Totenfels (eBook)

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
368 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-95967-918-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Totenfels -  Tim Erzberg
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Helgoland. Auf der Hochseeinsel wird ein monströser Blindgänger gefunden. Wenn die Bombe explodiert, könnte das verheerende Folgen haben. Die Entschärfungsarbeiten gestalten sich schwierig. Und dann wird in einem Tunnel im Felsen auch noch eine Leiche gefunden, die zahlreiche Rätsel aufgibt. Während sich Anna Krüger und ihre Kollegen von der Helgoländer Polizei mit dem Kampfmittelräumdienst und der Kripo auseinandersetzen müssen, beginnt ein Unbekannter ein mörderisches Spiel mit der jungen Polizistin zu treiben. Und alles Böse, was der Insel und Anna widerfahren ist, fügt sich plötzlich zu einem scheinbar unentrinnbaren Albtraum.
»Meisterhaft erzählt, höchst spannend und sehr bewegend.« SR3 über Sturmfeuer



Tim Erzberg entschloss sich nach dem Jurastudium, Literaturagent zu werden. Er vertrat unter anderem den berühmtesten deutschen Strafverteidiger Rolf Bossi und Zvi Aharoni, den Mann, der Adolf Eichmann aus Argentinien entführte, sowie mehrere ehemalige Geheimagenten. Seine dunklen Erfahrungen verarbeitet Tim Erzberg in Geschichten, in denen es nicht einfach nur Gut und Böse gibt.

1

SONNTAG

Natürlich musste das an einem Sonntag passieren. Die Insel bekam kaum Luft vor lauter Touristen, der Südstrand war voll von Spaziergängern, Dutzende Kinder tummelten sich auf den Spielplätzen, die Fähren waren bis auf den letzten Platz besetzt, um Ausflügler auf die Düne zu bringen oder von dort zurück auf die Hauptinsel. Vor den Strandcafés warteten die Leute auf einen freien Tisch – und oberhalb der Hummerbuden, wo sich, wie an solchen Tagen üblich, zahllose Menschen zu Krabbensalat, Fischbrötchen, Knieper oder auch nur zu einem Bier versammelt hatten, war geschehen, was irgendwann hatte geschehen müssen: Ein Teil des Hanges war abgerutscht. Eigentlich waren ja gerade Sicherungsarbeiten im Gange gewesen. Aber die Arbeiter waren wegen der starken Regenfälle in der letzten Woche nicht schnell genug vorangekommen. Anna hatte es geahnt. Sie hatte die Baustelle mehrmals besucht, hatte sorgenvoll auf die Stahlträger geblickt, die noch unverbaut an der Seite lagen, statt das Erdreich zu stützen. Und es war eingetreten, was hatte eintreten müssen: Die Arbeiter waren weg – und der Hang war abgesackt. Nur einige Meter. Es waren keine Menschen zu Schaden gekommen. Ein kleiner Teil des Invasorenpfads war verschüttet worden, aber man konnte noch seitlich daran passieren, vorausgesetzt, es kam nicht zu weiteren Erdrutschen. Im ersten Moment hatte Anna sogar eine Art Genugtuung empfunden, weil man ihre Sorgen nicht ernst genommen hatte. Doch dann hatte sich die ganze Dimension des Problems gezeigt. Und es war eine Dimension, die man nicht einmal ansatzweise einschätzen konnte – weder sie noch Paul Freitag, ihr Vorgesetzter, noch gar die Arbeiter, die angesichts des Problems im ersten Moment die Panik gepackt hatte.

Und nun saßen die Inselbewohner auf einem Pulverfass – wortwörtlich. Eine kleine Veränderung, eine Unachtsamkeit, eine unbedachte Aktion und es würde zur Katastrophe kommen. Helgoland war eine zauberhafte Insel. Immer gewesen. Oder jedenfalls fast immer. Aber sie war auch eine zerbrechliche Schönheit. Mehr denn je. Der Fels im Meer, er bot den Menschen Schutz. Aber er war auch auf den Schutz durch die Menschen angewiesen. Eine Gefahr, wie sie jetzt eingetreten war, war schlicht nicht mehr vorgesehen für diese Insel. Auch wenn sie immer wieder eintrat. Immer noch. Nach all den Jahren und Jahrzehnten.

»Wir werden evakuieren müssen«, sagte Paul, der unbemerkt neben seine Kollegin getreten war.

»Sicher«, erwiderte Anna. »Je schneller, desto besser.«

»Ausgerechnet am Sonntag.«

»Solche Dinge geschehen immer zur Unzeit.«

Paul seufzte. »Ich habe schon mit dem Bürgermeister, mit den Reedereien, mit der Kurverwaltung und mit der Hafenmeisterei gesprochen.«

»Der Hafenmeisterei?«

»Wenn es schnell gehen muss, brauchen wir auch die Frachtschiffe. Da können wir nicht warten, bis uns Cassen Eils ihre Flotte rüberschickt.«

Anna betrachtete das Monster, das vor ihnen aus der Erde ragte, und atmete schwer. »Wir werden aufpassen müssen, dass keine Panik ausbricht.«

»Wir werden warten, bis die Tagestouristen wieder weg sind. Dann informieren wir die Insulaner und die Übernachtungsgäste.«

Anna nickte. »Das klingt sinnvoll. Wie lange werden wir brauchen?«

»Beim letzten Mal waren es zwei Tage.«

»Das war im Winter, oder?«

»Ja. Da hatten wir nur die tausend Menschen zu evakuieren, die auf der Insel leben.«

»Wie viele haben wir aktuell?«

»Elftausendvierhundert.«

»Davon fünfzehnhundert Einheimische.«

»Yup. Die sind das Problem.«

Anna musste lächeln. Die Halunder waren ein sympathisches Völkchen, vor allem aber ein eigensinniges. Einem echten Helgoländer zu sagen, er müsse seine Insel verlassen, war ein mehr als schwieriges Unterfangen. Die Insulaner hatten den Fels mehr als einmal verlassen müssen. Jedes Mal zwangsweise. Und ihre Rückkehr war stets ungewiss gewesen. »Wir könnten sie auf den Nordteil evakuieren«, schlug sie vor.

»Vielleicht«, entgegnete Paul. »Wir können es sowieso nicht selbst entscheiden. Aber wenn ich mir das Ding so ansehe … Ich schätze, das Problem ist zu groß, um nur ein klein wenig in Deckung zu gehen.«

Trotz des milden Tages und der strahlenden Sonne lief Anna ein Schauder über den Rücken. Ja, das Ding hatte etwas Furchterregendes. Und das lag nicht nur an seinem Bestimmungszweck, sondern auch daran, dass es so groß war, wie Anna es bisher nur an einem Ort gesehen hatte: drüben beim Schwimmbad. Da hatten sie so eines ausgestellt oder vielmehr: aufgestellt. Eine Fünftausendkilo-Bombe, ein Monstrum mit einer Zerstörungskraft, die man sich in friedlichen Zeiten kaum vorstellen konnte. Und hier ragte sie aus dem Erdreich wie ein schlafendes Raubtier, das, wenn man es weckte, alles zerreißen würde, was ihm unterkam. »Mitten im Ozean schläft bis zur Stunde ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde«, flüsterte Anna.

Paul atmete schwer. Dann sagte er mit rauer Stimme: »Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken, und Hunderttausende sind ertrunken.« Trutz, Blanke Hans, dachten sie beide, und jeder von ihnen wusste, dass der andere es dachte. Liliencrons altes Gedicht über die legendäre Stadt Rungholt, das sie alle in der Schule gelernt hatten, das jeder Halunder kannte und an das jeder bei jedem Sturm dachte. Das Lied von der Insel, die in der Nordsee versunken und von der nur noch die Erinnerung geblieben war. Ob es dem roten Felsen einst auch so ergehen würde? Ob der Tag womöglich näher war, als sie es sich hätten ausmalen können?

Als hätte er ihre Gedanken gelesen, erklärte Paul: »Eine einzige Bombe wird die Insel nicht versenken.«

»Nein, Paul. Das wird sie nicht. Sie kann Menschen töten, aber nicht Helgoland.«

Denn auch das wussten die Insulaner: Helgoland war unsinkbar. Zumindest beinahe. Die Insel hatte unendlich schwere Bombardements überlebt, sie würde nicht an einem einzelnen Monstrum zugrunde gehen, wie groß es auch sein mochte. Und dieses Monstrum war groß. Riesig.

*

Natürlich hatte sich der Fund herumgesprochen. Doch statt sich in sicherer Entfernung zu halten, drängten sich immer wieder und immer mehr Neugierige um die Fundstelle. Anna wurde übel, wenn sie sich bewusst machte, dass etliche der Schaulustigen praktisch genau unterhalb des Blindgängers standen, um mit ihren Handys die besten Fotos für ihre Profile zu schießen. Wenn das poröse Erdreich nur ein wenig mehr nachgab, musste das verfluchte Ding nicht einmal explodieren, um Menschenleben zu kosten. Der Koloss war schwer genug, ein Dutzend Umstehende in den Tod zu reißen oder schwer zu verletzen.

Natürlich hatten sie die Fundstelle notdürftig mit Absperrband gesichert. Und jetzt hielt Anna Wache, während Saskia sich um die Polizeistation kümmerte und Paul das weitere Vorgehen mit der Verwaltung besprach und alle darauf warteten, dass der Kampfmittelräumdienst auf die Insel kam. Ein Einsatz der Seenotrettung verbat sich, weil im Notfall Verletzte evakuiert werden mussten. Also hatte Paul die Küstenwache organisiert, die bereits mit mehreren Spezialisten auf dem Weg war und voraussichtlich in zwei Stunden eintreffen würde. Ein Vorauskommando war inzwischen in der Luft und musste jeden Augenblick auf der Düne landen. Immerhin war die MS Helgoland inzwischen ausgelaufen und der Halunder Jet hatte die Motoren angeworfen, sodass bald eine große Anzahl an Touristen die Insel würde verlassen haben. Jeder Mensch weniger, der sich in dieser Situation auf der Insel aufhielt, war ein Risiko weniger.

»Ganz schönes Kaliber«, hörte Anna jemanden schräg hinter sich sagen. Sie fuhr herum, um den Mann von diesem Ort zu verscheuchen. »Oh, Herr Eck«, sagte sie. Saskias Vater, der seit einigen Monaten auf der Insel lebte. Oder vielmehr: seine Entziehungskur machte. »Ja. Ein gewaltiges Ding. Eine der größten Bomben, die die Briten für Helgoland übrighatten.«

»Aha.« Der alte Mann musterte den rostigen Koloss ungerührt. »Schon erstaunlich, dass man immer noch Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg findet, was?«

»Überhaupt nicht, Herr Eck«, erwiderte Anna. »Seit Kriegsende waren es allein auf Helgoland über zweitausend.«

»Zweitausend! Mein Gott …«

»Es sind jedes Jahr mehrere.« Sie betrachtete das Monstrum, das nur sechs oder sieben Meter entfernt aus dem Erdreich ragte. »Aber es war noch nie eine so große. Zumindest nicht, soweit ich weiß.«

»Das heißt, Sie wissen gar nicht, was passiert, wenn das Ding hochgeht.«

»So kann man es sagen.«

Es war schon bemerkenswert. Sie hatte Eck auf dem Dom in Hamburg kennengelernt, einen Penner, der mit Glück eine Schussverletzung überlebt, obwohl er eigentlich schon mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Ein verrückter Zufall hatte es gewollt, dass er bei der Gelegenheit seiner Tochter wiederbegegnet war, nach vielen Jahren: Saskia Berneking, Annas Kollegin. Aber dass Saskia ihn zu sich auf die Insel holen würde, damit er wieder zurückfände in ein normales Leben, damit hätte Anna nie gerechnet. Nicht bei Saskia, die ein Biest war, eigensüchtig, eitel und lebenshungrig – vor allem: männerhungrig. Und doch hatte sie es getan. Also war Eck seit einigen Monaten im Inselklinikum untergebracht, das zwar keine Entzugsklinik war, aber immerhin seine neurologischen Ausfälle behandeln konnte. Dass man ihn nebenbei auch noch möglichst schonend trockenlegte, war ein Deal, den Paul für die junge Kollegin eingefädelt hatte.

»Dann hoffen wir mal das Beste«, sagte...

Erscheint lt. Verlag 24.3.2020
Reihe/Serie Anna Krüger
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anna Krüger • Deutsche Krimis • Geisterfahrt • gute Thriller • Helgoland • Hellgoland • Hell-Go-Land • Inselkrimi • Krimi • Krimi Bücher • Kriminalroman • Kriminalroman Bestseller • kriminalroman deutsch • Krimi Neuerscheinungen • Krimi Neuerscheinungen 2020 • Krimi Thriller • krimi und thriller • Nordseekrimi • Sturmfeuer • Thriller Buch
ISBN-10 3-95967-918-1 / 3959679181
ISBN-13 978-3-95967-918-3 / 9783959679183
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