Die Piraten (eBook)

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2020 | 4. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-74486-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Piraten - Robert Bohn
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Die romantische Phantasie hat die Piraten gern zu Helden des Meeres stilisiert. Robert Bohn stellt dem die harte Wirklichkeit des Piratenlebens gegenüber. Der Schwerpunkt des anschaulich geschriebenen B uches liegt auf der Zeit der europäischen Expansion vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Als Seeraub zum Instrument der Kolonialpolitik wurde, begann das «Goldene Zeitalter» der Kaperfahrer, Freibeuter und Piraten und damit eine Plage, der die Seemächte nur mit großer Mühe Herr werden konnten.

Robert Bohn ist Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Europa-Universität Flensburg.

1. Raum und Zeit


Antike und Mittelalter.  Seitdem es Seefahrt und Seehandel gibt, gibt es Seeraub. Dieses Faktum ist ebenso simpel und einleuchtend wie die Tatsache, dass auch an Land zu allen Zeiten Raub in den verschiedensten Ausprägungen stattgefunden hat. Bis ins späte 18. Jahrhundert – und in manchen Regionen noch länger – konnte keine Seereise unternommen werden, ohne das Risiko des Seeraubes ernsthaft einzubeziehen. Das betraf Überseefahrer und Küstenfischer gleichermaßen. So ist – um beim Thema Seeraub und Piraterie nicht ins Beliebige oder Anekdotische abzugleiten – eine Abgrenzung des zeitlichen wie geographischen Rahmens genauso vonnöten wie die Aufstellung des allgemeinen geschichtlichen Bezugsrahmens, der sich vor allem an sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Fragen im Zusammenhang der kolonialen Expansion der europäischen Staaten und deren frühneuzeitlicher Machtpolitik orientieren soll. Denn auf diesen Zeitraum bezieht sich der populäre Piratenmythos in der Regel, und hier können überdies in besonders anschaulicher Weise die Mechanismen und Muster ermittelt werden, die den Seeraub im großen Stil zu allen Zeiten ermöglicht haben.

Doch zunächst ein Blick zurück. Bereits im altgriechischen Mythos begegnen uns die peirates als Heimsuchung der hellenischen Gestade. Und von Homer erfahren wir die enge Verbindung von kaufmännischen und piratischen Interessen. Das erste Geschichtswerk überhaupt, die Bücher Herodots, beginnt mit Seeräuberei. Der rote Faden der Auseinandersetzung mit der Piraterie läuft durchgängig bis in die römische Zeit, wobei der innere Zusammenhang zwischen Roms Machtentfaltung und dem gleichzeitigen Auseinanderbrechen staatlicher ordnender Macht an den Randgebieten des Reiches evident ist. Dadurch nahm die Piraterie an diesen mittelmeerischen Peripherien einen Aufschwung. Bei Appian und Plutarch ist im Einzelnen nachzulesen, zu welch einer Plage die Piraterie schließlich für Handel und Seefahrt Roms wurde und wie sich während einer Schwächephase der Republik im letzten Jahrhundert v. Chr. selbst Männer von Vermögen und vornehmer Abkunft, die dazu noch als klug und einsichtsvoll galten, zu den Piraten gesellten und sich dort neben weiteren Reichtümern Ruhm und Ehre erhofften. Von Kilikien an der Südküste Kleinasiens breitete sich zu dieser Zeit die Piraterie über das ganze Mittelmeer aus. Die Piratenflotten stachen Plutarch zufolge nicht nur durch ausgesuchte Bemannung und beste Bewaffnung, sondern insbesondere durch dreisten Übermut hervor. Über eintausend Seeräuberschiffe soll es schließlich gegeben haben, und vierhundert Städte sollen geplündert worden sein, keine Küste des Mittelmeeres war vor ihnen sicher. Als sogar die lebenswichtigen Getreidelieferungen nach Rom abbrachen und es zu Hungerrevolten kam, verlieh – durch Cicero der Nachwelt überliefert – der römische Senat im Jahr 67 v. Chr. Pompeius diktatorische Vollmachten, wie sie einem einzelnen Römer vorher nie gegeben waren, um dieses piratische Übel drakonisch zu bekämpfen. Pompeius startete denn auch zu Wasser und zu Lande einen wahren Kriegszug, wie wenn es gegen einen feindlichen Staat ginge: mit 500 Schiffen, 120.000 Soldaten und dazu noch 5000 Reitern, in summa wohl das ganze militärische Potential Roms, hatte er in kurzer Zeit die Seeräuberflotten und deren Stützpunkte niedergemacht. Die Piraten trugen durch diese Machtübertragung auf einen einzelnen Feldherrn ungewollt zur Aushöhlung des klassischen römischen Staatsrechts und zur Auflösung der Republik bei.

Eine ähnliche Plage und ein Hemmnis für den Seehandel stellten seit dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts in der Nord- und Ostsee die Seeräuberscharen dar, die unter der Bezeichnung Vitalienbrüder oder Likedeeler (Gleichteiler) in die Geschichtsbücher eingingen. Der Name Vitalienbrüder ist von Viktualien, also Lebensmittel, abgeleitet, mit denen sie das durch eine dänische Seeblockade belagerte Stockholm im Auftrag der Mecklenburger Fürsten versorgten. Zur Blüte gelangten diese Vitalienbrüder in den Wirren der Kämpfe um die Vereinigung der drei skandinavischen Königreiche, bei denen auch die Hanse und einige norddeutsche Küstenfürsten mitmischten und wo jeder dieser Interessenten sich der Seeräuber als Hilfstruppe bediente. Die in zunehmender Zahl umherschweifenden Seeräuber entwickelten sich zu einer Gefahr, der man nach Abschluss der Kämpfe nicht mehr Herr wurde.

Die Insel Gotland wurde in den 1390er-Jahren für fast zehn Jahre zu ihrer Festung, von der aus die Schifffahrt der ganzen Ostsee in einem Maße bedroht wurde, dass sich selbst die mächtige Hansestadt Lübeck genötigt sah, ihren Schiffen die Fahrt nur noch im Konvoi und in Begleitung von «Friedenskoggen» zu gestatten. Einer ihrer sagenhaften Anführer war Klaus Störtebecker, der vermutlich aus Wismar stammte. Als die Vitalienbrüder, deren Zahl vom Deutschen Orden 1392 auf 1500 Mann geschätzt wurde, ihre räuberischen Aktivitäten immer stärker auch auf die Nordsee ausdehnten und selbst reiche Hafenstädte wie das norwegische Bergen vor ihnen nicht mehr sicher waren, sah sich der Hansebund wie dereinst der römische Senat zu massiven Gegenmaßnahmen gezwungen. Lübeck veranschlagte die Flotte der Vitalienbrüder 1394 auf 300 Schiffe. Eine große Zahl von «Friedenskoggen», finanziert durch eine Sondersteuer, nahm den Kampf gegen diese Seeräuber auf, und ein Heer des Deutschen Ordens eroberte 1398 das Seeräubernest Gotland.

Mit der Hinrichtung Störtebeckers und seiner Mannen in Hamburg zweieinhalb Jahre später war das Piratentum im Hanseraum zwar einigermaßen eingedämmt, ganz beseitigt werden konnte es aber nie, weil immer wieder politische und wirtschaftliche Interessen einem einheitlichen Vorgehen im Wege standen. Stets von Neuem statteten Fürsten Schiffsführer mit «Stelbreven» aus, wie Kaperbriefe seinerzeit im niederdeutschen-skandinavischen Raum treffend genannt wurden. Insofern ist durchaus der Aussage beizupflichten, dass das «Piratenhandwerk zu den Entwicklungskrankheiten des Völkerverkehrs» gehört. Auch die Großkaufleute in den italienischen Seehandelsmetropolen des Mittelalters betrachteten den Seeraub vom Standpunkt des Geschäftsmannes als gewinnbringende Unternehmung und schritten erst dann dagegen ein, wenn sich die Piraterie gegen die eigenen Wirtschaftsinteressen richtete.

Überall lauerten im Mittelalter Piraten und Kaper, denn es gab keine staatliche Gewalt, die in der Lage gewesen wäre, die Seehandelswege wirksam zu schützen. Deshalb durfte nach damaligem Rechtsverständnis der Geschädigte auf eigene Faust sein Recht durchsetzen und mithilfe von Repressalien – das hieß Kaperei, Güterwegnahme – erlittenen Schaden ausgleichen. Dass dabei Missbrauch und Willkür Tür und Tor geöffnet waren und die Schwelle zur echten Piraterie leicht überschritten wurde, liegt auf der Hand. Selbst die Einführung des Prisenrechts (franz. prise = Wegnahme) konnte dem nicht abhelfen. Im Gegenteil: Die nur im jeweils nationalen Recht verankerten Prisenordnungen schufen in Zweifelsfällen neue Konfliktlagen.

Frühe Neuzeit.  Als sich mit dem Beginn der kolonialen Epoche der europäischen Wirtschaftsgeschichte im 16. Jahrhundert der Schwerpunkt des Seehandels von den europäischen Binnenmeeren auf die Weiten der Ozeane verlagerte, trat auch die Geschichte der Seeräuberei in eine neue Epoche ein, die später einmal deren Goldenes Zeitalter genannt werden würde. Es waren nicht allein die Entdeckungsfahrten spanischer und portugiesischer Seefahrer und die im Anschluss daran erfolgte Eroberung und Ausbeutung der überseeischen Welt, die zu dieser Überhöhung des Seeräuberwesens beigetragen haben. Der Seeraub nahm einen ganz anderen Charakter an, als er im Altertum und im Mittelalter besessen hatte. Er verband sich im 16. und 17. Jahrhundert wie nie zuvor mit Politik und Religion. Denn die scharfen religiösen und politischen Gegensätze, die die europäische Geschichte der Frühen Neuzeit prägten, flossen auch in das Erscheinungsbild des Seeraubes ein. Ein Übriges trug der Formierungsprozess des frühmodernen Staates bei, in dem soziale Randgruppen aus der ständisch-absolutistischen Gesellschaft ausgegrenzt und in die Kriminalität gedrängt wurden, weil sie anders ihren Lebensunterhalt nicht mehr sichern konnten.

Hatten sich im frühneuzeitlichen Europa schon so etwas wie Frühformen eines zwischenstaatlichen Rechts herausgebildet, nach dem sich die Nationen in ihrem Verhältnis zueinander im Allgemeinen und bei der Regelung von Konflikten im Besonderen richteten, so waren die Meere, insbesondere die außereuropäischen Gewässer, weiterhin ein gleichsam rechtsfreier Raum – oder genauer...

Erscheint lt. Verlag 4.3.2020
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Zusatzinfo mit 3 Abbildungen und 2 Karten
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte 16. Jahrhundert • 17. Jahrhundert • 18. Jahrhundert • Freibeuter • Geschichte • Piraten • Piraterie • Seefahrt • Seeräuber
ISBN-10 3-406-74486-9 / 3406744869
ISBN-13 978-3-406-74486-0 / 9783406744860
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