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Max Weber (eBook)

Eine Spurensuche
eBook Download: EPUB
2020 | 1., Originalausgabe
484 Seiten
Suhrkamp Verlag
978-3-518-76542-5 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
25,99 inkl. MwSt
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Max Weber gilt heute vielen als der bedeutendste Kultur- und Sozialwissenschaftler überhaupt, das Genie mit eigener Briefmarke ist weltweit in aller Munde. Warum? Was macht seine Größe aus? Wie hat er es in seiner Disziplin auf ein Niveau gebracht, das mit dem Goethes in der Literatur und Kants in der Philosophie vergleichbar ist? Zu Webers 100. Todestag begibt sich Hans-Peter Müller auf die Spurensuche nach der Botschaft des herausragenden Soziologen und stellt fest: Seine Genealogie der Moderne lässt uns begreifen, wie wir wurden, was wir sind - warum die von Weber beschriebenen Probleme des Kapitalismus, der Demokratie und des Individualismus also auch heute noch die unsrigen sind. Mit anderen Worten: Wer Weber liest, wird sein Leben in der Moderne besser verstehen.



<p>Hans-Peter Müller ist Professor em. für Allgemeine Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuletzt erschienen:<em> Pierre Bourdieu. Eine systematische Einführung</em> (stw 2110) und <em>Simmel-Handbuch. Begriffe, Hauptwerke, Aktualität</em> (stw 2251, hg. mit Tilman Reitz)</p>

11Einführung


Als Max Weber am 14. Juni 1920 unerwartet stirbt, sind die Zeitgenossen zutiefst bestürzt. Wie ein Blick auf die zahlreichen Nachrufe[1]  offenbart, wird vor allem der eindrucksvollen Persönlichkeit, dem patriotischen Deutschen und dem großen Intellektuellen nachgetrauert. Über sein Werk fällt kaum ein Wort. Sicher, man kannte die Diskussion um die »Protestantische Ethik«. Wirtschafts- und sozialpolitisch informierte Kreise im Kaiserreich hatten seine Enqueten zu den Land- und Industriearbeitern verfolgt. Ökonomisch interessierte Kreise waren mit seinen Schriften über die Börse vertraut. Dass Max Weber jedoch ein Werk verfasst hatte, das ihn dereinst zu dem Klassiker der Kultur- und Sozialwissenschaften machen sollte, blieb den Zeitgenossen verborgen.

Selbst Menschen, die sich ihm nah fühlten und die mit ihrer eigenen Forschung in die Fußstapfen dieser eindrucksvollen Person treten wollten, waren recht ahnungslos. So bemerkte Karl Jaspers[2]  in seiner Gedenkrede auf Max Weber vor Heidelberger Studenten im Jahre 1920:

Sieht man sein Werk an, wie es vorliegt, so findet man eine Fülle einzelner Arbeiten. Aber eigentlich sind alle Fragmente. […] Es ist kaum je ein Buch von ihm erschienen, früher einmal die Römische Agrargeschichte, eine Broschüre über die Börse, in den letzten Jahren einige Vorträge als Hefte, sonst nichts. Alles andere steckt in Zeitschriften, Archiven, Zeitungen.

Vor diesem Hintergrund wirft Jaspers die entscheidende Frage auf: »Ist es möglich, angesichts dieses fragmentarischen Charakters Max Weber als den geistigen Gipfel der Zeit zu empfinden?«[3]  Seine weiteren Überlegungen machen sofort klar, dass dies einer 12rein rhetorischen Frage gleichkommt. Denn Jaspers sieht in Weber einen Philosophen, der den Geist der Zeit in seiner Person regelrecht verkörpert hat. »Einen existentiellen Philosophen aber haben wir in Max Weber leibhaftig gesehen. Während andere Menschen wesentlich nur ihr persönliches Schicksal kennen, wirkte in seiner weiten Seele das Schicksal der Zeit. […] Der Makroanthropos unserer Welt stand in ihm gleichsam persönlich vor uns.«[4] 

Zu Beginn der Rezeption kurz nach seinem Tod überlagert die große Persönlichkeit das Werk. Zu dünn, zu verstreut und zu fragmentarisch wirken Webers Schriften auf seine wissenschaftliche Umwelt. Was bleibt, ist die Erinnerung an den charismatischen Genius mit kompetenter Urteilskraft, enzyklopädischem Wissen, überlegener Weitsicht und bemerkenswerter Ausstrahlung auf seine Mitmenschen. Weber gilt als der »Mythos von Heidelberg«,[5]  dessen mächtige Stimme nun ein für alle Mal verstummt ist.

Dieses Weber-Bild, das ganz an seiner Persönlichkeit ausgerichtet war, sollte sich mit der Herausgebertätigkeit von Marianne Weber, von Johannes Winckelmann und den heutigen Herausgebern der Gesamtausgabe[6]  ändern. Mit der Edition seiner Schriften in den Jahren nach seinem Tod wurden Güte und Umfang des Werkes von Max Weber einer größeren wissenschaftlichen Öffentlichkeit im In- und Ausland bekannt. Langsam, aber sicher trat die Person hinter das voluminöse Œuvre zurück, auch wenn die Neugier auf sein Leben und Leiden bis zum heutigen Tag kaum gestillt scheint. Davon zeugen gleich drei neuere Biographien,[7]  die zu seinem 150. Geburtstag im Jahre 2014 erschienen sind und die sein Leben in 13allen Facetten ausleuchten. Außerdem macht ein Handbuch,[8]  welches nun in der zweiten Auflage erscheint, den Versuch einer ersten Vermessung von Werk und Person.

Dieses eminente Interesse an Weber hängt auch mit seinem zwischenzeitlich gewonnenen Status als Aushängeschild wissenschaftlicher Schaffenskraft und intellektueller Redlichkeit zusammen. Der Name einer Person wird zur Programmatik eines Landes. Das begann bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in den Zeiten des Ost-West-Gegensatzes zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik. Max Weber wird im Kampf der politischen Systeme als Antipode zu Karl Marx in einer Art Kalter Krieg der Kulturen genutzt. Die 1973 beschlossene Max Weber-Gesamtausgabe, deren erster Band 1984 erscheint, wartet mit ähnlich eindrucksvollen Band-Zahlen[9]  auf wie die Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) in der Sowjetunion und die Marx-Engels-Werke (MEW) in der DDR. Im Schlepptau des Marx-Weber-Gegensatzes wird Max Weber zur Lichtgestalt des Westens als liberale Figur, gleichermaßen kapitalismus- wie demokratietauglich und hochgradiger Individualist. Was der Politik recht war, dem musste die Wissenschaft nicht folgen. Denn der Marx-Weber-Gegensatz interessierte hüben wie drüben, die wissenschaftliche Neugier ließ sich nicht aufhalten, und so setzte auch eine Weber-Rezeption im Osten ein wie zuvor eine Marx-Rezeption durch den Neomarxismus im Westen. Und je weiter der Vergleich getrieben wurde und das Wissen um die beiden Denker wuchs, desto eher stellten die Protagonisten verblüfft fest, dass sich allen Unterschieden in Philosophie und Kapitalismusanalyse zum Trotz doch auch viele Gemeinsamkeiten zwischen den beiden scharfsinnigen Denkern feststellen ließen. Christian Gneuss und Jürgen Kocka hatten noch vor dem Mauerfall 1989 eine Funkserie im Norddeutschen Rundfunk veranstaltet, die sie anschließend aufgrund der hohen Resonanz 14auch in Buchform[10]  vorlegten. Schon dort wird die hohe Wertschätzung für die wissenschaftlichen und intellektuellen Leistungen Max Webers deutlich, die im wiedervereinigten Deutschland noch einmal wachsen sollte. Im Jahre 2014 wird Weber der erste Soziologe, dessen Kopf eine deutsche Briefmarke ziert mit seinem berühmten Ausspruch: »Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit.« Auch die 2002 gegründete Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland schmückt sich ab 2012 mit seinem Namen. Die Max Weber Stiftung (MWS) unterhält zehn Institute in Beirut, Istanbul, London, Moskau, Paris, Rom, Tokio, Warschau und Washington D.C. »Weber 2.0« heißen die wissenschaftlichen Blogs der Institute. So wird eine Person nicht nur zur Institution gemäß dem klassischen Diktum von Arnold Gehlen: »Eine Persönlichkeit: das ist eine Institution in einem Fall.«[11]  Vielmehr wird auf diese Weise über Länder- und Disziplingrenzen hinweg Webers Name verbreitet und bleibt so in aller Munde. Welchem Soziologen, außer Karl Marx vielleicht, wäre je eine solche Ehre und Auszeichnung widerfahren? Im digitalen Zeitalter zeigt sich in der Tat, dass Marx und Weber die Soziologen mit der größten globalen Prominenz[12]  sind. Keine Autoren unter den ersten zwanzig Soziologen weltweit werden so häufig »angerufen«, weil am häufigsten zitiert.

Was aber mit wachsendem zeitlichem Abstand immer undeutlicher wird, ist die »Klassizität« dieses Klassikers: Wozu eigentlich Max Weber? Was hat er uns heute noch zu sagen? Wie steht es um ein »Weber-Paradigma«,[13]  also ein Forschungsprogramm, dem 15heutige Kultur- und Sozialwissenschaften folgen sollten? Und wenn es eins gibt, warum existiert dann keine weberianische Soziologie mehr? Warum arbeitet man gern über Weber, wie die nicht abreißende Flut an Sekundärliteratur national und international beweist, aber weniger mit Weber? Ist uns Weber als Klassiker historisch geworden? Erleidet er also das gleiche Schicksal, wie der von ihm bewunderte Goethe? Also der unzweideutige Status als deutscher Nationaldichter, aber kaum noch gelesen, so dass es schon der Jugendfilme mit drastischem Titel[14]  bedarf, um an seinen Namen ohne Kenntnis seines Werkes zu erinnern? Wird also, wie es M. Rainer Lepsius[15]  ausdrückte, Max Weber zum Vertreter der »Maximen und Reflexionen« von Kultur- und Sozialwissenschaften ohne nähere Auseinandersetzung mit seinem Denken?

Tatsächlich ist Max Weber längst nicht mehr der »Makroanthropos unserer Welt«. Vieles von dem, was er wohl abgelehnt hätte, scheinen wir heute realisiert zu haben: eine Massendemokratie ohne politische Führung, einen umfassenden Sozialstaat mit...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Sozialwissenschaften Soziologie
Schlagworte Bestseller • Bestseller bücher • Bestsellerliste • Biografie • buch bestseller • Sachbuch-Bestenliste • Sachbuch-Bestseller-Liste • Soziologe • Soziologie • STW 2317 • STW2317 • suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2317
ISBN-10 3-518-76542-6 / 3518765426
ISBN-13 978-3-518-76542-5 / 9783518765425
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