Glücksfall Fachkräftemangel (eBook)
268 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-44472-7 (ISBN)
Stefan Dietz hat Hunderte von Führungskräften trainiert. Er hat Fusionen begleitet, Umstrukturierungen und Wachstumsprozesse unterstützt, hat in jungen Firmen geholfen, fehlende Strukturen aufzubauen, und in alten Firmen, lähmende Strukturen aufzulösen und beweglicher zu werden. Die von ihm gegründete und geführte kleine Unternehmensgruppe wurde selbst als attraktiver Arbeitgeber ausgezeichnet. Stefan Dietz inspiriert in Vorträgen zur Zukunft der Arbeit und begleitet Unternehmen auf dem Weg zum großartigen Arbeitgeber. Mehr unter www.stefandietz.com
Stefan Dietz hat Hunderte von Führungskräften trainiert. Er hat Fusionen begleitet, Umstrukturierungen und Wachstumsprozesse unterstützt, hat in jungen Firmen geholfen, fehlende Strukturen aufzubauen, und in alten Firmen, lähmende Strukturen aufzulösen und beweglicher zu werden. Die von ihm gegründete und geführte kleine Unternehmensgruppe wurde selbst als attraktiver Arbeitgeber ausgezeichnet. Stefan Dietz inspiriert in Vorträgen zur Zukunft der Arbeit und begleitet Unternehmen auf dem Weg zum großartigen Arbeitgeber. Mehr unter www.stefandietz.com
Inhalt
Prolog
Café la Lonja, Palma de Mallorca 11
Vorwort
Corona und der Fachkräftemangel 13
Teil I
Die Entwicklungen in der Arbeitswelt:
Da braut sich was zusammen! 15
Kapitel 1
ARBEITSMARKT:
Wie alte Sicherheiten hinweggefegt werden 17
Der Arbeitsmarkt steht Kopf – Was Polizei und Pizzeria eint 18
Wir werden weniger und älter – Was wir hätten wissen können 21
Firmen fürchten Fachkräftemangel – Warum uns das alle angeht 24
Fachkräftemangel nicht nur bei uns – Die globale Perspektive 29
Warum der Fachkräftemangel ein Glücksfall ist 33
Kapitel 2
TECHNOLOGIE: Was für uns übrig bleibt und möglich wird 38
Das kann weg – Wie Arbeit durch Technologie verschwindet 39
Das geht anders – Wie Arbeit in Zukunft funktioniert 46
Das wird neu – Wie Arbeit entsteht, die wir noch nicht kennen 52
Das läuft woanders – Warum die Musik nicht bei uns spielen wird 56
Wie wir entscheiden, welche Seite der Macht gewinnt 61
Kapitel 3
FREIHEIT: Warum Menschen nicht mehr mitspielen 68
Arbeiten? Was haben Adam und Eva eigentlich beruflich gemacht? 69
Lebensfreude? Was am Ende zählt und unterwegs verloren geht 73
Bereit? Weil die Jugend von heute die richtigen Fragen stellt 77
Pech gehabt? Wie wir Talente verloren gehen lassen 80
Auf zur Freiheit! Der seelische Teil der Revolution 84
Teil II
Der Blick in die Unternehmen: Sind wir bereit? 89
Kapitel 4
ARBEIT: Warum wir arbeiten und wozu das gut sein kann 91
Gefangen – Wie alte Muster das Leiden verlängern 92
Potenzial – Was Arbeit für Menschen bedeuten kann 94
Sinn – Wie falsche Haltung kranke Systeme schafft 98
Gesundheit – Wie schlechte Arbeit krank und gute glücklich macht 103
Mut – Es gibt kein richtiges Leben im Falschen 106
Kapitel 5
FÜHRUNG: Was schiefläuft und Menschen
und Werte plattmacht 109
Das Feuer ist aus – Warum nur jeder siebte Mitarbeiter alles rausholt 110
Bock zum Gärtner – Wie Führungskräfte gemacht werden 115
Keine Zeit – Wie falsche Prioritäten fatale Folgen haben 119
Führungsfallen – Warum gut gemeint nicht gut gemacht ist 123
Kapitel 6
CHEFSACHE: Wie Firmen aufhören, Potenzial zu vernichten 130
Personalentwicklung – Erfolgsfaktor oder Feigenblatt? 131
People Strategy – Ihre Roadmap zum Erfolg 135
In einem Boot – Wie alle an einem Strang ziehen 139
Arbeit und Kapital – Wie neue Partnerschaft gelingt 142
Vertrauen – Wie Organisationen vitaler werden 149
Kapitel 7
MENSCHEN: Das Wesen hinter der Arbeitskraft 153
Menschen sind emotional – Wie wir die Energie nutzen 154
Menschen sind nicht normal – Wie wir von Individualität profitieren 159
Menschen werden älter –
Warum die 50-Jährigen in den Außendienst sollten 165
Menschen wachsen –
Wie Persönlichkeitsentwicklung Zukunft schafft 170
Kapitel 8
REFLEXION: Wie Persönlichkeiten Unternehmen prägen 175
Kopfsache – Wie Unternehmen ihre Chefs spiegeln 176
Erkenne dich selbst – Wieso die harten Jungs die Weicheier sind 179
Selbstfürsorge – Warum Ihre Stimmung viele beeinflusst 182
Inspiration – Warum Chefs Hobbys und Impulse brauchen 184
Dirigenten – Warum Chefs das ganze Stück kennen müssen 189
Kapitel 9
MARKT: Wie Unternehmen Mitarbeitergewinnung neu denken 193
Talente? Was auf dem Weg ins Arbeitsleben schiefläuft 194
Verkehrte Welt? Wie Firmen um Talente werben müssen 197
Homeoffice? Was sagen Sie, we
WARNHINWEIS Risiken und Nebenwirkungen Achtung! Dieses Buch stiftet an. Es macht Mut und begründet, warum und wie es möglich ist, menschlich, motiviert und produktiv zu arbeiten. Sollte das in Ihrem Unternehmen nicht gewollt sein, ist nicht auszuschließen, dass die Lektüre Menschen zum Verändern oder Verlassen des Unternehmens anstiften könnte. Oder gleich zur Gründung eines neuen, besseren Ver-suchs. Prolog Café la Lonja, Palma de Mallorca Ich halte kurz inne. Mein Buchmanuskript nimmt Formen an. Über mir säuselt die große schattenspendende Palme, die Luft ist voller Stimmen, meist gestenreich untermaltes Spanisch. Nebenan erhebt sich die alte Seidenbörse, gegenüber dümpeln die Yachten im Hafen. Ich arbeite draußen, sitze im Café la Lonja in Palma de Mallorca. Sonne, 22 Grad im Oktober und Café con leche - wie ich diese neue Freiheit liebe, diesen Wechsel zwischen konzentriertem Arbeiten und der herrlichen Umgebung. Ich bin draußen, leiste viel und es fühlt sich an wie Urlaub. Schön, dass Sie mich hier besuchen. Darf ich Sie auf einen Café einladen? Fachkräftemangel ist ein sperriges Wort. Die Veränderungen und Entwicklun-gen dahinter betreffen uns alle. Die Welt der Arbeit ist in Bewegung, tiefer und grundlegender, als vielen bewusst ist. Nicht nur, dass wir von überall arbeiten können. Viele Jobs werden verschwinden, neue entstehen und auch die Art wie wir arbeiten wird sich verändern. Firmen müssen sich zunehmend um die Talente bewerben. Menschen stellen neue Fragen und haben andere Ansprüche. Doch der Druck des Fachkräftemangels wird die Arbeitswelt besser machen. Einfach weil Unternehmen besser werden müssen, wenn sie in Zukunft die besten Talen-te gewinnen wollen. Insofern habe ich einen starken Verbündeten für Anliegen gewonnen, die mir schon lange wichtig sind. In mehr als 25 Jahren habe ich viele Unternehmen und Organisationen beraten und begleitet: in der Strategieentwicklung, bei Fusionen, in Wachstumsprozessen und in der Entwicklung von Führung und Führungskräften. Wir haben in jungen Firmen geholfen, fehlende Strukturen aufzubauen, und in alten Firmen, bewegli-cher zu werden. Ich habe Workshops und Tagungen moderiert, Einzelpersonen gecoacht, Vorträge gehalten und mit Geschäftsführungen Strategien entwickelt. Ich habe viel gesehen und gelernt, wie Unternehmen funktionieren - oder auch nicht. Ich habe meine eigenen Firmen aufgebaut, Lehrgeld gezahlt und Erfolge gefei-ert. Ich kenne das Gefühl, die Liquidität für die Lohnzahlungen sicherstellen zu müssen, und weiß um die Ausdauer, die es braucht, bis neue Geschäftsfelder aufgebaut und Veränderungen etabliert sind. Viele aufgebauschte Management-methoden habe ich kommen und gehen sehen und unterscheiden gelernt, wo Substanz und wo heiße Luft drin ist. Immer mehr werde ich zu einem Wanderer zwischen den Welten. Wir genie-ßen unser herrliches Büro in der alten Villa in der Pfalz, trinken Sekt auf gute Aufträge, lachen und arbeiten viel. Dann klinke ich mich in mein remote organi-siertes zweites Unternehmen ein mit Partnern, die gerade in Argentinien, Bali oder in Berlin sind. Ich kenne die Perspektive von Kommunalpolitik und Arbeit-geberverband, von Personalentwicklern und Weiterbildungsprofis. Ich sitze in Workshops mit anderen ortsunabhängigen Unternehmerinnen und Unterneh-mern am Strand von Langkawi und gebe eine Woche später meine Stimme in der Vollversammlung der IHK ab. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es möglich ist, Firmen menschlich und wirtschaftlich zugleich erfolgreich zu führen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sinnvolle und gut gestaltete Arbeit mehr ist als Lebensunterhalt. Ich bin zu-tiefst davon überzeugt, dass in richtig gut geführten Unternehmen alle gewinnen: glückliche Chefs, glückliche Mitarbeiter, glückliche Kunden. Firmen, die unter ihren Möglichkeiten bleiben, machen mich wütend. Menschen, die unter den Arbeitsumständen und der Atmosphäre dort leiden, machen mich traurig. Men-schen und Firmen, die vormachen, dass es anders geht, begeistern mich. Es ist Zeit, dass es mehr dieser großartigen Arbeitgeber gibt. Ich möchte Sie zum Dialog einladen, freue mich über Ihre Zuschriften, Kom-mentare und über weitere großartige Beispiele, die als Vorbild für andere dienen können. Registrieren Sie sich kostenlos auf der Website zum Buch (www.stefandietz.com/leser). Hier finden Sie Hintergrundmaterialien, kostenlose Downloads und weiterführende Impulse. Jetzt wünsche ich Ihnen erst mal viel Freude und gute Erkenntnisse beim Lesen. Herzlichst, Ihr Stefan Dietz Vorwort Corona und der Fachkräftemangel Während der Entstehung dieses Buches erleben wir eine in dieser Form noch nie dagewesene Krise. Das neuartige Corona-Virus bremst Wirtschaft und Gesell-schaft aus vollem Lauf in den zwangsverordneten Shutdown. Mut macht die Art und Weise, wie Staat und Gesellschaft mit der Situation umgehen. Natürlich fragt man sich, welche Auswirkungen die Krise auf den Arbeitsmarkt haben wird. Gibt es danach noch einen Fachkräftemangel oder gar wieder Arbeitslosigkeit - oder beides? Fachkräftemangel ist eine Entwicklung, die sich über viele Jahre hinzieht. Die Corona-Folgen setzen einen starken, vermutlich eher kurzen Impuls. Beide Krisen wirken zusammen. Das beschleunigt Entwicklungen, verlangsamt andere und gibt manchen einen überraschenden Drall. Was sich abzeichnet, ist ein Schub für digitales, flexibles Arbeiten. Die Corona-Homeoffice-Challenge ist ein schonungs-loser Realitäts-Check: Wer vorbereitet ist, nimmt die Laptops mit nach Hause und arbeitet weiter, bei anderen kommt der Geschäftsbetrieb zum Erliegen. Beim folgenden Groß-Experiment staunt man, was geht und wie arbeitsfähig man im Homeoffice doch ist. Hinter diese Erfahrung kann niemand zurück - sie sollte einen Modernisierungsschub in Firmen, Verwaltungen und Schulen auslösen. Andere Auswirkungen sind weniger vorhersehbar. Nicht alle Firmen und Ar-beitsplätze werden überleben. Das bringt Härten mit sich. Der Wandel von Bran-chen und Geschäftsmodellen beschleunigt sich. Die hoffentlich nur vorüberge-hend höhere Arbeitslosigkeit lindert den Fachkräftemangel nur stellenweise. Experten werden auch in Zukunft fehlen. Wer seinen Job im Einzelhandel verliert, wird eher kein Softwareentwickler. Der Fachkräftemangel wird bleiben. Wir sind gut beraten, die Krise für kluge Weichenstellungen zu nutzen. In einem bin ich mir sicher: Großartige Arbeitgeber sind besser gewappnet als andere. In diesem Sinne: Kommen Sie gesund durch die Krise und ziehen Sie die richtigen Schlüsse. TEIL I Die Entwicklungen in der Arbeitswelt: Da braut sich was zusammen! Der gesellschaftliche Wetterbericht sagt Sturm voraus: Der Boden unserer Ge-wissheiten bewegt sich, die Luft knistert, alte Sicherheiten fliegen durch die Luft wie abgerissenes Laub. Die Dinge geraten in Bewegung. Höchste Zeit, Vorkeh-rungen zu treffen. Viele denken trotz Wetterbericht nicht daran, den Sonnen-schirm reinzuholen. Hoffen, dass das Wetter vorbeizieht, der Sturm schon keinen Schaden anrichten wird. Hoffen, dass Wegducken, Luft anhalten und Sprüche übers Wetter als Gegenstrategie ausreichen. Woher sie ihre Gelassenheit neh-men? Ich weiß es nicht. Der Wandel im Arbeitsmarkt ist aus drei Gründen unaufhaltsam. Die Demogra-fie zeigt, dass bald ein paar Millionen Arbeitskräfte fehlen werden. Der technolo-gische Wandel verändert Arbeit und Geschäftsmodelle. An die Automatisierung in der Produktion haben wir uns gewöhnt, als Nächstes sind die Bürojobs dran. Alles, was Menschen kognitiv können, kann künstliche Intelligenz bald besser. Heutige Schüler werden in Berufen arbeiten, die wir noch nicht kennen. Der dritte Trend ist leise, aber nicht minder relevant: die veränderten Le-bensvorstellungen. Menschen wollen mehr Freiheit, Wertschätzung und Weiter-entwicklung. Sie suchen Nachhaltigkeit und eine sinnvolle Unternehmenskultur. Das wird kein laues Lüftchen. Auf dem Arbeitsmarkt wird es ordentlich pusten. Gleichzeitig wird die Erde beben und der Wasserspiegel steigen. Schlechte Fir-men überleben das nicht. Der Fachkräftemangel zwingt dazu, Stadt, Hütte und Schiff wetterfest zu machen. Aktionismus, Appelle und Hauruck-Aktionen genü-gen nicht; das alles fliegt Ihnen beim ersten Luftzug um die Ohren. Je unruhiger das Wetter, desto mehr retten sich die Menschen zu denen, die im Sturm er-kennbar souverän unterwegs sind. Kapitel 1 ARBEITSMARKT: Wie alte Sicherheiten hinweggefegt werden Sie wissen, wie die Wirtschaft läuft. Arbeit spielt eine zentrale Rolle im Leben. Man hat in Ausbildung investiert, um den Job gekämpft und Karriere gemacht. Was Menschen nicht alles für ihren Job tun: Sie ziehen dahin, wo die Arbeit ist, halten Jobs aus, die keinen Spaß machen, und zittern in Bewerbungsgesprächen. Über fünfzig kündigt man nicht mehr. Millionen Menschen stehen täglich im Stau. Väter und Mütter arbeiten lange, pendeln weit und verpassen, wie ihre Kinder aufwachsen. So war das eben. Jahrelang haben Arbeitslosenzahlen die Schlagzeilen beherrscht. Das ändert sich. Jetzt reden wir vom Mangel an Fachkräften. Der Arbeitsmarkt dreht sich. Wenn das so weitergeht, steht er bald Kopf. Firmen finden kaum noch gute Be-werber. Je ländlicher der Standort und je unbekannter das Unternehmen, desto schlimmer. Stellenanzeigen funktionieren nicht mehr wie früher. Zum einen kommen weniger Bewerber, zum anderen stellen sie höhere Ansprüche. Jetzt müssen Firmen nett sein zu ihren Leuten, damit sie an Bord bleiben. Der Schaden erst: Umsätze können nicht gemacht werden, Firmen sind gefährdet. Der Fach-kräftemangel wird zur zentralen Bedrohung. Stopp. So kennen Sie die Geschichte, so steht sie in jeder Zeitung. Und diese Bedrohung soll jetzt ein Glücksfall sein? Vertrauen Sie mir! Ich bin auf Ihrer Seite. Ich bin sogar überzeugt, dass die guten Unternehmen und die guten Führungs-kräfte vom Wandel im Arbeitsmarkt profitieren, wenn sie die Weichen richtig stellen. Für alle, die das nicht tun, ist der Fachkräftemangel kein Glücksfall, eher ein Todesurteil. Der Arbeitsmarkt steht Kopf - Was Polizei und Pizzeria eint Auf der Seite des Polizeiautos prangt ein junger, strahlender Typ in Uniform. Er zielt mit seiner Pistole schräg am Betrachter vorbei. Der Slogan darunter: »Karriere mit Schuss«. So was hat es früher auf Polizeiautos nicht gegeben. Da muss man erst mal drauf-kommen. Die Not muss groß sein und sie macht erfinderisch. Was gestern noch normal war, funktioniert nicht mehr. Brauchte man Leute, hat man Stellenanzei-gen geschaltet, eine Flut von Bewerbungen erhalten und in Bewerbungsgesprä-chen haben die Bewerber geschwitzt. Wer unangemessene Forderungen stellte, war raus. »Jeder ist ersetzbar« war gängiger Chefkommentar. Selten sind sich Dachdecker, Steuerberater und IT-Unternehmer so einig: »Houston - wir haben ein Problem.« Es gibt zu wenig Bewerber und die sind schlechter als früher. Azubis ohne Abitur haben Probleme mit dem Dreisatz. Leu-te mit Abitur wollen studieren. Softwareentwickler wollen in die Großstadt. Selbst die Verwaltung findet immer schwerer Nachwuchs. Schuldige sind schnell ausgemacht. Die Schulen bilden zu schlecht aus. Die Gesellschaft betont das Akademische zu stark und keiner will mehr eine Ausbil-dung machen. Die Verbände tun zu wenig. Überhaupt diese ganze Internet-Kultur. Junge Leute starren ständig auf ihre Smartphones und können sich nicht mehr richtig konzentrieren. Früher war alles besser - schon klar. Hilferufe auf allen Kanälen Früher war auch alles einfacher: Stellenanzeigen schalteten wir im Stellenmarkt. Auf Häuserwänden, Bushaltestellen und LKW-Planen warben wir für Bier, Versi-cherungen und Kosmetik. Die Controller der Außenwerbebranche wissen ver-mutlich am besten, wie groß die Not ist, an der sie verdienen. Wo gestern noch meterhohe Bierwerbung prangte, schreien uns Personalsuch-Sprüche entgegen. In der aktuellen, noch frühen Phase des Mangels an Bewerbern meistens laut und fantasielos. »Kollegen gesucht!«, »Wir stellen ein!«, »Karriere beim Marktfüh-rer«. Das wird hoffentlich noch origineller. Gerüste an Hochhausfassaden sind mit Imagemotiven großer Versicherungen bespannt und werben für die Karriere im Gebäude dahinter. Anzeigenstrecken in Fachzeitschriften zielen auf Mitarbeiter. Die Polizei plakatiert das »Fahndungsziel Karriere«. Am Bahnsteig im Münchner Hauptbahnhof stehen lebensgroße Pappaufsteller im Weg und werben für Jobs bei der Bahn. Agenturen nennen das wohl »Störer«. Die Veränderungen reichen bis in oder besser vor die Gastronomie. Wie schlimm es ist, zeigt die Größe der Aufsteller vor der Pizzeria. Schild Nummer eins ist das traditionelle mit der Speisekarte - das darf da stehen. Heute steht ein mindestens gleich großes direkt daneben: »Jungkoch gesucht«. Das ist nicht nur beim Italiener so. Je nach Gastrozweig reicht das vom »Sous-Chef« bis zur »Res-taurantleitung«. Bei Francesco1 oder Panagiotis ist das Schild handgeschrieben, bei der Franchisekette von einer Agentur gestaltet. Die Botschaft ist die gleiche: »Hilfe, wir brauchen Leute!« Gibt es ein Problem, kümmern sich auch Kammern und Verbände. Kampagnen werden beauftragt - mal originell, mal weniger. Manches Präsidium war so lange stolz auf die agentur-geskriptete Nachwuchskampagne, bis sie der Shitstorm der Zielgruppe in sozialen Netzwerken pulverisiert hat. Not macht erfinderisch Als ich mit meinem Sohn die Messe Gamescom verlassen will, müssen wir durch eine martialisch wirkende Halle. Alles sieht nach Ego-Shooter aus. Der Panzer ist echt und wirbt für die »Karriere« bei der Bundeswehr. Hören wir in den Nach-richten von Beschaffungsproblemen und nicht fliegenden Hubschraubern - hier wird der Eindruck dauernden Häuserkampf-Spielens für Große erweckt. Selbst an Orten des kurzen Rückzugs verfolgt uns das Thema. Clevere Werber haben irgendwann entdeckt, dass wir Jungs dort für eine Minute stehen bleiben und nicht weg können. Was sehe ich in Augenhöhe? Fange ich in Dresden im Hotel als Azubi an, bekomme ich meinen Führerschein bezahlt und eine Antritts-prämie von 500 Euro obendrauf. Ehe ich anfange, über den Berufswechsel nach-zudenken, verlasse ich das Örtchen. Ob es das auf Damentoiletten auch gibt? Ein Versicherungsunternehmen nutzt das Interesse an abgefahrenen Maß-nahmen geschickt. Jeder Bewerber, der zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird und tatsächlich kommt, erhält 500 Euro. Wird ein Arbeitsvertrag unter-zeichnet, gibt es noch mal 5 000 Euro obendrauf. Die Meldung schafft es in alle Tageszeitungen. So was könnte normal werden. Dann steht es aber nicht mehr in der Zeitung. Ich bin sicher, das ist erst der Anfang. Die Not wird Blüten treiben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Die Entwicklung zeigt: Das Problem ist erkannt, doch die eingeleiteten Maß-nahmen wirken aktionistisch und hilflos. Außenwerber und Agenturen reiben sich die Hände ob des neuen Geschäfts. Natürlich gibt es kompetente Agenturen, die großartige Arbeit in Employer Branding und Nachwuchskampagnen leisten. Aber vieles ist erstaunlich oberflächlich und wirkungsarm. Agenturen bebildern und plakatieren die Hilflosigkeit, zimmern Slogans auf Karrierewebsites und hübschen Stellenanzeigen auf. Das hilft meistens nicht, schafft aber wenigstens Arbeitsplät-ze - leider nicht bei den Auftraggebern. Personalberater können sich vor Anfragen kaum retten. Sie steigern die Preise und ärgern sich schwarz, dass auch sie die gesuchten Talente immer schwerer finden. Würde das Arbeitsrecht nicht dagegenstehen, das Modell aus dem Fußball hätte längst Schule gemacht und Berater mit lebenslangen Verträgen würden bei jedem Wechsel mitverdienen. Verknappt sich das Angebot, steigen Preise und Ansprüche Es spricht sich rum, dass man heute andere Ansprüche stellen kann. Wer etwas zu bieten hat, kann sich seinen Job aussuchen. Nicht zuletzt durch die öffentlichen Hilferufe ist das jedem Bewerber klar. Soziale Netzwerke tun ihr Übriges und spülen passende Jobangebote in die Newsfeeds. Wie sollte man da nicht auf die Ide
Erscheint lt. Verlag | 16.9.2020 |
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Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Demografischer Wandel • demographischer Wandel • Fachkräftemangel • Mitarbeitersuche • Personalführung • Recruiting • Unternehmenskultur |
ISBN-10 | 3-593-44472-0 / 3593444720 |
ISBN-13 | 978-3-593-44472-7 / 9783593444727 |
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