Rabenkrieger -  Sandra Busch

Rabenkrieger (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
412 Seiten
Dead Soft Verlag
978-3-96089-367-7 (ISBN)
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Im Jahre des Herrn 1164. Normannen und Waliser schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein. Inmitten des blutigen Krieges taucht an einem unwirtlichen Herbsttag ein nackter Mann auf, der von einem Schwarm Raben begleitet wird. Ist er eine mystische Sagengestalt oder doch nur ein hilfloser, verwirrter Mensch? Genau das versucht Dolen, der Capten einer walisischen Gruppe von Kämpfern, herauszufinden. Mittelalter Fantasy

 

Prolog


Es klopfte an die schwere, leistengeschmückte Tür.

„Dr. Pryce? Da ist ein Paket für Professor Bassey gekommen.“ Klein, schmal, mit runden Brillengläsern und einem verwegenen Kinnbart, der ihn leider wie einen jungen Ziegenbock wirken ließ, schob sich Gower durch die Tür in das Büro.

Corryn, der an dem altertümlich anmutenden Schreibtisch saß, schaute aufmerksam geworden von der Pergamentrolle mit den winzigen Schriftzeichen auf, die er soeben mit Hilfe einer Lupe studierte.

„Ein Paket?“

Pakete kamen häufiger an. Das Problem war nur, dass Professor Ken Bassey seit zwei Monaten tot war. Herzinfarkt. Während einer hitzigen Diskussion mit dem Museumsleiter hatte er beim Gestikulieren innegehalten, sich an die Brust gefasst, geröchelt und war dann einfach umgekippt. Genau drei Meter von Corryn entfernt, dort, wo nun Gower im Türrahmen stand.

„Er hat seit Langem auf ein Buch gewartet. Das könnte es sein. Ich meine, es fühlt sich zumindest nach einem Buch an.“ Gower streckte ihm das Paket entgegen. Seine Wangen waren vor Aufregung gerötet.

Der junge Gehilfe war Corryn als Assistent zugeteilt worden, nachdem er selbst als frischgebackener Doktor für Literaturwissenschaften im Ceredigion Museum von Aberystwyth Professor Basseys Platz eingenommen hatte. Am Arsch der Welt …

Dabei war Corryn gerade mal zwei Jahre älter als Gower, genauer gesagt achtundzwanzig. Sein Studium hatte er in Nullkommanichts mit hervorragenden Leistungen hinter sich gebracht. Einen Job brauchte er sich gar nicht suchen. Zu seiner Verwunderung war wenige Tage nach Studienabschluss das Angebot eines Peter Allchurch in seine Studentenbude geflattert. Die Museumsleitung suchte jemanden für die Walisische Literaturecke und würde sich freuen, wenn er den Posten übernehmen würde, um Professor Bassey zu entlasten. Einer der Dozenten an der Uni hätte ihn wärmstens empfohlen. Corryn konnte sich nicht erklären, welcher Lehrer das gewesen sein sollte, denn er war ein eher unauffälliger Student gewesen und lediglich aufgrund seiner Leistungen aus der Menge herausgestochen. Letztendlich konnte es ihm egal sein.

„Irrelevant“, würde seine Mutter sagen. Genauer gesagt: seine Pflegemutter.

Corryn war als Findelkind zusammen mit neun weiteren Pflegegeschwistern aufgewachsen, hatte die Kindheit zwischen Wäschestapeln und Windelbergen verbracht, wurde von den Größeren gefüttert und fütterte irgendwann die Kleinen. Müßiggang kam nicht auf, ständig gab es etwas zu tun. Kein Wunder bei einer solchen Kinderschar. Trotzdem wurde er seitens seiner Pflegeeltern geliebt, Zuneigung wurde ohnehin großgeschrieben. Und es fand sich immer eine Stunde, in der er mit den anderen über Wiesen und Felder toben durfte – sofern er gewollt hätte. Lieber zog er sich mit einem Buch in eine Ecke zurück oder hockte lesend auf der Waschmaschine, bis die aktuelle Ladung sauber war und er weitere schmutzige Kleidung in die Trommel stopfen konnte.

Früh zog er aus, es war einfach zu laut und zu lebhaft, um in Ruhe studieren zu können. Mit zwei Nebenjobs, einem staatlichen Zuschuss und einigen Sparmaßnahmen konnte er sich eine winzige Einzimmerwohnung mit Bad im Treppenhaus mieten. Sein erstes eigenes Heim war nicht mehr als ein Schuhkarton, aber er fühlte sich dort wohl.

Da er sich wenig für Werbung und Journalismus interessierte und Museen stets einen gewissen Reiz auf ihn ausgeübt hatten, nahm er den von Allchurch angebotenen Posten zunächst unter Vorbehalt an. Vereinbart wurde eine sechsmonatige Probezeit für beide Seiten. Positiv war zumindest die kleine Wohnung, die er in einem Nebengebäude des Museums beziehen durfte und ihm zu einem Spottpreis überlassen wurde.

Jetzt drehte Corryn das Paket hin und her. Es war groß und schwer und konnte durchaus ein Buch enthalten. Wer wusste schon, was der alte Herr bestellt hatte? Corryn hatte das dicke Notizbuch des Professors gelesen, eine seiner wenigen privaten Hinterlassenschaften. Bassey hatte sich von einer mythischen Person fasziniert gezeigt, die eine winzige Erwähnung in einem dem Museum vorliegenden Dokument fand. Daher hatte er weiter nach der Sagengestalt geforscht, so viel war aus den Notizen hervorgegangen. Von der Hartnäckigkeit seines Vorgängers in dieser Sache beeindruckt, hatte Corryn dieselben Pergamentseiten studiert. Es handelte sich dabei um Schriftstücke über den Krieg Henry II gegen Fürst Rhys ap Gruffydd im 12. Jahrhundert.

In dem Paket konnte sich natürlich auch alles andere als ein Buch über die besondere Leidenschaft des Professors befinden. Bassey hatte öfters gut erhaltene Werke angefordert, die im Museum eine Weile ausgestellt wurden, bevor sie die Leihgaben zurücksenden mussten.

„Packen Sie es nicht aus, Dr. Pryce?“ Gower platzte förmlich vor Neugierde. Er liebte alte Fundstücke seiner Heimat, und wenn der Postbote ein Päckchen brachte, war es für ihn jedes Mal wie Weihnachten.

Corryn reichte ihm das Paket zurück und wandte sich wieder seiner Übersetzung zu.

„Mach du das“, brummte er. Als er vor dreieinhalb Monaten seinen Dienst antrat, hatte er Gower ebenfalls das Du angeboten, doch der hielt hartnäckig am Siezen fest. Dabei konnte Gower ihn leiden, das machte zumindest sein Verhalten deutlich.

„Ehrlich? Ich darf es öffnen?“

„Himmel! Gower! Es ist nur ein Paket.“ Corryn versuchte, seine Konzentration auf das alte Schriftstück zu richten, dessen Text kaum zu entziffern war. Neben ihm raschelte Packpapier und beiläufig vernahm er das Knarzen eines Kartons. Dann folgte ein überraschter Laut.

„Donnerwetter!“

Seufzend schob er die Übersetzung zur Seite, denn er ahnte, dass er nicht weiterarbeiten konnte, solange er Professor Basseys Bestellung nicht genügend gewürdigt hatte.

„Zeig her!“

Gower reichte ihm ein Buch. Bereits auf den ersten Blick war zu erkennen, dass es ziemlich alt war. Der Deckel bestand aus Wildleder. Er war rötlich eingefärbt und mit Stempeln verziert. Ornamente rahmten eine Krähe oder einen Raben ein. Angelaufene Beschläge schmückten die Ecken des Deckels.

„Die Spangen sind sehr hübsch gestaltet“, stellte Gower fest. „Ist das Silber?“

„Ja, wahrscheinlich.“

„Es ist kein Prachteinband. Also wohl kein Buch eines Edelmannes, Geistlichen oder sogar Königs.“ Gower schien ein wenig enttäuscht, doch er hatte recht. Prachteinbände waren mit Gold, Perlen und Juwelen besetzt und bestanden oft aus Elfenbein.

„Da ist ein Begleitschreiben.“ Gower fischte einen Brief aus dem gepolsterten Karton und reichte ihn an Corryn weiter, der ihn überflog. Bassey hatte das Buch gar nicht geordert, sondern es war ihnen vom Museum in Cardiff zugesandt worden. Corryn übersprang den weiteren Text bis zu der für ihn interessanten Stelle. Wildleder, Kalbspergament, Silberspangen. Sie hatten richtig gelegen. Das Buch stammte aus dem 12. Jahrhundert, was Corryn überhaupt nicht verwunderte. Immerhin war dies Basseys bevorzugter geschichtlicher Zeitrahmen gewesen, wollte man seinem Notizbuch Glauben schenken.

„Verwandt wurde Eisengallustinte“, las er vor.

Gower zeigte sich wissbegierig. „Was ist das?“

„Galläpfel werden mit Eisensulfat abgekocht und hinterher wird Gummiwasser zugeführt. Die Tinte wird sogar heute noch verwendet und bildet an der Luft diese blauschwarze Farbe aus. Sie gilt als dokumentenecht.“

Gower strahlte. „Wieder etwas gelernt.“

Seine Begeisterung machte Corryn Spaß, da sie ihn an sich selbst erinnerte.

„Das Pergament wurde aus Kalbshaut gefertigt. Die Haut musste zuvor drei Tage lang im kalkhaltigen Wasser liegen, wurde danach aufgespannt, abgeschabt und getrocknet. Schweinehaut wurde bloß im äußersten Notfall genommen, da die Borsten durch die Haut und somit die Poren durch das ganze Pergament gehen.“ Corryn schlug mit der flachen Hand auf den Buchdeckel. Die Pergamentblätter wurden zusammengedrückt und der Deckel mit den Haken der Spangen senkte sich. Auf diese Weise fielen die gelockerten Spangen auf die Seite und das Buch war aufgeschlagen. Behutsam strich er mit dem Finger über das erste beschriebene Pergamentblatt.

„Können Sie es lesen, Dr. Pryce?“

„Ich denke schon. Es ist Altwalisisch. Dafür benötige ich Zeit und Geduld.“ Der deutliche Wink mit dem Zaunpfahl wurde von Gower verstanden.

„Ich hole Ihnen einen Kaffee. Außerdem haben wir frische Mohn-Scones, wenn Sie welche mögen.“

Corryn schmunzelte. „Das klingt verlockend.“

Gower lächelte scheu zurück und ließ ihn allein. Wenigstens nahm er die Verpackung mit.

Wenig später stand der frisch gebrühte Kaffee vor Corryn auf dem Tisch, dazu ein Glas Clotted Cream und ein Teller herrlich duftender Scones. Gower backte sie selbst und zeigte dabei wirkliches Talent.

Corryn lehnte sich in seinem ledernen und weich gepolsterten Schreibtischstuhl zurück und musterte sein kleines, gemütliches Büro.

Ich bin zufrieden, dachte er ein bisschen überrascht. Dieser Job, die Ruhe, ein eigener Assistent, eine hübsche Wohnung ... Aberystwyth oder Aber, wie es die Einheimischen abkürzten, war nicht unbedingt die Adresse, an die er von sich aus gereist wäre, obwohl dieser Arsch der Welt tatsächlich einen gewissen Charme verströmte. Das Städtchen war als Seebad ausgezeichnet, lag direkt an der Cardigan Bay und galt als Hauptort der Grafschaft Ceredigion. Gleich drei Aussichtshügel lockten Touristen. Die Urlauber besichtigten gerne die mehrfach zerstörte und erneut aufgebaute Burg auf der felsigen Landspitze und begeisterten sich für die 1896 errichtete Standseilbahn. Und natürlich...

Erscheint lt. Verlag 23.3.2020
Verlagsort Mettingen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Fantasy • gay • gay fantasy • gay romance • Magie • Mittelalter • Schwul • Zeitreise
ISBN-10 3-96089-367-1 / 3960893671
ISBN-13 978-3-96089-367-7 / 9783960893677
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