Agatha Merkwürdens Racheblumen (eBook)

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2019 | 1. Auflage
210 Seiten
Dragonfly (Verlag)
978-3-7488-5002-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Agatha Merkwürdens Racheblumen -  Nicola Skinner
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Es wird bunt und wild und wunderbar!
Melissas Heimatstadt ist betongrau und ordentlich. Für alles gibt es Regeln - und Melissa kann nichts so gut wie sie zu befolgen. Sie hat sogar den Titel »Folgsamstes Kind der Schule« zu verteidigen. Doch dann findet sie unter den Betonplatten auf ihrer Terrasse ein geheimnisvolles Päckchen voller Blumensamen, das alles auf den Kopf stellt. Plötzlich hört Melissa Stimmen und verspürt den Drang, die Samen auszusäen. Aber Agatha Merkwürdens Racheblumen sind launisch und suchen sich ihren ganz eigenen Weg. Und endlich blüht die Stadt wieder auf.
Gewinner des Deutschen Hörbuchpreises 2020 in der Kategorie »Bestes Kinderhörbuch«



Nicola Skinner arbeitete als Texterin und Journalistin, bis ein Besuch in einem alten, überwucherten Garten sie zu »Agatha Merkwürdens Racheblumen«, ihrem außergewöhnlichem Debüt, inspirierte.

Kapitel 2

Und dann zerbrach am ersten Schultag der sechsten Klasse letzten September noch etwas anderes. Etwas, das mir sehr am Herzen lag. Mein Leben.

Die Terrasse war schuld.

Ich war nach der Schule nach Hause gekommen. Mama, die Glückliche, war noch bei der Allerbesten Arbeit der Welt und würde erst in zweieinhalb Stunden zurück sein. Ich hatte vor, mich zu entspannen, indem ich die Küche putzte, meine Schulschuhe polierte und meine Hausaufgaben machte, denn das war mein Ding.

Mama war nicht gerade begeistert davon, mich allein zu Hause zu lassen, aber sie arbeitete Vollzeit und hatte erst um viertel vor sechs Schluss. Den Kinderhort konnten wir uns nur drei Tage die Woche leisten: mittwochs, donnerstags und freitags. Dienstags ging ich nach der Schule mit zu Nia. (Die eine Zeit lang – abhängig davon, welche Nachrichtensendung gerade lief – meine verplante beste Freundin, meine böse Komplizin, meine böse beste Freundin oder meine verplante Komplizin war.)

So oder so, an Montagen war ich nachmittags allein zu Hause. Jeden Montagmorgen ermahnte mich Mama: »Fackel das Haus nicht ab und mach deine Hausaufgaben.« Als müsste man mir das ausdrücklich sagen. Wer wusste genau, was zu jedem Zeitpunkt des Tages zu tun war? Wer hatte Melissas Meisterhaften Zeitplan geschrieben?

Ich natürlich. Mein Meisterhafter Zeitplan spielte beim Bravsein eine große Rolle. Es ist ja viiieeel einfacher, seinen Verpflichtungen nachzukommen, wenn man eine ordentliche Reihe kleiner Kästchen hat, die nur darauf warten, abgehakt zu werden.

Und da war ich. Wischte klebrige Marmeladenkleckse von unserem Tisch. Leerte die Geschirrspülmaschine. Öffnete die Hintertür, um die Küche zu lüften, in der es immer müffelte.

Nachdem ich mit allem fertig war, war es kurz vor halb fünf. Mir blieben nur noch ein paar wertvolle Minuten Freizeit, bevor ich mich an meine Hausaufgaben setzen musste, und ich wusste genau, wie ich sie verbringen wollte.

Ich holte meinen Rucksack und nahm den Brief heraus, den man uns nach Unterrichtsende gegeben hatte. Und diesmal überflog ich ihn nicht einfach, während meine Klassenkameraden laut um mich herumtollten. Ich saugte jedes einzelne Wort in mich auf.

Das stand in dem Brief:

Sind die Knöpfe an deinem Blazer immer auf Hochglanz poliert?

Bringst du regelmäßig Urkunden für tadelloses Benehmen mit nach Hause?

Könntest DU den Kleinlich-Star-des-Jahres-Schulwettbewerb gewinnen?

Es gibt nur eine Möglichkeit, es herauszufinden.

Nimm an meinem Kleinlich-Star-Wettbewerb teil und lass dir auf keinen Fall die Chance entgehen, am Halbjahresende zum FANTASTISCHSTEN KLEINLICH-STAR DER SCHULE UND GANZ KLEIN-STERILITZ gekrönt zu werden.

Es gibt außerdem einen siebentägigen Familienurlaub in einer Sonne-Satt-Ferienanlage in Portugal zu gewinnen.
(Eine freundliche Spende des örtlichen Reisebüros
Hin und Weg.)

Ein Familienurlaub in der Sonne! Ich war noch nie im Ausland gewesen, geschweige denn in einem Flugzeug. Mama sagte immer, dafür sei das Geld ein wenig zu knapp. Als wäre Geld ein unbequemer Pulli.

Auf den Brief hatte jemand – vermutlich die Schulsekretärin Frau Zwick – vier Strichfiguren gezeichnet, die sich am Strand sonnten. Sie hielten Eistüten in der Hand und lächelten einander an.

Sie sahen glücklich aus.

Ich las weiter.

Der erfolgreiche KLEINLICH-STAR besitzt das besondere Etwas, das ein vorbildliches Kleinlich-Kind ausmacht.

Ich hielt den Atem an. Was?

Jedes Kind wird nach seiner Fähigkeit beurteilt, jederzeit die Schulregeln zu befolgen.

Ich schnappte vor Freude nach Luft. Das war ich!

Ich machte eine schnelle Kopfrechnung. An der Kleinlich-Schule waren in jeder Jahrgangsstufe sechzig Kinder. Ich würde mich also gegen vierhundertneunzehn andere Kandidaten und Kandidatinnen durchsetzen müssen. Vielleicht aber auch nicht? Schließlich hatte ich sechs Jahre Übung darin, mich an die Schulregeln zu halten. Meine Chancen standen nicht schlecht. Die meisten Kindergarten- und Vorschulkinder konnten sich kaum die Schuhe binden und kannten weder das A noch das O guten Benehmens.

Diesen Urlaub zu gewinnen würde ein Klacks für mich sein. Ich hatte fast ein schlechtes Gewissen, als ich in Gedanken die Zahl meiner Konkurrenten und Konkurrentinnen zusammenstrich. C’est la vie, Leute.

Vergiss vor allem nicht, dass der Kleinlich-Star die lebende Verkörperung unseres Schulmottos sein wird. BLINKIMUS BLONKIMUS MURKSIMUS LATEINIMUS. Oder für alle Nicht-Lateiner 

Ich musste die Übersetzung gar nicht lesen, denn ich kannte sie in- und auswendig. Als ich kurz aufsah, blickte mir im Küchenfenster mein Spiegelbild entgegen. Vor mir stand ein kleines, rundes, blasses Mädchen mit Sommersprossen und ernster Miene, die goudablonden Haare straff nach hinten zu einem Dutt geknotet. Sie erwiderte meinen Blick selbstbewusst, als wollte sie sagen: »Schulmotto? Ich bin ein wandelndes Schulmotto auf zwei Beinen.« Zusammen rezitierten wir: »Möge Gehorsam dich formen. Möge Konformität dich prägen. Mögen Regeln dir den richtigen Schliff geben.«

Der Wasserhahn tropfte traurig.

Ich las weiter.

Der glückliche Gewinner wird sich auch anderer besonderer Privilegien erfreuen. Dazu gehören:

  1. Bei Vollversammlungen ein eigener Stuhl auf dem Lehrerpodium.

  2. Kein Anstehen beim Mittagessen.

  3. Ein riesiger Anstecker (in Regelgrau) mit der Aufschrift:

ICH BIN DAS FOLGSAMSTE KIND AN DIESER SCHULE.

Was? Du willst noch mehr? Das ist das Problem mit Kindern heutzutage immer nur wollen, wollen, wollen.

Möge das beste Kind gewinnen.

Jetzt geh und mach deine Hausaufgaben.

Dein Schuldirektor,

Herr Kleinlich

Den Brief weiter betrachtend, atmete ich tief und zitternd ein. Das war meine Bestimmung. Fenstermädchen und ich sahen einander ernst an, als wären wir durch einen lautlosen Pakt miteinander verbunden.

Ich hielt den Brief so behutsam, als wäre er aus Glas, und ging zum Kühlschrank hinüber. Ich wollte das Schreiben mit einem Magneten daran festmachen, damit ich es mir jeden Tag ansehen konnte. Aber es war gar nicht so einfach, eine freie Stelle zu finden. Der Kühlschrank war schon zugepflastert mit vergilbten Rechnungen und alten Rezepten, die Mama aus Zeitschriften gerissen hatte …

Und das Foto von uns beiden, das wir erst vor zwei Wochen bei unserem letzten Sommerurlaub geschossen hatten, hing natürlich auch dort. Es zeigte uns in eine Decke gehüllt auf einem kleinen Kiesstrand und unter einem Himmel, der so dunkel war wie die Ringe unter Mamas Augen.

Ich betrachtete das Bild und erinnerte mich daran, wie es in dem Wohnwagen nach dem Leben einer anderen Person gerochen hatte, in das wir versehentlich getappt waren. Daran, wie mich Mama die ganze Woche immer wieder angefleht hatte, nichts kaputt zu machen. Daran, wie es sechs Tage lang ununterbrochen geregnet hatte und die Sonne erst in dem Moment herausgekommen war, als wir in den Bus zurück nach Klein-Sterilitz stiegen.

Was alles irgendwie noch schlimmer gemacht hatte.

Mama hatte während der gesamten fünfstündigen Rückfahrt die Stirn gegen das Fenster gedrückt und den blauen Himmel angestarrt, als wäre er der Geburtstagskuchen von jemand anderem und sie wüsste, dass sie kein Stück davon abbekommen würde.

Neben dem Foto hing der Kalender für das kommende Jahr. Die Sommerferien waren jetzt schon eingetragen. WOHNWAGEN hatte Mama in fetter roter Tinte reingeschrieben. Kein Ausrufezeichen. Keine Smileys.

Ehrlich gesagt, wirkte es mehr wie eine Drohung als ein Urlaub.

Aber wenn ich den Kleinlich-Star-Wettbewerb gewann, könnten wir einen richtigen Familienurlaub an einem sonnigen Ort verbringen. An einem anderen Ort. Meine Sehnsucht verhärtete sich zu Entschlossenheit. Ich musste nichts weiter tun, als mich in den nächsten acht Wochen tadellos zu benehmen.

Kein Problem.

Ich hatte Herrn Kleinlichs Brief gerade über dem Foto befestigt und fühlte mich unglaublich erleichtert bei der Vorstellung, wie Mamas besorgtes Stirnrunzeln verschwand, als …

RUMMS! Die Hintertür schwang mit einem lauten Knall auf.

Mein Herz hämmerte ängstlich. Wer ist da?

Aber da war niemand. Nur ein Windstoß und eine Tür, die fast aus ihren Angeln gehoben wurde. Ich hatte sie wohl nicht richtig zugemacht, nachdem ich die Küche gelüftet hatte.

Der Wind brauste tosend herein und schien die ganze Küche mit Wut zu füllen. Es kam mir so vor, als würde ich in einem Raum voller unsichtbarem Zorn stehen. Auf Beinen so weich wie gekochte Spaghetti schwankte ich hinüber, um die Tür zu schließen und den Wind auszusperren.

Etwas weißes Flattriges flog über meine Schulter.

Ich kreischte und duckte mich.

Ist eine Taube in der Küche gefangen?

Ich betrachtete das Ding genauer. Es war keine weiße Taube mit Krallen und Federn. Es war Herrn...

Erscheint lt. Verlag 19.8.2019
Illustrationen Florentine Prechtel
Übersetzer Ann Lecker
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel Bloom
Themenwelt Kinder- / Jugendbuch Kinderbücher bis 11 Jahre
Schlagworte Anarchie • Blume • Blumensamen • Buntheit • Christine Nöstlinger • Familie • fantastisches Kinderbuch • Fantasy Kinderbuch • Freundschaft • Garten • Kinderbuch • Kinderbücher ab 10 • Kinderbücher ab 10 jahre • Kinderbücher Mädchen • Kinderbuch Fantasy • kinderbuch naturschutz • kinderbuch umweltschutz • Magie • originelles kinderbuch • Pflanze • realistisches Kinderbuch • Regeln • Urban Gardening • Vielfalt • Wildheit
ISBN-10 3-7488-5002-6 / 3748850026
ISBN-13 978-3-7488-5002-1 / 9783748850021
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