Mühlviertler Schmankerl: Österreich Krimi -  Christian Hartl

Mühlviertler Schmankerl: Österreich Krimi (eBook)

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2020 | 1. Auflage
220 Seiten
Federfrei Verlag
978-3-99074-095-8 (ISBN)
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Mercedes Brettschneider, die Nichte von Innenminister Kaputtnig, ist wie vom Erd­boden verschwunden. Also unterbricht Bezirksinspektor Grinninger seine freien Tage und startet die Ermittlungen in Altenkirchen, einem Wallfahrtsort im beschaulichen Mühlviertel. Auf seiner Suche nach der Vermissten stößt er auf zahlreiche Ungereimtheiten und verfängt sich in einem eng verzweigten, lebensgefährlichen Netz aus Korruption, Betrug und Polit-Filz. Dazu machen ihm ein Elvis-Imitator mit Alkoholproblemen, ein skandalträchtiger Priester, ein dubioser Fleischhauer und eine mit allen Wassern gewaschene Immobilienmaklerin das Leben schwer. Kommt der Grinninger hier wieder lebendig raus?



Christian Hartl wurde im März 1980 in St. Johann am Wimberg in der Ortschaft Blumental geboren. Er lernte den Beruf des Großhandelskaufmann und war viele Jahre als Verkäufer tätig. Nach etlichen Jahren als Hilfs- und Saisonarbeiter und der Suche nach dem Sinn des Lebens wechselte er nach einem daneben abgeschlossenen Studium der Kommunikationswissenschaften in Wien im Jahr 2007 in den Journalismus. Seither ist er in der Kommunikationsbranche tätig und lebt mit seiner Lebensgefährtin und zwei Kindern in einem gemütlichen Haus an der Gemeindegrenze zwischen St. Johann am Wimberg und Ahorn. Neben seiner Liebe zum Lesen und zur Rock-Musik ist der Mühlviertler oft glückloser aber passionierter Freizeit-Fischer und Schwammerlsucher.

In the Ghetto


 

In speckigen schwarzen Jeans, Cowboystiefeln und einem ebenfalls schwarzen Feinrippunterleiberl steht Karl King am Tisch im kleinen Esszimmer seines Einfamilienhauses und poliert den Hals seiner abgegriffenen Akustikgitarre. Auf der dazugehörenden Eckbank liegt der mit Nieten besetzte lederne Elvis-Jumpsuit mit Stehkragen, den er beim Auftritt vorgestern so richtig durchschwitzte. Pizzakartons, Speisentransportboxen vom Knödelhubert und ausgetrunkene Bierdosen stapeln sich am Tisch. Der Aschenbecher quillt über und ein unangenehmer Duftmix aus abgestandenem Bier, Zigarettenrauch und Speiseresten hängt in der Luft. Auch King selbst verströmt einen müffelnden Geruch, als ob er tagelang in einem schlecht gelüfteten Zimmer verbracht hätte.

Obwohl der Nachmittag schon fortgeschritten ist, schaut Karl King aus, als ob er erst vor wenigen Minuten aufgestanden wäre. Eine schlimme Narbe auf der Stirn zeugt von einem Unfall, den er vor wenigen Wochen gehabt haben muss. Er sei gestolpert, meint er immer, wenn er gefragt wird. Doch was es wirklich war, daran kann sich King beim besten Willen nicht erinnern. Dass dabei Alkohol im Spiel war, liegt auf der Hand. Die schwarzbraunen, im Normalfall zur Tolle frisierten Haare, hängen bis zu den Augen in Kings Gesicht. Die Barthaare seiner markanten Koteletten sind zerzaust und stehen wie kleine Antennen in alle Richtungen weg. Auch der buschige Schnauzer bedarf schleunigst einer gründlichen Pflege. Kings goldene Brille mit Mittelsteg ist dreckig. Im Sonnenlicht, das durch das Fenster in den Raum dringt, sind die Schmierflecken deutlich zu sehen.

King zieht an seiner Zigarette, die lässig in seinem Mundwinkel hängt, und bläst den Rauch in Ringerlform in die Luft. Dann legt er sein Poliertuch zur Seite und greift zu einer noch vollen Bierdose am Tisch. Er nimmt einen kräftigen Schluck und blickt an die Wand, an die er einige Fotos klebte, die Szenen aus Karl Kings Bühnenleben zeigen. Auch das eine oder andere Familienfoto ist dabei. Dann schaut er nervös zur Kellertür. Ja, sie ist noch versperrt. Obwohl er auch gestern wieder ganz kräftig dem Alkohol huldigte, hat er nicht darauf vergessen.

Aus den Boxen der Musikanlage schmettert »Suspicious Minds«, der Lieblingssong des Elvis-Imitators. Seit einigen Jahren tourt er als Double des Kings of Rock ‘n‘ Roll durch die Bars, Beisln, Festzeltbühnen und Wohnzimmer der Nation. Doch das war nicht immer so. Wegen eines Burnouts musste King vor vielen Jahren seinen Job als Postler aufgeben. Es folgte eine schwere Zeit für ihn: Zuerst kam die Langeweile, dann kamen die Depressionen, die Perspektivlosigkeit und der damit einhergehende soziale Abstieg. Kings Ehe zerbrach daran. Er verlor seine Frau Erna und seine beiden Kinder und fand Zuflucht in Alkohol und Betäubungsmitteln. Der mit allen Wassern gewaschene Karl King suchte Hilfe.

Zuerst entdeckte er die Politik für sich. King wandte sich der Radikalen Bewegung zu. In bierseligen Sonntagsreden versprachen ihm die Politiker dieser damals aufstrebenden Partei ein besseres Leben. Sie meinten, die Töpfe seien gefüllt für Menschen wie ihn. In ihren Bierzeltreden behaupteten sie immer wieder, die Einzigen zu sein, welche die Sorgen der Menschen ernst nähmen. Sozialer Abstieg, Zukunft, Globalisierung. All das gehöre bald der Vergangenheit an, wenn King und seine Leidensgenossen sie wählten. Die Radikale Bewegung räumt auf. Weg mit den Geldeliten, den sozialschmarotzenden Ausländern, den internationalen Spekulanten und den frauenverachtenden Muselmanen. Zurück zum Ursprung: Österreich den Österreichern. Rot-weiß-rot bis in den Tod. So lautet noch heute die Formel für ihre Heilsversprechen. Dass aber in dieser nationalen Wohlstandsgleichung die Komponenten Moral, Menschlichkeit und Gleichheit von Beginn an keinen Platz hatten und dieser Syntaxfehler das Programm zum Scheitern verurteilte, wurde King relativ schnell klar. Obwohl die täglich immer höheren Mengen an Alkohol seine Gehirnleistung zunehmend beeinträchtigen, konnte er seiner eigenen Grundintelligenz nicht entfliehen. Auch seine genossene Erziehung, die zwar streng, aber von Respekt geprägt war, trug viel dazu bei, dass er sich nach und nach von den Bierzeltpolitikern geistig verabschiedete. Bald begann Karl King die dahin führenden Stammtischgespräche zu hassen.

Einen Ausweg fand er in der Musik und in einem bisher unentdeckten Weggefährten. Im 1977 verstorbenen Elvis Presley, den er zu imitieren begann. Genau wie sein großes Idol Elvis schwört Karl King noch heute auf die benebelnde Wirkung von Opiaten, um mit den eigenen Problemen fertigzuwerden. Eine Strategie, die nur einen Haken hat: Lässt die Wirkung der Suchtmittel nach, sind die Probleme wieder da. Das Gefühl der Einsamkeit ist für King in diesen Momenten stärker als alles andere. Mit Elvis teilte er fortan sein Schicksal. Der tote King of Rock ‘n‘ Roll verstand Kings Schmerz und half ihm, sich ins Leben zurückzukämpfen. Die Zeugen dafür stehen im Fernsehschrank, der sich im Esszimmer etwa eineinhalb Meter vor seiner Schlafcouch befindet. Es handelt sich um Goldene Elvisse und viele weitere Auszeichnungen, die er regelmäßig bei Imitatorenfestivals einheimst. Beim »Image-of-the-King«-Festival in Graceland, am Grab von Elvis Presley in der US-Metropole Memphis Tennessee, holte Karl King als erster Österreicher eine Statue. Sogar das Fernsehen berichtete darüber und sorgte damit für das Comeback des Karl King ins Leben. Doch dieser Preisregen hat in den vergangenen Jahren stark nachgelassen.

Neben seinen Auftritten als Elvis-Imitator schaffte Karl King es sogar, den einen oder anderen Gelegenheitsjob zu ergattern. Vom Kloreiniger auf einer Autobahnraststätte arbeitete er sich hinauf zum Kellner und Kassier an der Raststellentankstelle. Ein Gastrokleinod, das seit jeher als letzte Zulaufstätte gestrandeter Personen gilt. Ein Frühstücksseiterl um sechs Uhr am Morgen und der dazugehörige Schnaps gehören in solchen Spelunken schon mal zum guten Ton. Das erkannte auch King. Sein ständig steigender Alkoholkonsum und Kings zelebrierter Rock-‘n‘-Roll-Lifestyle waren ihm aber in Sachen Berufskarriere schon vorher ein Hindernis. Von der Verwarnung zur Entlassung war es nur ein kleiner Schritt.

Schlussendlich blieb King nur mehr sein Job als Fahrer für die Pflegeagentur Anuschka. Zweimal die Woche kutschiert er in einem Kleinbus Mitarbeiterinnen der 24-Stunden-Pflege von Rumänien ins Mühlviertel und zurück. Wenn es die Zeit erlaubt, bleibt er dann auch schon mal einen Tag länger unten, um seine Beziehungen mit den dort lebenden Menschen zu pflegen. Denn: Gerade in Rumänien, wo Elvis Presley und seine Doubles einen ganz anderen Stellenwert haben als im in diesen Dingen sehr rückständigen Österreich spürt King den fehlenden Ruhm und die für Menschen notwendige Anerkennung. Die Passanten auf der Straße in Rumänien erkannten King sofort, grüßten ihn und gaben ihm so das Gefühl, einer von ihnen zu sein. Immer wieder spielt Karl King mit dem Gedanken, seinen Lebensmittelpunkt in naher Zukunft nach Rumänien zu legen und dort einem leistbaren Lebensabend ins Auge zu blicken. Doch die Zeit dafür ist noch nicht reif. Noch steht der Rock ‘n‘ Roll an der Tagesordnung. Seine Mission ist noch nicht zu Ende.

Mit einer Blasmusikfanfare meldet sich Kings Mobiltelefon, das neben dem Aschenbecher liegt. »Karl King – mein Name ist Programm«, meldet er sich mit kratziger Stimme.

»Gertrude Ramskogler von der Stadtgemeinde Bad Ischl am Apparat. Es geht um Ihre Teilnahme am Elvis-Festival am 15. August in unserer Trinkhalle«, hört er eine niedliche Frauenstimme ins andere Ende der Telefonleitung fiepsen.

»Ja, und. Was ist damit?«, krächzt der vom vergangenen Auftritt noch etwas angeschlagene King zurück.

Nervös greift er sich an seine Weichteile und kratzt sich durch die Hose an den Hoden.

»Herr King!« Die fiepsende Stimme der Dame überschlägt sich fast. »Ich habe die Ehre, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass unser Kaiserdouble Franz Josef Biermösl mit seinem Ehrengast Ihrer Show beiwohnen möchte.«

»Zwei Gäste mehr, das freut mich. Aber wieso rufen Sie mich extra deswegen an?«

»Herr King, um es für Sie verständlich zu machen. Der Ehrengast unseres Kaiserdoubles ist Mr. Braham Ragestan, CEO der Namaste United Immobilien GmbH Worldwide. Er gilt als hoch angesehener Kunst- und Immobilieninvestor. Herr Rages­tan sponsert seit Jahrzehnten unsere Kaisertage und hat heuer unser Elvis-Festival unterstützt. Mr. Braham Ragestan liegt viel daran, wenn sein Geld nachhaltig eingesetzt wird. Deshalb bitte ich Sie, die eher obszöne Bühnenshow, für die Sie bekannt sind, heuer eher konservativ zu gestalten.«

»Was?!« Karl King wirkt aufgebracht. »ICH soll mich wegen so eines dahergelaufenen Marahadschas verbiegen. Nur weil er dann vielleicht Ihr Festl nicht mehr zahlt. Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie sprechen, Fräulein. Baby, don‘t be cruel!«

Ohne auch nur auf eine Antwort zu warten, legt Karl King auf und wirft sein Handy an die Wand. Durch die Wucht des Aufpralls fliegt der Akku heraus.

King nimmt einen Zug aus der Bierdose, rülpst...

Erscheint lt. Verlag 24.7.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-99074-095-4 / 3990740954
ISBN-13 978-3-99074-095-8 / 9783990740958
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