Die Patronin. Eine Frau greift nach den Sternen (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2239-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Patronin. Eine Frau greift nach den Sternen -  Agnes Morgenthaler
Systemvoraussetzungen
18,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein großer Roman über ein Züricher Traditionslokal und seine beeindruckende Besitzerin Zürich, 1914: Die junge Edda Wiederkehr hat einen Traum. Sie will eines Tages ein eigenes Restaurant besitzen und darin die berühmtesten und angesehensten Gäste bewirten. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Edda stammt aus einfachsten Verhältnissen und muss als Serviermädchen anfangen. Als sie unerwartet schwanger wird und ihr Verlobter stirbt, rückt ihr Traum in weite Ferne. Aber sie gibt nicht auf und arbeitet sich immer weiter nach oben, bis sie eines Tages das berühmteste Lokal Zürichs führt: das sagenumwobene 'Juwel'. Als sie sich in den charismatischen Maler Reto verliebt, wird sie vor eine schwierige Entscheidung gestellt.

Agnes Morgenthaler ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet als Verlagsredakteurin in München. Sie hat einige Jahre in der Schweiz gelebt und seitdem spielt das Alpenland für sie eine besondere Rolle. Als sie während einer Reise nach Zürich die berühmten Schweizer Rösti aß, entstand die Idee zu einer Familiengeschichte rund um das Juwel.

Agnes Morgenthaler ist Literaturwissenschaftlerin und arbeitet als Verlagsredakteurin in München. Sie hat einige Jahre in der Schweiz gelebt und seitdem spielt das Alpenland für sie eine besondere Rolle. Als sie während einer Reise nach Zürich die berühmten Schweizer Rösti aß, entstand die Idee zu dieser Familiengeschichte nach einer wahren Begebenheit.

Große Liebe


1914

Edda versuchte, sich einen Bierfleck von der weißen Bluse zu wischen. Konnten die Gäste nicht besser aufpassen? Es reichte doch schon, dass sich ständig irgendein zudringlicher Mann beim Aufgeben der Bestellung viel zu eng an sie schmiegte. Ihr Unterrock kratzte, die Füße schmerzten, und außerdem lag ein ganz abscheulicher Geruch in der Luft, den sie nicht recht zuordnen konnte. Irgendwo musste etwas Verdorbenes liegen, nur wo? Den Boden unter den Tischen hatte sie schon abgesucht, aber sie konnte den Übeltäter bisher nicht finden.

»Muss ich dir Beine machen, Edda?«

Die unwirsche Stimme von Urs riss sie jäh aus ihren Gedanken. Er stand in der Hierarchie der Bediensteten über ihr und hatte ein besonderes Auge darauf, dass im Gasthof Röschen alles wie am Schnürchen lief und niemand einen Grund zur Klage hatte. Er war mit Alice Ender verlobt, der Tochter der Wirtin. Darauf bildete er sich mächtig viel ein. Edda konnte nur den Kopf schütteln, wenn sie ihn aus dem Augenwinkel beobachtete. Ständig strich er sich die Haare glatt, ständig überprüfte er im Spiegel an der Wand sein Lächeln. Nichts an ihm schien echt zu sein, jede Bewegung wirkte endlose Male einstudiert, um den besten Eindruck zu hinterlassen. Hinzu kam noch, dass Urs unendlich faul war. Statt selbst einen Finger zu rühren, nutzte er seinen Status oft dazu, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen, die er von den Stammgästen geschenkt bekam. Er sonnte sich darin, dass seine wichtigste Aufgabe darin bestand, das restliche Personal zu beaufsichtigen. Für ihn hieß das in erster Linie: Edda und die anderen herumzuscheuchen und sie zur Eile anzuhalten, wenn sie sich auch nur für einen kurzen Moment die schweren Beine ausruhen wollten. Edda hatte keine Wahl, als ihm zu gehorchen. Lina hatte ihr von Lokalen erzählt, wo man außer etwas Essen und einem Bett in einer Kammer gar nichts bekam und vollkommen von der Großzügigkeit der Gäste beim Bezahlen abhängig war. Ganz so schlecht hatten sie es im Röschen nicht. Edda bekam drei Franken im Monat als Entgelt gezahlt, davon konnte sie selbstverständlich nicht leben. Daher war es umso wichtiger für sie, dass ein ordentliches Trinkgeld hinzukam. Es hieß also: lächeln, lächeln, lächeln. Immer freundlich sein, auch wenn sich ein Gast danebenbenahm. Immer weitermachen, auch wenn Urs einen länger arbeiten ließ, als es ausgemacht war. Siebzehn Stunden am Tag waren die Regel, und das sieben Tage die Woche. Es war ihr zwar versprochen worden, dass sie auch einmal frei hatte – aber davon träumte Edda noch immer. Urs stellte es ausgesprochen geschickt an, und kurz vor dem Ferientag war bisher immer jemand krank geworden, oder das Lokal war so voll, dass jede Arbeitskraft gebraucht wurde.

»Du musst deine Mußestunden verschieben, du wirst gebraucht«, sagte er dann und lachte laut, als hätte er einen lustigen Schwank erzählt.

Edda war zwar enttäuscht, aber so war es eben … Zum Erholen war sie nicht in die große Stadt gekommen, erinnerte sie sich in solchen Momenten und zupfte sich die Frisur zurecht. Wer Großes vorhatte, musste die harten Zeiten mit aufrechtem Rücken durchstehen – das sagte sie sich immer wieder, wenn sie drohte, den Mut zu verlieren. Und immerhin musste sie nicht hungern! Sie bekam zwar keine üppigen Gerichte aufgetischt, sondern nur kleine Portionen, aber das reichte ihr. Oft waren es Reste, die übrig blieben. Doch für Edda war es dennoch etwas Besonderes, denn im Röschen sah es zumindest etwas abwechslungsreicher auf den Tellern aus. Zu Hause bei ihrem Vater hatte es fast immer Kartoffeln gegeben, dazu etwas Gemüse, am Sonntag ein winziges Stück Fleisch. Die Stelle war ein erster wichtiger Schritt, fand Edda. Stück für Stück wollte sie sich ihrem großen Traum nähern und alles aufsaugen, was sie noch nicht kannte. Es gab noch so viel zu lernen! Alice war zwar keine besonders zuvorkommende Person und schimpfte wie ein Rohrspatz, wenn ihr etwas nicht passte, aber sie war eine vorzügliche Köchin, das musste man ihr lassen. Sie hatte mit viel Liebe die Speisekarte für den Gasthof zusammengestellt und bereitete die Gerichte zusammen mit dem Kochgehilfen Beat zu. Die Rangfolge war klar: Alice hatte ein Auge auf jeden Teller, der die Küche verließ. Beat befolgte jeden ihrer Befehle, leistete den Großteil der Arbeit und stand ihr zur Seite, wenn sie Hilfe brauchte. Er tat das alles, ohne jemals schlechte Laune zu bekommen. Im Gegenteil: Er schien immer ein Lächeln auf den Lippen zu haben, summte Lieder vor sich hin, und Edda musste sich zwingen, ihn nicht zu lange zu beobachten. Sein ganzer Körper sprühte vor Energie, und die dunklen Locken wippten bei jedem Schritt.

»Aufgewacht, aber schnell!«, riss sie die herrische Stimme von Alice aus den Gedanken. »Ja, ist das denn die Möglichkeit? Bezahlen wir dich nun schon für das Schlafen?«

Edda strich sich die Schürze glatt und eilte herbei. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Beat ihr verschwörerisch zuzwinkerte. Seine dunklen Augen gefielen ihr außerordentlich gut. Wie gerne hätte sie einfach eine Weile in seiner Nähe gestanden, sich in den Arm nehmen und fünfe gerade sein lassen … Er hatte so eine ungeheuer beruhigende Ausstrahlung und vermittelte ihr das Gefühl, dass er sie vor allen Übeltätern dieser Welt beschützen konnte.

»Wir schaffen das schon«, schien er zu sagen. »Lass dich nicht allzu sehr ärgern.«

Sein Blick gab Edda neue Energie. Sie fühlte sich nicht mehr ganz so alleine und lächelte still vor sich hin. Ja, Beat war auf ihrer Seite, das durfte sie nicht vergessen. An die Arbeit, sagte sie sich, es kommen bessere Zeiten. Da stand auch schon die andere Serviertochter Lina hinter ihr, mit der sie die Teller mit den duftenden Mahlzeiten und die Getränke zu den Gästen brachte.

»Nicht schon wieder fallen lassen!«, ermahnte Urs sie, obwohl weder Lina noch ihr jemals auch nur ein einziges Glas zu Bruch gegangen war. Aber Widerspruch war natürlich zwecklos, denn im Zweifelsfall hatte immer er recht. Alice und Urs kommandierten Edda und Lina herum, wie es ihnen gefiel. Die Mädchen konnten ihre Arbeit noch so gut erledigen, ein Wort des Lobs hatten sie von den beiden noch nie gehört.

Doch es war nicht alles schlecht. Alices Mutter war ganz anders als ihre Tochter. Frau Ender hatte eine weiche Stimme, war geduldig und stets guter Dinge. Von Anfang an hatte sie Edda das Gefühl gegeben, im Röschen zur Familie zu gehören. Noch nie hatte sie ihre Stimme erhoben, und statt zu schimpfen, lobte sie ihre Angestellten, sooft sie konnte. Wenn die Wirtin wie an diesem Tag frei hatte, benahm Urs sich allerdings besonders unwirsch und frech.

Als die Gäste zu später Stunde alle gegangen waren, blieb Urs ganz nahe neben ihr stehen. Edda rückte ein Stück zur Seite, aber er folgte ihr gleich wieder. Er trug ein fleckiges Hemd, auf dem das Tagwerk seine Spuren hinterlassen hatte. Edda meinte Bierflecken und Tomatensoßenspritzer darauf zu erkennen, außerdem hatte er sich die dreckigen Hände zu oft an der ausgebeulten Hose abgewischt. Seine Nase lief schon seit Tagen, und er wischte sich den Rotz mit dem Handrücken ab. Genau diese Hand legte er nun auf Eddas Schulter und hielt sie für einen Moment fest.

»Wo sind wir denn immer mit unseren Gedanken?«, fragte er. »Ich habe dich beobachtet, Schätzchen. Ständig starrst du die Wände an und lächelst selig. Denkst du mal wieder, du bist etwas Besseres und gehörst nicht hierher? Glaubst am Ende noch, dass dich ein Traumprinz erwartet und mit einem Ross hier abholt?«

Urs lachte grunzend und schlug sich auf die Schenkel, als würde er sich selbst applaudieren. Gab es irgendwo einen widerwärtigeren Kerl? Aber eines Tages würde sie … Ja, was eigentlich? Sie wusste gar nicht, wie sie es ihm genau heimzahlen konnte. Doch bereits der Gedanke an eine Zukunft, in der sie nicht mehr alles mit sich machen lassen musste, war ungeheuer beruhigend. Die Anstellung in dem Gasthof war nur eine kurze Etappe, die sie überstehen musste, um einen Schritt weiterzukommen. Als Tochter eines einfachen Schuhmachers lag ihr die Welt nun mal nicht zu Füßen, sie musste sich langsam nach oben arbeiten. Eines Tages war so jemand wie Urs eine kleine Schmeißfliege, die durch den Raum schwirrte, und sie würde ihn nicht einmal bemerken, so beschäftigt würde sie sein.

»Ich muss noch den Raum ausfegen«, stellte Edda fest. »Und die Tische abwaschen, damit sie morgen wieder so schön weiß sind, wie es Alice am liebsten mag.«

Ohne weiter auf ihn zu achten, wandte sie sich ab und ging einen Besen holen. Während Lina die Küche reinigte, musste Edda sich noch den Boden im Gastraum vornehmen, der immer besonders dreckig war. Sie begann an der Fensterseite zu kehren und arbeitete sich nach und nach an den Tischen vorbei, bis sie an der Küche ankam. Dabei versuchte sie, sich auf keinen Fall zu tief nach unten zu beugen, denn sie vermutete, dass sich hinter ihrem Rücken bohrende Blicke auf sie richteten. Schneller, Edda, schneller, trieb sie sich selbst an. Sie wollte zurück in ihr Zimmerchen, das sie bei einer älteren Witwe für wenig Geld gemietet hatte....

Erscheint lt. Verlag 27.4.2020
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Arbeit • Berühmt • berühmte Persönlichkeiten • berühmtes Restaurant • Besitzerin • Bücher für die Coronavirus Zeit • Bücher für die Coronazeit • Bücher für die Covid19 Zeit • das Lesen geht weiter • Emanzipiert • emanzipierte Frau • Familie • Familiengeschichte • Familiensaga • für Social Distancing • gegen Langeweile • Geschichte • Gustav Zumsteg • Hulda Zumsteg • Institution Zürich • Kindheitstraum • Kochen • Kronenhalle • Küche • Kulinarik • Kunstsammlung • Kunstsammlung Zürich • Lebensgeschichte • Lesen in der Coronakrise • Lesen in der Covid19-Krise • Lesen in Karantäne • Lesen in Quarantäne • Lesen während Shutdown • Liebe • lieber Buch als Coronavirus • Lieber Buch als Covid19 • lieber Bücher als Corona • lokal • Mit Buch in Karantäne • mit Buch in Quarantäne • Persönlichkeit • Restaurant • Restaurant besitzerin • Rösti • Saga • Schweiz • Schweizer Küche • Sehenswürdigkeit • Sehenswürdigkeit Zürich • Tradition • Traditionslokal • Unabhängig • unabhängige Frau • Unglücklich • unglücklich verliebt • Unternehmerin • verliebt • Zürich • Züricher Rösti • Zwischen Liebe und Arbeit
ISBN-10 3-8437-2239-0 / 3843722390
ISBN-13 978-3-8437-2239-1 / 9783843722391
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,7 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die Geschichte eines Weltzentrums der Medizin von 1710 bis zur …

von Gerhard Jaeckel; Günter Grau

eBook Download (2021)
Lehmanns (Verlag)
14,99
Historischer Roman

von Ken Follett

eBook Download (2023)
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
24,99