinen Baptistengemeinde 'Five Ends' im Süden Brooklyns. An einem warmen Septembertag im Jahr 1969 tritt der alte Diakon Cuffy Lampkin, genannt 'King Kong', mit einer Waffe auf den zentralen Platz seines Sozialbauviertels, hält sie vor aller Augen dem hiesigen Drogendealer ins Gesicht - und drückt ab. Ausgerechnet King Kong, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Wie konnte es dazu kommen? Schnell zeigt sich, dass sich die Schicksale aller Gemeindemitglieder - der Afroamerikaner wie der Latinos, der abgehalfterten Mafiosi wie der korrupten Cops - in dieser unvorstellbaren Tat überkreuzen. Und dass himmlische Gerechtigkeit und Strafe manchmal eine ziemlich irdische Angelegenheit sind...

James McBride - Autor, Musiker, Drehbuchschreiber, Journalist - wurde weltberühmt durch seinen autobiografischen Roman 'Die Farbe von Wasser'. Das Buch gilt inzwischen als Klassiker in den Vereinigten Staaten, es stand zwei Jahre lang auf der New York Times-Bestsellerliste. Sein Debüt 'Das Wunder von St. Anna' wurde vom amerikanischen Kultregisseur Spike Lee verfilmt. Für 'Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford' erhielt James McBride den renommierten National Book Award. 2015 wurde er von Barack Obama mit der National Humanities Medal ausgezeichnet.

2


Ein toter Mann


Natürlich sagten die Leute in den Cause-Häusern Sportcoats Tod schon seit Jahren voraus. In jedem Frühjahr, wenn die Bewohner des Projects aus ihren Löchern krochen und wie Murmeltiere zurück auf die Plaza kamen, um frische Luft zu schnappen – oder was es davon im Causeway District noch gab, sie war weitgehend vergiftet von der nahen Kläranlage –, sahen sie Sportcoat, nach einer Saufnacht bei Rufus mit dessen King-Kong-Fusel oder nachdem er sein letztes Geld beim Whist in Silky’s Bar drüben in der Van Marl Street verspielt hatte, nach Hause torkeln und sagten: »Der iss fertig.« Als ihn damals, ’58, die Grippe erwischte, die das halbe Haus 9 niederstreckte und Diakon Erskine vom Mighty Hand Gospel Tabernacle zum Himmel hinaufschickte, erklärte Schwester Bum-Bum: »Jetzt iss er erledigt.« Als ihn ’62 der Krankenwagen nach seinem dritten Schlaganfall holte, murmelte Ginny Rodriguez aus Haus 19: »Der iss am Ende.« Im selben Jahr gewann Miss Izi von der puerto-ricanischen Souveränitäts-Gesellschaft bei einer Tombola Karten für ein Spiel der New York Mets im Polostadion. Sie sagte voraus, dass die Mets, die in dem Jahr hundertzwanzig Spiele verloren hatten, gewinnen würden, und das taten sie, was Miss Izi zwei Wochen später dazu ermutigte, Sportcoats Tod vorauszusagen. Dominic Lefleur, die haitianische Sensation, war gerade aus Port-au-Prince zurück, nach dem Besuch bei seiner Mutter, und Miss Izi sah, wie Sportcoat direkt vor seiner Wohnung im vierten Stock zusammenbrach, nachdem ihn Dominics merkwürdiges Virus erwischt hatte. »Flatsch-platsch lag er da!«, rief sie. Der war fertig. Weg. Abgemeldet. Und dann kam abends auch noch der schwarze Wagen von der städtischen Leichenhalle, um einen Toten aus dem Haus zu holen, was ihr Beweis genug war und sie es gleich am nächsten Morgen weiterverbreitete, nur dass sich rausstellte, es war der Bruder der haitianischen Sensation gewesen, El Haji, der zum Islam konvertiert war, damit seiner Mutter das Herz gebrochen hatte und am ersten Tag als Fahrer eines City-Busses mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen war. Am ersten Tag, nachdem er drei Jahre versucht hatte, beim New York Transit reinzukommen. Stell sich das einer vor.

Trotzdem, Sportcoat schien todgeweiht. Selbst die gut gelaunten Seelen von der Five Ends Baptist – wo Sportcoat Diakon und Präsident des Five-Ends-Verbands der Grand-Brotherhood-of-the-Brooklyn-Elks-Loge Nr. 47 war, dem für die erkleckliche Summe von sechzehn Dollar fünfundsiebzig (jährlich zu zahlen, bitte nur per Anweisung) von den obersten Bossen der Five Ends Baptist garantiert wurde, »sämtliche Logenmitglieder der Brooklyn Elks, die ein letztes Gebet brauchen, unter die Erde zu bringen, zum Selbstkostenpreis natürlich«, mit Sportcoat als Ehren-Sargträger – selbst diese gut gelaunten Seelen sagten seinen Tod voraus. »Sportcoat«, meinte Schwester Veronica Gee von den Five Ends nüchtern, »ist ein kranker Mann.«

Sie hatte recht. Mit seinen einundsiebzig litt Sportcoat unter so gut wie allen dem Menschen bekannten Krankheiten. Er hatte Gicht. Er litt unter Hämorrhoiden und rheumatischer Arthritis, die ihn an bedeckten Tagen wie einen Buckligen dahinhumpeln ließ, so sehr schmerzte sein Rücken. An seinem linken Arm hatte er eine zitronengroße Zyste, und ein Bruch bescherte ihm eine orangengroße Schwellung in der Leiste. Als sie grapefruitgroß wurde, empfahlen die Ärzte eine Operation. Sportcoat hörte nicht auf sie, und ein freundlicher Sozialarbeiter im örtlichen Gesundheitszentrum schickte ihn zu jeder erdenklichen alternativen Therapie. Sie versuchten es mit Akupunktur, Magnettherapie, Ganzheitsmedizin, Kräutermedizin, einer Analyse seines Gangs, Blutegeln und genetisch unterschiedlichen pflanzlichen Mitteln. Nichts von allem half.

Mit jedem neuen Fehlschlag verschlechterte sich sein Zustand, die Todesvoraussagen häuften sich und wurden immer unheilvoller, bewahrheiteten sich jedoch nicht. Tatsächlich war, was die Bewohner der Cause-Häuser nicht wussten, Cuffy Jasper Lambkin, wie Sportcoat wirklich hieß, schon lange, bevor er nach Causeway gekommen war, der Tod vorausgesagt worden. Als er vor einundsiebzig Jahren in Possum Point, South Carolina, ins Leben geworfen wurde, musste die Hebamme entsetzt zusehen, wie ein Vogel durchs offene Fenster geflogen kam, über den Kopf des Babys flatterte und wieder nach draußen verschwand. Ein böses Omen. Sie verkündete: »Das wird ein Irrer«, gab ihn seiner Mutter, lief hinaus und zog nach Washington, D. C., wo sie einen Klempner heiratete und kein einziges Baby mehr auf die Welt brachte.

Der kleine Cuffy schien vom Pech verfolgt, wohin auch immer er kam. Er litt unter Koliken, bekam Typhus, Masern, Mumps und Scharlach. Mit zwei Jahren verschluckte er, was er in die Finger bekam, Murmeln, Steine, Dreck und Löffel, und einmal steckte er sich eine Suppenkelle ins Ohr, die von einem Arzt im Universitätskrankenhaus von Columbia wieder entfernt werden musste. Mit drei, als ein junger örtlicher Pastor kam, um den Kleinen zu segnen, spuckte ihm Cuffy eine giftgrüne Substanz über das weiße Hemd. Der Pastor verkündete: »Der Junge steht mit dem Teufel im Bund«, und verschwand nach Chicago, wo er das Evangelium hinter sich ließ, zum Bluessänger Tampa Red wurde und den Monsterhit Bund mit dem Teufel aufnahm, bevor er allein und völlig verarmt starb, aber in die Geschichte einging – unsterblich gemacht durch die Musikwissenschaft und Rock-’n’-Roll-Kurse an Colleges überall in der Welt, in den Himmel gehoben von weißen Schriftstellern und Musikintellektuellen für seinen zum Bluesklassiker avancierten Hit, der den Grundstein für das Vierzig-Millionen-Dollar-Gospel-Stam-Music-Platten-Imperium bildete, von dem weder er noch Sportcoat je einen Dime bekamen.

Mit fünf Jahren kroch der kleine Sportcoat zu einem Spiegel und spuckte sein Ebenbild an, was ein Ruf nach dem Teufel ist, mit dem Ergebnis, dass er erst mit neun die ersten Backenzähne bekam. Seine Mutter tat alles, um deren Wuchs anzuregen. Sie grub einen Maulwurf aus, schnitt ihm die Füße ab und machte ihrem Sohn daraus ein Halsband. Rieb ihm frisches Karnickelhirn aufs Zahnfleisch, steckte ihm Schlangenenden, Schweineschwänze und schließlich sogar Krokodilzähne in die Taschen, aber es half nichts. Sie ließ einen Hund über ihn laufen, eigentlich ein sicheres Mittel, aber der Hund biss ihn und rannte weg. Am Ende rief sie eine alte Medizinfrau von den Sea Islands, die einen frischen grünen Zweig von einem Busch schnitt, ihm Cuffys Namen nannte und den Zweig in einem Beutel kopfüber in die Ecke des Zimmers hängte. Bevor sie ging, sagte sie: »Sprecht seinen Namen acht Monate nicht mehr aus.« Die Mutter fügte sich und nannte ihn »Sportcoat«. Das Wort hatte sie beim Baumwollpflücken auf der Farm von J. C. Yancy in Barnwell County gehört, wo sie zeitweise arbeitete, einer ihrer weißen Bosse hatte es benutzt und damit seine glänzende neue grünweiß karierte Jacke gemeint, die er stolz zur Schau trug, gleich nachdem er sie gekauft hatte. Überwältigend sah er damit aus, oben auf seinem Pferd unter der sengenden südlichen Sonne, sein Gewehr auf dem Schoß und bald schon halb wegdösend am Rand des Feldes, während die farbigen Arbeiter leise lachten und auch die anderen Aufseher vor sich hin kicherten. Acht Monate später wachte sie auf und sah, dass der Mund des jetzt zehnjährigen Sportcoat voller Backenzähne war. Völlig aufgeregt machte sie die Medizinfrau ausfindig, die kam, Cuffys Mund untersuchte und sagte: »Der wird mal mehr Zähne als ein Alligator haben«, worauf die Mutter dem Jungen glücklich den Kopf tätschelte, sich zu einem Schläfchen hinlegte und verschied.

Cuffy erholte sich nie vom Tod seiner Mutter. Der Schmerz in seinem Herzen wurde groß wie eine Wassermelone. Aber die Medizinfrau hatte recht. Er bekam Zähne für zwei. Sie sprossen hervor wie Wildblumen. Vordere und hintere Backenzähne, lange und dicke, fette Beißer, vorne breite, hinten schmale. Aber es waren zu viele, sie drängten sich in seinen Kiefern zusammen und mussten gezogen werden, was nur zu gern von den weißen Zahnmedizinstudenten der University of South Carolina gemacht wurde, die verzweifelt nach Patienten suchten, an denen sie üben konnten, um ihren Abschluss zu bekommen, und sie hielten sich Sportcoat warm, schenkten ihm süße Muffins und kleine Flaschen Whiskey, hatte er doch mittlerweile den Zauber des Alkohols entdeckt, nicht zuletzt, um die Hochzeit seines Vaters mit seiner Stiefmutter zu feiern, die ihm immer wieder empfahl, auf dem zweihundertachtundfünfzig Meilen entfernten Sassafras Mountain spielen zu gehen und nackt vom Gipfel zu springen. Mit vierzehn war er ein Säufer und der Traum aller Zahnmedizinstudenten. Mit fünfzehn entdeckte ihn auch die Allgemeinmedizin für sich, als die ersten von vielen Leiden ihre Kräfte sammelten, um ihn anzugreifen. Mit achtzehn blies eine Blutvergiftung seine Lymphknoten zu Murmelgröße auf, und die Masern meldeten sich zurück, zusammen mit etlichen anderen Krankheiten, die Blut rochen und sich bei dem vermeintlich todgeweihten Loser ein Stelldichein gaben: Scharlach, Blutkrankheiten, Virusinfektionen, eine Lungenembolie. Als er zwanzig war, machte der Lupus einen Versuch und gab auf. Mit neunundzwanzig wurde er von einem Maulesel getreten, der ihm die rechte Augenhöhle brach, worauf er monatelang herumstolperte. Mit einunddreißig sägte er sich mit einem Fuchsschwanz den linken Daumen ab. Die entzückten Studenten an der Universität nähten ihn mit vierundsiebzig Stichen wieder an, warfen zusammen und kauften ihm eine Kettensäge, die er dazu benutzte, sich den rechten großen Zeh abzusägen. Den nähten sie mit siebenunddreißig Stichen wieder an, was...

Erscheint lt. Verlag 15.3.2021
Übersetzer Werner Löcher-Lawrence
Sprache deutsch
Original-Titel Deacon King Kong
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 10 Best Books 2020 in der New York Times • barack obama • Barack Obama favorite books 2020 • Barack Obamas Best Books 2020 • Brooklyn • Die Farbe von Wasser • eBooks • National Book Award • National Humanities Medal • New York • New York City • New York Times Bestseller • Oprah Winfrey • Roman • Romane
ISBN-10 3-641-26675-0 / 3641266750
ISBN-13 978-3-641-26675-2 / 9783641266752
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