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Der Zauber des Windes -  Sabrina Capitani

Der Zauber des Windes (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
624 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-98724-0 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
4,99 inkl. MwSt
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Das ergreifende Schicksal einer beeindruckend mutigen jungen Frau und ein lebendiges und detailliertes Panorama des beginnenden 16. Jahrhunderts in der Provence Provence im Jahre 1483: Ganz allein und schutzlos steht Manou da. Ihre Familie ist durch die Pest umgekommen, ihre Verwandten und die Leute im Dorf meiden sie. Denn Manou verfügt über wahrsagerische Kräfte und heilende Hände, weshalb man sie hinter ihrem Rücken als Hexe bezeichnet. Durch einen Zufall wird ein adeliger Alchimist auf sie aufmerksam und holt sie zu sich auf die Burg Buoux. Allmählich wird ihr jedoch klar, dass sich die Frau ihres Lehrmeisters, Angèle de Saignon, mit Schwarzer Magie beschäftigt und Manous Fähigkeiten für ihre dunklen Machenschaften ausnutzen möchte... Dieses Buch ist eine überarbeitete und gekürzte Ausgabe des 2002 bei S. Fischer erschienen Titels.

Sabrina Capitani, geboren 1953, studierte Germanistik, Publizistik und Kunst in Berlin und arbeitet seit zwanzig Jahren als Autorin für Hörfunk und Fernsehen. Sie schrieb Drehbücher für deutsche Kinderserien, Hörspiele für den SFB, für Radio Bremen und RAI und ist außerdem als freie Malerin tätig. Inzwischen sind mehrere historische Romane aus ihrer Feder bei Piper Digital erschienen. Dass ihre Romane (fast) alle in der Haute Provence spielen, liegt daran, dass sie seit vielen Jahren die Sommer dort verbringt und von Landschaft und Kultur fasziniert ist.

Sabrina Capitani, geboren 1953, studierte Germanistik, Publizistik und Kunst in Berlin und arbeitet seit zwanzig Jahren als Autorin für Hörfunk und Fernsehen. Sie schrieb Drehbücher für deutsche Kinderserien, Hörspiele für den SFB, für Radio Bremen und RAI und ist außerdem als freie Malerin tätig. Inzwischen sind mehrere historische Romane aus ihrer Feder bei Piper Digital erschienen.

2.


Silentium. Stille, Ruhe, Kontemplation. Die Stille war so dicht am Abend, dass sie körperlich spürbar wurde: ein wattiges Tuch, ein dichter Nebel, als hätten sich die Wolken gesenkt und das kleine Tal eingehüllt. Im Gegensatz zu einigen der Novizinnen fiel Manou das Schweigen nicht schwer. Sie war nie zu vielen Worten aufgelegt gewesen, nicht nach ihrem achten Lebensjahr.

Die Klosterdisziplin empfand sie als befreiend. Aufstehen, Laudes, Konvent-Amt, anschließend Frühstück, bei dem die Aufgaben verteilt, Gemeinschaftsprojekte besprochen wurden. Dann ging jede ihrer Arbeit nach. Mittags-Hore, Mittagessen, Adoratorium, Arbeit wiederum bis zur Vesper. Nach dem Nachtessen gab es eine Stunde Rekreation, die Manou dazu nutzte, in der kleinen Klosterbibliothek zu lesen.

Die Klosterbibliothek konnte sich nicht im Entferntesten mit der des Gouverneurs messen. Er hatte ein Vermögen in Vellum und Papier investiert, Schriften griechischer, arabischer und römischer Ärzte und Philosophen, eine Abschrift der Kabbala, italienische Novellen, burgundische Sagen, Reiseberichte, Gedichte und Briefe aus einer großen, immer größer werdenden Welt hatte er gehortet.

Hier gab es nur erbauliche Schriften über das Leben der Heiligen, eine prächtige Fassung der Augustiner-Regeln, einige Werke zur Heil- und Kräuterkunde, von den Schwestern über Generationen hinweg vervollständigt und gepflegt. Aber diese Bücher waren herrlich ausgestattet, gemalt in Blau, Rot und Gold, und Manou versenkte sich in diese Bilder, die kalligrafischen Wunder der Initialen. Die Ruhe und Ordnung der Bilder und Zeichen hatten schon immer eine große Anziehungskraft auf sie ausgeübt.

Und dann entdeckte sie einen wahren Schatz: eine vollständige Abschrift der zwanzigbändigen Naturbeobachtungen des römischen Feldherrn Plinius des Älteren, Naturalis Historia. Sie hatte sich vorgestellt, wie dieser Soldat in vollem Waffenrock und mitten in der Schlacht, während es um ihn herum schrie, blutete und starb, während Eingeweide und Hirn spritzten, niedergekniet war auf der Wiese und ein ihm unbekanntes Kraut sanft mit Wurzel aus dem Lehmboden zog, um es am Abend in seinem Zelt zu untersuchen. Hatte er Kriegsgefangene zu sich bringen lassen, um über dieses neue kleine Wunder Auskunft zu erhalten? Diese, hilflos, geschunden, zitternd vor Angst oder gefasst ihrem Schicksal entgegentretend – jener, mächtig und gefürchtet, ein Pflänzlein emporhaltend: »Sag mir, wie nennt ihr dieses Kraut? Wie blüht es? Trägt es Früchte? Ist es zu etwas nutze?« Erstaunen im Gesicht des Gefangenen, der mit Folter und Hinrichtung gerechnet hatte, als er zum römischen Feldherrn gebracht wurde.

»Wie man es nennt? Nun … äh … das ist Uzara. Die Wurzel hilft gegen … äh … äh …«»Na! Was denn nun?!«

»… Durchfall, Höchstehrenwerter …«

Manou lächelte und ließ verträumt ihre Hand über die Buchrücken gleiten. Welch ein Schatz!

Die Schwester Bibliothekarin kam herbeigeeilt.

»Halt! Nicht anfassen! Die Bücher dürfen nicht nach Belieben aus den Regalen genommen werden. Du sagst es mir, wenn du eines willst, und dann bekommst du es von mir – wenn es geeignet ist. Hast du überhaupt saubere Hände?!«

Was wollte dieses Bauerntrampel mit Büchern? Tags ausmisten und abends vielleicht den Dreck auf die wertvollen Seiten schmieren – Manou zeigte ihre Hände vor, und so war Schwester Scholastika wenigstens in diesem Punkt beruhigt.

»Kannst du überhaupt lesen? Sonst geb ich dir eins mit schönen Bildern drin. Ist es das, was du willst?«

»Es ist mir gleich«, sagte Manou, »nur ein Buch in der Hand halten, bitte.«

Sie gab ihr eins, versuchsweise, und als sie sah, mit welchem Entzücken die Neue sich über diesen Schatz hermachte, da wurde sie nachgiebiger und schließlich sogar eifrig in ihrem Bemühen, diesen Hunger zu stillen. Und mitteilsam, da sie in diesem jungen Weltkind eine Leidenschaft wahrnahm, die von ihren Schwestern selten geteilt wurde – eine Leidenschaft für die Schrift, die weit über die reine Suche nach Erkenntnis hinausging.

»Bücher!« ließ sie sich einmal zum Schwärmen hinreißen, »sie kommen mir vor, wie die Essenz dessen, was die Menschen vom Tier unterscheidet, die Gabe des Begreifens und Beschreibens. Analytische Sprache! Ist dir bewusst, Kleine, wie erst die begriffliche Fassung Gegenstände eigentlich zum Leben erweckt?«

»Mehr, als Ihr für möglich haltet«, dachte Manou.

»Wie erst die Sprache Rückschlüsse und Voraussicht ermöglicht, wie Worte die Welt zu einer Einheit fügen, ihr Sinn verleihen, wie tröstlich das geschriebene Wort sein kann und auch wie beunruhigend? Bücher, Schrift, Bilder bedeuten Fenster zur Welt, einer weitaus größeren Welt, als sie ein Einzelner zu erfassen mag.«

Mit einer eifersüchtigen Gebärde drückte sie den schweren Lederband, den sie gerade aus dem Regal gezogen hatte, an sich: »Aah! Bücher!« Sie kicherte schuldbewusst: »Ich sollte mein Herz nicht derart an weltliche Dinge hängen, und ich weiß, manche halten Bücher für gottlos und gefährlich. Aber ich – ich liebe allein schon ihren Geruch.« Ein schuldbewusster Blick nach oben, verstohlen.

Sie blies vorsichtig über die vergoldete Initiale auf dem Einband, ihre Hand strich in sinnlichem Schwelgen über die samtige Oberfläche krappfarbenen Saffianleders, in welches die Seiten gefasst waren.

Manou musste lächeln: »Du Glückliche!«, dachte sie. »Du hast deine Bestimmung gefunden, wenn es dir auch aus religiösen Gründen nicht gestattet ist, auch nur einen Bruchteil der Schätze zu schauen, die es in der Welt von Pergament und Tinte gibt. Aber das ist vielleicht besser so.« Dieser zarte, empfindliche Stoff barg noch größere Gefahren für das Seelenheil, als es sich diese gute Ordensfrau je vorstellen konnte.

Schwester Agnes kam herein, eine der jüngeren Nonnen, die selten in der Bibliothek anzutreffen war, dafür aber größere Schwierigkeiten mit dem Silentium hatte.

»Manou? Ah, hier steckst du wieder mal. Guten Abend, Schwester Scholastika! Manou soll zur Äbtissin kommen, jetzt gleich! Sie wartet in ihrem Studierzimmer.«

»Was hast du angestellt?«, fragte ihr Blick. Nur die älteren Schwestern, die an der Organisation des Ordenslebens beteiligt waren, und Besucher – Spender oder kirchliche Würdenträger – wurden ins »Allerheiligste« gebeten oder eben solche Schwestern, die sich eine schwere Rüge zugezogen hatten.

Bedauernd gab Manou Schwester Scholastika den Band zurück, den sie sich gerade hatte entleihen wollen, und folgte Schwester Agnes durch die Hallen und Gänge und über eine Treppe in den ersten Stock des Hauses, wohin sie bei ihrer Ankunft gebracht worden war.

Mutter Eléonore – die so gar nicht mütterlich aussah – saß an ihrem Schreibtisch, als hätte sie sich seit jener ersten Begegnung nicht von dort fortbewegt. Sie schrieb noch ein, zwei Zeilen, setzte ihre schöne, geschwungene Unterschrift darunter und versiegelte das Schriftstück. Dann ging sie um den Schreibtisch herum und bedeutete Manou, am Kamin Platz zu nehmen. Die Tage waren jetzt schon sonnig und warm, aber in den Nächten konnte es noch empfindlich kalt werden, und Manou war dankbar für die Wärme.

»Leg noch etwas Holz nach, Kind, bitte.« Manou kniete vor der Feuerstelle, kratzte mit dem Schürhaken die Asche durch den Rost, legte einige Späne auf die Glut und ein paar dünne Stücke Obstholz darauf.

Die Äbtissin nickte zufrieden und hieß Schwester Agnes, die neugierig stehen geblieben war, zu gehen und sie beide allein zu lassen.

Sie setzte sich in ihren gewohnten Stuhl, einen von diesen eleganten Sesseln mit Arm- und Rückenlehnen, die man frei im Zimmer herumtragen konnte, wohin man wollte, und Manou nahm auf einem Schemel ihr gegenüber Platz. Kerzengerade saß sie. Diesmal war sie hellwach und gewillt, sich keine Fehler unterlaufen zu lassen. Sollte die Dame Äbtissin nur freundlich tun – zu gut wusste Manou: Wenn man Schlechtes erwartet und einem statt dessen Gutes getan wird, dann rief das eine gewisse Zuneigung und Dankbarkeit hervor, die einen Menschen leicht in die Falle locken konnte.

»Also, Manou,« begann Eléonore. »Wir wollen heute das Silentium brechen, in doppelter Hinsicht. Du hast dich ausgeruht und deine Gedanken sortiert, will ich hoffen. Es ist nun Zeit, deinen Teil der Abmachung zu erfüllen. Erzähle mir alles, was dir auf der Festung Buoux widerfahren ist und wie es dazu kam.«

Schweigen.

»Sieh her, die Schwestern haben mir berichtet, wie tüchtig du arbeitest und wie sehr du dich bemühst. Sie haben dich bereits jetzt in ihre Herzen geschlossen. Wir haben dich alle gern und möchten dir helfen.«

Das Mädchen schwieg verstockt, und man sah ihr deutlich an, wie sie versuchte, die Situation einzuschätzen. Helfen? Warum sollte jemand ihr helfen wollen – dafür wurde doch gewiss etwas erwartet.

»Sie fürchtet Freundlichkeit mehr als Schläge. Arme Seele! Wie soll ich denn ihr Vertrauen gewinnen, wenn nicht durch Freundlichkeit. Eigentlich, wenn sich als wahr herausstellt, dass sie in einen Fall von Hexerei verwickelt ist, ja sogar mit Teufelsanbetung, dann müsste ich sie dem Kirchengericht überantworten. Das will ich nicht, jedenfalls noch nicht. Erst will ich mehr wissen …« Und Eléonore de Castillon entschloss sich, ein paar Vorschriften beiseitezustellen.

»Wir wollen das, was du mir jetzt erzählst, als Beichte betrachten. So bin ich nicht verpflichtet, mein Wissen später weiterzugeben.«

Ein schlauer Blick traf die Äbtissin unter halb geschlossenen Lidern hervor, dann sah das Mädchen wieder zur Erde.

»Sie traut mir nicht, nicht einmal dem Beichtgeheimnis. Allmächtiger, was hast du mir da zugeführt?« Und umso mehr...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 15. Jahrhundert • Der verborgene Brunnen • Hexe • historische Frauenromane • historischer Mittelalterroman • Historischer Roman • Korsukewitz • Magie • Mittelalter • Pest • Provence • Starke Frau
ISBN-10 3-492-98724-9 / 3492987249
ISBN-13 978-3-492-98724-0 / 9783492987240
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