Eroberung (eBook)

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2020 | 1. Auflage
384 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00696-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eroberung -  Laurent Binet
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Was, wenn in der Geschichte Europas zwei Dinge anders gelaufen wären? Erstens: Die Wikinger wären mit Pferden und eisernen Waffen bis nach Südamerika gesegelt. Zweitens: Kolumbus hätte Amerika nicht entdeckt. In diesem Fall erobern die Inkas Europa. Sie landen im 16. Jahrhundert in Portugal, besiegen Karl V. in Frankreich und die Anhänger der Inquisition in Spanien. In Deutschland helfen ihnen die Fugger, das viele Gold zu verteilen. Im Herzen von Paris wird eine Pyramide errichtet, in Wittenberg schlägt man nach Luthers Tod die '95 Thesen der Sonne' an. Federschmuck ziert die Häupter der Europäer, auf den Feldern wächst Chinoa, Schafe sind heilig... Wie ginge es uns heute, fragt Binet, wären wir statt der kapitalistischen Ideologie den Lehren des Inkahäuptlings Atahualpa gefolgt? Eine mit sprühendem Witz geschriebene Alternativweltgeschichte, ein fulminantes Vexierspiel, ein brillanter Abenteuerroman. Laurent Binets Bücher sind internationale Bestseller, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Die 'Eroberung' Europas durch die Inkas wird in zwanzig Sprachen übersetzt und als Serie verfilmt.

Laurent Binet wurde 1972 in Paris geboren und hat in Prag Geschichte studiert. Jetzt lebt er in Paris. Sein erster Roman «HHhH» gewann den Prix Goncourt du Premier Roman und wurde von der New York Times zu den 100 besten Büchern des Jahres 2012 gewählt. 'Die siebte Sprachfunktion' wurde mit dem Prix Interallié und dem Prix du Roman Fnac ausgezeichnet. Für 'Die Eroberung' erhielt Binet den Grand Prix de l'Académie française, der Roman war in Frankreich ein großer Bestseller und wird als Serie verfilmt.

Laurent Binet wurde 1972 in Paris geboren und hat in Prag Geschichte studiert. Jetzt lebt er in Paris. Sein erster Roman «HHhH» gewann den Prix Goncourt du Premier Roman und wurde von der New York Times zu den 100 besten Büchern des Jahres 2012 gewählt. "Die siebte Sprachfunktion" wurde mit dem Prix Interallié und dem Prix du Roman Fnac ausgezeichnet. Für "Die Eroberung" erhielt Binet den Grand Prix de l'Académie française, der Roman war in Frankreich ein großer Bestseller und wird als Serie verfilmt. Kristian Wachinger, geboren 1956 in München, gelernter Verlagsbuchhändler, studierte Germanistik und Romanistik in München, Hamburg und in Frankreich. Er lebt und arbeitet als Lektor und Übersetzer in München.

6. Chichén Itzá (Mexiko)


Von Freydis ist zu berichten, dass sie sich nach Westen aufmachte und, zusammen mit ihrer Tochter Gudrid sowie ihrem Gemahl Thorvard und ihren Gefährten, an der Küste entlangfuhr. Sie fanden heraus, dass das Land, das sie hinter sich ließen, tatsächlich eine Insel war. Und dann wollte Freydis wieder einmal Kurs nach Süden nehmen. Doch ihre Gefährten weigerten sich, auch nur einen einzigen Tag länger zu segeln, solange sie nicht wussten, wohin die Reise ging. Da schlug ihnen Freydis vor, die Balken des Thor-Tempels ins Meer zu werfen, damit sie ihnen den Weg wiesen. Sie erklärte, man würde dort an Land gehen, wo Thor die Balken ans Ufer trieb. Kaum waren sie über Bord, wurden die Balken gegen das am weitesten westlich gelegene Land getrieben, und den Männern vom Schiff schien es, dass sie sich schneller als erwartet entfernten. Dann kam eine Brise auf; vor dem Kap einer Insel, die sie Fraueninsel nannten, setzten sie Segel gen Westen. Sie sichteten ein großes Land, das sie für das Festland hielten, und fuhren in einen Fjord. Sie sahen, dass er riesig war, breit und tief, und rundherum von hohen Bergen gesäumt. Freydis benannte diesen Fjord nach ihrer Tochter. Danach kundschafteten sie die Umgebung aus und entdeckten, dass Thor mit den Balken einen Felsvorsprung am nördlichen Ende einer Bucht getroffen hatte.

Es gab einen Fluss voller Untiefen, in den die Knorr aber wegen ihres geringen Tiefgangs einfahren konnte. Sie fuhren flussaufwärts und gelangten zu einem Dorf. Es war schon spät, die Sonne war kurz vor dem Untergehen, und so führte Freydis ihre Leute zu Sandbänken am gegenüberliegenden Ufer. Am nächsten Tag kamen mehrere Skrälinger mit Booten; sie brachten ihnen Hühner mit roten Köpfen und etwas Mais, kaum ausreichend, um ein paar Mann satt zu machen. Sie erklärten ihnen, sie sollten die Lebensmittel nehmen und verschwinden. Nun wollten die Grönländer aber gerne bleiben, schließlich hatte Thor ihnen diesen Ort gewiesen. So kamen die Skrälinger wieder, diesmal im Kriegsgewand, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, mit Lanzen und Schilden. Den Grönländern, die zu erschöpft waren, um zu fliehen, blieb nur die Wahl, zu kämpfen. Doch bald wurden sie von der Überzahl der Skrälinger überwältigt, die zehn von ihnen verletzten und sie alle gefangen nahmen.

Sie hätten sie wohl auf der Stelle dahingemetzelt, hätte sich nicht vor ihren Augen ein unerwartetes Schauspiel zugetragen. Einer der Grönländer, der beritten kämpfte, fiel vom Pferd, und das erschreckte die Skrälinger zutiefst, sie stießen wilde Schreie aus. Sie hatten tatsächlich gedacht, Ross und Reiter seien eins. Sie hielten Rat, und dann stellten sie die Grönländer in einer Reihe auf, fesselten sie aneinander und führten sie ab. Auch ihre Tiere und Waffen nahmen sie mit.

In drückender Hitze durchquerten sie Wälder und Sumpflandschaften. Die Luft war so feucht, dass sich die Nordmänner fühlten wie Schnee, der im Feuer schmilzt. Schließlich kamen sie in eine Stadt, wie sie noch keine zuvor gesehen hatten. Aus Stein gebaute Tempel gab es da und mehrgeschossige Pyramiden und Kriegerstandbilder, in einem Säulengang aufgereiht, sowie beeindruckende Skulpturen von Schlangenköpfen, die an den Bug von Knorren und Langschiffen erinnerten, außer, dass diese Schlangen gefiedert waren.

Sie wurden in eine H-förmige Arena geführt, wo gerade ein Ballspiel stattfand. Zwei Mannschaften standen einander gegenüber, jede auf ihrer Hälfte des Feldes, und spielten sich eine dicke Kugel zu, die aus einem eigenartigen Stoff bestand, zugleich weich und hart, und beim Abprallen sehr hoch sprang. Ziel des Spiels, soweit sie verstanden, war, diese Kugel ins gegnerische Gelände zu bugsieren und in der Luft zu halten, ohne dazu Hände oder Füße zu benutzen, sondern nur Hüften, Ellbogen, Knie, Gesäß und Unterarm. Wo die beiden Hälften des Feldes aneinanderstießen, schlossen sich zwei Steinringe an die Mauer um die Grube an, aber die Grönländer kamen noch nicht dahinter, was es mit denen auf sich hatte. Tribünen erlaubten einem großen Publikum, dem Spiel zuzusehen. Als die Partie zu Ende war, wurden ein paar Spieler geopfert, indem man ihnen den Kopf abschnitt.

Zwölf Grönländer, darunter Freydis und ihr Gemahl Thorvard, wurden in die Grube geworfen. Am anderen Ende des Feldes standen ihnen zwölf Skrälinger gegenüber, die nur Knie- und Ellbogenschutz trugen. Die Partie wurde angepfiffen, und die Grönländer, die das Spiel nie zuvor gespielt hatten, mussten hinnehmen, dass der Ball auf ihrem Feld zu Boden fiel und sie ihn nicht zurückspielen konnten oder dass sie, wenn es doch einmal gelang, dabei Fehler machten, indem sie die Regeln eines Spiels verletzten, von dem sie überhaupt keine Ahnung hatten. Je mehr sie verloren, desto größer wurde die Furcht, die sie überkam, denn sie begriffen, dass sie im Fall einer Niederlage geopfert würden. Da streifte der Ball einen der Steinringe, allerdings ohne hineinzufallen, und daraufhin war in den Rängen der Zuschauer ein Raunen zu hören. Sogleich hielt Freydis ihre Mitspieler dazu an, auf den Ring zu zielen. Ihrem Gemahl Thorvard gelang mit Hilfe seines Knies ein glücklicher Schuss, sodass sich die Kugel in die Lüfte erhob und in hohem Bogen – unter dem begeisterten Geschrei des Publikums – durch den Ring fiel. Unmittelbar danach war die Partie zu Ende und die Grönländer wurden zu Siegern erklärt. Der gegnerische Mannschaftskapitän wurde geköpft. Doch was die Grönländer nicht wussten, war, dass in gewissen Ausnahmefällen auch der beste Spieler der siegreichen Mannschaft hingerichtet wurde, was er als besondere Auszeichnung zu betrachten hatte. So wurde Thorvard, dem Gemahl von Freydis, der Kopf abgetrennt vor den Augen seiner Frau und der in den Armen ihrer Mutter weinenden Adoptivtochter Gudrid. Dann sagte Freydis zu ihren Gefährten: «Wir sind auf Gedeih und Verderb in der Hand von Skrälingern, die viel wilder sind als Trolle, und wenn wir überleben wollen, müssen wir uns bei ihnen beliebt machen, indem wir alles tun, was sie von uns fordern.» Dann sang sie ein Lied:

Hört, was ich über Thorvard vernahm

Sein Leben im Süden ans Ende kam

Wie grausam die Norne, dass Odin erwählt

Weit vor der Zeit den Klingenheld

Und nachdem ihr Gesang sich in die Lüfte erhoben hatte, fiel er zum großen Erstaunen der Skrälinger am Ende wieder herab wie ein Pfeil:

So halt mich nicht für wutgenarrt,

Auf bessern Augenblick ich wart’.

Thorvards Leiche wurde feierlich in einem See tief in einer Schlucht versenkt. Die anderen Grönländer blieben verschont, wurden aber als Sklaven behandelt. Manche arbeiteten im Salztagebau oder in Baumwollplantagen, so wie es die Schweden damals aus Myklagård berichtet hatten, und dies waren die schwersten Arbeiten. Andere arbeiteten als Hausbedienstete oder bei Kultritualen für die Skrälingergötter, vornedran die gefiederte Schlange Kukulkán und der Regengott Chac.

Eines Tages kam Freydis in die Nähe einer Skulptur, die einen mit angewinkelten Knien liegenden Mann darstellte, der sich auf die Ellbogen stützte und das gekrönte Haupt zur Seite drehte. Der Skrälingerfürst, in dessen Diensten Freydis nun stand, erläuterte mit Zeichensprache, dass es sich um den Regengott Chac handelte. Da ging sie einen Hammer holen und legte ihn der Skulptur auf den Bauch. Zum Fürsten sagte sie, sie kenne diesen Gott sehr wohl, unter dem Namen Thor. Ein paar Tage später ging ein heftiges Unwetter über der Stadt nieder. Nun hatte die lange Dürrezeit ein Ende.

Ein anderes Mal vergnügte sich Freydis’ Tochter Gudrid mit einem Skrälingerspielzeug, das kleine Räder hatte. Freydis wunderte sich, dass die Skrälinger außer diesem Spielzeug keinen Karren und auch keinen Pflug hatten. Sie aber zeigten kein Interesse an solch großen Fahrzeugen, die zu schwer waren, um von Menschenhand gezogen oder geschoben zu werden. So trug Freydis ihren Gefährten auf, einen Karren zu bauen, und schickte nach einer Stute, die sie davorspannte. Die Skrälinger waren sehr froh über diese Entdeckung, und sie wurden es noch viel mehr, als ihnen klar wurde, dass ein Karren mit eiserner Pflugschar, der von einem Pferd oder Rind gezogen wurde, im Ackerbau eine große Erleichterung war und auch den Ertrag des Baumwollanbaus steigern konnte. So trug Freydis zum Gedeihen der Stadt bei, denn diese ertauschte mit ihrer Baumwolle bei den benachbarten Städten Mais und Edelsteine.

Zum Zeichen der Dankbarkeit gewährten sie Freydis und ihren Gefährten das Recht, Schokolade zu trinken, ein schäumendes Getränk, auf das sie viel Wert legten, das Freydis jedoch bitter fand.

So waren die Grönländer bald keine Sklaven mehr, sondern wurden wie Gäste behandelt. Man erlaubte ihnen, bei den Ballspielen dabei zu sein und an der Zeremonie um heilige Brunnen teilzunehmen. Die Skrälinger brachten ihnen Sternkunde bei und Grundkenntnisse ihrer Schrift, deren Zeichen wie Runen aussahen, aber sehr viel ausgefeilter wirkten.

Für eine Weile konnten sie glauben, dass die Todesgöttin Hel sie endlich vergessen habe. Doch so unachtsam war Lokis Tochter nicht. Die ersten Skrälinger wurden krank. Man gab ihnen viel Schokolade zu trinken, aber am Ende starben sie doch. Freydis wusste, sie würden in Bälde dahinterkommen, dass die Fremden ihnen die Seuche gebracht hatten. Eilends bereitete sie die Flucht ihrer Leute vor. In einer mondlosen Nacht stahlen sie sich mitsamt ihrem Vieh aus der Stadt hinaus auf die Straße, die zur Küste führte, um zu ihrem Schiff zu gelangen. Die Stute, die den Wagen zog, war trächtig und fiel zurück, aber sie wollten sie nicht alleinlassen. Am Morgen hörten sie...

Erscheint lt. Verlag 17.11.2020
Übersetzer Kristian Wachinger
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuergeschichten • alternative Weltgeschichte • Alternativwelt • Alternativweltgeschichte • Entdeckungen • Französische Literatur • Historischer Roman • Königshäuser • Südamerika
ISBN-10 3-644-00696-2 / 3644006962
ISBN-13 978-3-644-00696-6 / 9783644006966
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