Madame Curie und die Kraft zu träumen (eBook)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
464 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2380-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Madame Curie und die Kraft zu träumen -  Susanna Leonard
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
'Träume dir dein Leben schön, und mach aus diesen Träumen eine Realität.' Marie Curie Paris, 1891. Schon als Kind träumte Marie davon, eines Tages der Enge ihrer von Russland besetzten polnischen Heimat zu entfliehen. Nun, 20 Jahre später, erfüllt sich dieser Traum: Marie darf an der Sorbonne studieren. Dafür musste sie hart kämpfen, denn eine Frau ist in der Welt der Wissenschaft nicht gern gesehen. Doch Marie weiß, was sie will. Trotz aller Anfeindungen stürzt sie sich in die Forschung - und ins Leben. Als sie dem charmanten Physiker Pierre Curie begegnet, ist ihr Glück perfekt. Pierre wird ihre große Liebe, eine Liebe, die ihresgleichen sucht. Mit Pierre erzielt sie bahnbrechende Erfolge. Doch der Preis dafür ist hoch, und Marie ahnt nicht, welche tragischen Schicksalsschläge das Leben noch für sie bereithält. Forscherin, Rebellin, Liebende - die Geschichte einer einzigartigen Frau, die die Welt verändern sollte

Susanna Leonard wuchs in Karlsruhe und in Paris auf und liebt bis heute das französische Savoir-vivre. Ihre Bewunderung für mutige Frauen und ihre Liebe zu Paris brachten sie auf die Idee, einen Roman über eine der bekanntesten Persönlichkeiten, die in Paris gewirkt haben, zu schreiben: Marie Curie. Mit der Veröffentlichung von Madame Curie und die Kraft zu träumen geht für die Autorin ein Herzenswunsch in Erfüllung.

Susanna Leonard wuchs in Karlsruhe und in Paris auf und liebt bis heute das französische Savoir-vivre. Ihre Bewunderung für mutige Frauen und ihre Liebe zu Paris brachten sie auf die Idee, einen Roman über eine der bekanntesten Persönlichkeiten, die in Paris gewirkt haben, zu schreiben: Marie Curie. Mit der Veröffentlichung von Madame Curie und die Kraft zu träumen geht für die Autorin ein Herzenswunsch in Erfüllung.

2
Iwanow


Warschau, Winter 1875

Tupcia erzählte, und zwanzig Mädchen hingen an ihren Lippen. Eigentlich hieß Tupcia Fräulein Tupalska, doch die Mädchen benutzten nur ihren Spitznamen, wenn sie über ihre Lehrerin sprachen. Tupcia erzählte auf Polnisch. Und sie erzählte von polnischen Königen, polnischen Heerführern, polnischen Siegen, polnischen Rebellen.

Mania schaute hinauf zu der kleinen dicklichen Frau mit dem breiten, etwas derben Gesicht, die vor der Klasse auf ihrem Katheder thronte. Jedes ihrer Worte sog sie in sich auf, denn Tupcias Geschichtsunterricht fand sie beinahe noch spannender als ihren Mathematikunterricht. Manchmal deutete die Lehrerin von ihrem Katheder herab auf eines der Mädchen und stellte eine Frage. Auf Polnisch. Und das angesprochene Mädchen stand auf und antwortete auf Polnisch.

Draußen vor den hohen Fenstern schneite der Schnee die Bäume, die Wege und die Wiesen des Sächsischen Gartens weiß, an den die kleine Warschauer Privatschule grenzte; hier drinnen lauschten etwa zwanzig Mädchen polnischer Geschichte. Konzentrierte Stille herrschte. Das Verbotene zu tun – Polnisch sprechen, noch dazu über polnische Geschichte – schweißte die Schülerinnen und ihre Lehrerin zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammen.

Tupcia stieg von ihrem Katheder herunter, um den Namen eines polnischen Königs an die Tafel zu schreiben. Mania schaute in das Schneetreiben vor dem Fenster, und sofort stand ihr wieder das liebe Gesicht der Mutter vor Augen. Mutter – ihr erster Gedanke beim Aufstehen, ihr letzter vor dem Einschlafen.

Die Mutter war nicht zu Hause. Schon seit Monaten nicht. Sie erholte sich in einer Stadt namens Nizza von einer Krankheit, deren Namen noch keiner vor Manias Ohren ausgesprochen hatte. Sosehr sie auch grübeln mochte, die Krankheit ihrer Mutter blieb ihr ein Rätsel. Damit die Mutter nicht traurig wurde vor Einsamkeit, hatte der Vater entschieden, dass Manias große Schwester Sofia sie nach Frankreich begleitete.

Mania vermisste beide. Oft so sehr, dass es wehtat und sie weinen musste.

Von der fernen Mutter mit ihrer rätselhaften Krankheit flogen Manias Gedanken zur Mutter ihrer Freundin Kazia, die sie heute Morgen auf der Vortreppe des Schulportals beobachtet hatte – die hatte ihre Tochter zum Schulhaus begleitet und Kazia zum Abschied in den Arm genommen und geküsst.

Das zu beobachten, hatte Mania traurig gemacht. Weil ihre Mutter sie nicht zu Schule bringen konnte? Wahrscheinlich auch deswegen. Vor allem aber, weil ihre Mutter sie noch nie umarmt und geküsst hatte. Jedenfalls konnte sie sich an keine Umarmung und keinen Kuss der Mutter erinnern. Tante Lucia dagegen – die Schwester des Vaters, die oft im Haushalt aushalf –, ja, die küsste und umarmte Mania und die Geschwister.

Von ihrem Fensterplatz in der dritten Reihe aus lugte sie hinüber in die Mitte der vorderen Reihe, wo ihre Schwester Helena neben der geküssten Kazia saß. Ganz bestimmt hatte Hela die zärtliche Umarmung zwischen Mutter und Tochter auch beobachtet; sie waren ja zusammen zur Schule gekommen. Ob der Anblick sie genauso traurig gemacht hatte?

Wie alle Mädchen in der Klasse trugen Hela und Kazia straff geflochtene Zöpfe und die vorgeschriebene dunkelblaue Schuluniform mit den blanken, stählernen Knöpfen. Kazia und Hela waren ein Jahr älter als Mania, viele Mädchen der Klasse sogar zwei Jahre älter sie. Mania, die noch nicht ganz Achtjährige, war dennoch die Klassenbeste. In Mathematik, in Geschichte, in allem. Manchmal gefiel ihr das, öfter jedoch war es ihr peinlich, ja unangenehm, denn manche Mädchen der Klasse ärgerten sich darüber.

»Natürlich küsst uns die Mama!«, hatte Hela behauptet, als Mania sie danach gefragt hatte. »Was denkst du denn?! Die Mama ist nur ein bisschen krank.«

Beides stimmte nicht. Sie, Mania, war noch nie von der Mutter geküsst worden. Und die Mutter war auch nicht nur ein bisschen krank, sondern sehr krank. Sonst würde sie ja nicht schon fast ein Jahr in Frankreich leben, am Meer. Zur Kur, wie der Vater das nannte. Es war bereits die zweite Kur der Mutter. Beide hatten den Vater viel Geld gekostet. Und Mania viele Tränen.

Hoffentlich half es der Mutter im fernen Nizza, jeden Tag Manias große Schwester Sofia um sich zu haben; hoffentlich half es ihr gegen Einsamkeit und Traurigkeit. Mania half es nicht. Sie verehrte und liebte ihre große Schwester, wie andere eine Heilige liebten und verehrten. Sofia nahm sie wenigstens hin und wieder in den Arm und küsste und herzte sie.

»Was kannst du uns über diesen polnischen Herrn sagen, Maria Skłodowska?« Tupcia deutete auf den Namen, den sie an die Tafel geschrieben hatte. Hatte sie etwa gemerkt, dass Manias Gedanken abgeschweift waren?

Mania, die nur außerhalb der Familie mit ihrem richtigen Vornamen Maria angesprochen wurde, stand auf und sagte, was sie wusste: dass die polnischen Grafen und Ritter Stanislaus August Poniatowski 1764 zum polnischen König gewählt hatten, dass er ein sehr gebildeter Mann gewesen war, der die Literatur und die Musik liebte, dass er die Ordnung im Staate Polen wiederherstellen wollte und dass ihm das nicht gelungen war. Das alles sagte sie natürlich auf Polnisch.

Tupcia nickte zufrieden, stieg zurück auf ihren Katheder und nahm wieder das polnische Geschichtsbuch zur Hand, aus dem sie zitiert hatte. Mania setzte sich, und ihre Lehrerin erklärte, dass der König Stanislaus August leider kein sehr mutiger Mann gewesen sei.

In diesem Augenblick ertönte die Schulglocke.

Plötzlich herrschte Totenstille im Klassenraum. Alle saßen kerzengerade und wie erfroren. Tupcia ließ das Buch fallen und hob abrupt den Kopf. Mania hielt den Atem an, denn das derbe und sonst so rosige Gesicht ihrer Lehrerin hatte auf einmal die Farbe von Schnee.

Die Unterrichtsstunde war noch nicht einmal zur Hälfte vorüber, und dennoch läutete die Schulglocke?

Jedes Mädchen wusste, was das zu bedeuteten hatte, und Tupcia wusste es auch: eine Warnung des Hausmeisters! Ein russischer Inspektorenbesuch stand kurz bevor!

Und dann ging alles blitzschnell: Tupcia zischte ein paar Kommandos, packte ihr polnisches Geschichtsbuch, raffte auch alle anderen polnischen Bücher zusammen und sprang vom Katheder. Zwei Mädchen aus der vorderen Reihe wischten den Namen des polnischen Königs von der Tafel, während andere Hefte und Bücher von den Pulten der Schülerinnen einsammelten und zu den Mädchen schafften, die in der ersten Reihe dicht an der Tür zu den Schlafsälen saßen. Die sammelten alles in den Schürzen ihrer Schuluniformen und trugen die verräterischen Sachen aus dem Unterrichtsraum in die Schlafsäle.

Lärm und hektisches Treiben erfüllten den Raum. Türangeln quietschten, Stuhlbeine scharrten, Kleider raschelten, Schuhsohlen knallten über den Boden, geflüsterte Anweisungen schwirrten durch die Luft, Pultdeckel knarrten und fielen wieder zu.

Mania warf ihr Handarbeitszeug auf das Pult, sprang ans Fenster und schaute in das Schneetreiben hinaus: Eine prächtige Kutsche mit einem Gespann aus vier Pferden stand vor dem Tor des Sächsischen Gartens. Schnee bedeckte das Kutschendach und die Schabracken der Pferde. Von demjenigen, den die Pferde durch Warschau gezogen und hierhergebracht hatten, sah Mania nur die Spuren im Schnee auf dem Weg zwischen Tor und Vortreppe. Der russische Inspektor war längst im Haus.

Kurze Zeit später saßen alle wieder auf ihren Plätzen. Tupcia, auf ihrem Katheder, las aus einem russischen Erzählband, und die Mädchen beugten sich beflissen über ihre Stickrahmen, Näh- und Häkelarbeiten und ließen die Nadeln mit den bunten Fäden ein- und auftauchen.

Mania stickte rote und gelbe Blumen auf eine dunkelgraue Schürze, die sie Sofia beim Wiedersehen schenken wollte. Ängstlich lauschte sie den Schritten, die draußen im Treppenhaus nun immer deutlicher zu hören waren. Bald hörte sie auch Stimmen, und dann, ohne dass jemand geklopft hätte, wurde die Tür aufgerissen.

Ein großer massiger Mann trat in den Unterrichtsraum. Schmelzender Schnee lag auf seiner Pelzmütze und den Schultern seines Pelzmantels. Unter dem Pelz trug er gelbe Hosen und einen blauen Rock mit goldglitzernden Knöpfen. Hinter seiner Goldrandbrille zuckten unruhige und hellwache Augen hin und her.

Die Vorsteherin, Madame Sikorska, folgte ihm und schloss die Tür hinter sich. »Ihr kennt ja den Herrn Inspektor.« Sie wusste natürlich Bescheid, unterrichtete ja selbst auf Polnisch, wann immer es möglich war. »Wollt ihr ihn nicht begrüßen?«

Mania und die Mädchen standen auf und riefen im Chor: »Guten Morgen, Herr Inspektor!«

Langsam und die Arme auf dem Rücken verschränkt, schritt Iwanow an der ersten Bankreihe vorbei zu Tupcias Katheder hin, dabei ließ er seinen hellwachen Blick über die Gesichter der Mädchen wandern. Schmelzwasser tropfte von seiner Pelzmütze, und die Absätze seiner Stiefel hinterließen kleine Pfützen auf den Bodendielen.

Der Inspektor hieß Hornberg, nicht Iwanow, doch Mania nannte ihn nur nach dem Namen jenes russischen Schuldirektors, der ihren Vater dabei ertappt hatte, wie er seinen Schülern...

Erscheint lt. Verlag 31.8.2020
Reihe/Serie Ikonen ihrer Zeit
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Biografie Frauen • Chemikerin • Entdeckung der Radioaktivität • Entdeckung der Röntgenstrahlung • Erste Liebe • Fliegende Universität • Förderung von Frauen • Frau in Männerbereich • Große Gefühle • Große Liebe • Ikone • Labor • Marie Curie • Muse • Nobelpreise • Nobelpreisgewinnerin • Physikerin • Pierre Curie • Polonium • Radioaktivität • Radiologin • Radium • Sorbonne • Starke Frau • Studium • Wissenschaftlerin
ISBN-10 3-8437-2380-X / 384372380X
ISBN-13 978-3-8437-2380-0 / 9783843723800
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,8 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99