Turin ist unser Haus (eBook)

Reise durch die zwanzig Zimmer der Stadt
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2020 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlag Klaus Wagenbach
978-3-8031-4279-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Turin ist unser Haus -  Giuseppe Culicchia
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Fabrikstadt, nordländische Sparsamkeit, zynischer Fußball? Schon lange nicht mehr! Der Turiner Giuseppe Culicchia entführt in seine elegante Heimatstadt und bürstet die Klischees gegen den Strich - denn selbst die 'Preußen Italiens' feiern mittlerweile öffentlich. Turin ist nicht Wolfsburg und sah auch nie so aus - doch lange wurde die Stadt am Po-Ufer das Klischee der Industriemetropole von Fiat und Co. nicht los, trotz Alpenpanorama und barocken Palazzi. Und die stolzen Turiner galten als typische Vertreter des Nordens: kühl, regelbedürftig und so diszipliniert wie die Abwehr von Juventus. Alles Schnee von gestern, sagt Giuseppe Culicchia, selbst Italiener machen heute hier Urlaub - und er muss es wissen. Schließlich kennt Culicchia Turin wie sein eigenes Haus: vom Eingang (Bahnhof Porta Nuova) lädt er ein zum Flanieren auf dem Flur (unter den Arkaden der Via Roma), in die Küche (Porta Palazzo) oder zum Wühlen in der Abstellkammer (der Flohmarkt Il Balon). Nur bei der Wahl des Wohnzimmers kann er sich nicht entscheiden - denn in Turin gibt es bildschöne historische Cafés an jeder Ecke: unter anderem das Bicerin, wo schon Rousseau und Nietzsche zu Gast waren. Anekdotisch, ironisch und mit Insidertipps führt Culicchia hinter die Fassaden seiner Heimatstadt. Und er lässt andere Turiner von ihrer Stadt erzählen: zum Beispiel Focaccia-Bäcker und Gianduiotti-Créateure. Denn die Turiner scheinen das Naschen quasi erfunden zu haben ...

Giuseppe Culicchia, 1965 in Turin geboren, wo er bis heute lebt. Er hat mehrere preisgekrönte Romane verfasst sowie unter anderem F. Scott Fitzgerald und Bret Easton Ellis aus dem Englischen übersetzt. Seiner Ansicht nach hat das Haus Turin keine Fassade in Schwarz-Weiß (wie die Juventus-Trikots), sondern ist eindeutig granatrot (wie der ruhmreiche FC Torino).

Giuseppe Culicchia, 1965 in Turin geboren, wo er bis heute lebt. Er hat mehrere preisgekrönte Romane verfasst sowie unter anderem F. Scott Fitzgerald und Bret Easton Ellis aus dem Englischen übersetzt. Seiner Ansicht nach hat das Haus Turin keine Fassade in Schwarz-Weiß (wie die Juventus-Trikots), sondern ist eindeutig granatrot (wie der ruhmreiche FC Torino).

Chronik


X. Jahrhundert v. Chr.

Ein Blatt beginnt sich zu regen, überlegt sich’s dann anders, und es wird nichts weiter daraus.

IX. Jh. v. Chr.

Eine Kolonne französischer Ameisen nähert sich.

VIII. Jh. v. Chr.

Es donnert.

VII. Jh. v. Chr.

Die Ameisenkolonne zieht sich erschrocken zurück.

VI. Jh. v. Chr.

Bsssssssss.

V. Jh. v. Chr.

Das war eine Biene.

IV. Jh. v. Chr.

Welch’ Ödnis, welch’ Langeweile. Ist das denn die Möglichkeit, dass hier nie etwas passiert?

III. Jh. v. Chr.

»Noios, vulevon savuar: Um dahin zu gelangen, wohin wir gelangen müssen, wo müssen wir hin?« Von irgendwoher ist eine Horde Tauriner aufgetaucht, offenbar in dem Glauben, dies hier sei Mailand. Am Ende beschließen die Neuankömmlinge, zu bleiben, und bereiten ein Picknick zwischen dem Po und der Dora vor. Doch noch bevor ihre Vorspeise aus allerbestem rohem Hackfleisch von La Granda fertig ist – ja, die existiert bereits, obwohl Eataly seine Pforten noch längst nicht geöffnet hat –, trifft Hannibal ein, und dann gute Nacht.

154 v. Chr.

»Guck dir diese Tauriner an! Und unser Lager, wo schlagen wir’s auf? Hier?«

101 v. Chr.

»Bruder, auf der Wiese da drüben sind schon wieder diese Kimbern!« »Was soll’s, hauen wir drauf. Aber sag mal, und diese andern?« »Welche andern?« »Diese Padaner. Wo sind die?« »Keine Ahnung. Hat irgendwer die Trottel gesehen?«

49 v. Chr.

»Ave Caesar! Legionarii te salutant!«

28 v. Chr.

»Ich heiße Augustus, und diese Stadt nennen wir Julia Augusta Taurinorum. Es heißt, sie sei ganz quadratisch. Ich glaube wohl, dass sie quadratisch ist, schließlich wurde sie auf der Grundfläche des Lagers errichtet, nicht? Weiter heißt es, die Turiner werden sich in Zukunft in Mailand verlaufen, weil Mailand rund ist. Na und? Wisst ihr denn nicht, dass man für sowas ein TomTom hat?«

398

»Ego, Protovescovo Massimo, nuncio Vobis inaugurationem cathedralem. Non habemus pallam di vetro, et non possumus prevedere edificacionem Pallazzaccium. Amen.«

568

»Wir essere Langobardi, ja? Wir rekwisire tutto, ja? Pero sagt noi: dove sind kwelli di Patania? Patani Bewohner di Patania? Wir perkorsa ganz Patania, aber Patani non trofati.«

773

»Oh Mama Mama Mama, oh Mama Mama Mama, weißt du was? Ich habe Karl den Großen gesehen! Ja, Mama, er hat Desiderius1 vom Platz gefegt!«

888

»Den geneigten Lesern wird mitgeteilt, dass die Grafschaft Turin an Berengar I. übergeben wird. Sachdienliche Hinweise zum Aufenthaltsort der sogenannten Padaner, der Bewohner Padaniens, bitte an die Redaktion.«2

X.–XII. Jh.

»Weißt du, Kind, man versteht gar nichts mehr. Erst war da der Kaiser, dann der Bischof, dann die Feudalherren, dann die Staatsmänner. Und jetzt hat meine Frau gesagt, dass die Savoyer kommen. Aber wer sind diese Savoyer? Muss ich mir Sorgen machen?«

1248

»Je suis Thomas II de Savoye et cet allemand sicilien de Friedrich II Stupor Mundi m’a donné cette petite ville, Turin. Si vous plaît c’est comme ça, sinon c’est comme ça quand même.«

1252

»Oh mein Gott!« »Wer ist da?« »Diese Savoyer. Und alles voller Bewaffneter, welch ein Unglück!«

1255–56

Den geneigten Lesern wird mitgeteilt, dass sich die Turiner mithilfe der Bewohner Astis Thomas’ II. entledigt haben. Allerdings kamen danach gleich die aus dem Haus Anjou und dann Wilhelm VII. von Montferrat. Sollte doch noch jemand sachdienliche Hinweise zum Verbleib der sogenannten Padaner, der Bewohner Padaniens, haben, wird er höflichst gebeten, sich umgehend an die Redaktion zu wenden.

1280

Den geneigten Lesern wird mitgeteilt, dass Thomas III. von Savoyen sich Wilhelms VII. von Montferrat entledigt hat und ebenfalls bewaffnet in Turin einmarschiert ist.

1343–83

»Je suis Amédée VI, dit le Conte Verde. Turin a besoin de son espace vital. Je regarde à l’Est, comme Hitler. On prend Biella, et puis on verra.«

1404

Gründung der Universität Turin. Doch das ist wahrlich kein Grund zur Freude. Es handelt sich nämlich um den Samen, dem innerhalb von fünfhundertundsoundsoviel Jahren der Bau des Palazzo Nuovo entspringen wird.

1418

Die geneigten Leser werden gebeten, ihre Handys auf lautlos zu stellen. Weiterhin wird bekanntgegeben, dass Amadeus VIII., Herzog von Piemont, in den Hafen der Ehe einläuft, und zwar mit einer kleinen Herzogin aus Mailand, was ihm Vercelli und Provinz als Mitgift beschert. Unter den Turinern, die diese Gegenden im Sommer besuchen, zirkuliert von nun an ein Zauberwort: »Autan«.

1536

Eine Kolonne Franzosen, diesmal handelt es sich nicht um Ameisen, nimmt die Stadt militärisch in Besitz.

1563

Emanuel Philibert kehrt nach Turin zurück, nachdem die Hauptstadt von Chambéry hierher verlegt worden ist, und findet ein großes Durcheinander vor.

1575

Turin annektiert Asti und Saluzzo und freut sich fortan auf die kommenden Konzerte von Paolo Conte.

1578

Emanuel Philibert, toujours lui, der bereits als General unter Karl V. kämpfte, bringt die Schokolade nach Turin und führt das neue Produkt ein – beim Aperitivo zur Vermählung seines Sohns Karl Emanuel I. mit Katharina Michaela von Habsburg, Tochter von Philipp II. von Spanien.

1620

Karl Emanuel II. weitet das Herzogtum von Nizza bis Genf aus, ohne zu ahnen, dass einer seiner Nachkommen, nachdem er sich zuerst als Live-Kommentator in die Sportsendung Quelli che il calcio eingeklinkt hatte, dem freundlichen Schweizer Städtchen den Rücken kehren und nach Italien zurückkommen würde, um – nach einer kleinen Anpassung der republikanischen Verfassung – bei der Tanz-Talentshow Ballando con le stelle teilnehmen zu können.

1678

Meister Antonio Ari wird Turins erster Chocolatier, nachdem er von den Savoyern die erste Genehmigung erhalten hat, öffentlich Schokolade zu verkaufen. Ab diesem Moment beziehungsweise im Laufe des 18. Jahrhunderts wird Turin zum europäischen Epizentrum der Schokoladenproduktion. Im Zeitalter der Aufklärung kommen Schweizer, Österreicher und Franzosen in die Stadt, um das Handwerk zu erlernen. Es entsteht der berühmte Slogan »Torino città laboratorio« (in etwa: Turin als Laboratorium), wobei hier mit »Laboratorium« der Raum gemeint ist, in dem die Schokolade produziert wird.

1706

Nachdem sich die Savoyer mit den Habsburgern zusammengetan haben, belagern die Franzosen Turin. Pietro Micca verhindert ihr Eindringen in die Stadt, indem er sich in einem Stollen der Verteidigungsanlage selbst in die Luft jagt. Mit ihm, dem ersten Kamikaze der Geschichte, nimmt die eigentümliche Leidenschaft der Turiner für Rekorde ihren Anfang. Durch das Eingreifen der kaiserlichen Truppen unter Prinz Eugen von Savoyen wird Turin befreit, jenem Prinz Eugen, nach dem später die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division benannt werden sollte – ebenso wie ein besetztes Gemeinschaftszentrum. Bis heute jedoch hat das anhaltend feindselige Klima zwischen Nazis und Anarcho-Punks eine Partnerschaft der Veteranen beider Institutionen verhindert.

1713

Durch den Frieden von Utrecht wird Sizilien freundlichst Viktor Amadeus II. übertragen. Was ihm allerdings ein wenig unbequem ist. »Entschuldigung, hören Sie, könnte ich das nicht vielleicht gegen Sardinien eintauschen?« »Haben Sie noch den Kassenbon?« »Hier, bitte.« »Dann natürlich gern.« Fortan werben die Savoyer ihre Grenadiere in Sardinien an. Allgemeine Erleichterung in Sizilien.

1763

Das Café Bicerin öffnet seine Pforten und sichert sich so den Titel als ältestes historisches Kaffeehaus der Stadt. Außer Cavour werden zu seinen häufigen Gästen unter anderem Mozart, Nietzsche, Culicchia zählen.

1780

Das Café Fiorio öffnet seine Pforten und sichert sich so den Titel als zweitältestes historisches Kaffeehaus der Stadt. Außer Cavour werden zu seinen häufigen Gästen unter anderem Nietzsche, Tomasi di Lampedusa, Culicchia zählen.

1798

Die französischen Revolutionstruppen kommen nach Turin. Auf der Piazza Carlina wird die Guillotine aufgestellt, die vielleicht in manchen Fällen, wenn man es recht bedenkt, auch heute noch von Nutzen wäre. Im Hotel Dogana Vecchia, wo bereits Mozart residiert hat, residiert nun Napoleon. Später wird dort auch Culicchia verweilen, mit einer kleinen Deutschen … nun ja, das hier ist wohl nicht der richtige Ort für Klatschgeschichten.

1802

»Et nous proclamons l’annexion du Piedmont à la France!« Wäre es dabei geblieben, hätte Turin beispielsweise niemals Lyon erobert, sondern wäre beispielsweise von Mailand erobert worden. Oder wenigstens von Cuneo.

1814–15

»Et nous proclamons la restitution du Piedmont à Vittorio Emanuele I.« Aber nicht nur: Auch Genua geht an die Savoyer. Die Würfel sind gefallen. In rund hundertfünfzig Jahren...

Erscheint lt. Verlag 12.3.2020
Übersetzer Julika Brandestini
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Reisen Reiseberichte
Schlagworte Alpen • Archäologisches Museum • Barock • Bicerin • Cesare Pavese • Einaudi • FC Torino • Fiat • Focaccia • Friedrich Nietzsche • Garibaldi • Gianduiotti • Granata • Hausbesichtigung • Historische Cafés • Il Balon • Industrie • Insidertipp • Italien • Italienische Literatur • juventus • La Rinasciente • Olympische Winterspiele • Oral History • Piemont • Po (Fluss) • Porta Nuova • Preußen Italiens • Reiseführer • Risorgimento • Savoyer • Tourismus • Turin • Via Garibaldi • Via Roma • Wolfsburg • Zimmerreise
ISBN-10 3-8031-4279-2 / 3803142792
ISBN-13 978-3-8031-4279-5 / 9783803142795
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