Der Hund aus Terracotta (eBook)

Ein Sizilien-Krimi
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-0230-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Hund aus Terracotta -  Andrea Camilleri
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Commissario Montalbano ist schon ein bißchen überrascht, als der flüchtige Mehrfachmörder Tano u Grecu um seine Verhaftung bittet. Schließlich ist der Commissario, was diese Dinge betrifft, eher an Widerstand gewöhnt. Die Erklärung indes ist einleuchtend: Tano fürchtet seine Feinde in der Mafia mehr als die Polizei ? mit Recht, wie sich herausstellt, denn wenig später wird er ermordet.Was zunächst aussieht wie ein typisches Verbrechen der Mafia, entwickelt sich zu einem komplizierten Fall, als Montalbano bei seinen Nachforschungen auf ein weiteres, bereits fünfzig Jahre zurückliegendes Verbrechen stößt. In einer Höhle entdeckt er die skelettierten Leichen eines Mannes und einer Frau in inniger Umarmung, bewacht von einem lebensgroßen Schäferhund aus Terracotta ...

Commissario Montalbano löst seinen zweiten Fall.

Eins


So wie sich der Morgen präsentierte, kündigte sich ein gräßlicher Tag an, mal würde die Sonne vom Himmel brennen, mal eisiger Regen niederprasseln, und auch mit ein paar heftigen Windböen war zu rechnen. Wenn an solchen Tagen Kopf und Kreislauf unter dem plötzlichen Wetterwechsel leiden, kann es schon mal vorkommen, daß man dauernd seine Meinung und seine Gefühle ändert, so wie sich die Blechdinger in Form einer Fahne oder eines Hahns beim kleinsten Windstoß auf den Dächern in alle Himmelsrichtungen drehen.

Commissario Salvo Montalbano gehörte immer schon zu dieser bedauernswerten Sorte Mensch; denn er hatte die Wetterfühligkeit von seiner Mutter geerbt, die kränklich gewesen war und sich oft ins abgedunkelte Schlafzimmer zurückgezogen hatte, weil sie an Kopfschmerzen litt. Dann mußte es im Haus mucksmäuschenstill sein, und man durfte nur auf Zehenspitzen herumlaufen. Sein Vater dagegen war immer gesund, bei jedem Wetter, er war stets ausgeglichen, egal, ob es regnete oder die Sonne schien.

Auch an diesem Tag blieb der Commissario seiner offensichtlich angeborenen Unschlüssigkeit treu: Kaum war er mit dem Auto am Kilometer zehn der Provinciale zwischen Vigàta und Fela stehengeblieben, wie ihm aufgetragen worden war, wäre er am liebsten wieder umgekehrt und ins Dorf zurückgefahren und hätte die ganze Sache sausenlassen. Aber er nahm sich zusammen, parkte das Auto näher am Straßenrand und öffnete das Handschuhfach, um seine Pistole herauszuholen, die er normalerweise nicht umgeschnallt hatte. Doch mitten in der Bewegung hielt er inne: Er rührte sich nicht und starrte gebannt auf die Waffe.

Madonna santa! Es stimmt wirklich! dachte er.

Am Abend zuvor, ein paar Stunden bevor Gegè Gulottas Anruf die ganze Geschichte ins Rollen gebracht hatte – Gegè war ein kleiner Dealer weicher Drogen und Betreiber eines Bordells unter freiem Himmel, bekannt als Mànnara –, hatte der Commissario einen Krimi gelesen, der ihn ziemlich beschäftigte und dessen aus Barcelona stammender Autor außerdem den gleichen Nachnamen trug wie er, nur in der spanischen Version: Montalbán. Ein Satz hatte ihn besonders beeindruckt: Die schlafende Pistole sah aus wie eine kalte Eidechse. Leicht angewidert zog er seine Hand zurück, schloß das Fach und ließ die Eidechse schlafen. Wenn sich diese Geschichte, die da ihren Anfang nahm, als übler Trick, als Falle herausstellen sollte, dann hätte er seine Pistole schon ganz gern dabei, aber die würden ihn sowieso, ohne mit der Wimper zu zucken, mit einer Kalaschnikow durchlöchern, und dann war eh alles zu spät. Er konnte nur hoffen, daß Gegè eingedenk der Jahre, die sie in der Grundschule nebeneinandersitzend verbracht hatten – auch als Erwachsene waren sie Freunde geblieben –, in seinem Interesse nicht beschlossen hatte, ihn den Hunden zum Fraß vorzuwerfen, und ihm irgendeinen Mist erzählt hatte, um ihn in einen Hinterhalt zu locken. Nein, nicht irgendeinen: Wenn die Geschichte stimmte, dann war sie ein dicker Hund und würde großen Wirbel machen.

Er holte tief Atem und stieg, langsam einen Fuß vor den anderen setzend, einen schmalen steinigen Pfad zwischen langen Reihen von Weinstöcken hinauf. Was hier wuchs, war eine Tafeltraube mit runden, festen Beeren, die, weiß der Himmel warum, uva d’Italia hieß, die einzige, die auf diesem Boden gedieh; für den Anbau jeder Keltertraube konnte man sich hier in der Gegend Kosten und Arbeit sparen.

Das einstöckige Häuschen, ein Zimmer oben, eines unten, stand ganz oben auf dem Hügel, halb verborgen hinter vier mächtigen Olivenbäumen, die es fast vollständig umschlossen. Es sah genauso aus, wie Gegè es beschrieben hatte: Tür und Fenster verriegelt, die Farbe ausgebleicht, auf dem Platz davor ein riesiger Kapernbusch und kleinere Sträucher winziger Eselsgurken, die bei der geringsten Berührung mit einem spitzen Stock aufplatzen und ihre Kernchen verspritzen, ein umgekippter Stuhl, dessen geflochtener Sitz gebrochen war, ein alter Zinkeimer zum Wasserholen, der vom Rost zerfressen und unbrauchbar geworden war. Der Rest war von Gras überwuchert. All das trug zu dem Eindruck bei, daß der Ort seit Jahren unbewohnt war, aber der Schein trog, und Montalbano war zu erfahren, als daß er sich davon hätte überzeugen lassen. Er war sogar sicher, daß ihn jemand vom Inneren des Hauses aus beobachtete und aus seinen Bewegungen schloß, was er vorhatte. Er blieb drei Schritte vor der Tür stehen, zog sein Jackett aus, hängte es an einen Olivenbaum, damit man sehen konnte, daß er keine Waffe trug, und rief, nicht allzu laut, wie jemand, der einen Freund besucht: »He! Ist jemand da?«

Niemand antwortete, nichts war zu hören. Der Commissario zog ein Feuerzeug und ein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche, steckte sich eine in den Mund, stellte sich gegen den Wind, indem er sich halb um sich selbst drehte, und zündete sie an. So konnte ihn jemand, der im Haus war, problemlos von hinten beobachten, wie er ihn vorher von vorn beobachtet hatte. Er nahm zwei Züge, dann ging er entschlossen auf die Tür zu und schlug so fest mit der Faust dagegen, daß ihm die Knöchel von den verkrusteten Stellen im Lack weh taten.

»Ist da jemand?« rief er wieder.

Auf alles war er gefaßt gewesen, nur nicht auf die spöttische, ruhige Stimme, die ihn gemeinerweise von hinten ansprach.

»Ja, ja. Hier bin ich.«

»Pronto? Pronto? Montalbano? Salvuzzo! Ich bin’s, Gegè!«

»Schon klar, beruhig dich. Wie geht’s, mein Honigschleckermäulchen?«

»Gut geht’s.«

»Hat das Mäulchen auch fleißig gearbeitet? Wirst du immer besser im Blasen?«

»Salvù, laß deine blöden Witze. Wenn überhaupt, dann blase ich nicht selber, sondern lasse blasen, das weißt du ganz genau.«

»Bist du denn nicht der große Lehrmeister? Bringst du den bunten Vögelchen denn nicht bei, was sie mit den Lippen machen sollen, wie fest sie lutschen müssen?«

»Salvù, wenn es so wäre, wie du sagst, würden höchstens sie mir was beibringen. Wenn sie mit zehn Jahren kommen, wissen sie schon Bescheid, mit fünfzehn sind sie Profis. Ich hab’ da eine vierzehnjährige Albanerin, die …«

»Machst du jetzt Reklame für deine Ware?«

»Hör zu, ich hab’ keine Zeit für solchen Quatsch. Ich muß dir was geben, ein Päckchen.«

»Jetzt? Geht das nicht morgen früh?«

»Morgen bin ich nicht da.«

»Weißt du denn, was drin ist?«

»Klar weiß ich das. Mostazzoli di vino cotto, die magst du doch so gern. Meine Schwester Mariannina hat sie extra für dich gemacht.«

»Wie geht’s Marianninas Augen?«

»Viel besser. In Barcelona haben sie wahre Wunder vollbracht.«

»In Barcelona schreiben sie auch gute Bücher.«

»Was hast du gesagt?«

»Nichts, vergiß es. Wo treffen wir uns?«

»An der üblichen Stelle, in einer Stunde.«

Die übliche Stelle war der kleine Puntasecca-Strand, ein kurzer Sandstreifen unterhalb eines Hügels aus weißem Mergel, der auf dem Landweg eigentlich nicht zu erreichen war; das heißt, zu erreichen war er nur für Montalbano und Gegè, denn sie hatten bereits als Schulkinder einen Weg entdeckt, den zu Fuß zurückzulegen schon mühsam, mit dem Auto jedoch ein wirkliches Abenteuer war.

Puntasecca war nur ein paar Kilometer von dem kleinen Haus am Meer außerhalb Vigàtas entfernt, in dem Montalbano wohnte, er konnte sich also Zeit lassen. Doch gerade, als er aus dem Haus gehen wollte, um zu dem Treffpunkt zu fahren, klingelte das Telefon.

»Ciao, amore, siehst du, ich bin ganz pünktlich. Wie war dein Tag?«

»Wie immer. Und deiner?«

»Genauso. Du, Salvo, ich habe lange über das nachgedacht, was …«

»Livia, entschuldige bitte, wenn ich dich unterbreche, aber ich habe wenig Zeit, eigentlich habe ich überhaupt keine Zeit. Ich war schon fast aus der Tür, ich muß noch mal weg.«

»Dann geh, gute Nacht.«

Livia legte auf, und Montalbano behielt den Hörer in der Hand. Da fiel ihm ein, daß er Livia am Abend zuvor gesagt hatte, sie solle ihn Punkt Mitternacht anrufen, dann wäre genug Zeit für ein langes Gespräch. Er war unentschlossen, ob er seine Freundin nicht besser gleich in Boccadasse anrufen sollte oder erst nachher, wenn er von dem Treffen mit Gegè zurück war. Mit leisen Gewissensbissen legte er den Hörer auf und machte sich auf den Weg.

Als er mit ein paar Minuten Verspätung ankam, wartete Gegè schon auf ihn und ging nervös neben seinem Auto auf und ab. Sie umarmten und küßten einander, denn sie hatten sich schon lang nicht mehr gesehen.

»Komm, wir setzen uns in mein Auto, ganz schön kühl heut nacht«, sagte der Commissario.

»Ich bin da in was reingezogen worden«, fing Gegè an, sobald er saß.

»Von wem?«

»Von Leuten, die ich nicht abblitzen lassen kann. Du weißt ja, daß ich wie jeder Geschäftsmann Schutzgeld zahle, damit ich in Ruhe arbeiten kann und mir niemand einen Strich durch meinen Straßenstrich macht. Jeden Monat, den der liebe Gott uns schenkt, kommt einer vorbei und kassiert.«

»In wessen Auftrag? Kannst du mir das sagen?«

»Im Auftrag von Tano u Grecu.«

Montalbano war überrascht, ließ sich aber nichts anmerken. Gaetano Bennici, »u grecu«, hatte Griechenland noch nicht mal durchs Fernglas gesehen, und von Hellas hatte er keinen blassen Schimmer, aber er wurde wegen eines gewissen Lasters...

Erscheint lt. Verlag 29.5.2020
Reihe/Serie Commissario Montalbano
Übersetzer Christiane von Bechtolsheim
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Original-Titel Il cane di terracotta
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Camilleri • Catania • Dedektiv • detective • Detektiv • Detektivromane • Deutsche Krimis • Ermittler • Frauen / Männer • Italien • Komissar • Kommisar • Kommissar • Kommissarin • Krimi • Krimi Bestseller • Kriminalpolizei • Kriminalroman • Kriminalromane • Krimis • Liebe / Beziehung • Mord • Mörder • Polizei • Polizist • Privatdetektiv • Schicksale und Wendepunkte • Schimanski • Serienkrimi (Serienermittler) • Serienmörder • Sizilien • Spannung • Spannungsroman • Tatort • Thriller • Verbrechen
ISBN-10 3-7517-0230-X / 375170230X
ISBN-13 978-3-7517-0230-0 / 9783751702300
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