Toleranz - schaffen wir das? -

Toleranz - schaffen wir das? (eBook)

Die wichtigsten Stimmen Deutschlands zur Frage des Jahrhunderts
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
288 Seiten
adeo (Verlag)
978-3-86334-827-4 (ISBN)
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'Lieben Sie Deutschland? Denken Sie, dass hier Werte und Tugenden gelebt werden, die es zu bewahren gilt? Falls ja, wie kann es gelingen, Deutschland, Europa und seine Werte zu erhalten, aber gleichzeitig das Fremde und Neue willkommen zu heißen, das andere Kulturen und Religionen einbringen?' Asfa-Wossen Asserate, Mitglied des äthiopischen Kaiserhauses, orthodoxer Christ und deutscher Staatsbürger, ist überzeugt: Toleranz ist möglich, wenn wir unsere eigenen Traditionen ehren und die der anderen respektieren. Unterschiedliche Experten äußern leicht verständlich und enorm gewinnbringend Gedanken, wie das Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen und Kulturen im Einwanderungsland Deutschland funktionieren kann. Mit Beiträgen von: Asfa-Wossen Asserate · Aleida Assmann · Jan Assmann · Dietmar Bartsch · Christina Brudereck · Ali Can · Annette Friese · Walter Homolka · Navid Kermani · Charlotte Knobloch · Sabine Marx · Ijoma Mangold · Martin Mosebach · Andreas Nachama · Eckhard Nordhofen · Franz-Josef Overbeck · Manfred Osten · Ludwig Schick · Düzen Tekkal · Bassam Tibi

Annette Friese, M.A., legte an der Essener Klosterschule B.M.V. ihr Abitur ab. Sie studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Germanistik an den Universitäten Köln und Essen. Verschiedene berufliche Stationen im Bereich der Kommunikation und weite Reisen rund um den Globus haben ihr Weltbild nachhaltig geprägt. Heute arbeitet die Christin und überzeugte Feministin als Scout für den adeo Verlag. Herausgeberschaften von Anthologien, die sich mit sozialen, politischen, ökologischen und spirituellen Fragen befassen, sind ihre besondere Passion.

Annette Friese legte an der Essener Klosterschule B.M.V. ihr Abitur ab. Sie studierte Geschichte, Politikwissenschaften und Germanistik an den Universitäten Köln und Essen. Verschiedene berufliche Stationen im Bereich der Kommunikation und weite Reisen rund um den Globus haben ihr Weltbild nachhaltig geprägt. Heute arbeitet die engagierte Feministin als Autor:innen- und Themenscout für den adeo Verlag. Foto: Darius Ramazani

Vorwort

von Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate


Viele Jahre lang habe ich die Idee mit mir getragen, ein Werk herauszubringen, das die große Vielfalt und tiefe Bedeutung des schönen Wortes Toleranz beleuchtet. Toleranz zählt in meinen Augen zu den Grundpfeilern zivilisierten Lebens. So bin ich sehr glücklich, dass dies durch die Bekanntschaft mit meiner Mitherausgeberin, Frau Annette Friese, und dem von ihr vertretenen adeo Verlag möglich wurde. Ich gebe gerne zu, dass ich mir nie hätte vorstellen können, eine solche Fülle diverser Ansichten und Meinungen von angesehenen und hochqualifizierten Persönlichkeiten aus Literatur, Politik und Geistesleben zu umfangen, wie sie nun in diesem Buch versammelt sind. An der Liste der Autoren wird der Leser selbst die Spannweite der Beiträge abschätzen können. Ich bin sehr stolz, dass dieses Buch in der Lage ist, einen Bogen zu spannen, der unterschiedlichsten Denktraditionen ein gemeinsames Forum bietet. Für mich ist auch das ein Zeichen gelebter Toleranz. Jedem einzelnen möchte ich darum für seinen Beitrag von ganzem Herzen danken!

Trotzdem empfinde ich dieses Buch als ein persönliches Buch. Seine Entstehung hat mit meinem Lebensweg zu tun, damit, woher ich komme, wie ich aufgewachsen bin und was mich geprägt hat. Mein Vaterland ist Äthiopien. Es ist ein Land, in dem die drei abrahamitischen Religionen – Judentum, Christentum und Islam – seit Urzeiten eine gemeinsame Heimat haben. Ich bin nicht nur mit Freunden aufgewachsen, die, wie ich, sonntags in die Kirche gingen, sondern genauso selbstverständlich waren Freunde, die den Sabbat feierten oder freitags die Moschee besuchten. Zu den großen religiösen Festen haben wir uns gegenseitig eingeladen. Ich empfand es immer als Wonne, nicht nur Weihnachten, Ostern, Christi Himmelfahrt und Pfingsten zu zelebrieren, sondern mit den Familien meiner Freunde auch ihre Feste zu feiern: den islamischen Ramadan, besonders das Zuckerfest, das Fastenbrechen, oder mit jüdischen Freunden den Sabbath. Da gab es nicht nur festliche Mahlzeiten, Kerzen und Weihrauch, sondern auch die verschiedenen rituellen Handlungen, die ich mit Staunen und Neugier beobachtete und kennenlernte. Alle diese Feste hatten eines gemein: Im Mittelpunkt stand das Heilige, das uns Menschen überstrahlt, demütig werden lässt und zur Besinnung ruft. Immer ging es um Dank, um Verehrung, um Erlösung, darum, den Kopf zu senken und sich zu verneigen vor dem Unsagbaren, vor dem Unvorstellbaren, vor Gott.

Meine Eltern haben uns Kinder gelehrt, wie sehr wir es als Glück und Bereicherung empfinden dürfen, dass die drei abrahamitischen Religionen in Äthiopien seit vielen Generationen in friedlicher Koexistenz nebeneinander gelebt werden. Das äthiopische Kaiserhaus, das seinen Ursprung auf die Begegnung der biblischen Königin von Saba mit König Salomon zurückführt, blickt auf eine lange christliche Tradition zurück. Kaiser Ezana nahm bereits im 4. Jahrhundert den christlichen Glauben an. Das äthiopisch-orthodoxe Christentum ist seit Jahrhunderten die Hauptreligion des Landes. Trotzdem erinnere ich mich immer mit Freude an einen nahen Blutsverwandten, den wir Kinder ‚Onkel Rahmato‘ riefen. Er verwöhnte uns an islamischen Feiertagen gerne mit importierten Süßwaren. ‚Onkel Rahmato‘ stammte aus der Provinz Selte im südlichen Äthiopien. Er war ein wohlhabender muslimischer Kaufmann und ein anerkanntes Mitglied unserer Familie. Unser ‚Wir‘ schloss Menschen, die Gott auf eine andere Weise verehren, selbstverständlich mit ein.

Zu meiner religiösen Prägung durch äthiopische Traditionen kam später meine Ausbildung in Europa. Sie lehrte mich, die Werte der Aufklärung zu schätzen, und formte mich zu einem „lupenreinen“ Demokraten. Zugespitzt lässt sich das, was Europa mich lehrte, an einem Wort erkennen: Hierzulande gibt es den Begriff ‚Gegner‘ als Bezeichnung für eine Person, die eine abweichende Meinung vertritt. In den über 2.000 Sprachen auf dem afrikanischen Kontinent, gibt es kein wirkliches Äquivalent für dieses Wort. Stattdessen kennen die afrikanischen Sprachen nur den Feind. Inzwischen betrachte ich die Existenz eines Gegenübers, das Gegner sein kann ohne zum Feind zu werden, als die Basis von Demokratie und Toleranz. Doch nur wenn wir mit tiefster Überzeugung akzeptieren und anerkennen können, dass ein jeder Mensch das Recht hat, anders zu sein als wir selbst, anders zu denken und anders zu glauben, und wir trotzdem mit ihm in einen gewaltfreien Dialog treten können, nur dann haben wir – davon bin ich überzeugt – das Fundament von Demokratie und Toleranz verstanden.

Vor diesem Hintergrund nimmt es sicherlich nicht wunder, dass es mir zur Lebensphilosophie wurde, Toleranz und Verständnis füreinander zu fördern, wo immer mir das möglich ist. Besonders liegen mir die drei brüderlichen Religionen am Herzen. Juden, Christen und Muslime verehren einen Gott. Jeder Gläubige dieser drei Religionen wird zustimmen, wenn wir sagen: Er ist der Gott Abrahams, Isaaks, Ismaels und vor allem der Gott Moses. Daran müssen wir immer erinnern. Wir müssen aber auch erklären, dass es für uns als Christen keinen anderen Weg zu Gott gibt als durch unseren Heiland Jesus Christus. Mein jüdischer Glaubensbruder wird dagegen auf den Gesetzen Moses‘ und dessen Bund mit Gott beharren, so wie mein muslimischer Bruder keinen anderen Weg zu Gott kennt als durch Mohammed und den Koran.

Wir sollten uns der Unterschiede und manchmal tiefen Gräben durchaus bewusst sein, die Gläubige unterschiedlicher Religionen voneinander trennen. Juden, Christen und Muslime gehen seit Jahrtausenden eigene Glaubenswege mit eigenen Traditionen, eigenen Ritualen und eigenen Überzeugungen. Aus meiner Sicht aber verbindet alle Gläubigen, die sich auf die Heilige Schrift berufen, ein gemeinsames Ziel: den Willen Gottes in die Welt zu tragen und in unserem Leben sichtbar zu machen.

Toleranz sehe ich dabei nicht als ein achselzuckendes, passives Dulden des Andersseins oder als gönnerhaftes Gewährenlassen. Darauf weist auch Goethes Aphorismus in aller Schärfe hin, wonach etwas lediglich zu dulden, es zu beleidigen hieße. Ich plädiere für den Aufbruch von einer schwachen zu einer starken Toleranz, die ein Miteinander im Dissens ermöglicht. Voraussetzung dafür ist, die eigenen Traditionen zu kennen und zu ehren, denn nur dann kann ich mit dem anderen überhaupt in Dialog treten und seine Position würdigen. Ziel ist ein aktives Respektieren, das auf Vernunft und Werten wie Offenheit, Gerechtigkeit und Freiheit basiert.

Engagement für Toleranz bedeutet in diesem Sinne auch, sich der Grenzen der Toleranz bewusst zu sein. Sie sind immer dann erreicht, wenn die Würde eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen in Abrede gestellt wird.

Die christliche Antwort zur Frage nach der Würde des Menschen ist dabei diese: Der Mensch erwirbt seine Würde nicht. Er kann sie deshalb auch nicht verlieren. Sie ist jedem einzelnen Menschen schon vor Beginn der Schöpfung gegeben und liegt in dem Willen Gottes, den Menschen nach seinem Abbild zu schaffen. Diese Würde ist darum allen Menschen zuteil und eigen, gleich woher sie stammen, welche Sprache sie sprechen, welche Hautfarbe sie haben, ob sie politisch uninteressiert oder besonders radikal sind, ob gesetzestreu oder Gesetzesbrecher. Sie steht natürlich auch allen Nicht-Christen zu. Alle Menschen sind nach dem Abbild Gottes geschaffen.

Deswegen ist es von Bedeutung, dass die Verfassungen unserer modernen Staaten wie auch völkerrechtliche Dokumente, nicht selbst eine Begründung für die Menschenwürde und die Menschenrechte geben oder gar vorschreiben, sondern sie lediglich wie ein Axiom nennen. Dadurch wird deutlich, dass das Bekenntnis zur Würde nicht Ausdruck irgendeines weltanschaulichen Interesses ist, sondern dass ihr Gehalt für Angehörige unterschiedlicher kultureller Herkunft und weltanschaulicher Orientierung im Kern ein und derselbe ist. Der zentrale Punkt, um den es dabei geht, ist der Respekt vor der Person.

Besonders schön spiegelt sich dieser Respekt vor dem anderen, die grundsätzliche Würde, die man ihm zuschreibt, meiner Meinung nach in der indischen Tradition wider und zwar bereits in der einfachen Geste, dass ein frommer Hindu sein Gegenüber mit dem Ausspruch ‚Namaste’ begrüßt (dt.: „Verbeugung zu dir“). Einer Überlieferung zufolge soll Mahatma Gandhi auf eine Nachfrage von Albert Einstein, was er denn mit dem Gruß ‚Namaste’ ausdrücken wolle, dem Wissenschaftler Folgendes geantwortet haben: „Ich ehre den Platz in dir, in dem das gesamte Universum residiert. Ich ehre den Platz des Lichts, der Liebe, der Wahrheit, des Friedens und der Weisheit in dir. Ich ehre den Platz in dir, wo, wenn du dort bist und auch ich dort bin, wir beide nur noch eins sind.“

Alle Menschen und alle Kulturen sind miteinander durch geheime Fäden verwoben. In der indischen Tradition wird das sehr schön mit dem ‚Netz Indras‘ beschrieben. Jeder Knoten in diesem Netz ist besetzt mit einem Edelstein und steht für ein Einzelwesen; und jedes dieser Wesen spiegelt die anderen wider. Wenn wir uns in diesem Netz Indras betrachten, sind wir nicht nur das Selbst, das diesen individuellen Körper bewohnt, sondern wir sehen uns verbunden mit allen anderen. Die anderen strahlen auf uns zurück und bereichern uns. Zum großen Erstaunen vieler Menschen, sprechen heute auch moderne Physiker in ähnlichen Bildern, wenn sie versuchen, das wahre Wesen unserer Welt zu beschreiben.

Meine Hoffnung ist, unseren Kindern und Enkeln eine tolerantere Welt zu hinterlassen, in der Respekt vor anderen Werten, Traditionen und Religionen selbstverständlich ist. Wenn wir bereit sind, unser interkulturelles Bewusstsein...

Erscheint lt. Verlag 18.8.2020
Verlagsort Asslar
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Christlich-orthodox • Ehre • Einwanderungsland • interreligiöser Dialog • Kaiserhaus • Koexistenz • Kultur • Offenheit • Orthodox • Respekt • Wertschätzung • Zusammenleben
ISBN-10 3-86334-827-3 / 3863348273
ISBN-13 978-3-86334-827-4 / 9783863348274
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