Der Koffer der tausend Zauber -  Antonia Michaelis

Der Koffer der tausend Zauber (eBook)

Mitreißender, fantastischer Abenteuerroman im madagassischen Dschungel für Kinder ab 10 Jahren
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
300 Seiten
Verlag Friedrich Oetinger
978-3-96052-181-5 (ISBN)
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Der neue große Roman von Antonia Michaelis: Straßenjunge Rabé auf der Suche nach dem Glück. Als der elfjährige madagassische Straßenjunge Rabé einen magischen Koffer erbt, ändert sich sein Leben mit einem Schlag. Denn darin findet er eine Schatzkarte, die zu einem Ort tief im Dschungel führt. Zusammen mit dem deutschen Jungen Benja begibt sich Rabé auf die Suche nach dem Schatz. Doch wer ist die bucklige alte Frau, die ihnen immer wieder begegnet? Was will der Mann im schwarzen SUV, der sie verfolgt? Und was haben die kleine Kintana und der alte Magier mit dem Schatz zu tun? Am Ende lüften die Jungen das Geheimnis um den Koffer, seinen früheren Besitzer und ein tragisches Unglück, das viele Jahre zurückliegt ...

Antonia Michaelis, Jahrgang 1979, in Norddeutschland geboren, in Süddeutschland aufgewachsen, zog es nach dem Abitur in die weite Welt. Sie arbeitete u.a. in Südindien, Nepal und Peru. In Greifswald studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten für Kinder und Jugendliche schreiben. Seit einigen Jahren lebt sie nun als freie Schriftstellerin in der Nähe der Insel Usedom und hat zahlreiche Kinder und Jugendbücher veröffentlicht, facettenreich, fantasievoll und mit großem Erfolg. 'Der Märchenerzähler', ihr erstes Buch für junge Erwachsene, wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Sanna Wandtke, geboren 1989 in Berlin, studierte Illustration an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und arbeitet heute als freie Illustratorin. Ihre fantasievollen, detailverliebten Illustrationen entführen in ferne Welten. Sanna Wandtke lebt in Hamburg.

Antonia Michaelis, Jahrgang 1979, in Norddeutschland geboren, in Süddeutschland aufgewachsen, zog es nach dem Abitur in die weite Welt. Sie arbeitete u.a. in Südindien, Nepal und Peru. In Greifswald studierte sie Medizin und begann parallel dazu, Geschichten für Kinder und Jugendliche schreiben. Seit einigen Jahren lebt sie nun als freie Schriftstellerin in der Nähe der Insel Usedom und hat zahlreiche Kinder und Jugendbücher veröffentlicht, facettenreich, fantasievoll und mit großem Erfolg. "Der Märchenerzähler", ihr erstes Buch für junge Erwachsene, wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Sanna Wandtke, geboren 1989 in Berlin, studierte Illustration an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und arbeitet heute als freie Illustratorin. Ihre fantasievollen, detailverliebten Illustrationen entführen in ferne Welten. Sanna Wandtke lebt in Hamburg.

Kapitel 1 Der Koffer


Ich schwöre, er ist verschwunden.

Ich war nur kurz weg, kurz habe ich ihn allein gelassen, dort in der Nacht, er lag in der schmalen Gasse zwischen den hohen schwarzen Dunkelhäusern, ganz still. Vielleicht war er schon tot.

Er war erst fünfzehn. Vier Jahre älter als ich.

Ich wollte Hilfe holen, und als ich wiederkam, war er nicht mehr da.

Da war nur noch der Koffer. Ein großer, uralter, dunkelbrauner Lederkoffer mit Rollen.

Ein Koffer voller Geheimnisse.

 

Aber beginnen wir mit dem Beginn.

Es war mitten in der Zeit der Kälte, als alles begann.

In einer dieser Nächte, in denen der Nebel dick in den Straßen hängt, in denen die Häuser auf den Hügeln der Stadt noch dichter zusammenzurücken scheinen. In denen jeder froh ist um ein Dach über dem Kopf oder eine Decke.

Ich hatte eine Decke. Oder eigentlich einen Stofffetzen, braungrau mit rotem Muster, ich hatte ihn vor einer Woche gefunden und einen Kampf darum gekämpft.

Wir kämpften viele Kämpfe in den Straßen der Stadt.

Denn wenn man kein Bett hat und keine Mutter, die einem einmal am Tag eine Schale Reis vorsetzt, dann muss man kämpfen: um eine weggeworfene Banane, die man noch essen kann. Um eine leere Flasche, die man verkaufen kann. Um einen kleinen Geldschein, den ein feiner Herr fallen lässt, um uns Bettelkinder los zu sein.

Ich bin elf Jahre alt und ein bisschen zu klein und zu dünn für mein Alter, selbst für ein Bettelkind, und ich bin nie ein guter Kämpfer gewesen. Auch kein guter Bettler.

Nicht wie Ndrema.

Ndrema, hieß es, konnte sich schon mit zwei Jahren so fest an die Hosenbeine von reichen Leuten klammern, dass er bis zu zehn Metern mitgeschleift wurde, wenn sie ihm kein Geld gaben.

Jetzt, mit fünfzehn, war er der Anführer der Bettelclique der Kinder und hatte es nicht mehr nötig, sich an Hosenbeine zu klammern, er war groß und stark und drehte jede Menge krumme Dinger. Die anderen bewunderten ihn. Ich nicht.

Ich bewunderte Koto.

Koto war so alt wie Ndrema. Er war nicht Teil der Clique, er strich allein durch die Straßen, und eine Menge Leute sagten, er wäre seltsam. Zum Beispiel war er immer sauber angezogen. Er wusch seine Sachen unten in den Reisfeldern, die zwischen den Hügeln der Stadt liegen, grüne Kleckse, durch die auf einem Damm die Straße führt. Wir anderen badeten dort ab und zu, bis uns die Reisbauern wegjagten, aber Koto zog sich tatsächlich aus und wusch sein Hemd, er schrubbte die Flecken mit Seife und einer alten Zahnbürste heraus. Nachts. Ich weiß nicht, woher er die Seife hatte.

Er nannte uns die Graubraunen, und so sahen wir wohl aus; so sieht man aus, wenn man auf der Straße lebt: bedeckt von dem roten Staub und dem schwarzen Ruß, der ständig in der Luft hängt in der Stadt der Städte.

Einmal habe ich ihn sagen hören: »In der Stadt der Städte, Rabé, kann man zwei Dinge tun: den Tod der Tode sterben oder das Leben der Leben leben. Hörst du Rabé: das beste und großartigste aller Leben. Du musst dich entscheiden.«

Rabé, das bin ich. Und damals hat er mit mir gesprochen. Ich war unglaublich stolz darauf. Wir saßen zusammen auf einer bröckeligen Mauer neben einer der Müllhalden, auf denen man manchmal etwas zu essen findet.

»Wie soll ich etwas Großartiges tun, wenn ich doch nichts habe?«, fragte ich.

Da stand er auf und sagte: »Das musst du selbst herausfinden. Werd nicht wie die anderen. Die Graubraunen. Werd nicht wie sie, Rabé, sonst steckst du dein Leben lang hier fest.«

Und dann nahm er seinen Koffer und ging, die Straße entlang, davon. Wie ein Reisender, der nur zufällig neben einem Müllhaufen gesessen hatte. Er ging aufrecht, den Kopf hoch erhoben, und man hätte meinen können, er würde direkt zu einem Hotel marschieren mit seinem Koffer, einem Ungetüm von einem Koffer übrigens, uralt und riesengroß, mit glänzenden Messingbeschlägen, die er ab und zu polierte.

Man hätte meinen können, er sei ein junger Herr.

Wenn da nicht seine nackten, schmutzigen Füße gewesen wären, und die Löcher in seinem Hemd. Und wenn er nicht so mager gewesen wäre.

Ich wusste nicht, wohin er ging. Oder was er dort tun würde. Ich wusste, es hatte keinen Zweck, ihm zu folgen, er würde irgendwann einfach im Gewimmel der Stadt verschwinden. Einmal hat er gesagt, er müsse allein sein, um nachzudenken.

»Worüber denn nachdenken?«, habe ich gefragt.

»Über meinen Plan«, hat er gesagt und in die Ferne gelächelt, die Ferne über den Hügeln und der Abgasglocke der Stadt. »Den Plan, wie ich hier rauskomme.«

Und er hat mir ganz kurz über den Kopf gestreichelt, wie ein großer Bruder, aber dann hat er mich, wie immer, stehen lassen.

Koto war mein Held. Mein Vorbild. Mein Gott.

Ich wollte damals sein wie er, und einmal klaute ich deshalb ein Stück Seife, um mein Hemd zu waschen, aber ich wurde erwischt und verhauen. Die anderen Graubraunen guckten zu und lachten.

Aber viele von ihnen, glaube ich, bewunderten Koto heimlich, genau wie ich.

Es lag ein Geheimnis über ihm und über seinem Koffer. Es gab die verschiedensten Geschichten darüber, wie er an den Koffer gekommen war. Er weigerte sich, ihn zu verkaufen, er schlief nachts darin, wenn der Koffer aufgeklappt war, und transportierte tagsüber seine Schätze darin: Schätze, die keiner kannte.

Manche sagten, er hätte den Koffer gestohlen. Manche sagten, er hätte ihn an einem Ort gefunden, zu dem kein normaler Mensch Zutritt hatte, einem Geisterort. Manche sagten, er hätte den Koffer bei einem Toten gefunden, und manche sagten, ein mysteriöser Fremder hätte ihm den Koffer auf seinem Sterbebett vermacht.

Tatsache war: Der Koffer war das Wertvollste, was je einer von uns besessen hatte.

Das heißt, nein: Für mich war das Wertvollste die Erinnerung daran, wie Koto meinen Namen gesagt hatte. Wie er gesagt hatte: »Werd nicht wie sie, Rabé.« Als wäre ich nicht nur irgendein Junge ohne Eltern mit dreckstarrem Haar und graubraunen Kleidern. Als wäre ich etwas Besonderes.

In der Nacht, von der ich erzählen will, lag ich wach, weil es zu kalt war, um zu schlafen. Ich lag in meinen Stoff gewickelt und sah in der Ferne neben einer Müllkippe die Glut eines Feuers, das nicht das meine war. Hörte die Worte einer Familie, die nicht die meine war und die sich gegenseitig warm hielt. Ich sah Licht in einem Fenster, oben in einem dritten Stock, und die Schatten eines Erwachsenen und eines Kindes.

Und ich wünschte mir, auch eine Familie zu haben, egal, ob sie hinter einem Fenster oder neben einer Müllkippe lebte, oh, wie sehr ich mir das wünschte!

Da hörte ich die Schritte. Jemand rannte die steile Straße hinauf, rannte auf die Hausecke zu, wo ich mich zusammengerollt hatte, und dann sah ich, dass es Koto war. Er bog um die Ecke, ohne mich zu bemerken, der halbe Mond am Himmel klebte ihm einen blassen Schatten an die Füße, und ich spürte etwas Beunruhigendes: Angst.

Koto hatte Angst.

Ich sprang auf und sah ihn an der Kreuzung abbiegen, in eine steile Gasse, die wieder hinunterführte, und dann war da das Auto, ganz plötzlich, es kam von der Kreuzung und fuhr nach unten, und ich dachte, das ist aber ein Zufall, dass nachts ein Auto hier fährt und gerade die Abbiegung nimmt, die Koto genommen hat.

Koto sprang zur Seite, doch er sprang zu spät, das Auto erfasste ihn, er flog durch die Luft, und ich dachte, mein Herz bleibt stehen – und das Auto fuhr weiter den Hügel hinunter, der Fahrer gab Gas.

Der hatte auch Angst, dachte ich; Angst, dass jemand gesehen hat, wie er einen Jungen überfahren hat. Deshalb jagte er sein Auto den Hügel hinunter. Es war ein schwarzer SUV, Allradantrieb und ein Riesenkofferraum, ein Auto für reiche Leute.

Beide Rücklichter funktionierten, was nicht häufig ist bei Autos in der Stadt der Städte, ich sah sie kleiner werden, rot wie zwei Blutstropfen.

Und dann sah ich Koto auf dem Asphalt liegen.

Und ich rannte. Doch er kam auf die Beine, ehe ich bei ihm war, sah sich um, als würde er verfolgt, und taumelte in einen schmalen Durchschlupf zwischen den Häusern: eine Gasse, die weiter unten zu einer Treppe wurde, ich kannte sie gut. Sie gehörte zu einem Labyrinth aus Verbindungsstufen, Schleichwegen und Pfaden, die die Hügelstraßen in der Stadt der Städte verbinden und die nur wir Graubraunen kennen.

Ich fragte mich, wer Koto verfolgte. Ein anderer Straßenjunge vielleicht, dachte ich, mit dem er gestritten hatte, oder ein Erwachsener, dem er etwas geklaut hatte. Aber da war niemand. Die Familie am Feuer war weitergezogen, der Platz neben dem Müllhaufen leer.

»Koto!«, rief ich leise. »Koto!«

Er taumelte weiter, wie einer der Schmetterlinge, die sich manchmal aus den Gärten der Reichen herauswagen und dann umhertorkeln, betrunken von den Abgasen in den ständig verstopften Straßen.

Vor der Treppe brach der Schmetterling zusammen, kniete jetzt vornübergebeugt auf dem Boden, hustete, rang nach Luft. Und mir wurde schlecht vor lauter Angst, aber ich dachte: Ich muss ihm helfen, ich muss!

Dann war ich neben ihm, flüsterte seinen Namen, und diesmal bemerkte er mich.

In der Ferne hörte ich den Motor des SUVs. Er wurde wieder lauter, und das war komisch: Der SUV fuhr den Hang hinauf. Er kam zurück. Kam näher … fuhr an der Einmündung unserer Gasse vorbei. Ich spürte, wie Koto aufatmete.

»Verdammt«, flüsterte er, »was, wenn sie noch mal zurückkommen? Ich muss hier weg!«

»Wer?«, flüsterte ich. »Wer sind die?«

Und ich begriff, wer Koto verfolgt hatte, es war das Auto...

Erscheint lt. Verlag 20.8.2020
Illustrationen Sanna Wandtke
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte ab 10 • Abenteuer • Afrika • Dschungel • Erbe • Fotos • Freundschaft • Heilpflanze • Kinderbuch • Madagaskar • Magie • People of Color • Regenwald • Reise • Schatz • Schatzkarte • schwarze Kinder • Straßenkinder • Suche • Urwald • Zauberei
ISBN-10 3-96052-181-2 / 3960521812
ISBN-13 978-3-96052-181-5 / 9783960521815
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