Blackmail (eBook)

Penn Cage ermittelt

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
624 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2090-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Blackmail -  Greg Iles
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Schuld und Lüge. Als im Mississippi die nackte Leiche eines Mädchens gefunden wird, ist die ganze Stadt Natchez entsetzt und in Aufruhr. Besonders betroffen ist aber der Anwalt Penn Cage. Ausgerechnet sein bester Freund, der Arzt Drew Elliott, der ihm als Junge einmal das Leben gerettet hat, gerät unter Mordverdacht - weil er ein heimliches Verhältnis mit der Schülerin hatte. Penn beschließt zu helfen, doch die einzige Chance, den Freund zu retten, besteht darin, den wahren Schuldigen zu finden. Ein packender Thriller über einen Mord und eine besondere Freundschaft. Vom Autor der Bestseller 'Natchez Burning' und 'Die Sünden von Natchez'.

Greg Iles wurde 1960 in Stuttgart geboren. Sein Vater leitete die medizinische Abteilung der US-Botschaft. Mit vier Jahren zog die Familie nach Natchez, Mississippi. Mit der »Frankly Scarlet Band«, bei der er Sänger und Gitarrist war, tourte er ein paar Jahre durch die USA. Mittlerweile erscheinen seine Bücher in 25 Ländern. Greg Iles lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Natchez, Mississippi. Von ihm liegen im Aufbau Taschenbuch die Thriller 'Natchez Burning', 'Die Toten von Natchez vor' sowie 'Die Sünden von Natchez' vor. Mehr zum Autor unter www.gregiles.com

Kapitel 1


Manche Geschichten benötigen Zeit, bis man sie erzählen kann.

Jeder Schriftsteller, der etwas taugt, weiß das. Manchmal wartet man darauf, dass Ereignisse ins Unterbewusste sickern, bis eine tiefere Wahrheit daraus entspringt; zu anderen Zeiten wartet man einfach darauf, dass die Hauptpersonen sterben. Manchmal wartet man auf beides.

Dies ist so eine Geschichte.

Ein Mann wandelt sein Leben lang auf dem Pfad der Tugend, befolgt die Regeln, bleibt innerhalb der Grenzen – und dann, eines Tages, begeht er einen Fehltritt. Er überquert eine Linie und setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die ihm alles nehmen, was er besitzt, und die ihn in den Augen der Menschen, die ihn lieben, für immer verdammen.

Wir alle spüren diese unsichtbare Demarkationslinie, doch in unserer Natur ist etwas Wildes und Triebhaftes, das in uns den Wunsch erweckt, diese Linie zu übertreten, und das uns mit der lautlosen Beharrlichkeit des evolutionären Imperativs nötigt, alles zu riskieren für einen glitzernden Schatten. Die meisten von uns unterdrücken diesen Zwang. Die Angst hält uns häufiger auf als die Klugheit. Doch einige von uns tun diesen Schritt und betreten damit einen Pfad, von dem sie nur schwer – manchmal gar nicht mehr – zurückkehren können.

Dr. Andrew Elliott ist so ein Mann.

Ich kenne Drew, seit er drei Jahre alt war, lange bevor er Stipendiat an der Rhodes wurde und zur medizinischen Hochschule ging, ehe er in unsere Heimatstadt mit ihren zwanzigtausend Seelen zurückkehrte, um sich als Internist niederzulassen. Unsere Bindung ist enger als die der meisten Freunde aus Kindertagen. Als ich vierzehn war, rettete der elfjährige Drew Elliott mir das Leben, wobei er selbst beinahe gestorben wäre. Wir blieben enge Freunde, bis er seinen Abschluss an der medizinischen Hochschule gemacht hatte. Dann sahen wir uns lange Zeit – zwanzig Jahre, schätze ich – praktisch gar nicht. Den größten Teil dieser Zeit verbrachte ich damit, als Assistent des Bezirksstaatsanwalts in Houston, Texas, die Verurteilung von Mördern zu bewirken. Die restliche Zeit schrieb ich Romane, die sich auf außergewöhnliche Kriminalfälle stützen, die ich im Beruf erlebt hatte, was mir eine neue Perspektive verschaffte und außerdem Zeit, die ich mit meiner Familie verbringen konnte.

Drew und ich erneuerten unsere Freundschaft vor fünf Jahren, als meine Frau gestorben war und ich mit meiner kleinen Tochter nach Natchez zurückkehrte in dem Versuch, mein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Die ersten Wochen meiner Rückkehr gingen in einem spektakulären Mordfall unter, doch nachdem die Aufregung verklungen war, kam Drew als Erster meiner alten Freunde zu mir und versuchte, mich wieder in die Gemeinschaft einzugliedern. Er brachte mich in den Elternbeirat unserer alten Schule und in den Country Club und überredete mich, einen Heißluftballon und eine Sängerin von der Metropolitan Opera für die jährlichen Festivals von Natchez zu finanzieren. Er bemühte sich nach Kräften, diesen Witwer zurück ins Leben zu führen, und mit viel Hilfe von Caitlin Masters, meiner Freundin während der letzten Jahre, gelang es ihm schließlich auch.

Das alles erscheint mir nun wie eine ferne Erinnerung. Gestern noch war Drew Elliott eine Säule der Gemeinschaft, von vielen verehrt und von allen als leuchtendes Beispiel hingestellt, doch heute schon wird er verachtet von denen, die ihn so geschätzt haben, und sein Leben steht auf Messers Schneide. Drew war unser Goldjunge, ein Vorbild für alles, was das kleinstädtische Amerika für ehrbar und erstrebenswert hält, doch wie nach einem ungeschriebenen Gesetz wird die Stadt ihn nun mit einem Hass verfolgen, der ihrer betrogenen Liebe in nichts nachsteht.

Wie konnte Drew sich vom Helden in ein Ungeheuer verwandeln? Er sehnte sich nach Liebe, und indem er dieser Sehnsucht nachgab, brachte er eine ganze Stadt gegen sich auf. Gestern Abend noch war seine Legende intakt. Er saß neben mir an einem Tisch im Sitzungssaal der St. Stephen’s School, noch immer unglaublich attraktiv mit seinen vierzig Jahren, dunkelhaarig, athletisch, ein wenig grau zwar an den Schläfen, doch mit der eindrucksvollen Ausstrahlung eines Arztes in der Blüte seiner Jahre. Ich sehe diesen Augenblick ganz deutlich vor mir, denn es war jene Sekunde vor der Enthüllung, jener erstarrte Moment, in dem die alte Welt in sich ruhend am Rand der Zerstörung verharrt wie eine Porzellantasse an der Tischkante, um im nächsten Moment in tausend Scherben zu zerspringen. Doch für diesen einen Augenblick noch bleibt die alte Welt intakt, und Rettung scheint möglich.

Die Fenster des Sitzungssaals sind dunkel, und der silberne Regen, der bereits den ganzen Tag herabgerieselt ist, prasselt nun eisig gegen die Fenster. Wir drängen uns mit elf Leuten um den Tisch aus brasilianischem Rosenholz – sechs Männer und fünf Frauen –, und die Luft im Raum ist stickig. Drews klarer Blick ist auf Holden Smith gerichtet, den Vorsitzenden des Elternbeirats der St. Stephen’s, während wir über die Anschaffung neuer Computer für die Junior High School diskutieren. Wie Holden und mehrere andere Mitglieder des Beirats haben auch Drew und ich unsere Abschlüsse vor ungefähr zwei Jahrzehnten an der St. Stephen’s gemacht, und heute besuchen unsere Kinder die Schule. Wir sind Teil einer ganzen Reihe von Alumnen, die während des wirtschaftlichen Niedergangs der Stadt eingesprungen sind, um jene Schule wieder aufzubauen, der wir unsere bemerkenswerte Ausbildung verdanken. Im Unterschied zu den meisten anderen Privatschulen in Mississippi, die im Zuge der erzwungenen Integration von 1968 entstanden, wurde die St. Stephen’s 1946 als Gemeindeschule gegründet. Der erste afroamerikanische Schüler wurde erst 1982 zugelassen, doch die Bereitwilligkeit dazu gab es bereits Jahre zuvor. Hohe Schulgebühren und die Angst, das einzige farbige Kind in einer ansonsten rein weißen Schule zu sein, verzögerten diesen Wendepunkt in der Geschichte der Schule für einige Jahre. Heute besuchen einundzwanzig schwarze Kinder die St. Stephen’s, und es wären sicher mehr, gäbe es nicht den Kostenfaktor. Nicht viele schwarze Familien in Natchez können sich fünftausend Dollar im Jahr pro Kind für Erziehung und Ausbildung leisten, wenn es kostenlose öffentliche Schulen gibt. Genau genommen gibt es auch nicht viele weiße Familien, die so viel Geld übrig haben, und sie werden im Lauf der Jahre immer weniger. Das ist die ewige Herausforderung des Elternbeirats: Finanzierung.

Derzeit ist Holden Smith dabei, Computer von Apple zu evangelisieren, obwohl der Rest des schulischen Netzwerks problemlos auf billigeren Windows-Rechnern läuft. Wenn er irgendwann innehält, um Luft zu holen, werde ich ihm sagen, dass ich zwar selbst ein Apple Powerbook benutze, aber dass wir um der Kosten willen praktisch denken müssen. Doch bevor ich dazu komme, öffnet die Schulsekretärin die Tür und hebt die Hand zu einem kraftlosen Winken. Ihr Gesicht ist so blass, dass ich fürchte, sie könnte jeden Moment einen Herzanfall erleiden.

Holden wirft ihr einen verärgerten Blick zu. »Was gibt es denn, Theresa? Wir brauchen noch eine halbe Stunde.«

Wie die meisten Angestellten der St. Stephen’s ist auch Theresa Cook die Mutter eines Schülers. »Ich habe schreckliche Neuigkeiten«, sagt sie mit bebender Stimme. »Kate Townsend ist in der Notaufnahme des St. Catherine’s Hospital. Sie ist … angeblich ist sie tot. Ertrunken. Kate Townsend. Das kann doch nicht sein?«

Holden Smith verzieht die dünnen Lippen zu einer Grimasse, die ein Lächeln sein soll, während er überlegt, ob das vielleicht ein abartiger Witz ist. Kate Townsend ist der Star der St. Stephen’s School. Sie ist die designierte Abschiedsrednerin, ist Staatsmeisterin im Tennis und im Schwimmen und hat ein Vollstipendium für Harvard im nächsten Herbst. Sie ist buchstäblich ein Aushängeschild für die St. Stephen’s. Einmal hat sie sogar in einem Fernsehwerbespot für die Schule mitgewirkt.

»Nein«, sagt Holden schließlich. »Unmöglich! Ich habe Kate erst um zwei Uhr heute Nachmittag auf dem Tennisplatz gesehen.«

Ich schaue auf die Armbanduhr. Inzwischen ist es kurz vor acht.

Holden öffnet erneut den Mund, bringt jedoch keinen Laut mehr hervor. Ich betrachte die Gesichter ringsum am Tisch, und mir wird bewusst, dass eine eigenartige Taubheit uns alle erfasst hat, wie sie entsteht, wenn man erfährt, dass das Kind des Nachbarn bei einem Jagdunfall im Morgengrauen niedergeschossen wurde oder am Abend auf der Nachhausefahrt bei einem Verkehrsunfall gestorben ist. Ich denke daran, dass wir Anfang April haben, und obwohl der erste Hauch von Frühling in der Luft liegt, ist es noch zu kalt zum Schwimmen, selbst hier in Mississippi. Wenn eine Schülerin der letzten Klasse an einem Tag wie diesem ertrunken ist, dürfte ein Unfall die wahrscheinlichste Erklärung sein.

»Was genau haben Sie gehört, Theresa, und wann?«, erkundigt sich Holden. Als würden Details unser Entsetzen mildern.

»Ann Geter hat aus dem Krankenhaus bei mir zu Hause angerufen.« Ann Geter ist eine Schwester in der Notfallambulanz des St. Catherine’s Hospital und hat ebenfalls eine Tochter an der St. Stephen’s. Weil die Schule lediglich fünfhundert Kinder aufnimmt, kennt jeder jeden. »Mein Mann hat Ann gesagt, ich wäre wegen der Sitzung noch hier. Also hat sie im Sekretariat angerufen und erzählt, dass Angler Kate gefunden hätten, eingeklemmt in einer Baumgabel, in der Nähe der Stelle, wo der St. Catherine’s Creek in den Mississippi mündet. Sie dachten zuerst, Kate wäre noch am Leben, also haben...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2020
Reihe/Serie Penn Cage
Übersetzer Axel Merz
Sprache deutsch
Original-Titel Turning Angel
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 60er Jahre • Bürgermeister • Ermittlung • Geheimorganisation • Geschichte • Korruption • Ku Klux Klan • Mississippi • Mord • Natchez • Polizei • Rassenpolitik • Rassismus • Roman • Schuld • Spannung • Südstaaten • Sühne • Thriller • Tot • USA
ISBN-10 3-8412-2090-8 / 3841220908
ISBN-13 978-3-8412-2090-5 / 9783841220905
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