Die Erben von Seydell - Die Schicksalsjahre (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
480 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-24960-1 (ISBN)

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Die Erben von Seydell - Die Schicksalsjahre -  Sophie Martaler
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1914: Nach einem erbitterten Streit mit seinem Bruder hat Alexander von Seydell seine Heimat verlassen und sich in Navarra eine neue Existenz aufgebaut. Als der erste Weltkrieg ausbricht, scheint ihn das nichts anzugehen, doch wegen einer Verwechslung muss er sich der französischen Armee anschließen. Auch sein leiblicher Sohn Robert muss an die Front, wo seine Vaterlandstreue auf eine harte Probe gestellt wird. Und dann stehen sich Vater und Sohn als Feinde auf dem Schlachtfeld gegenüber. Zur gleichen Zeit kämpft Alexanders große Liebe Luise in der Lüneburger Heide um das Gestüt und das Glück ihrer Tochter ...

Hinter Sophie Martaler verbirgt sich das erfolgreiche Autorenduo Sabine Klewe und Martin Conrath. Beide lieben Bücher, seit sie lesen können, und haben Ihre ersten Geschichten in Schulhefte gekritzelt. Ihre Krimis, Thriller und historischen Romane standen mehrfach auf der Bestsellerliste und wurden in verschiedene Sprachen übersetzt. Zusammen haben die beiden bisher mehr als eine Dreiviertelmillion Bücher verkauft.

Kapitel 1


Lüneburger Heide, Mai 1914


Der Tag war kühl gewesen, und ein frischer Wind hatte Sprühregen über das Land geweht. Jetzt aber war die Wolkendecke aufgerissen, und die Abendsonne ließ die roten Backsteinmauern von Seydell warm leuchten. Das Innere des großen Herrenhauses erstrahlte festlich im Licht der unzähligen Kerzen, deren Flammen sich in den Kristallprismen des Kronleuchters spiegelten.

Luise lächelte und nippte an ihrem Champagner. Die Musik, die Gäste, das Essen und nun sogar das Wetter, alles war perfekt für die Verlobung ihrer Tochter. Es gab nur zwei Wermutstropfen: Der eine war das Fehlen ihres ältesten Sohnes Robert, der andere die Anwesenheit dieser Dirne Rebekka Stein, die in ihrem geschlitzten Kleid nach der neuesten Tango-Mode nicht einmal versuchte, den Schein zu wahren. Doch davon würde Luise sich den Abend nicht verderben lassen, sie war viel zu dankbar.

Luise fing Anna-Marias Blick auf, die selig lächelte. Wie sehr hatte Luise sich in den vergangenen Jahren gewünscht, ihre Tochter so glücklich zu sehen, doch meistens vergeblich. Sie wusste nicht mehr, wann Anna-Maria das Lächeln verloren hatte. Eines Tages jedoch war ihr aufgefallen, dass das Mädchen an der Schwermut litt und immer trübsinniger wurde. Luise hatte alles versucht, um sie aufzumuntern. Sie war mit Anna-Maria nach Berlin gereist, wo sie Konzerte und Ausstellungen besucht und im Kaufhaus Wertheim Kleider und Hüte nach der neuesten Mode gekauft hatten. Vergeblich. Luise wollte ihre Tochter auch nach Paris schicken, fest davon überzeugt, dass diese Stadt jedes Mädchen glücklich machen musste. Doch Anna-Maria hatte sich strikt geweigert. In ihrer Verzweiflung suchte Luise sogar einen Arzt auf, der ihrer Tochter Medikamente verschrieb, doch die hatten das Leiden bloß verschlimmert.

Und dann waren sie im vergangenen Sommer zum Abendessen bei der Familie Klimmeck gewesen. Lothar Klimmeck war Staatsanwaltschaftsrat in Lüneburg, er und Ludwig kannten sich von den Treffen des Alldeutschen Verbandes. An dem Abend hatte Anna-Maria Klimmecks Sohn Enno kennengelernt, der in Jena Jura studierte, und seither war sie wie ausgewechselt. Plötzlich konnte sie wieder lachen, ihre Wangen schimmerten rosig, und ihre Augen glänzten.

Deshalb hatte Luise ihren Mann dazu gedrängt, sofort der Verlobung zuzustimmen, obwohl Anna-Maria erst siebzehn war. Mit der Heirat würden die beiden ohnehin warten, bis Enno das Studium beendet hatte.

Luise trat zu ihrer Tochter. »Glücklich?«

»Ich könnte die ganze Welt umarmen!« Anna-Maria strahlte Luise an. »Ist Enno nicht wunderbar, ist er nicht der beste Mann, den eine Frau sich wünschen kann?«

Luise lächelte. »Das ist er, mein Kind.«

In ihren Augen war Enno Klimmeck ein eher unscheinbarer junger Mann, schmal gebaut und mit einem kindlichen Gesicht, dem man nicht ansah, dass er bereits zweiundzwanzig war. Seine äußere Erscheinung passte zu seinem Wesen. Er war ein gutherziger, friedfertiger Bursche, nicht so laut und wild wie viele seiner Altersgenossen. Zwar gehörte Enno der schlagenden Studentenverbindung Corps Thuringia an, doch Luise hatte den Verdacht, dass er dieser vor allem seinem Vater zuliebe beigetreten war. Lothar Klimmeck war heute in seiner Hauptmannsuniform erschienen, die noch immer perfekt saß. Überhaupt schien ihm alles Militärische überaus wichtig zu sein, mehr noch als Ludwig, der den Alldeutschen zwar nach dem Mund redete, jedoch mehr Lebemann als Militarist war.

Klimmecks Frau Dorothea war das genaue Gegenteil ihres Mannes. Üppig, warmherzig, redselig. Für die Warmherzigkeit war Luise Dorothea Klimmeck unendlich dankbar, denn sie hatte die Eigenschaft offenbar auf ihren Sohn übertragen und diesen so zu dem Mann gemacht, der Anna-Maria von ihrer Schwermut erlöst hatte.

Außer den Klimmecks hatten Ludwig und Luise ein halbes Dutzend Familien eingeladen, mit denen sie regelmäßigen Umgang pflegten. Darunter auch Kommerzienrat von Seggern und seine Frau, deren Tochter im vergangenen Jahr einen ostpreußischen Großgrundbesitzer geheiratet hatte. Es gab einmal eine Zeit, da hatte Luise gehofft, die Bankierstochter würde ihren Sohn Robert heiraten. Aber das war, bevor Ludwig seinen Erstgeborenen enterbt hatte.

Eben wegen dieses Zerwürfnisses war Robert heute nicht anwesend. Vor den Gästen hieß es, dass der junge Rittmeister in Berlin unabkömmlich sei. Tatsächlich war Robert seit jenem fatalen Sommerabend vor acht Jahren, als die Wahrheit über seine Herkunft ans Licht gekommen war, kaum ein Dutzend Mal auf Seydell gewesen, und das auch nur, weil Luise ihrem Mann mit Scheidung gedroht hatte, sollte er es nicht erlauben.

Meistens war Robert zu Weihnachten für ein paar Tage in die Lüneburger Heide gereist, außerdem im Februar vor zwei Jahren zu Luises vierzigstem Geburtstag sowie zur Beerdigung der Hauswirtschafterin Agnes Kirchhoff, die im Herbst 1910 mit sechsundsechzig Jahren tot umgefallen war. Zuvor war sie immer vergesslicher geworden, doch trotz ihrer jahrelangen Feindschaft hatte Luise es nicht übers Herz gebracht, der altgedienten Angestellten zu kündigen. Seit ihrem Tod stand das ehemalige Stubenmädchen Anni Mälzer dem Hausstand vor, das jetzt zu Luise trat.

»Es ist alles gerichtet, gnädige Frau, wir können jederzeit mit dem Auftragen der Speisen beginnen.«

»Danke, Anni.« Obwohl ihr als Hauswirtschafterin die Anrede Fräulein Mälzer zustand, nannte Luise die Frau, die genauso alt war wie sie selbst, noch immer beim Vornamen. Anni selbst hatte darauf bestanden.

Gerade wollte Luise die Gäste ins Speisezimmer bitten, wo das Diner eingenommen werden sollte, als die Türglocke einen weiteren Gast ankündigte.

Einer der Diener, die sie für den Abend gemietet hatten, eilte in die Eingangshalle. Wenig später drehten sich alle Gäste zur Tür des Salons um, wo der Neuankömmling stand. Luise entfuhr ein leiser Schrei. Anna-Maria eilte ihrem Bruder entgegen.

»Du hast es geschafft, Robert. Wie wunderbar!«

»Ich habe es dir doch versprochen, Näschen.« Er hob sie hoch und wirbelte sie herum. »Glaubst du, ich lasse mir die Verlobung meiner Schwester entgehen?«

Luise warf einen hastigen Blick zu Ludwig, der mit erstarrter Miene neben Rebekka Stein stand. Zum Glück schenkte ihm niemand Beachtung.

»Ich nehme an, das ist der Herr Rittmeister, der Erbe von Seydell«, sagte Lothar Klimmeck und streckte die Hand aus. »Hocherfreut. Klimmeck, Hauptmann der Reserve.« Er drehte sich um. »Bringt dem Mann ein Glas Champagner!«

Nun setzte das Gemurmel wieder ein. Robert wurde begrüßt und mit Fragen über die Lage in Berlin bestürmt. Ob die Gerüchte stimmten, dass es bald Krieg geben werde, ob es ihn an die Front dränge, ob man es den Franzosen wieder zeigen werde.

Robert wehrte alle Fragen mit einem Lächeln ab. »Heute geht es nicht um mich und auch nicht um das Reich, sondern einzig und allein um meine Schwester und ihren Zukünftigen«, verkündete er.

Luise wartete, bis der Trubel sich ein wenig gelegt hatte und Robert sich zu ihr gesellte. »Hallo, Mutter.« Er küsste sie auf die Wange.

»Mein Junge.« An jenem schrecklichen Tag vor acht Jahren, als sie ihm eröffnet hatte, wer sein leiblicher Vater war, hatte Luise befürchtet, dass er nie wieder ein Wort mit ihr reden würde. Tatsächlich war es schwierig gewesen, sein Vertrauen zurückzugewinnen. Umso erleichterter war sie, dass er ihr offensichtlich vergeben hatte.

»Näschen sieht glücklich aus.«

»Du sollst sie nicht so nennen, Robert. Sie ist kein Kind mehr.«

»Erinnerst du dich noch an die Zeit, als sie so neugierig war, dass sie überall ihr Näschen reingesteckt hat?«

Luise seufzte.

Robert blickte sich suchend um. »Wo steckt mein kleiner Bruder?«

Luise zuckte mit den Schultern. »Eben war er noch hier.«

Robert presste die Lippen zusammen. »Er hat sich meinetwegen verdrückt.«

»Unsinn«, widersprach Luise, obwohl sie den gleichen Verdacht hatte.

Bruno kam nach seinem Vater. Er war egoistisch, durchtrieben und missgünstig, und er hasste seinen großen Bruder. Es war fast wie damals bei seinem Vater und seinem Onkel. Bruno und Robert waren ebenso Feuer und Wasser, wie Ludwig und Alexander es gewesen waren. Als würde das Schicksal sich wiederholen.

Ein Klirren riss Luise aus ihren Gedanken. Enno Klimmeck stand in der Mitte des Salons und klopfte mit einem Silberlöffel an sein Champagnerglas. Die Gespräche verstummten, alle sahen ihn erwartungsvoll an. Er winkte Anna-Maria, die zögernd neben ihn trat. In ihrem eleganten engen Kleid mit Schleppe sah sie wunderschön aus, wie Luise voller Stolz feststellte.

»Verehrte Gäste«, begann Enno, »vor Ihnen steht ein sehr glücklicher Mann. Vor fast genau einem Jahr habe ich Anna-Maria zum ersten Mal gesehen und mich auf der Stelle unsterblich in sie verliebt. Zu meinem großen Erstaunen erwidert sie meine Gefühle.«

Einige der Umstehenden lachten leise.

»Vor sechs Wochen habe ich es nicht länger ausgehalten und um ihre Hand angehalten, und heute steht sie hier neben mir als meine Braut.«

Applaus brandete auf, Enno hob die Hand und sah seiner Verlobten in die Augen. »Als dein Ehemann möchte ich dir die Welt zu Füßen legen, meine liebe Anna-Maria, doch heute Abend ist mein Geschenk bescheidener. Sicherlich erinnerst du dich, dass alles mit einem kleinen Vogel begann.«

Luise bemerkte, wie ihre Tochter errötete.

»Diese bezaubernde junge Dame hier stieß in unserem Haus versehentlich an einen Beistelltisch, als wir einander vorgestellt...

Erscheint lt. Verlag 18.1.2021
Reihe/Serie Die Gestüt-Saga
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Schlagworte 19.Jahrhundert • eBooks • Erster Weltkrieg • Familiengeheimnis • Familiensaga • Frauenromane • Gestüt • Liebesromane • London • Lüneburger Heide • Nachkriegszeit • Navarra • Norfolk • Pferdezucht • Spanien • Zwanzigerjahre
ISBN-10 3-641-24960-0 / 3641249600
ISBN-13 978-3-641-24960-1 / 9783641249601
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