Der Barbar in uns muss Liebe finden (eBook)

Warum das Land verroht und wie wir uns wehren können

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
224 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43889-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Barbar in uns muss Liebe finden -  Rayk Anders
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Die politische Stimme der Generation YouTube Noch immer glauben viele, dass Fortschritt selbstverständlich ist. Doch das ist nicht so: Der Barbar in uns kehrt zurück an die Oberfläche. Unsere Gesellschaft wird dümmer, kälter und rücksichtsloser. Bestsellerautor Rayk Anders analysiert schonungslos, warum wir in uralte Verhaltensmuster zurückfallen. Warum wird der öffentliche Umgangston immer rauer, vergiften Angst und Hysterie unser Denken? Welche Rolle spielen machtgierige Politiker und gewissenlose Medienmacher? Sind unsere dunklen Seiten unsere »wahre Natur« - oder können wir mehr sein und den Barbaren-Code in uns überwinden? Wie gehen wir mit dem Schlechtesten in uns um? Wir müssen uns ihm stellen - oder es wird unsere Zukunft zerreißen.

Rayk Anders, Jahrgang 1987, ist freier Journalist in Berlin und wurde durch sein Web-Projekt >ARMES DEUTSCHLAND< einem breiten Publikum bekannt. Mit seinen Formaten will er vor allem junge Menschen für Politik begeistern. 2015 produzierte er für ZDFinfo die Sendung >Verschwörungstheorien - Leben im Wahn<, unter dem Titel »Headlinez« hatte er zudem eine eigene Show im SWR. 2018 erhielt er den Deutschen Reporterpreis in der Kategorie »Web-Video« für den Dokumentarfilm >Lösch Dich: So organisiert ist der Hass im Netz<. 

Rayk Anders, Jahrgang 1987, ist freier Journalist in Berlin und wurde durch sein Web-Projekt ›ARMES DEUTSCHLAND‹ einem breiten Publikum bekannt. Mit seinen Formaten will er vor allem junge Menschen für Politik begeistern. 2015 produzierte er für ZDFinfo die Sendung ›Verschwörungstheorien - Leben im Wahn‹, unter dem Titel »Headlinez« hatte er zudem eine eigene Show im SWR. 2018 erhielt er den Deutschen Reporterpreis in der Kategorie »Web-Video« für den Dokumentarfilm ›Lösch Dich: So organisiert ist der Hass im Netz‹. 

Neuer Hass


Ernst gemeinte Frage: Warum herrscht in Deutschland heute nicht mehr der Nationalsozialismus? Warum wird Hitler in unserem Geschichtsunterricht nicht als großer Führer gefeiert, sondern als Monster verurteilt? Warum hat man 1945 plötzlich aufgehört, Juden in Konzentrationslager zu stecken? Es gibt nur eine ehrliche Antwort darauf. Das Dritte Reich endete nicht, weil die Deutschen damals eingesehen hätten, dass es falsch war. Es gab keinen gesamtgesellschaftlichen Diskurs à la »Oha, ganz schön furchtbar, was wir hier machen, hören wir mal mit dem Nazi-Müll auf!« Einen Scheiß gab es. Der einzige Grund, warum die deutsche Flagge heute Schwarz-Rot-Gold statt Schwarz-Weiß-Rot ist und wieso die deutsche Hauptstadt »Berlin« und nicht »Germania« heißt, ist, dass andere Länder so lange Bomben auf uns geworfen haben, bis wir aufgegeben haben. Punkt.

Es gab keinen moralischen Sinneswandel, es gab eine militärische Niederlage. Gewaltiger Unterschied. Deutsche hörten nicht auf, sich zum Nazi-Regime zu bekennen, weil sie wollten, sondern weil sie es nicht mehr durften. Man hat Nazis gejagt, vor Gericht gestellt und für ihre Verbrechen teilweise hingerichtet. Ich bin ein entschiedener Gegner der Todesstrafe, aber ich erkenne an, dass diese Vorgehensweise damals die einzige Sprache war, die die nationalsozialistischen Barbaren dieser Zeit verstanden haben. Dadurch bekamen viele Nazis so viel Schiss, dass sie anschließend dankenswerterweise erst mal für einige Zeit ihre faschistische Fresse gehalten haben. Doch ihren Hass auf Juden, Homosexuelle und Linke haben sie oft nicht verloren. Zumindest aber haben sie ihn in der Öffentlichkeit in der Regel für sich behalten und in ihre kalten Herzen hineingefressen, anstatt andere damit zu vergiften. Immerhin.

Das Ende der Nazi-Zeit ist nicht lange her. Ein paar Jahrzehnte, kaum ein durchschnittliches Menschenleben lang. Nur ein paar kostbare Jahre Frieden. Nicht mehr als zwei oder drei Generationen von Familien, die nicht im Krieg aufwachsen mussten. Historisch nicht mehr als ein Wimpernschlag. Aber offenbar schon wieder zu viel. Bei zahlreichen Deutschen kocht das Blut wieder. Es war jetzt lange genug mit Freiheit und Demokratie, es soll endlich wieder krachen! Das Leben in Frieden überfordert die Menschen. Es ist ein erbärmliches, frustrierendes Trauerspiel.

Man könnte meinen, wenn es nur ein Land auf dem Planeten geben sollte, das seine Lektion bezüglich Gewaltgeilheit und Wir-sind-die-Auserwählten-Nationalismus gelernt hat, dann Deutschland. Im Ernst, wir haben’s probiert und es war sehr, sehr scheiße. Faschismus ist eine Einbahnstraße ohne Tempolimit direkt in die Hölle, also: nein danke und gerne nie wieder! Wir hatten Zeit, unsere eigene Geschichte zu reflektieren. Zu verstehen, wie Demokratien kippen. Wie freie Gesellschaften sterben und mit ihnen alles, was wertvoll ist. Alles, was wirklich wertvoll ist. Wir konnten den Opfern und Überlebenden zuhören, aus ihren Erfahrungen lernen und ihnen versprechen, ihre Warnungen verdammt noch mal ernst zu nehmen.

Tja, und hier sind wir nun. In Deutschland steigt die Akzeptanz für antidemokratische Einstellungen wieder.

Um zu verstehen, wie verflucht gefährlich das ist, machen wir uns kurz noch mal klar, was eine Demokratie eigentlich ist. Nehmen wir zu diesem Zweck an, es gäbe ein Land mit nur drei Einwohnern. Gehen wir für dieses Beispiel außerdem davon aus, diese drei Einwohner wären du, Garfield und das Krümelmonster. Nun herrscht in eurem Drei-Leute-Land ein Problem: Garfield möchte, dass die Steuern auf Lasagne gesenkt werden. Das Krümelmonster will stattdessen niedrigere Steuern für Kekse. Beides gleichzeitig geht nicht, weil schwierige Finanzlage gerade. Da euer kleines Land in diesem Gedankenexperiment eine Demokratie ist, wird über alles abgestimmt. Du bist der Dritte im Bunde und daher hängt es von dir ab, wie es jetzt weitergeht. Entweder entscheidest du dich für eine Seite von beiden, Garfield oder Krümelmonster, und es steht somit zwei Stimmen gegen eine. Dann hat die Mehrheit gesiegt. Oder du nimmst eine Position als Vermittler ein und schlägst vor, dass man eventuell vielleicht doch beide Steuern senken kann, aber dann halt nicht so stark, sondern bei jedem nur ein bisschen. Dann siegt der Kompromiss. So funktionieren demokratische Entscheidungen: Man versucht einen Mittelweg zu finden und einen Ausgleich von Interessen zu erreichen. Und am Ende gewinnt die Idee, auf die sich die Mehrheit einigen kann.

Im Faschismus hätte Garfield euch beide für mehr Lasagne umgebracht und anschließend Polen überfallen.

Die Bereitschaft für diese Art von Politik nimmt in unserer Gesellschaft leider zu. Das ist kein Bauchgefühl, sondern wissenschaftlich messbar. Die traditionsreiche Otto-Brenner-Stiftung legte dazu 2019 eine aufsehenerregende Studie vor: Laut ihren Erhebungen wünschen sich heute rund 25 Prozent der jungen Deutschen einen »starken Führer«. Einen kernigen Typ an der Spitze, der endlich mal so richtig durchgreift und »sich nicht um Parlamente und Wahlen kümmern muss«. Die Teilnehmer dieser erschütternden Studie waren zwischen 18 und 29 Jahren alt.

Soll ich’s noch mal sagen? Jeder vierte (!) deutsche Wähler unter 30 Jahren möchte gerne einen Kerl an der Macht, der ohne Kontrolle durch andere Politiker oder das Volk herrschen kann. Diese Wählerschaft ist ernsthaft bereit, einem solchen »Führer« einen politischen Blankoscheck auszustellen: Er soll halt machen können, was er will. Wird schon das Richtige sein. Was sollen auch diese ganzen Politiker im Bundestag, alle mit ihren eigenen Fachrichtungen und Erfahrungen? Wer braucht die schon? Wozu Hunderte Experten zu komplexen Themen wie Arbeitsrecht, Klimaschutz, Bildung, Gesundheitsversorgung, Kulturförderung, Steuergerechtigkeit und vielem mehr, wenn ein Mann allein den ganzen Kram auch selbst bestimmen kann? Ist doch viel effizienter! Und Wahlen können wir uns in so einem Land natürlich direkt auch sparen, na logo! Dieser ganz besondere Führer soll sich ja schließlich nicht um lästige Wahlen kümmern müssen. Dann müssen wir auch nicht mehr ein Mal alle vier Jahre sonntags raus, um ein total anstrengendes Kreuz auf einen viel zu langen Wahlzettel zu machen, hallelujah! Wer soll sich da noch auskennen, bei so vielen unterschiedlichen Parteien auf dem Zettel, bei so vielen Wahloptionen. Sorry, das ist einfach zu viel Freiheit.

Die Vorteile eines starken Führers liegen dagegen auf der Hand: Weniger Zeit damit verschwenden, sich Gedanken darüber zu machen, was man selbst eigentlich will (oder was für die Mitmenschen wichtig sein könnte). Stattdessen alles einen starken Mann ganz oben entscheiden lassen, um dafür mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben haben! Zum Beispiel in der Nase popeln. Oder am Handy lustige Filter über Fotos setzen. Im Idealfall natürlich beides gleichzeitig. Mega, so stelle ich mir doch die Grundlage einer fairen und lebenswerten Gesellschaft vor!

Ich habe schon oft mit Leuten gesprochen, die die Meinung vertreten, dass sich das Nazi-Problem in Deutschland irgendwann schon »von selbst« lösen werde. Allein von der Demografie her, also wie sich die Bevölkerung bei uns zusammensetzt.

Ihre Logik geht in etwa so: Die jüngeren Menschen heutzutage wachsen doch total frei und tolerant auf. Das verrückte Weltbild von früher, »Deutsche = Übermenschen« und »andere Nationalitäten = minderwertig«, das hat bei denen doch keine Chance. Bei den Älteren, na gut, da seien natürlich noch so einige Alt-Nazis dabei. Menschen mit harten Vorurteilen und tief sitzendem Rassismus, geprägt durch die Kindheit und Jugend in früheren Zeiten. Aber die sind doch schon alle alt und irgendwann sterben die einfach weg. Und übrig bleiben dann, na klar, irgendwann nur noch die coolen, jungen Menschen von heute. Keine Sorge, die Faszination für brutale Führer und blutigen Nationalismus wird also zwangsläufig aussterben! Einfach so verschwinden, ganz von selbst!

Mit Verlaub: Was für ein Schwachsinn.

Dem widersprechen nicht nur, wie gesagt, die Studienergebnisse der Otto-Brenner-Stiftung, sondern auch unsere schmerzlichen Erfahrungen mit rechtsextremen Terroristen. Anfang der 2000er-Jahre ermordete der sogenannte Nationalsozialistische Untergrund (NSU) zehn Menschen, davon acht mit türkischer Herkunft, einen mit griechischen Wurzeln und eine deutsche Polizistin. Die Mitglieder des NSU, Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, waren zum Zeitpunkt des ersten Mordes allesamt deutlich unter 30 Jahre alt. David Sonboly, der rassistische Attentäter, der 2016 in München gezielt das Feuer auf Menschen mit Migrationshintergrund eröffnete und dabei neun Menschen erschoss, war 18 Jahre alt. Stephan Balliet, der rechtsextreme Terrorist, der 2019 in Halle eine Synagoge stürmen wollte und zwei Menschen umbrachte, war zum Zeitpunkt der Tat 27 Jahre alt. Und ich soll warten, dass alte Nazis sterben und sich das Problem demografisch von allein löst?

Junge Menschen sind durch ihre Jugend nicht automatisch besser oder friedlicher, genauso wie ältere Menschen durch ihr Alter nicht schlimmer oder blutrünstiger sind. Einen wichtigen Unterschied gibt es aber dennoch: Junge Menschen sind besonders beeinflussbar. Es hat seinen Grund, warum Leute durchschnittlich mit etwa 15 Jahren das Rauchen anfangen. Weil wir in diesem Alter unsicher, ängstlich und orientierungslos sind. Wir wollen dazugehören, cool sein, akzeptiert werden. Viele von uns stehen in der Jugend unter einem wahnsinnigen inneren Druck. Dieser macht uns zu formbarer Masse und kann leicht gegen uns verwendet werden. Du weißt nicht, wer du bist? Hier,...

Erscheint lt. Verlag 23.4.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Allgemeines / Lexika
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ISBN-10 3-423-43889-4 / 3423438894
ISBN-13 978-3-423-43889-6 / 9783423438896
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