Das dunkle Dorf (eBook)

Ein Fall für Commissario Grauner
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2020 | 1. Auflage
304 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31976-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das dunkle Dorf -  Lenz Koppelstätter
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Vendetta im verschneiten Südtirol. Rachsüchtige Mafiosi, ein toter Dorfpolizist und geheime Ermittlungen: In seinem sechsten Fall bekommt es Südtirols beliebtestes Ermittlerduo mit Italiens gefährlichsten Verbrechern zu tun. Es ist Mitte Januar, im verschneiten Grödental zittert immer wieder die Erde. Rund um das luxuriöse Winteridyll St. Christina gehen ungewöhnlich viele Lawinen ab. Doch Commissario Grauner hat keine Augen für dieses Naturspektakel. Auch als ein Toter in einer heruntergekommenen Villa gefunden wird, ermittelt er nur widerwillig. Denn seit Tagen ist seine achtzehnjährige Tochter Sara spurlos verschwunden. Als er erfährt, dass sein neapolitanischer Kollege Saltapepe untertauchen musste, weil der Mafiaboss Giorgio Garebani, den der Ispettore einst ins Gefängnis brachte, hinter ihm her ist, glaubt Grauner nicht mehr an einen Zufall. Gemeinsam mit seiner Frau Alba ermittelt er gegen alle Vorschriften - sie stürzen sich in einen Kampf, den sie eigentlich nicht gewinnen können, aber nicht verlieren dürfen.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

Lenz Koppelstätter, Jahrgang 1982, ist in Südtirol geboren und aufgewachsen. Er arbeitet als Medienentwickler und als Reporter für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung und Salon. 2015 startete bei Kiepenheuer & Witsch die Krimireihe um den Südtiroler Commissario Grauner, die ein großer Erfolg bei Leser:innen und Presse ist.

3


Der Flur des dritten Stocks der Villa Wolkenstein war mit einem langen, dunkelroten Teppich ausgelegt. Es roch nach einer Mischung aus kaltem Schweiß, Staub und Küche. Die Wände schienen schon eine ganze Weile nicht mehr gestrichen worden zu sein. Sie waren mehr grau als weiß, schimmelgelb an manchen Stellen. In unregelmäßigen Abständen hingen alte Fotografien zwischen den dunklen Holztüren.

Bilder von Wolkenstein, wie es einmal gewesen war. Der Dorfplatz voller Kutschen. Männer, die ausnahmslos Hüte trugen. Ein altes Gasthaus. Holprige Skipisten. Vereiste Dolomitengipfel. Schlepplifte. Posierende Skifahrer.

 

Grauner hatte eine Ewigkeit für die Strecke gebraucht. Bereits auf der Staatsstraße des Eisacktals war der Verkehr dicht gewesen, vor dem Tunnel in Waidbruck, der ins Grödnertal hineinführte, hatte die Blechlawine stillgestanden.

Er stellte das Blaulicht auf das Dach seines Panda, was er nur ungern und selten machte. Er nahm die Gegenspur. Am Sonntagvormittag, das wusste er, fuhr kaum jemand talauswärts. Sonntags wollte die halbe Welt hinein, in die Berge, auf die Pisten.

Die Schlucht beeindruckte ihn immer wieder. An manchen Stellen schien der moosbedeckte Fels, von dem Schmelzwasser tropfte, über der Fahrbahn zusammenzuwachsen. Mancherorts war es so dunkel, als wäre die Sonne schon untergegangen.

Wenn sich die Schlucht endlich weitete und zum Tal wurde, tat sich vor den Autofahrern ein winterliches Dolomitenpanorama auf. Das helle Gestein, der glitzernde Schnee. Der hellblaue, wolkenlose Himmel. Ein bisschen zu schön – selbst für Grauners Geschmack. Fast schon kitschig.

 

Er sah am Ende des Flurs zwei Polizisten vor einer Tür stehen. Sie nickten, reichten ihm ein paar Einwegschuhe aus Plastik, wichen zur Seite, Grauner trat ein. Was er sah, ließ ihn kurz erstarren. Ihm war klar, er würde dieses Bild nie wieder vergessen können. Plötzlich – auch wenn er wusste, es war weder der richtige Ort noch die richtige Zeit dafür – prustete es laut aus ihm heraus. Er konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.

Mit Tränen in den Augen blickte er entschuldigend zu Staatsanwalt Dr. Martino Belli, der weiter hinten im Zimmer neben einigen Polizisten und zwei Spurensicherern stand und die Lachattacke mit einem bösen Gesichtsausdruck missbilligte. Dann schaute er kurz zu Tappeiner, die sich die Hand vor den Mund hielt, dann wieder auf Saltapepe, den er nur in Designerjeans, Designersneakers, Designerpullover und Designerlederjacke kannte. Nun steckte der Ispettore in dicken, silbernen Plastikboots, in einer viel zu weiten hellroten Skihose und einer gelben Jacke mit blauen Blitzen darauf. Seine sonst akkurat nach hinten geleckten Haare hingen ihm in Strähnen in die Stirn.

»Was kann ich dafür, wenn die in diesen Skiverleihläden null Auswahl und Geschmack haben!«, zischte der Ispettore.

Als er zur Seite trat und zum Bett zeigte, hörte Grauner schlagartig auf zu lachen.

Vor dem Bett lag ein toter Mann. Er trug abgewetzte Lederstiefel, dunkelblaue Jeans, einen grauen Pulli. Durchs Fenster, von dem aus die Dolomitengipfel und die Skipisten zu sehen waren, schien die Sonne auf das schneeweiße Gesicht. Der Mund stand offen, die Augen starrten ins Leere. Auf der Stirn klaffte eine Wunde.

Grauner beugte sich über den Mann. Musterte ihn. Mancher Tote wirkte erschrocken. Dieser hier nicht. Er wirkte vielmehr, als schliefe er nur. Lächelnd. Grauner war klar, dass der Gedanke irrsinnig war, aber der Tote schien zufrieden. Wissend. Siegessicher.

»Ein Schuss. Aus nächster Nähe. Der fiel um und war tot.« Max Weiherer, der Chef der Spurensicherung, stellte sich neben Grauner und zeigte auf den Ermordeten. »Gestorben ist der mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch nicht hier in diesem Raum. Null Schmauchspuren um ihn herum, überhaupt kein Blut im Zimmer.«

»Sieht nach Profiarbeit aus«, murmelte der Commissario.

Der Spurensicherer nickte. »Also ich sag mal so, den hat sicher keiner erschossen, der zum ersten Mal eine Pistole in der Hand gehalten hat.«

»Kaliber?«

»Gemach, gemach. Lass meine Leute in Ruhe arbeiten, heute Abend bekommst du den Report.«

Grauner musterte das Zimmer. Das Bett war gemacht. Der Kleiderschrank an der Wand stand offen. Nichts darin. Er ging zur Badezimmertür. Weder auf der Badewanne noch auf dem Waschbecken stand etwas. Keine Zahnpasta, keine Zahnbürste. Überall Staub. Dieses Zimmer wirkte, als hätte es schon sehr lange niemand mehr benutzt.

»Wer ist dieser Mann?«, fragte er weiter.

Staatsanwalt Belli trat an ihn heran, er legte ihm die Hand auf die Schulter und ging ein paar Schritte mit ihm von den anderen weg. Grauner schaute etwas verwirrt, so kannte er den Staatsanwalt nicht. Belli flüsterte, der Commissario hatte ihn noch nie flüstern gehört. So klang seine sonst schrill krächzende Stimme recht angenehm, wie die eines Radiomoderators.

»Hier«, sagte Belli und fasste sich in die Jacketttasche, zog etwas hervor, hielt es Grauner hin. Ein abgewetzter, verblichener Personalausweis in einer Plastiktüte.

Auf dem Foto wirkte der Tote sehr viel jünger, fast wie ein Teenager.

Klaus Höller, stand unter dem Foto.

Nato il / Geboren am: 14/3/1988

A / in: Brixen

Residente a / Wohnhaft in: Wolkenstein

Stato civile / Familienstand: ledig

Professione / Beruf 

Grauner fuhr sich übers Gesicht.

»Er ist …«

Belli nickte.

»… einer von uns«, beendete der Staatsanwalt den Satz.

Professione / Beruf: Gemeindepolizist

Der Commissario rieb sich die Stirn. Dorfpolizist. Natürlich waren Dorfpolizisten keine richtigen Kollegen. Sie hatten keine Polizeilaufbahn hinter sich, sie waren nicht der Staatsanwaltschaft unterstellt, sie waren keine Poliziotti di Stato, sie waren Gemeindemitarbeiter, vom Bürgermeister und vom Gemeinderat eingestellt. Sie durften ihre Waffe nur im Dienst tragen, niemals mit nach Hause nehmen, sie durften den Verkehr regeln und, wenn es ihnen die Carabinieri erlaubten, Alkoholkontrollen vornehmen. Meistens aber wachten sie nur darüber, dass die Kinder mittags gut über die Straße kamen, und ermahnten unverbesserliche Dorfbewohner, nicht im Parkverbot zu stehen.

Viele Carabinieri und Poliziotti di Stato machten sich lustig über Dorf- und Stadtpolizisten, Grauner machte das nie. Dorfpolizist, das war das Letzte, was er sein wollte. Lieber noch Reiseleiter auf einem Kreuzfahrtschiff. Aber er respektierte sie. Er wurde stets in fremde Dörfer gerufen, wenn es einen Toten gab. Zu fremden Menschen. Der Dorfpolizist hatte es jeden Tag mit Freunden und Bekannten zu tun. Er musste Strafzettel an seine ehemaligen Mitschüler verteilen. Eine undankbare Aufgabe.

»Einer von uns«, flüsterte Grauner und war froh, dass Belli das Feingefühl besessen hatte, den Toten so zu nennen.

Einer von uns.

Er drehte sich wieder zu den anderen um. Trat ein paar Schritte auf Tappeiner und Saltapepe zu. Zum Lachen war ihm nicht mehr zumute.

»Was wissen wir?«, fragte er knapp.

Seine Assistentin räusperte sich. Eigentlich hatte sie hier am Tatort nichts zu suchen. Und doch schaffte sie es immer wieder, Teil des Ermittlungsteams zu sein. Grauner störte es nicht. Er schätzte es insgeheim sogar. Sie war gut, und wer gut war, der durfte mitermitteln.

»Frühmorgens ging ein Anruf bei den örtlichen Carabinieri ein. Es war ein Mann, er sagte, dass in einem der Zimmer der Villa Wolkenstein ein Toter liegt. Das war’s. Zwei Carabinieri fuhren her und fanden ihn.«

Grauner war etwas verwundert. Die Carabinieri aus dem Ort waren als Erste am Fundort der Leiche gewesen, trotzdem beauftragte Belli ihn und sein Team der Polizia di Stato nun mit dem Fall. Den Carabinieri in Bozen würde das nicht gefallen, aber, nun gut, der Staatsanwalt setzte bei Ermittlungen in den Dörfern, in den Tälern, nun mal gerne auf ihn. Weil er kein Stadtmensch war, weil die Täler und die Dörfer sein Terrain waren.

»Der Mann ist Dorfpolizist hier im Ort. Der war doch nicht … äh … Gast im Hotel, oder?«, fragte er weiter.

Tappeiner schüttelte den Kopf.

Kurz lugte Grauner zu Saltapepe, der sich immer alles auf einem kleinen Notizblock notierte. Grauner vermied es, sich Notizen zu machen. Notizen machten das Hirn faul, davon war er überzeugt.

»Es ist ein Rätsel, wie der Mann hier ins Zimmer gekommen ist«, fuhr Tappeiner fort, »es gibt leider keine Überwachungskameras im Haus. Auch niemand vom Personal will etwas gesehen haben.« Sie zuckte mit den Schultern.

»Sind die Hotelgäste schon befragt worden?«

»Da sind wir dran«, antwortete Saltapepe. »Ist aber grad nicht so einfach. Fast alle sind irgendwo auf den Pisten unterwegs.«

»Meine Herren …« Weiherer hatte sich erneut dazugestellt, er bedeutete ihnen allen, das Hotelzimmer nun zu verlassen.

Die Polizisten gingen bereits in Richtung Tür. Grauner schaute sich noch ein letztes Mal um, bevor er sich ihnen widerwillig anschloss. Er verließ den Tatort nur ungern, auch wenn er Weiherers Wunsch verstand und respektierte. Je länger sie alle hier herumstanden, desto höher war die Gefahr, dass Spuren kontaminiert wurden....

Erscheint lt. Verlag 1.12.2020
Reihe/Serie Commissario Grauner ermittelt
Commissario Grauner ermittelt
Zusatzinfo 2 farbige Karten
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 6. Fall • Entführung • Gsiesertal • Gustav Mahler • Italien-Sizilien • Krimi Neuerscheinung 2021 • Mafia • Neapel • spiegel bestseller • Südtirol-Krimi • Urlaubs-Krimi • Vendetta
ISBN-10 3-462-31976-0 / 3462319760
ISBN-13 978-3-462-31976-7 / 9783462319767
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