Unter Wölfen - Der verborgene Feind (eBook)

Kriminalroman - Nürnberg 1942: Isaak Rubinstein ermittelt

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
352 Seiten
Limes (Verlag)
978-3-641-26850-3 (ISBN)

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Unter Wölfen - Der verborgene Feind -  Alex Beer
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Ein jüdischer Antiquar, getarnt als hochrangiger Nazi-Ermittler ... »Alex Beer kann einfach historische Spannung.« Emotion
Nürnberg, April 1942: Der jüdische Antiquar Isaak Rubinstein, der sich noch immer als Sonderermittler Adolf Weissmann ausgibt, lässt sich auf eine Liaison mit der Nazigröße Ursula von Rahn ein. Durch sie erhält er Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen und bekommt Einsicht in die Pläne der Gegenseite. Doch dann wird Nürnberg plötzlich von brutalen Morden erschüttert. Zwei junge Frauen werden erdrosselt aufgefunden. Ausgerechnet Isaak bekommt von Berlin die Order, den »Würger« aufzuspüren. Darüber hinaus hat er noch ganz andere Probleme: Seine Popularität hat Neider auf den Plan gerufen und besonders ein Mann könnte ihm gefährlich werden ...
Alle Bücher der Serie:
Unter Wölfen (Bd. 1)
Unter Wölfen - Der verborgene Feind (Bd. 2)
Die Kriminalinspektor-Emmerich-Reihe:
Der zweite Reiter: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 1)
Die rote Frau: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 2)
Der dunkle Bote: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 3)
Das schwarze Band: Ein Fall für August Emmerich (Bd. 4)

Alex Beer, geboren in Bregenz, hat Archäologie studiert und lebt in Wien. Ihre spannende Krimi-Reihe um den Ermittler August Emmerich erhielt zahlreiche Shortlist-Nominierungen (u.a. für den Friedrich Glauser Preis, Viktor Crime Award, Crime Cologne Award) und wurde mit dem Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur 2017 und 2019 sowie dem Krimi-Publikumspreis des Deutschen Buchhandels MIMI 2020 prämiert. Auch der Österreichische Krimipreis wurde der Autorin 2019 verliehen. Neben dem Wiener Kriminalinspektor hat Alex Beer mit Felix Blom eine weitere faszinierende Figur erschaffen, die im Berlin des ausgehenden 19. Jahrhundert ermittelt und für den sie mit dem silbernen Homer 2023 ausgezeichnet wurde.

2

Als der dunkle Horch, der gerade im Schritttempo an ihm vorbeigefahren war, ohne ersichtlichen Grund nur wenige Meter vor ihm stehen blieb, beschleunigte sich sein Herzschlag. War nun der Moment gekommen, den er seit Wochen fürchtete? Jener Augenblick, in dem das Damoklesschwert, das all die Zeit über ihm gehangen hatte, auf ihn herabsausen und seinem Dasein ein Ende bereiten würde?

Langsam öffnete sich eine der Türen im Fond, ein korpulenter Mann streckte seinen Kopf ins Freie und musterte ihn. »Weissmann«, rief er schließlich, wobei sein ausgeprägtes Doppelkinn wackelte. »Sie sind doch Adolf Weissmann?«

Isaak Rubinstein schluckte und nickte schließlich. »Der bin ich.«

»Sie sind sicher auf dem Weg zu Otto von Rahn«, rief der Mann. »Steigen Sie ein, ich nehme Sie mit.«

Wenn er ebenfalls bei den von Rahns eingeladen war, musste der Kerl ein hochrangiger Nazi sein. Die Vorstellung, auf engstem Raum Zeit mit ihm zu verbringen, auch wenn es nur wenige Minuten waren, ließ Isaak erschaudern. »Nein, danke«, winkte er ab. »Ich kann ein bisschen Bewegung gut gebrauchen, und es ist ja auch nicht mehr weit.« Demonstrativ setzte er seinen Weg fort. »Bis gleich«, sagte er, als er den Wagen passierte.

»Wie Sie meinen.« Der Mann zuckte mit den Schultern und schlug die Tür zu.

Isaak wartete, bis das Automobil außer Sichtweite war, dann atmete er erleichtert auf. »Nicht mehr lange«, redete er sich selbst gut zu. Nur noch diese eine Sache. Danach würde er endlich nach Berlin verschwinden und dort untertauchen. Endlich würde er seine Familie wiedersehen und Clara, seine große Liebe, die dort in einem Versteck auf ihn warteten.

Während er durch die von Bäumen gesäumten Straßen des Nürnberger Villenviertels Erlenstegen spazierte, blickte er nach oben in den Himmel, an dem graue Wolken stetig dahintrieben. Er stellte sich vor, ganz leicht zu sein, zu ihnen hochzusteigen und mit ihnen davonzuziehen. Fort. Weit fort. Hinaus aus dieser Stadt. Hinaus aus diesem Reich. An einen Ort, an dem er wieder er selbst sein konnte, an dem seine Familie in Sicherheit war und an dem er und Clara nichts weiter als gewöhnliche Liebende wären.

Doch er war zu schwer für den Wind, schleppte zu viel Gewicht mit sich herum. Darum musste er noch bleiben. Noch für einige wenige Stunden war er gezwungen, die Rolle seines Lebens zu spielen.

Isaak Rubinstein gab Adolf Weissmann.

Er war ein Jude unter Nazis, ein Lamm unter Wölfen.

Isaak hatte – zugegeben nicht ganz freiwillig – die Identität eines mittlerweile toten Kriminalinspektors angenommen, immer in der Hoffnung, etwas für die elf Millionen Juden tun zu können, die die Nazis auszulöschen gedachten.

In Weissmanns Namen hatte er sich offiziell für einen Monat vom Dienst beurlauben lassen und war eine Liaison mit Ursula von Rahn eingegangen. Die schöne Sekretärin von Gestapo-Chef Georg Merten war nicht nur ein schillerndes Mitglied der besseren Gesellschaft, sondern auch die Tochter eines einflussreichen Industriellen. Durch sie hatte er sich Zugang zu wichtigen Informationen erhofft, doch leider hatte sich herausgestellt, dass sein Plan weitaus schwieriger umzusetzen war als gedacht.

Der Großteil seiner Energie war nämlich in die Aufrechterhaltung seiner Deckung geflossen. Anstatt kriegswichtige Geheimnisse an den Widerstand weiterzuleiten, hatte er sich darin geübt, wie ein echter Nationalsozialist zu sprechen, zu gehen und zu denken. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit hatte er den Führer gepriesen, den Vormarsch der Wehrmacht bejubelt und die Wichtigkeit des Ostfeldzugs betont. Die Worte »Sieg Heil!« und »Heil Hitler!« kamen ihm mittlerweile flüssig über die Lippen, und die bei der SS übliche Tätowierung der Blutgruppe unter der Achsel hatte er sich auch stechen lassen.

All das hatte er auf sich genommen und stand doch noch immer mit leeren Händen da. Hoffentlich würde sich das heute Abend ändern.

Isaak stellte den Kragen seines Mantels hoch, zog den Kopf ein und stemmte sich gegen den kalten Wind, der helle Kinderstimmen an sein Ohr wehte.

Deutschland, heiliges Wort,

Du voll Unendlichkeit!

Über die Zeiten fort

Seist Du gebenedeit …

Das mussten die zehnjährigen Jungen und Mädchen sein, die heute ihre Aufnahme in das deutsche Jungvolk und den Jungmädelbund feierten. Kinder, die auf den Krieg vorbereitet und darauf eingeschworen wurden, Menschen wie ihn zu töten.

Isaak konnte direkt vor sich sehen, wie die unschuldigen Seelen sich mit leuchtenden Augen und strahlenden Herzen dem Führer am Vorabend seines Geburtstags selbst zum Geschenk machten. Führer, befiehl, wir folgen dir.

Was war nur aus dieser Welt geworden?

Die Uhr einer nahen Kirche schlug Viertel vor sieben. Er musste sich beeilen. Auf keinen Fall wollte er zu spät kommen. Isaak beschleunigte seine Schritte und eilte weiter bis zu der neoklassizistischen Villa, in der die Familie von Rahn residierte. Er ging über den kiesbedeckten Weg, der durch den Vorgarten führte, wobei die kleinen Steinchen wie morsche Knochen unter seinen Sohlen knirschten. Krähen zogen laut krächzend am Himmel ihre Kreise, während er die Stufen hoch bis zur Eingangstür stieg, die von einem Säulenportikus überkrönt wurde.

Bevor er die Türglocke betätigte, richtete er seine Krawatte und versuchte, seinen Puls unter Kontrolle zu bekommen. Im Inneren des Hauses war schließlich eine Handvoll hochrangiger Nazi-Funktionäre zum Abendessen versammelt, und Isaak sah sich mit einer ganz besonderen Gefahr konfrontiert: Was sollte er tun, wenn einer von ihnen den echten Weissmann kannte?

Noch bevor er wusste, wie ihm geschah, öffnete sich die Tür von allein. Wärme und der würzige Duft von frisch gekochtem Essen schlugen ihm entgegen, und eine betagte, recht hagere Frau, bei der es sich wohl um die Haushälterin handelte, musterte ihn mit kritischem Blick. Sie studierte die dunklen Schatten unter seinen Augen und seine Haut, die von geradezu ungesunder Blässe war. »Sie werden erwartet?«, fragte sie in einem eisigen Tonfall.

Noch ehe Isaak antworten konnte, kam Ursula von Rahn herbeigeeilt. Sie war die Tochter des Hauses und stets wie aus dem Ei gepellt. Ihr dunkelblondes Haar schmiegte sich in sanften Wellen um ihr ebenmäßiges Gesicht, ihr Mund war tiefrot geschminkt, und das elegante smaragdgrüne Seidenkleid, das sie trug, schmeichelte ihren Kurven. »Er wird sogar sehnlichst erwartet.« Sie blickte die Haushälterin böse an und hauchte Isaak ein Küsschen auf die Wange. »Wissen Sie denn nicht, wer das ist?«, sagte sie vorwurfsvoll zu der alten Frau. »Das ist …«

»… der berühmt-berüchtigte Adolf Weissmann.« Ein großer stattlicher Mann war hinter Ursula aufgetaucht. Er trug einen eleganten Anzug und eine Pantobrille mit schmalem Rand. Sein volles weißes Haar war seitlich gescheitelt und streng nach hinten gekämmt. Otto von Rahn. Er war nicht nur Ursulas Vater, sondern auch der Direktor jener Maschinenfabrik, die die Motoren für die deutsche Panzer- und U-Boot Flotte herstellte. Er war es, dem Isaaks wirkliches Interesse galt.

Isaak hatte Otto von Rahn im vergangenen Monat bereits mehrfach getroffen, doch heute war das erste Mal, dass der Industrielle ihn in seine Stadtresidenz eingeladen hatte. In jenes Haus, in dem sich von Rahns Tresor befand, in dem er seine Auftragsbücher und andere wichtige Unterlagen aufbewahrte.

»Adolf ist der beste Kriminalinspektor des Reichs«, erklärte Ursula der Haushälterin, die sich jedoch wenig beeindruckt zeigte.

»Das ist heillos übertrieben«, winkte Isaak peinlich berührt ab. Er trat ein und streckte dem Hausherrn seine Hand entgegen. Doch anstatt sie zu schütteln, starrte der ihm nur direkt in die Augen und verzog dabei keine Miene.

»Ihr Mantel.« Die Haushälterin deutete auf den beigen Zweireiher, den Isaak trug.

Er zog ihn aus und reichte ihn ihr. »Vielen Dank«, sagte er betont freundlich und wandte sich erneut Otto von Rahn zu. »Danke für die Einladung, Herr von Rahn.«

Ohne ein Wort zu verlieren, drehte der sich um und verschwand.

»Vati!«, rief Ursula ihm hinterher. »Welche Laus ist dir denn heute über die Leber gelaufen?« Sie schüttelte den Kopf und hakte sich bei Isaak unter. »Er hat sicher Ärger in der Fabrik«, sagte sie und schob ihn sachte ins Innere des Hauses, dessen Zentrum eine imposante Halle bildete. »Hier geht es ins Herrenzimmer«, erklärte sie stolz und zeigte auf eine Tür. »Durch diesen Flur kommt man in den Musikraum, und da vorn sind der Salon und das Speisezimmer.«

Isaak dachte an die beengten und heruntergekommenen Verhältnisse in dem Judenhaus, in dem er und seine Familie die vergangenen Monate hatten darben müssen, und an die unwürdigen, rattenverseuchten Lager, in die die jüdische Bevölkerung verschleppt worden war. »Ich bin beeindruckt«, sagte er und zauberte Ursula damit ein Lächeln ins Gesicht. »Und oben?« Tatsächlich interessierte sich Isaak für die Architektur und Ausstattung des Hauses, doch nicht aus schöngeistigen Gründen – er wollte wissen, wie er an die Dokumente gelangen und im Fall der Fälle fliehen konnte.

»Oben befinden sich das Schlafzimmer meiner Eltern und mein ehemaliges Kinderzimmer«, gab Ursula bereitwillig Auskunft. »Sowie das Damenzimmer, der Frühstückssalon, das Bad und nach hinten raus Vaters Büro.« Sie legte den Kopf schief und sah ihn an. »Mir fällt gerade auf, dass du mir noch nie erzählt hast, wie deine Wohnung in Berlin aussieht.« Sie machte einen Schmollmund, so wie sie es immer tat,...

Erscheint lt. Verlag 12.10.2020
Reihe/Serie Isaak Rubinstein
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2. Weltkrieg • August Emmerich • Babylon Berlin • eBooks • Frank GOLDAMMER • Heimatkrimi • Historische Kriminalromane • Historischer Kriminalroman • Krimi • Kriminalromane • Krimis • NS-Widerstand • Nürnberg • Spion • Volker Kutscher • Weltkrieg • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-26850-8 / 3641268508
ISBN-13 978-3-641-26850-3 / 9783641268503
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