Zeiten der Heuchelei (eBook)

Ein Fall für Kostas Charitos
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2020 | 2. Auflage
400 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-61140-3 (ISBN)

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Zeiten der Heuchelei -  Petros Markaris
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In der Nähe von Athen wird die Leiche eines Hotelbesitzers gefunden. »Das Heer der Nationalen Idioten« bezichtigt den Toten der Heuchelei. Es ist der erste Mord einer rätselhaften Serie, bei der die Anklage immer gleich lautet, die Opfer jedoch grundverschieden sind. Kostas Charitos - seit neuestem stolzer Großvater - ermittelt und versucht, den obskuren Fanatikern auf die Spur zu kommen.

Petros Markaris, geboren 1937 in Istanbul, ist Verfasser von Theaterstücken und Schöpfer einer Fernsehserie, er war Co-Autor von Theo Angelopoulos und hat deutsche Dramatiker wie Brecht und Goethe ins Griechische übertragen. Mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann er erst Mitte der Neunzigerjahre und wurde damit international erfolgreich. Er hat zahlreiche europäische Preise gewonnen, darunter den Pepe-Carvalho-Preis sowie die Goethe-Medaille. Petros Markaris lebt in Athen.

Petros Markaris, geboren 1937 in Istanbul, ist Verfasser von Theaterstücken und Schöpfer einer Fernsehserie, er war Co-Autor von Theo Angelopoulos und hat deutsche Dramatiker wie Brecht und Goethe ins Griechische übertragen. Mit dem Schreiben von Kriminalromanen begann er erst Mitte der Neunzigerjahre und wurde damit international erfolgreich. Er hat zahlreiche europäische Preise gewonnen, darunter den Pepe-Carvalho-Preis sowie die Goethe-Medaille. Petros Markaris lebt in Athen.

2


Auf der Fahrt zum Büro halte ich bei einer Konditorei an, um eine Schachtel Schokoladentrüffel zu holen. Das war Adrianis Idee. Als ich sie fragte, welche Süßigkeit ich meinen Kollegen auf der Dienststelle mitbringen sollte, war das ihr spontaner Rat.

»Warum kein Baklava?«, wunderte ich mich.

»Baklava ist etwas für Omas und Opas wie wir«, entgegnete sie. »Heutzutage versüßen sich alle mit Schokotrüffeln das Leben.«

Meinen üblichen Besuch in der Cafeteria überspringe ich diesmal und fahre direkt zu meinem Büro hoch. Dort öffne ich die Konfektschachtel und beginne meinen Rundgang im Büro meiner Assistenten.

»Zur Geburt unseres Enkels!«, erkläre ich beim Eintreten.

Alle springen auf, doch als Erste tritt Koula auf mich zu. Sie umarmt mich und küsst mich auf beide Wangen. »Wann ist er auf die Welt gekommen?«, fragt sie.

»Gestern Abend. Alles ist gutgelaufen.«

Dann folgen die Übrigen mit Glück- und Segenswünschen.

»Wie soll er heißen?«, fragt mich Askalidis.

»Lambros.«

Es folgt ratlose Stille, da keiner von ihnen etwas von meiner Freundschaft zu Sissis ahnt.

»Heißt denn der andere Opa Lambros?«, fragt Dervisoglou.

»Nein, der Name stammt nicht aus der Familie.«

»Warum wird er denn nicht nach Ihnen oder dem anderen Großvater benannt?«, fragt Dermitsakis mit einem Schokotrüffel im Mund.

Ich rufe mir die Argumente, die damals bei der Namensfindung angeführt wurden, wieder in Erinnerung. »Der andere Opa heißt Prodromos. Stellt euch mal vor, wie es für das Kind wäre, heutzutage Prodromos zu heißen! Kostas ist ein Allerweltsname, Lambros dagegen etwas Besonderes.«

»Jedenfalls ist es richtig, wenn die Kinder die Namen der Großväter und Großmütter weiterführen«, beharrt Dermitsakis.

»Sag mal, Nikos, bist du vielleicht Lambros’ Taufpate?«, hält ihm Koula entgegen.

»Natürlich nicht.«

»Was kümmert’s dich dann, wie die Eltern ihr Kind nennen?«

Dermitsakis wirft ihr einen schrägen Blick zu, hält aber den Mund.

»Mich hat man nach dem Großvater mütterlicherseits genannt. Und dieses ›Thanassis‹ geht mir total auf die Nerven«, erklärt Askalidis.

»Warum denn?«, will Dervisoglou wissen.

»Weil es mich an die Filme mit dem Komiker Thanassis Vengos erinnert, Nimm deine Waffe, Thanassis! und Was hast du im Krieg gemacht, Thanassis?. An der Polizeischule war ich für alle nur noch ›Vengos‹. Deshalb nenne ich mich jetzt Thanos, so lässt man mich in Ruhe.«

Alle reagieren amüsiert auf seine Geschichte, und die Anspannung von vorhin legt sich. Zum Abschied versieht man mich mit neuerlichen Glückwünschen, dann setze ich meine kleine Tour zur Feier des Tages fort. Jetzt sind Sonaras von der Abteilung für interne Ermittlungen, Vellidis von der Computerkriminalität und Karabetsos von der Antiterroreinheit an der Reihe. Doch statt mit der Schachtel Schokoladentrüffel von Büro zu Büro zu ziehen, rufe ich Stella an und bitte sie, alle in Gikas’ ehemaliges Büro zu rufen, das als Besprechungszimmer dient. Nun, als Raum für Festlichkeiten macht es sich auch ganz gut.

Zunächst lasse ich Stella von der Süßigkeit kosten, dann trete ich in Gikas’ Büro. Die drei Abteilungsleiter sitzen bereits erwartungsvoll auf ihren Stühlen.

»Das hier wird keine Dienstbesprechung, sondern ich möchte euch gern etwas ausgeben«, sage ich und hebe die Schachtel hoch. »Zur Geburt meines Enkels!«

»Hoch soll er leben! Viel Freude mit dem Kleinen!«, wünschen mir alle wie aus einem Mund.

»Jetzt als Opa, Kostas, brauchst du nur noch auf die Rente zu warten, um die Zeit mit deinem Enkelsohn zu genießen«, meint Vellidis.

»Mach mal halblang. Ich habe zwei Enkelkinder und denke nicht im Traum an die Rente«, hält ihm Sonaras entgegen. »Ich habe nicht vor, den beiden Hosenscheißern mein restliches Leben zu widmen.«

Da keine weiteren Themen anstehen, bringen wir die Segenswünsche und das Verspeisen der Schokotrüffel rasch hinter uns. Als ich ins Büro zurückkehre, ist die halbe Schachtel noch voll. Kurz überlege ich, sie wieder mit nach Hause zu nehmen, aber das kommt mir knickerig vor. Erneut gehe ich mit der Schachtel zum Büro meiner Assistenten.

»Das ist für euch«, sage ich.

»Wir waren doch schon dran mit Glückwünschen«, erwidert Koula.

»Macht nichts, dann gratuliert ihr mir eben zweimal. Der neugeborene Lambros kann viele gute Wünsche vertragen.«

»Na, dann wollen wir mal nicht so sein«, sagt Dervisoglou und greift in die Schachtel, während Askalidis auf‌lacht.

»Was ist so lustig?«, will ich wissen.

»Fotis ist ganz verrückt nach Schokotrüffeln. Schon allein bei ihrem Anblick bekommt er glänzende Augen.«

Ich lasse sie weiter das Konfekt genießen und kehre in mein Büro zurück. Dann blättere ich in meinen Unterlagen, um die Zeit totzuschlagen. Auf der Dienststelle ist absolut nichts los. Zum Glück tritt Koula herein und erlöst mich von der Langeweile.

»Dreitausendachthundert, holla, was für ein Wonneproppen!«, sagt sie.

»Woher kennen Sie sein Gewicht?«, frage ich verwundert, da nicht mal ich es weiß.

»Ich habe Ihre Frau angerufen, um zu gratulieren, und sie hat es mir gesagt.«

Sieh mal einer an, mir selber war es überhaupt nicht eingefallen, nach dem Gewicht meines Enkels zu fragen. »Na, dann auf Ihren baldigen Nachwuchs!«, sage ich und versuche damit, von meinem Versäumnis abzulenken.

»Danke, aber sagen Sie das lieber meinem Mann. Jedes Mal, wenn ich das Thema anspreche, will er nichts davon hören.«

»Wieso denn nicht?«

»Er fragt dann, wer das Kind aufziehen soll. Seine Eltern leben auf dem Dorf, meine Mutter ist schon verstorben …« Nach einer kurzen Pause spricht sie weiter. »Er hat recht, aber ich wünsche mir so sehr ein Kind.«

In diesem Moment schrillt das Telefon, und ich höre die Stimme des Vizepolizeipräsidenten. »Kapsidis hier, Herr Kommissar. Ich habe die gute Nachricht erfahren und wollte dem frischgebackenen Großvater gratulieren.«

»Vielen Dank, Herr Vizepolizeipräsident.«

»Sie haben Glück, dass der Enkel in einer ruhigen Phase auf die Welt kommt. So haben Sie Zeit für ihn.«

Wir beenden das Gespräch mit den neuerlichen Segenswünschen des Vizepolizeipräsidenten und meinen Danksagungen. Koula hat sich diskret zurückgezogen. Ich beschließe, Kapsidis’ Rat zu befolgen und den Weg zur Geburtsklinik einzuschlagen.

Ich hole den Seat aus der Garage und stoße auf dem Kif‌issias-Boulevard auf einen Stau, der schon beim Theater Anesis beginnt, und fahre eine Ewigkeit im Schritttempo. Hinter der Ajias-Varvaras-Straße löst sich der Stau auf, und ich erreiche ohne weitere Verzögerung die Geburtsklinik.

Als ich die Zimmertür öffne, legt Adriani den Finger an den Mund.

»Sie schläft«, erklärt sie, als sie auf den Korridor hinaustritt.

»Wie geht es ihr?«

»Mutter und Sohn sind wohlauf.« Sie unterbricht sich, da eine Krankenschwester in Katerinas Zimmer treten will. »Sie schläft«, wiederholt sie ihr gegenüber.

»Wir müssen sie aufwecken. Wir bringen ihr den Kleinen zum Stillen.«

»Du hast Glück. Kaum bist du hier, bekommst du gleich deinen Enkel zu sehen.«

Katerina hat sich im Bett aufgesetzt und lächelt uns zu. Ich gehe zu ihr hin und küsse sie.

»Wie geht es dir, mein Schatz?«

»Gut, aber die Geburt hat mich anscheinend ermüdet. Ich will nur noch schlafen.«

Adriani hat ihre Diagnose noch vor den Ärzten parat. »Eine Geburt ist in jedem Fall anstrengend. Außerdem hast du bis kurz davor gearbeitet und zu wenig geschlafen.«

Das Gespräch wird durch das Eintreffen der Säuglingsschwester unterbrochen, die den Kleinen bringt. Er sieht anders aus als gestern Abend, da er gewickelt wurde. Die Säuglingsschwester überreicht ihn Katerina, und Lambros beginnt gierig an der Mutterbrust zu saugen.

»Ich will es ja nicht beschreien, aber er hat einen gesunden Appetit!«, meint Adriani.

»Wenn er so weitermacht, wiegt er bei unserer Entlassung fünf Kilo.«

»Ja freust du dich denn nicht darüber?«, hält ihr Adriani entgegen.

»Mama, ich will keinen dicken Sohn.«

»Bist du noch bei Trost? Vorrang hat jetzt, dass er groß und stark wird. An alles andere denken wir später.«

»Wenn er nach dir gerät, dann wird er sich noch gehörig verändern«, sage ich zu Katerina.

»Warum?«

»Weil du früher auch ein rundliches Mädchen warst, und jetzt bist du eine zarte Elfe.«

»Na toll, Papa, du baust mich auf!«, entgegnet sie amüsiert.

Da geht die Tür auf, und Sissis tritt herein.

»Du kommst genau richtig!«, lacht Adriani.

Sissis misst uns keinerlei Bedeutung bei. Schnurstracks geht er auf Lambros zu und mustert ihn.

»Wie geht’s, Namensvetter?«, fragt er, aber der Namensvetter ist mit seiner Nahrungsaufnahme beschäftigt und beachtet ihn nicht.

»Siehst du das, Kommissar?«, meint Sissis zu mir. »Nicht mal Babys messen den Linken noch irgendeine Bedeutung zu.«

Katerina bricht in Lachen aus. »Onkel Lambros, wenn du ihn spazieren führst und ihm Eis oder Lollis kaufst, dann wird er dich bestimmt beachten.«

»Du hast recht, Katerina. Aber siehst du, ich versuche eben zu vergessen, dass die Revolution für mich auch eine Art Lolli war.«

Das Klingeln meines Handys unterbricht das Gespräch. »Wo sind Sie gerade, Herr Kommissar?«, höre ich die Stimme des Vizepolizeipräsidenten.

»In einem Termin … mit meinem Enkel.«

»Tut mir...

Erscheint lt. Verlag 22.7.2020
Reihe/Serie Kostas Charitos
Übersetzer Michaela Prinzinger
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Arbeitslos • Arbeitslosigkeit • Armut • Athen • Enkel • Essen • Familie • Griechenland • Griechische Küche • Großeltern • Großvater • Heuchelei • Hotel • Kommissar Charitos • Kostas Charitos • Kriminalroman • Lohndumping • Serienmörder • Statistikamt
ISBN-10 3-257-61140-4 / 3257611404
ISBN-13 978-3-257-61140-3 / 9783257611403
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