In deiner Trauer getragen (eBook)
192 Seiten
bene! eBook (Verlag)
978-3-96340-065-0 (ISBN)
Mechthild Schroeter-Rupieper, Jahrgang 1964, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Gelsenkirchen. Als Begründerin der Familien-Trauerarbeit in Deutschland, als Mitbegründerin in Österreich und der Schweiz ist sie europaweit als Fortbildungsreferentin tätig. In Vorträgen und Seminaren bietet die seit 1992 erfahrene Familien-Trauerbegleiterin Hilfestellungen in Trauer- und Trennungssituationen. www.familientrauerbegleitung.de
Mechthild Schroeter-Rupieper, Jahrgang 1964, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Gelsenkirchen. Als Begründerin der Familien-Trauerarbeit in Deutschland, als Mitbegründerin in Österreich und der Schweiz ist sie europaweit als Fortbildungsreferentin tätig. In Vorträgen und Seminaren bietet die seit 1992 erfahrene Familien-Trauerbegleiterin Hilfestellungen in Trauer- und Trennungssituationen. www.familientrauerbegleitung.de
Kapitel 1
Wenn die Diagnose da ist
»Nein, nein, nein! Das glaube ich nicht! Das kann nicht wahr sein!« Diese oder ähnliche Worte sind meist das Erste, was in einem Menschen aufkommt, wenn er eine tödliche Diagnose mitgeteilt bekommt. Angehörige und Freunde, die davon erfahren, reagieren ähnlich. Am liebsten würden die Betroffenen einfach weglaufen, weit weg von allem. »Es war wie im falschen Film«, sagen viele rückblickend. Man ist fassungs- und sprachlos, verwirrt oder einfach leer. Manche vergießen keine einzige Träne, bei anderen hören sie gar nicht mehr auf zu laufen. Die einen versuchen, das Gehörte zu verdrängen, andere stellen Fragen über Fragen.
In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten können Gefühle wie Gereiztheit, Wut, Enttäuschung, Schuldfragen und Schuldzuweisungen auftreten. Wichtig ist: Jede Reaktion ist in Ordnung. Es geht jetzt erst einmal darum, es »sacken zu lassen«, es zu verstehen und anzunehmen. Dafür hat jede und jeder einen eigenen Weg.
Auch die Art und Weise, wie Betroffene die ersten Tage nach der Diagnose verbringen, ist sehr unterschiedlich. Die einen gehen es direkt an: Sie machen einen Termin beim Notar, kümmern sich um ihre Sterbeversicherung und klären die letzten Dinge. Andere ziehen sich erst einmal zurück, brauchen Ruhe und Zeit für sich, um das Gehörte zu begreifen und wieder reaktionsfähig zu werden. Wieder andere verdrängen alles, versuchen, ihren Alltag trotz der verlorenen Normalität möglichst normal zu leben, und bemühen sich, der Wahrheit noch ein paar Tage davonzulaufen. Wieder eine andere möchte stark sein, vor sich und anderen keine Schwäche zeigen und verliert dadurch an Kraft. Der eine sucht die Nähe des Partners, die andere gerade nicht. Dem einen ist es wichtig, weiter arbeiten zu gehen, die andere holt sich möglichst viele Informationen, um sich auf die letzten Monate vorzubereiten.
Wie gesagt: Jeder reagiert anders. Und jede Reaktion ist richtig!
Die bekannte Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross spricht von fünf Sterbephasen, die schwer kranke Menschen durchlaufen können – allerdings nicht unbedingt in der benannten Reihenfolge. Manchmal kommt es auch zu Umwegen oder Rückschlägen, einzelne Phasen können wiederholt werden. Das kann etwa nach hoffnungsvollen Zeiten geschehen, in denen die oder der Betroffene wieder begonnen hat, auf Heilung oder zumindest ein längeres Leben zu hoffen.
Ich möchte Ihnen diese Phasen kurz vorstellen. Unbedingt möchte ich aber darauf hinweisen, dass das Sterben – ebenso wie das gesamte Leben – von der Persönlichkeit und der Lebenssituation beeinflusst wird und immer individuell ist. Kein Mensch ist wie der andere. Bei Menschen, die sich im letzten Stadium ihres Lebens befinden, können sehr unterschiedliche Gefühle und Reaktionen aufkommen, wenn es um den Abschied geht. Daher gibt es nicht den präzisen Ablauf der Sterbephasen. Angehörige und Sterbebegleiter sollten das Leben und Sterben des Erkrankten nicht auf starre Phasen reduzieren.
Die Phasen können jedoch für den Betroffenen selbst wie auch für die Angehörigen, die mit in den Sterbeprozess eingebunden sind, eine Orientierungshilfe sein in der Zeit nach der Diagnose.
Meist gibt es vor der Diagnose eine Vorahnung. Sie ist der Grund, warum Sterbende zum Arzt gehen. Manche wiederum ahnen, dass etwas nicht in Ordnung ist, schieben den Besuch deswegen lange vor sich her. Wenn dann eine lebensbedrohliche Erkrankung diagnostiziert wird, beginnt die erste Phase.
Phase 1: Schock und Verleugnung (Nicht-wahr-haben-Wollen, Verneinung der Tatsache)
Schwer erkrankte Menschen, die über ihre tödliche Krankheit informiert werden, reagieren oft wie unter Schock. Sie wollen nicht glauben, was sie gehört oder gelesen haben. Sie fühlen sich in dieser Situation verzweifelt, alleine und hilflos.
Erkrankte lehnen den Gedanken an den Tod und die Auseinandersetzung mit ihm ab. Sie weigern sich, sich damit zu beschäftigen, und leugnen ihn. Diese Trauerphase bildet den eigentlichen Anfang des Trauerprozesses. Sie kann wenige Stunden, oft aber auch Tage oder sogar mehrere Wochen dauern.
Phase 2: Einsetzen der Gefühle, Auflehnung, Fragen und Aggressionen
Die zweite Phase ist die der Fragen nach dem Warum, Weshalb und Wieso. Sterbende haben ihre Diagnose verstanden und erleben unterschiedliche emotionale Reaktionen. Sie reagieren negativ auf ihre Umwelt, beschimpfen möglicherweise gesunde Personen, weil sie ruhelos werden durch die Frage: »Warum trifft es ausgerechnet mich?« Der Betroffene wird schließlich aggressiv und wütend. Zorn und Neid auf alle Weiterlebenden können auftreten. Betroffene stellen die Vermutung an, dass es wahrscheinlich niemanden auf der Welt kümmert, dass sie sterben. Schwarzer, verletzender Humor kann sich breitmachen. Das Pflegepersonal und nahestehende Angehörige werden manchmal verbal angegriffen und verletzt.
Phase 3: Verhandlung
Der Mensch beginnt in dieser Phase, sich mit seinem Tod auseinanderzusetzen. Er versucht, mit Ärzten oder Gott zu verhandeln, also mit denjenigen, von denen er glaubt oder hofft, dass sie ihn noch heilen oder ihm zumindest einen Aufschub gewähren können. Dann wünscht er sich, bestimmte Ereignisse – zum Beispiel die Hochzeit eines Kindes – noch mitzuerleben.
Phase 4: depressive Verstimmung, Niedergeschlagenheit
Todkranke spüren jetzt die Symptome und Konsequenzen der tödlichen Krankheit immer mehr und verfallen in eine depressive, hoffnungslose oder auch apathische Stimmung. Sie bereuen es, bestimmte Dinge im Leben versäumt zu haben, hadern mit falschen Entscheidungen. Das ist oft aber auch Antrieb, sich um letzte Dinge wie das Testament oder die Versorgung ihrer Liebsten zu kümmern.
Phase 5: Annahme und Abkopplung von der Umwelt
Die fünfte und letzte Sterbephase nach Kübler-Ross ist die der »Akzeptanz«. Jetzt hat der Erkrankte seinen baldigen Tod akzeptiert und angenommen. Häufig ist in dieser Phase, die nicht alle Sterbenden erreichen, zu beobachten, dass sie sich nach Innen zurückziehen und sich von der Außenwelt abkoppeln.
Wie auch immer jemand reagiert, eines ist dabei, vor allem zu Beginn, wichtig: Der Betroffene sollte möglichst mit seinen Angehörigen offen über die Situation sprechen! Der Drang, die schlimme Botschaft erst einmal für sich zu behalten, ist verständlich. Es ist nicht leicht, über das Sterben zu sprechen. Vor allem nicht über das eigene. Und doch ist meine Erfahrung, dass es schwer ist, die Situation schönzureden oder gar zu verheimlichen. Ungute Geheimnisse lassen meist nur Unheil folgen.
Oft rechtfertigen wir unser Schweigen mit scheinbar guten Motiven: Wir meinen, den Angehörigen dadurch Leiden zu ersparen, wollen ihnen »so etwas Furchtbares« nicht zumuten. Es reicht doch, wenn wir selbst geschockt sind, das müssen wir ihnen doch nicht auch noch antun. Aber wenn wir ehrlich sind, steckt meistens etwas ganz anderes dahinter: Angst! Fragen kommen hoch: Wie kann ich mit der ausgesprochenen Wirklichkeit umgehen, die ich dann selbst nicht mehr ignorieren kann? Wie werden sie es aufnehmen? Werde ich anschließend nur noch der »arme Sterbende« sein, mit dem man besonders vorsichtig umgehen muss? Werde ich das Mitleid aushalten können? Kann ich es ertragen, wenn sie meinetwegen weinen?
Muten Sie es als Betroffener Ihren Liebsten zu, mit dem Schmerz fertigzuwerden. Trauen Sie ihnen zu, dass sie die Situation meistern. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Angehörigen das gut hinbekommen und lernen, mit dem Sterben umzugehen. Oft besser als vermutet.
Schweigen kann schlimme Folgen haben, wie die Geschichte von Steffi zeigt.
Steffi war 38 Jahre alt, als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde. Eigentlich galt er als unheilbar, doch die Ärzte wollten ein neu auf den Markt gekommenes Medikament bei ihr ausprobieren. »Ohne Hoffnung lebt es sich so schlecht«, sagte Steffi sich und klammerte sich an diesen Strohhalm. Mit ihren Eltern und ihrem Mann besprach sie die Situation, beschloss aber gleichzeitig, den Kindern nichts zu sagen. Sie waren 11 und 15 Jahre alt, und Steffi wollte sie nicht beunruhigen. Noch gab es ja Hoffnung! Ihrem Ehemann und den Eltern verbat sie ebenfalls, die Kinder einzuweihen.
»Mama, bist du sehr krank?«, fragte die elfjährige Tochter nach einem der vielen Krankenhausbesuche der Mutter. »Ach was, ich bin bald wieder gesund«, antwortete die Mutter und versprach der Tochter sogar, immer ehrlich zu ihr zu sein.
Ob der 15-Jährige etwas ahnte? Er stellte keine Fragen. Nicht der Mutter, nicht dem Vater, nicht den Großeltern. Stattdessen zog er sich immer häufiger hinter den Computer zurück und wurde noch wortkarger, als er es ohnehin schon war.
Einige Monate später war klar: Die Mutter kann nur noch palliativ behandelt werden. Die Medikamente dienten von nun an der größtmöglichen Schmerzfreiheit, würden sie aber nicht mehr heilen können. Doch auch jetzt wollte Steffi den Kindern nichts von ihrem Zustand erzählen.
Den Mann, der die Sache zwar anders sah, aber seiner todkranken Frau nicht in den Rücken fallen wollte, brachte dieser Entschluss in eine große Not: Er sah jeden Tag die Ängste, Fragen und Reaktionen seiner Kinder, ohne etwas dagegen tun zu können.
Eines Abends fragte die Tochter die Eltern ganz direkt, ob die Mama wieder gesund werden würde.
Schweigen.
»Ich weiß es nicht«, sagte der Vater und schaute seine Frau...
Erscheint lt. Verlag | 27.8.2020 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
Schlagworte | Abschied • Abschied nehmen • Beerdigung • Christliche Bücher • Familien-Trauerarbeit • Geborgenheit • geschenk für trauernde • Geschenk Sterbefall • Geschenk Trost • Mechthild Schroeter-Rupieper • Ratgeber Trauer • Schroeter-Rupieper • Sterbebegleitung • Sterbebegleitung Bücher • Sterbefall • Sterben • Sterben begleiten • Sterbende begleiten • Sterben und Tod • Tod • Tod und Trauer • Trauerarbeit • Trauerarbeit Erwachsene • Trauer-Begleiter • Trauern • Trauernde begleiten • Trauer-Ratgeber • Trost • trost buch • Trost Trauer • Verlust und Trauer |
ISBN-10 | 3-96340-065-X / 396340065X |
ISBN-13 | 978-3-96340-065-0 / 9783963400650 |
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