Über die Natur zu dir selbst finden (eBook)
284 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7494-9538-2 (ISBN)
Angst
Munter spazierte ich weiter und folgte einem schmalen Weg. Wenn ich sehe, wie die Sonne die Wiesen und Felder erhelle, hat sogar so etwas wie Angst seine Bedeutung verloren. Doch den Menschen schürt die Angst, und sie scheint auch wirklich hinderlich zu sein.
Niemand hat Angst vor einer Pleite, einer Schlange oder eirier Krankheit, denn es ist niemals die Sache selbst, die die Angst auslöst. Würde die Schlange nicht beißen, die Pleite unsere Lebensweise nicht gefährden und würde die Krankheit nicht Schmerzen oder sogar den Tod verursachen, müssten wir uns nicht ängstigen.
Wenn wir uns erst einmal bewusst geworden sind, dass die Schlange, also das Schlangenbild, nicht schlimm ist, sondern die Angst, gebissen zu werden der Auslöser ist, hätten wir ja schon etwas durchschaut, aber abseits von einer logischen Intelligenz oder einer Ursachenfindung ist etwas, das wir noch nicht erforscht haben. Es ist das Einzige was es gibt, und es gelingt uns nicht, es nicht erkennen.
Ich musste den Kopf schütteln, und irgendwie ärgerte ich mich über die Hilflosigkeit der Menschen und natürlich auch über meine eigene. Die Feststellung, dass wir uns alle so schwer taten, und es als Bemühung ansahen, unsere Herzen zu öffnen, war in diesem Moment recht seltsam.
Warum war es so schwierig? Wie konnte der Mensch nur so hart und so blind geworden sein? War Angst nicht viel mehr eine Meinung, die wir uns über die Angst geformt hatten? Und was hatte diese Meinung mit dem zu tun, was wir Angst nannten?
Fragen über Fragen brachen wie ein ungestümer Wasserfall aus mir hervor und erschütterten mich mit lautem Getöse und ungebrochener Härte.
Da roch ich die Quelle, aus der der Wasserfall entsprang und fühlte mich dieser Stille so verbunden und nah. Ja, da ist etwas, dass das alles überhaupt erst ermöglicht bzw. hervorbringen kann, denn eine Schlange oder die Angst sind ja keine eigenständigen Dinge, die aus sich heraus existieren können. So müssten die Schlange oder die Angst die Schöpfung sein. Die Schlange aber war das Fleisch, einer der Leiber der schöpferischen Kraft, und diese bewegte das Fleisch und brachte Angst als eine Empfindung hervor. Sinneswahrnehmungen und Empfindungen konnten aus sich selbst heraus nicht sein.
Das zu erkennen, dem zu begegnen und das zu erforschen war mein innerer Weg. Äußerlichkeiten waren nebensächlich, doch hatte ich genau diesen Weg eingeschlagen, um einiges klären zu können. Dieser Spaziergang war der Weg der Einsichten und Erkenntnisse, das wusste ich schon jetzt.
Gedanken über Gedanken überkamen mich, denen ich nun freien Laufließ: Hinter der Krankheit steckt also die Angst vor dem Tod oder vor dem Schmerz. Was aber steckt hinter dem Tod und hinter dem emotionalen Schmerz? Was ist Tod? Was ist Schmerz? Warum hinterfragen wir die Dinge nicht? Warum verlieren wir uns in Dingen, worüber wir nichts wissen und die wir ganz anders wahrnehmen, als sie tatsächlich sind? Warum zum Beispiel lähmt uns die Angst vor dem Tod, wenn wir nicht im Geringsten erahnen, was Tod überhaupt ist?
Die verdichtete Materie lähmt uns und erschwert uns dadurch, die Dinge tiefer zu betrachten und uns überhaupt einmal aufzuraffen, uns über die Dinge selbst Gedanken zu machen, um die wir uns bisher nicht gekümmert haben. Es ist eine Form von Stagnation und Unbeweglichkeit, in die wir uns da unbewusst hineinmanövriert haben. Es ist ein Stillstand des Geistes.
Ja, und auch ich bleibe stehen, ganz sicher nicht wie gelähmt, vielmehr gespannt, nachdem ich eine sattgelbe Dotterblume bemerkt habe, die mir über die Angst etwas sagen will.
Sie wirkt pompös und robust, nein, nicht die Angst, die Blume natürlich - als hätte sie von nichts und niemandem Angst und als würde sie sich auch von nichts einschüchtern lassen.
,,Ach, die Angst ist etwas, das euch großes Unbehagen beschert", sagte sie mit mitfühlender und klarer Stimme. ,,Man kann es gut nachvollziehen, doch ist es nicht recht. Ihr habt Angst vor Dingen, vor Ereignissen, vor Tieren oder vor Gewalt, doch scheinbar wisst ihr nicht, was das alles wirklich bedeutet.
Wie kann man Angst vor einem Tier haben? Es ist nur die Erscheinung, ein Bild, dem du einen Namen gegeben hast. Du nennst es, sagen wir einfach einmal Wolf, um ein Tier zu nennen. Er möge es mir nicht übel nehmen. Erzählungen nach ist der Wolf böse. Den Märchen nach mag das so sein, doch hast du dich schon mal getraut, dieses Bildnis Wolf, diese Erscheinung, dieses Wort, diesen Körper, dieses Heulen zu hinterfragen?
Nun höre gut zu: Gott zeigt sich durch Erscheinungen, Bilder, Ausdrucksformen, verwirklichte Kreaturen oder als zum Leben erweckte Wesen, in diesem Fall ist er der Wolf.
Wenn Bewusstsein sich in allem zeigt, zeigt es sich auch im Wasserfall. Der aber gefällt dir nur zu gut, und du erfreust dich an seinem Geplätscher. Das eine magst du, das andere nicht. Vor dem einen hast du Angst, am anderen deine Freude. Es ist lediglich deine Reaktion und Empfindung über oder zu etwas, was die Erscheinung, dieses Bild, zu dem macht, was du glaubst. Das heißt, es zeigt sich also deiner Wahrnehmung entsprechend. Es oder etwas, dies oder das, vieles oder jenes ist an und für sich aber nicht gut und böse, recht oder schlecht oder sonst irgendwie, denn es ist an sich etwas Urtümliches, das sich nun beliebig darstellen mag."
Es hörte sich so einfach und klar an, was die Blume so zu erzählen hatte. Unerschrocken und sogar mutig blickte sie mir entgegen, und obwohl sie um der Leiden der Menschen wusste, schien sie sich aus dieser Unwissenheit bereits gelöst zu haben.
„Zurück zur Angst ... ", fuhr sie klärend fort; dabei hatte sich ein kleiner brauner Käfer auf eines ihrer saftigen hellgrünen Blätter gesetzt, die sich dem wippenden Insekt ergaben. Unabgelenkt und voller Hingabe sprach sie alsdann: ,,Du kannst Angst nicht lösen, weil du sie durch dein Verhalten erzeugst, welches auf Unwissenheit beruht. Tatsächlich ist Angst etwas, das aus sich heraus - wie alle anderen Dinge auch - nicht bestehen kann. Was kannst du also mit der Angst tun? Wie sollst du ihr begegnen?" Dabei sah sie mich fragend an und wog sich mit dem Käfer einher, der in der Zwischenzeit einen ihrer Blütenkelche erklommen hatte.
Es machte mich neugierig, was die gelbe Blume dazu meinen würde, wie wir Menschen mit der Angst umgehen sollten. Denn auch wenn Angst nichts Reales ist, so empfinden wir sie doch sehr bedrückend und fahl. Wir können es ja nicht einfach als Illusion abtun oder uns einreden, dass sie nicht echt sei, wenn es unser menschliches Wohlbefinden doch mindert.
,,Du hast das ganz gut erkannt!", antwortete die Blume. „Du kannst dir nicht einreden, dass du keine Angst zu haben brauchst, weil sie dann trotzdem nicht weicht. Sie wird sich auch nicht auflösen, bloß weil dir jemand gesagt hat, dass es sie in Wirklichkeit gar nicht gibt. Es nutzt dir also nicht viel, zu wissen, dass Angst nur Illusion und Einbildung ist, weil deine Prägungen seit jeher zäh an dir haften. Ratschläge, in die Angst hineinzugehen, um sie anzunehmen, bringen auch nicht wirklich etwas, außer über einen weiteren und nutzlosen Ratschlag mehr verfügen zu können.
Erst wenn du erkannt hast, was die Angst ist, wirst du ihr angstfrei begegnen und durch sie hindurch schreiten können. Aber auch dann kannst du der Angst nicht plötzlich neutral begegnen. Wenn du aber den Kern der Angst entdeckt hast, blickst du durch das Angstbild hindurch, über dieses hinweg und findest dich in der Essenz wieder. Die Angst wird nebensächlich und verliert ihre Macht über dich, weil du deine Aufmerksamkeit von ihr abgezogen hast und ihr keinen Raum mehr gibst, um dich erreichen zu können.
Es geht immer nur um deine Reaktion, die zählt, es geht niemals um die Sache selbst. Warum? Weil die Sache nie die Sache ist, für die du sie bis jetzt gehalten hast. Wenn du dich hineinfallen lässt in dieses Bewusstseinszentrum, dann bist du dort, wo die Angst entsteht, und du erinnerst dich an das, was die Angst hervorbringt und erzeugt - dein heimatlicher Ursprung."
Es klang einfach, was sie da von sich gab, doch wusste ich nur zu gut, dass diese weisen Worte zwar das Herz berührten, aber das Wissen selbst erst dann Früchte tragen würde, wenn die Zeit dafür gekommen war.
Die Blume schien sehr fröhlich zu sein und kicherte vor sich hin: ,,Lass mich dir ein kleines Beispiel geben. Du hast eine Flasche, auf der ein Aufkleber haftet, auf dem das Wort Gift geschrieben steht. Es sieht also so aus, als wäre Gift in dieser Flasche, und der Totenkopf, der das Etikett ziert, lässt dich für diese Flasche erst recht keine Sympathie entwickeln. Nehmen wir einmal an, in dieser Flasche ist frisches Quellwasser, du aber weißt das nicht. Da du dich aber darauf verlässt, was. deine Augen dir sagen und dein Wissen dich mahnt, glaubst du den Gegebenheiten. Warum sollte es auch anders sein?
Du wirst niemals herausfinden, was in der Flasche ist, und du wirst nie deinen Durst stillen, wenn du dich damit zufrieden gibst, wie die Dinge zu sein scheinen. Was auch immer deine Sinne filtern und vernehmen wollen,...
Erscheint lt. Verlag | 29.6.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Gesundheit / Leben / Psychologie ► Lebenshilfe / Lebensführung |
ISBN-10 | 3-7494-9538-6 / 3749495386 |
ISBN-13 | 978-3-7494-9538-2 / 9783749495382 |
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